Sonntag, 20. Januar 2013

Stunde der Taktiker.


Als ob es die letzten drei Jahre gar nicht gegeben hätte.
Der schlechteste Parteichef aller Zeiten, der unfähigste Vizekanzler aller Zeiten und der Vorsitzende der käuflichsten Lobbygruppe der Geschichte der Bundesrepublik steht heute Abend als großer Sieger mit einem Zehn-Prozent-Ergebnis da.
Der Mann, dessen politisches Aus 99,9% aller Politanalysten für absolut sicher hielten, würde im Kreis grinsen, wenn er keine Ohren hätte.
Fipsi ist glücklich, die FDP jubelt, eine weitere Legislaturperiode schwarzgelbe Merkel ist deutlich wahrscheinlicher geworden.

Und dabei schien über zwei Jahre ein rotgrüner Durchmarsch in Niedersachsen so sicher, daß man sich keine großen Sorgen um die Bundestagswahl im Herbst 2013 machen mußte. Das Ergebnis von Hannover würde einen solchen Boost geben und die Bundesrat so massiv verändern, daß bestimmt ein Sozi ins Kanzleramt einzöge.
Und nun das!
Patt.
Bisher.

Wie konnte DAS geschehen?
Dafür gab es natürlich ein Bündel von Ursachen.

Die Journaille rottet sich zusammen, um in weitgehender Eintracht die SPD und Steinbrück runter zumachen.
Es handelt sich um eine kollektive Kampagne, aus der so gut wie niemand ausscheren mag. 
Fast alle Zeitungen sprechen fälschlicherweise davon Steinbrück hätte „eine Kampagne für ein höheres Kanzlergehalt losgetreten“.
Das ist glatt gelogen. Die konservative FAS hatte ihm diese Fangfrage gestellt und statt wie die Merkels und McAllisters dieser Welt verschwurbelte, nichtssagende Sprechblasen abzulassen und dem Wähler Honig um den Bart zu schmieren, tat Steinbrück das Ungeheuerliche. 
Er antwortete ehrlich und sprach eine simple Wahrheit aus.
P.S.: Nahezu jeder Sparkassendirektor in Nordrhein-Westfalen verdient mehr als die Kanzlerin. Abgeordnete des Bundestags arbeiten fast sieben Tage die Woche, durchschnittlich zwölf bis 13 Stunden. Sie sind gemessen an ihrer Leistung nicht überbezahlt. Manche Debatte, die unsere Tugendwächter führen, ist grotesk und schadet dem politischen Engagement.

F.A.S. Verdient die Kanzlerin zu wenig?

P.S.: Ein Bundeskanzler oder eine Bundeskanzlerin verdient in Deutschland zu wenig - gemessen an der Leistung, die sie oder er erbringen muss und im Verhältnis zu anderen Tätigkeiten mit weit weniger Verantwortung und viel größerem Gehalt.

F.A.S. Ist es nicht so, dass in der Wirtschaft zu viel und nicht in der Politik zu wenig verdient wird?

P.S.: In der Wirtschaft werden Managergehälter in der Regel privatrechtlich ausgehandelt. Da hat die Politik nichts zu suchen. Die Politik kann höchstens Sorge dafür tragen, dass durch Steuern einiges abgeschöpft wird von den exorbitanten Gehältern, die teilweise gezahlt werden, oder diese nicht als Betriebsausgaben voll absetzbar sind.
Aber Klartext ist unerwünscht.
Der Urnenpöbel will wie ein Dreijähriger behandelt werden, mit weichem Brei gefüttert werden und keinesfalls mit unangenehmen Wahrheiten konfrontiert werden.
So gut wie alle Politiker huldigen dieser „bleibe-im-Ungefähren-und-versprich-was-der-Wähler-hören-will“-Regel.
Der grüne Spitzenkandidat in Niedersachsen springt gleich auf den Zug und biedert sich ebenfalls an, macht das verlogene Spiel mit.
[Der Grüne Stefan] Wenzel stellte die Integrität Steinbrücks infrage. „Offenbar hat Peer Steinbrück die Bedeutung des Wortes Minister missverstanden. Es kommt von dienen, nicht von verdienen“, sagte er der F.A.S. Abgeordnete sollten Vorträge kostenlos halten oder ihr Honorar spenden, „anstatt damit ein Geschäftsmodell aufzubauen wie Herr Steinbrück“.
Liz Mohn und Friede Springer haben die Daumen gesenkt.
Lange Zeit war es sein Markenzeichen und ein Garant für gute Umfragewerte: Peer Steinbrück ist einer der wenigen Politiker, der sagt, was er denkt. "Klare Kante" nennt man diese Eigenschaft, und man findet sie selten bei deutschen Politikern, die sich nur allzu gerne diplomatisch äußern und im Ungefähren bleiben.

Peer Steinbrück ist da anders - doch seit er Kanzlerkandidat ist, muss er feststellen, dass zu viel Ehrlichkeit auch nach hinten losgehen kann. Die Debatte über das Kanzlergehalt - eigentlich hat Steinbrück nur das gesagt, was seit Jahren viele Politiker sagen: In der freien Wirtschaft wird man besser bezahlt als in der Politik. Doch als Kanzlerkandidat, der gerade eine Diskussion über Nebenverdienste hinter sich hat, hätte man auf diese Äußerungen eigentlich verzichten müssen. Nicht so Steinbrück: Ehrlichkeit geht vor Diplomatie.
Somit blies der Niedersächsischen Opposition kräftiger Gegenwind ins Gesicht.

CDU und FDP im zweitgrößten Flächenland der Bundesrepublik haben sich taktisch sehr klug verhalten.
McAllister zog dauergrinsend durchs Land und imitierte die Mikado-Politik seiner adorierten Parteivorsitzenden. 
Bloß nicht festlegen, niemanden verärgern, keine Initiativen zeigen, nicht politisch handeln, keine Pflöcke einschlagen.
Dieses Verhaltensmuster ist das Grundübel der deutschen Politik. 
Damit haben wir mittlerweile ganz Europa in die Krise geritten: Nichthandeln. Die Märkte und Banker machen lassen, keine Grenzen aufzeigen, keine Führung.
Aber genau in dieser falschen Sicherheit will der Urnenpöbel leben.
Die FDP hat sogar noch ungenierter ihre Polit-Beliebigkeit inszeniert.
Sie inszenierte sich als völlig rückgratlose Stimmen-Hülle, die man bequem nutzen kann, um über „liberale“ Strohmänner im Landtag konservative Politik abzusegnen.
Die FDP hat ihren Erfolg in Hannover nicht Philipp Rösler zu verdanken; sie verdankt ihn Angela Merkel und der Tatsache, dass viele Wähler die CDU in Niedersachsen an der Regierung halten wollten. Zu diesem Zweck haben Wähler, die sonst Schwarz gewählt hätten, Gelb gewählt. Das macht die Stimmen nicht suspekt, das gehört zur Demokratie.

Wenn aber die FDP diejenigen, die für den Erfolg in Niedersachsen verantwortlich sind, an ihrer Spitze haben will, dann darf sie nicht Rösler, Brüderle oder Lindner benennen, dann muss sie Merkel zur FDP-Chefin und McAllister zum Vizechef machen; die haben die Liberalen in den Landtag von Hannover getragen.
Natürlich haben fast nur CDU-Stammwähler mit der Zweitstimme für die FDP gestimmt. 
Liberale Inhalte sind ihnen nicht nur egal, sie können sogar drauf vertrauen, daß FDP-Forderungen wie „steuerliche Gleichstellung der Homo-Ehe“ ohnehin nicht durchgesetzt werden, daß die FDP im Parlament tumb mit der CDU gegen Homorechte stimmt.
Die Taktik FDP zu wählen, scheint für CDU’ler zu funktionieren. 

Offensichtlich sind sie in der Lage nicht nur stumpf ihre CDU anzukreuzen, sondern auch 30 Sekunden darüber nachzudenken, wie man am besten einen CDU-Ministerpräsidenten ins Amt bekommt.
 
Das ist eine intellektuelle Leistung, die ungefähr der Denkfähigkeit eines Schimpansen entspricht.
Aber das soll man nicht geringschätzen. 
Denn mit dem Stimmensplitting haben sich diese CDU-via-FDP-Wähler immerhin noch erheblich klüger als die 2,0% Piratenwähler und die 3,4%-Linken-Wähler verhalten.
Man kann wohl unterstellen, daß diese insgesamt gut 5% auch keinesfalls McAllister im Amt behalten wollten, aber sie sind offenbar alle zu dumm, um zu erkennen, daß sie mit ihrem Wahlverhalten die fünfte Kolonne der Konservativen bilden! Danke Linke und Piraten für die FDP-CDU-Stütze.
Wir haben ein PATT!
Wenn nur ein paar Tausend Linke oder Piraten mehr das Wahlsystem begriffen hätten und mit zusammengebissenen Zähnen für Grüne oder SPD gestimmt hätten, wäre Schwarzgelb am Ende.
Aber diese Bis-zur-Nasenspitze-Denker sind die treuen Erfüllungsgehilfen von schwarzgelber Klientelpolitik.
Ein paar IQ-befreite Piraten und Linke in Niedersachsen haben der gesamten Bundesrepublik nun einen starken Spin in Richtung mehr Waffenexporte, weniger Bürgerrechte, Industriehörigkeit und Umverteilung von unten nach oben gegeben.

Was hat Frau Merkel nur für ein Glück, daß sie sich auf das kurzsichtige Sektierertum auf der linken politischen Seite verlassen kann.

Aber das ist eben unsere Demokratie. Die Herrschaft des unterbelichteten Urnenpöbels.



Es werden offensichtlich noch viele Jahre mit dieser unterirdisch debakulierenden Bundesregierung folgen. Die Schavans, Schröders, Röslers, Niebels, Westerwelles, Wulffs und Guttenbergs haben nicht ausgereicht, um dem deutschen Michel verständlich zu machen, daß diese Politik nicht richtig ist.