Montag, 21. Mai 2018

Keine Kirchenkritik, nirgends.


Das ist auch nicht ganz einfach, sich zu beherrschen keine billigen Namensverballhornungen zu machen, wenn man eine WDR-Dokumentation über die katholische Kirche scharf kritisieren will und der Produzent, ein ehemaliger Stipendiat vom katholischen Cusanuswerk, Dr. Stefan Pannen heißt.

[….] Die Bischöfliche Studienförderung Cusanuswerk ist das Begabtenförderungswerk der katholischen Kirche in Deutschland im Rahmen staatlicher Begabtenförderung. [….] Die Geförderten sollen befähigt werden, ihre Talente und ihr Gestaltungsvermögen in christlicher Verantwortung dort einzubringen, wo die Zukunft des Gemeinwesens entschieden wird: in Staat, Gesellschaft und Familie, Wissenschaft und Kirche, Wirtschaft, Kultur und Medien.
Wir wählen Studierende und Promovierende aus, die ihren christlichen Glauben leben, in ausgeprägtem Verantwortungsbewusstsein für das Gemeinwohl handeln und hervorragende akademische Leistungen erwarten lassen. [….] Das Cusanuswerk versteht sich als Ort der Kirche. Es ist sich der Bedeutung des christlichen Glaubens für das  Gelingen einer freiheitlichen Gesellschaft bewusst und betont den wechselseitigen Bezug von Wissenschaft und Glauben. Die Geförderten des Cusanuswerks wollen in christlichem Verantwortungsbewusstsein der Kirche  und der Welt dienen. […..]

Für den äußerst kirchenfreundlichen WDR eine Ehrensache einen Cusanuswerker zu engagieren, wenn er eine kritische (das war Ironie!) Dokumentation über die katholische Kirche in Auftrag gibt.

Ich kenne es gar nicht anders. Kaum ein deutsches Medienhaus, das es wagt die Kirche mit einem Atheisten oder gar Kirchenkritiker zu belästigen. Die Kirche wird stets in Watte gepackt.
Nur fromme Journalisten dürfen über die Frommen im öffentlichen Auftrag sprechen.

Das ist einer der von mir immer wieder beklagten Presse-Missstände.
Alle Kirchenthemen werden von frommen Gläubigen behandelt.
Dafür hat Springer Badde und Englisch, der Tagesspiegel die unvermeidliche Claudia Keller, die Zeit Frau Finger und die SZ eben Matthias Drobinski.
(……) Man stelle sich vor über die CDU würden nur noch CDU-Mitglieder schreiben. Oder nur noch Soldaten über die Bundeswehr. 

Geht es um die Grundfrage des Christentums in Deutschland – was geht da eigentlich so sagenhaft schief, daß jedes Jahr Hunderttausende aus der Religionsgemeinschaft flüchten, während aus anderen Kontinenten ein reger Zulauf herrscht – wird es bei den großen Zeitungen ganz gediegen.

Der WDR bezahlt mit den von der Majorität der kirchenfernen Gebührenzahlern finanzierten Mitteln ein ganzes Imperium aus Kirchenbauchpinselungen.
Jeden Tag gibt es ein halbes Dutzend Christen-Werbesendungen unter der Rubrik „Kirche im WDR.“

So erfuhr ich vor einigen Wochen ebenfalls im WDR in einer herzzerreißenden Langzeitreportage von Nikolas Jenke, der so VERLIEBT IN GOTT ist, daß er im Duisburger Priesterseminar hockt. 45 Minuten bejubelte der WDR den jungen Pykniker, der sein Leben einer misogynen Kinderfickersekte widmet.

Herr Pannen sollte hingegen eine dezidiert kritische Reportage machen.
Es ging um die allseits bekannte Tatsache der Gemeindeschrumpfungen, des dramatisch zurückgehenden Priesternachwuchses und den sich daraus ergebenden Friktionen zwischen frommer Basis und Kirchenfürsten, die nicht mehr jeder Gemeinde ihren eigenen Pfaff stellen können.

[……] Die katholische Kirche ist in der Krise. Mangels Nachwuchs sind inzwischen viele Priesterseminare geschlossen, Pfarrgemeinden wurden drastisch zusammengelegt, was die verbliebenen Gläubigen auf die Barrikaden bringt. Ist die Kirche in Deutschland am Ende? Kann die Kirche ohne Priester überhaupt noch funktionieren?
Die Dokumentation erkundet zudem, wo die katholische Kirche ohne Priester neue Wege erfindet: an sozialen Brennpunkten wie in Frankfurt-Höchst, wo sie sich aus dem Gotteshaus hinaus zu den Menschen begibt, im Kampf von Gemeindemitgliedern in der Eifel um den Erhalt ihrer Pfarreien, in der Schweiz, wo Frauen am Altar stehen dürfen und im Amazonasgebiet, in dem mit dem Segen aus Rom künftig verheiratete Männer die Gottesdienste leiten sollen. [….]

Zwei mögliche Ursachen der sterbenden Priesterseminare konnten ausgemacht werden: Der Zölibat und das Verbot des Frauenpriestertums.
Daran orientierte sich die 45-minütige Pannen-Reportage.


Die möglichen Auswege aus der Krise sind laut dieser Reportage Importpriester aus Afrika und Asien, Aufweichung des Zölibats, Wortgottesdienst, möglicherweise Zulassung der Eucharistie für besonders fromme und lange engagierte katholische Laien, sowie zusätzliche Verantwortung für engagierte Frauen in der Kirche.
Alle genannten Argumente kann ich schon singen. Gemeindezusammenlegungen und Kirchenschließungen aus Priestermangel sind seit Jahren ein präsentes Thema.

Schon zu Kreuznets Zeiten wurde den Pannen-artig Argumentierenden entgegengeworfen, daß die Evangelen bekanntlich keinen Zölibat verlangen, sogar mindere Weibsbilder zu Bischöfen machen und dennoch mehr Mitglieder verlieren als die Katholiken.

Man kann das nicht ganz von der Hand weisen.
Wieso gab es vor hundert Jahren und auch noch vor 50 Jahren trotz Zölibats und ohne Frauenpriestertum noch reichlich Priesternachwuchs und heute nicht mehr?
Hatten die Männer im Jahr 1918 keinen Geschlechtstrieb, fiel ihnen der Zölibat so viel leichter?

Natürlich nicht. Es spielen andere Faktoren eine Rolle:

1.) Schwulenemanzipation.

Vor 100 Jahren konnte kein bayerischer männlicher Teenager feststellen Jungs zu lieben, dazu stehen und einen normalen Lebensweg gehen. Er mußte das verheimlichen, da anderenfalls Zuchthaus drohte. Aber je älter er wurde, desto eigenartiger wurde es, daß er nicht verheiratet ist, sich nichts aus Frauen macht. Es würde getuschelt werden.
Die einzige Möglichkeit für Schwule all diesen Fragen aus dem Weg zu gehen, war das Priesterseminar. Hier würde er Gleichgesinnte treffen und niemand fragte mehr, wieso er kein Eheweib nehme.
Daß dieser Notausstieg Priesterseminar wegfällt, weil inzwischen auch Jungschwule im kleinsten katholischen Dorf Internet haben, sich outen und ein glückliches Leben führen können, ist ganz schlecht für die Regens.

2.) Sozialstaat

Vor 100 Jahren gaben viele elterliche Betriebe und Bauernhöfe nicht genug her, um alle Söhne – von denen man mangels Verhütungsmethoden reichlich hatte – zu ernähren. Da war es eine notwendige pekuniäre Entscheidung das jüngste Balg ins Priesterseminar zu schieben.
Heute hingegen ist es (theoretisch) möglich alle Kinder auf Staatskosten studieren zu lassen was sie wollen. Sie müssen dazu nicht Geistlicher werden.

3.) Bildung

Je doofer, desto gläubiger. Vor hundert Jahren waren die Menschen gottesfürchtiger, weil sie es nicht besser wußten. Die meisten besaßen Volksschulbildung und nicht mehr.
Mit der freien Verfügbarkeit von Bildungsinhalten und der immer weniger stattfindenden Sanktionierung von Fragen, kann man kirchliche Lehren hinterfragen und zu dem Schluss kommen, daß das großer Mist ist.

All diese Zusammenhänge erwähnte Cusanuswerker Dr. Stefan Pannen natürlich nicht in seiner dreiviertelstündigen Reportage.

Es wurde gar nicht erst versucht einen objektiven journalistischen Blick auf das Problem zu werfen, sondern voller Sympathie für die Kirche rein subjektiv geschildert wie sehr man sich an der Basis bemüht.
Die fromme Kirchenfreundin Christiane Florin (Rheinischer Merkur/Christ und Welt/Redaktion „Religion und Gesellschaft“ beim DLF) wurde als Hauptexpertin für die Nachwuchsprobleme instrumentalisiert.

Es wurden nur kirchliche Menschen um Meinungen gefragt und der Gedanke, daß es positiv oder richtig sein könnte, wenn die Kirchen Einfluss und Gemeinden verlieren, war so absurd, daß er noch nicht mal gestreift wurde.
Durch jeden Satz zogen sich wieder einmal die Grundgedanken:

KIRCHE IST GUT
KIRCHE MUSS ERHALTEN WERDEN
WENIGER PFARRER SIND EIN VERLUST
JEDER HAT INTERESSE DARAN DIE KIRCHE ZU STÄRKEN
KIRCHE SOLL WIEDER STÄRKER WERDEN

Selbstverständlich kam kein einziger Kirchenkritiker zu Wort.

Dabei brachte die Pannenreportage Erstaunliches fertig.
Obwohl ausführlich der Limburger Bischof Georg Bätzing interviewt wurde und Limburger Gemeindezusammenlegungen thematisiert wurden, kam nicht mit einer Millisekunde das Gespräch auf seinen Vorgänger Tebartz-van-Elst und die ungeheuerlichen Finanzskandale, die so viele Menschen in dem Bistum aus der Kirche trieben.

Lieber Herr Pannen, liebe Frau Florin, die Bischöfe müßten nicht die Anzahl der Gemeinden radikal zusammenstreichen, wenn es genügend Gemeindemitglieder gäbe.
Die gibt es aber nicht, weil die Gläubigen massenhaft austreten und wir Konfessionslosen nun die relative Mehrheit der Deutschen stellen.

Auch das wurde in 45 Minuten mit keiner Silbe erwähnt.

Kirchen werden leerer, weil sie unattraktiv und überflüssig sind in einer sozialen gebildeten Gesellschaft.
Die Menschen sind gebildet genug, um sich von der RKK abgestoßen zu fühlen.
Der Organisation, die Frauen noch nicht mal zu den minderen geistlichen Ämtern zulässt, die gegen Gleichberechtigung Homosexueller kämpft, die dreistellige Milliardensummen hortet, auf ein diskriminierendes „Juden unerwünscht“-Arbeitsrecht besteht, geschiedene Kindergärtnerinnen entlässt, sich raffgierig vom Staat unterhalten lässt, mit den rechtesten Parteien und faschistoiden Regierungen harmoniert und sich bis heute nicht dazu durchringen kann ihre kinderfickenden Priester rauszuwerfen und etwas dagegen zu unternehmen, daß die Priesterseminare gezielt sexuell verklemmte Merkwürden anziehen.
Natürlich wurde in „Kirche ohne Priester“ auch das Wort „Missbrauchsskandal“ oder Pädophilie“ nicht ein einziges Mal erwähnt.
I’ve got news for you: Viele Menschen mögen es nun einmal nicht, wenn eine Organisation sich systematisch für Kinderficker einsetzt.