Mittwoch, 25. Juli 2012

Wie sich das Klein Mitt so vorstellt.



Die Geographie-Unfähigkeiten der Durchschnittsamerikaner sind Legende.


 Angeblich kann nur eine Minderheit der USAner die Nachbarländer ihrer eigenen Nation aufzählen. Dabei ist die Liste - Mexico und Kanada - durchaus überschaulich.
(Michael Moore schlug einst vor, Amerika dürfe keinen Krieg gegen ein Land beginnen, welches der Präsident nicht auf dem Globus finden könne. Der Irakkrieg wäre uns sicherlich erspart geblieben.)



Da ich diese Statistiken nicht selbst gefälscht habe, weiß ich nicht ob man ihnen trauen kann. Fest steht, daß solche Umfragen auch in Deutschland sagenhafte Unkenntnisse hervorbringen. Zeigt man einem Jugendlichen in Berlin bei einer Straßenumfrage eine Blind-Karte von Europa und bittet ihn die Länder zu benennen, wird er in vielen Fällen noch nicht einmal Deutschland finden.


Der Unterschied zu Amerika besteht darin, daß völlige erdkundliche und geopolitische Ahnungslosigkeit tendenziell eher peinlich ist.
Spitzenpolitiker, die wie Guido Westerwelle über keinerlei außenpolitisches Interesse verfügen und das Amt des Außenministers antreten, ohne jemals im Leben in Washington oder Paris gewesen zu sein, sind eher selten.
Es bekommt ihm auch nicht.
Den Job als Deutschlands oberster Diplomat gemütlich nebenbei auf einer Arschbacke abzusitzen, während er weiterhin seiner Vorliebe für Parteipolitik frönt und die innenpolitischen Strippen zieht, war der Plan.
Ein Plan, der katastrophal scheiterte.
Westerwelle verlor zwei seiner drei Ämter, riss seine Partei und die Regierung in den Abgrund und hat heute die politische Autorität eines Plattwurms.
Vermutlich würde er es noch nicht mal mehr schaffen zu röslern (=durch dummerhaftige Bemerkungen Europas Börsen abstürzen lassen). Selbst, wenn er wollte, gelänge dies nicht, weil ganz Europa weiß, das Wort des deutschen Außenministers ist bedeutungslos - und wenn er mit dem Fuß aufstampfend noch so einen Veitstanz aufführte.
 „Ich bin nicht als Tourist in kurzen Hosen hier. Was ich sage, zählt!“


Der deutsche Urnenpöbel weiß zwar auch keine Lösungen für die europäische Finanzkrise, den Afghanistanabzug oder die Lyse Syriens, aber er ärgert sich dennoch, wenn der zuständige Minister geistig entleert von Fettnapf zu Fettnapf hüpft.

In Amerika läuft das ziemlich anders. Es gibt zwar durchaus professionelle Außenpolitik-Experten und Personen, die sich wie Hillary Clinton so sehr in die Sache hängen, daß sie sich beim vielen Rumfliegen gelegentlich schon selbst begegnen. 


Aber selbst der mächtige Außenpolitik-Ausschuss des Senats (U.S. Senate Committee on Foreign Relations) wird zunehmend von Vollhorsten besetzt.


Hinter dem Politfuchs und Vorsitzenden John Kerry gibt es unter den weiteren 18 Mitgliedern auch Typen wie die beiden 41-Jährigen Teebeutler Marco Rubio (Senator aus Florida) und Mike Lee (Senator aus Utah). 

Mitglied des Außenpolitikausschusses ist außerdem der ultrakonservative Quäker James Mountain „Jim“ Inhofe aus Oklahoma, der sich den Kampf gegen Schwule auf die Fahnen geschrieben hat. 



Weiterhin setzt er sich massiv für totale Waffenfreiheit und Pflichtschulgebete ein.
Ein Chefaußenpolitiker ist außerdem Senator James Warren „Jim“ DeMint (South Carolina)
Nach einem Ranking des National Journal war DeMint im Jahr 2007 der Senator mit dem konservativstem Abstimmverhalten. […]  Während der Regierungszeiten der Präsidenten Bush und Obama lehnte er regelmäßig Ausgabensteigerungen ab und stimmte auch gegen die „Bailouts“ für Banken und Firmen während der Finanzkrise 2008.  Er ist Mitglied der christlich-fundamentalistischen Organisation The Family und lehnt Abtreibungen kategorisch, d.h. auch nach Inzest oder Vergewaltigung ab und tritt für das Schulgebet ein.
(Wiki)

Für Republikaner gilt es geradezu als eine Art Vaterlandsverrat außenpolitische Kenntnisse zu haben.


George W. Bush, der vor seinem Wahlkampf 2000 angeblich noch nicht einmal einen Reisepass besaß, weil er die USA nie verlassen hatte, kokettierte geradezu damit nichts von der Welt zu wissen. Es funktionierte und machte ihn sympathisch für all die amerikanischen Hillibillies, die auch nie im Leben das Land verlassen würden.

Auch Sarah Palin beantragte im Präsidentschaftswahlkampf 2008 ihren ersten Pass. 
Vorher begnügte sie sich damit Russland quasi von ihrem Wohnzimmer aus sehen zu können und bewies ihre sagenhafte Ahnungslosigkeit Tag für Tag. Auch sie wurde zur Ikone und hat Millionen Fans.
Diese Zimmertemperatur-IQ-Frau erschien McCain damals übrigens wesentlich geeigneter für das Vizepräsidentenamt als ein gewisser Mitt Romney, der ebenfalls im Gespräch war.


GOPer können mit ihrer Doofheit punkten.

 Auch die Kandidaten Rick Perry und Herman Cain waren beinahe stolz, als ihre enormen außenpolitischen Bildungslücken offenbar wurden.



Der hochgebildete John Kerry scheiterte unter anderem 2004 daran, daß er UND seine Frau als „Polyglotte“ enttarnt wurden.
 Wer noch andere Sprachen außer „amerikanisch“ spricht, gilt als suspekt.

Der aktuelle Präsidentschaftskandidat Mitt Romney ist ebenfalls ein außenpolitisches Greenhorn. Man weiß aber, daß er theoretisch französisch sprechen können sollte, da er zwei Jahre als Mormonen-Missionar in Frankreich lebte.
Romney weigert sich aber aus gutem Grund beharrlich in der Öffentlichkeit ein einziges französisches Wort zu reden - seine teebeutelnden Wähler würden es ihm verdammt übel nehmen.



Selbst für die weit nach rechts in politische Abseits gerutschten US-Republikaner gehört es sich aber traditionell im Wahlkampf eine Auslandsreise anzutreten.
Es könnte ja noch zwei oder gar drei Wähler geben, denen Außenpolitik nicht völlig egal ist
Dabei hatte Romney schon im Vorwahlkampf klar gemacht was er von der „Welt da draußen“ hält: 

Militärische Aktionen sind gut, Israel muß bedingungslos unterstützt werden und alle Europäer sind böse sozialistische Scheißer.

"Zum Teufel", hat der Präsidentschaftskandidat gerufen, "Europa funktioniert nicht mal in Europa!" Und der Präsident? Barack Obama hole sich Rat bei den Europäern, "er will uns zu einer Nation der Leistungsempfänger machen".
So munter ging es zu während des Vorwahlkampfs der Republikaner. Auf Veranstaltungen, wo sie Obama für einen Sozialisten halten, also quasi einen Europäer. Der Kandidat Romney indes ließ keinen Zweifel daran, dass er keineswegs gedenkt, sich und Amerika in den Strudel des untergehenden Abendlands hineinziehen zu lassen. […] Neben stetem Europa-Bashing ist er mit Verbal-Attacken auf Chinesen und Russen aufgefallen. Das rote Riesenreich nannte er einen Währungsmanipulator; Russland "ohne Frage unseren geopolitischen Gegner Nummer eins". Gegen Irans Mullah-Regime fordert er eine härtere Linie, Obama wirft er vor, Israel zu "opfern". Den US-Militärhaushalt will er aufstocken, 100.000 zusätzliche Soldaten rekrutieren. Die Festlegung auf 2014 als Jahr des Abzugs aus Afghanistan hat er stets kritisiert.

Romneys „Weltreise“ beginnt jetzt.
Natürlich fragte man sich, welche Länder er besuchen würde.
 China und Russland, die Schlüsselstaaten im UN-Sicherheitsrat?
 Würde er es Obama nachmachen und in Berlin aufschlagen? Immerhin ist Deutschland zweifelsohne der Hauptakteur der Europäischen Finanzkrise. Ohne Berlin geht nichts.
Der Nahe Osten? Wird der GOPer sich selbst ein Bild von den Umbrüchen in Ägypten und Tunesien machen?
 Oder denkt er womöglich an das für die USA so ungemein wichtige Süd- und Mittelamerika? Mexiko? Brasilien? 

Truppenbesuche in Bagdad oder Kabul?

Von Mittwoch an bereist er in sechs Tagen drei Länder: Großbritannien, Israel, Polen. Der Kandidat, so erklärt seine Kampagne, wolle demütig "lernen und zuhören". Und der Trip folge einem roten Faden. Alle drei Nationen seien "Säulen der Freiheit" und treueste Verbündete.
[…] Romneys Berater wollten katholische und jüdische Wähler umgarnen - und von unterwegs eine bekannte Kernbotschaft nach Amerika schicken: "Sie wollen das Argument unterstreichen, Obama habe sich zu sehr um Amerikas Feinde gekümmert - und zeigen, dass Romney vor allem Amerikas Freunde und Alliierte unterstützen werde."
[…] Am wichtigsten ist Romneys PR-Beratern der Termin am Freitagabend. Da wird Romney allerlei US-Olympioniken treffen, und er wird an der Eröffnung der Olympischen Spiele teilnehmen.
Beispiel zwei, Israel. […]
Premier Benjamin Netanjahu, mit dem Romney seit Mitte der siebziger Jahre nach ihrer Zeit bei einer Consultingfirma in Boston befreundet ist, diente den Republikanern mehrfach als Kronzeuge [der Obama-] Kritik: Während einer Rede vor dem US-Kongress, in der Netanjahu sich ungewöhnlich offen gegen Obamas Nahost-Politik verwahrte, erntete der Israeli frenetischen Beifall.
 (Christian Wernicke, 25.07.2012)