Und
schon wieder einmal zeigt der Kalender eine „1“ - hohe Zeit für mich den
Blödmann des Monats zu küren.
Die
letzten vier Wochen zeigten wieder einmal eine reiche Auswahl des Wahnsinns und
der Dummheit.
In die
engere Wahl kamen bellizistische Grüne und grassierende Russophobie der Presse.
Eigentlich war schon
alles klar: Russland handelt "aus Schwäche" (Obama), Putin ist ein
"Verlierer" (SPIEGEL ONLINE), er lebt in einer "anderen
Welt" (Merkel), der Westen muss ihm "Grenzen setzen"
("Frankfurter Allgemeine"). Schon lange waren sich Machthaber und
Medien im Westen nicht mehr so einig wie in der Krim-Krise: Der irre Iwan
bricht das Völkerrecht, und wir müssen alle fest zusammenstehen.
[….] Im
Angesicht eines angenommenen Feindes lernen wir gerade den Unterschied zwischen
einem freien und einem unfreien Pressewesen: In Russland werden die Medien von
der Regierung gleichgeschaltet, bei uns übernehmen sie das gerne auch mal
selbst. Für den Journalismus wird die Krim-Krise damit zur Sinn-Krise. Wer es wagte, gegen den Strom der
gleichgerichteten Meinung zu schwimmen, bekam vor kurzem noch ein lächerliches
Etikett verpasst: "Putin-Versteher". […]
Aber da
ich schon so viel über Krim und Co geschrieben habe, bekommt den Titel der
Impudenz des Monats die Abschiebungs-Begleitkampagne des Bayerischen Roten
Kreuzes.
Wer
hätte das gedacht?
Lange
hielt ich mich selbst für den größten Zyniker aller Zeiten, aber nein, es gab
diesen Monat eine Aktion, die weit über das für mich erträgliche Maß zynisch
war. Zu zynisch, viel zu zynisch.
Seht
selbst:
Das
durch den FREISTAAT BAYERN geförderte „Rückkehrhilfeprojekt der AWO Nürnberg
und BRK Nürnberg-Stadt“ stellt die Abschiebung von „illegalen Menschen“ als
tolle Chance dar:
Rückkehr
in die Heimat bedeutet
Verwandte und Freunde wiederzusehen,
sich im vertrauten Kulturkreis zu bewegen,
sich in der Muttersprache auszudrücken.
Rückkehr
bedeutet auch
Neubeginn,
gesellschaftliche Anerkennung und
die Chance, neue berufliche Perspektiven
wahrzunehmen.
Es
gibt für mich kaum eine größere moralische Katastrophe als die Abschiebepraxis
Deutschlands, bei der jeden Tag in Nacht- und Nebelaktionen Familien
auseinander gerissen werden.
Man steckt Kinder, die ihr Leben lang in Deutschland waren, von eben auf jetzt in ein Flugzeug und setzt sie dann in einer Gegend aus, die sie nicht kennen. In einem Land, dessen Sprache sie nicht sprechen.
Man steckt Kinder, die ihr Leben lang in Deutschland waren, von eben auf jetzt in ein Flugzeug und setzt sie dann in einer Gegend aus, die sie nicht kennen. In einem Land, dessen Sprache sie nicht sprechen.
Es
wundert kein bißchen, daß es dabei immer wieder zu Suiziden aus purer
Verzweiflung kommt.
Das
„Rückkehrbuch“ ist die Bonbon-bunte Spaßversion des NPD-Slogans „Ausländer
raus!“. Happy Abschiebung!
Diesen
perfiden und ethisch abartigen Vorgang zu bagatellisieren, sogar mit einem
Comic schön zu reden und als Spaß in bunten Bildern darzustellen, kann nur
vollkommen verdorbenen Charakteren entspringen.
Die Deportation von Kindern zu verniedlichen haut selbst mich Großzyniker um.
Sie
sollten sich wirklich schämen, Rotes Kreuz Nürnberg!
Dass
die Darstellung als verharmlosend betrachtet werden kann, gesteht [Ulrike Sing,
Abteilungsleiterin Soziale Arbeit des BRK Nürnberg] ein, verweist aber auf ihre Funktion als Türöffner. Das Buch werde von
den Sozialarbeiterinnen genutzt, um „mit den Kindern ins Gespräch zu kommen,
mit ihnen über ihre Ängste zu sprechen“. „Eine geäußerte Angst ist eine
kleinere Angst“, sagt sie. Flüchtlings-Aktivist Weinzierl kritisieret dennoch,
dass die Abbildung einer „gut situierten Flüchtlingsfamilie mit eigener Wohnung
samt gut gefülltem Spielzeug-Regal an jeder Realität vorbei geht“.
Auch
Mesovic möchte nicht daran glauben, dass der Comic hilfreich sein kann. Das
Thema der erzwungenen Ausreise lasse sich „kaum pädagogisch adäquat darstellen,
weil die dahinter stehende Situation Kindern nicht vermittelbar ist“, so
Mesovic, der sich seit über 30 Jahren für Flüchtlinge einsetzt. Er verweist
darauf, dass der Verlust von Heimat und Freunden von Kindern als „extrem hart“
wahrgenommen wird und viele nach der Abreise schlicht im Elend landen. Viele
Kinder seien nach ihrem erzwungenen Abschied aus ihrem gewohnten Umfeld
regelrecht traumatisiert und hegen über Jahre hinweg die Hoffnung, eines Tages
nach Deutschland zurückkehren zu können.