Dienstag, 1. April 2014

Impudenz des Monats März 2014



Und schon wieder einmal zeigt der Kalender eine „1“ - hohe Zeit für mich den Blödmann des Monats zu küren.

Die letzten vier Wochen zeigten wieder einmal eine reiche Auswahl des Wahnsinns und der Dummheit.

In die engere Wahl kamen bellizistische Grüne und grassierende Russophobie der Presse.

Eigentlich war schon alles klar: Russland handelt "aus Schwäche" (Obama), Putin ist ein "Verlierer" (SPIEGEL ONLINE), er lebt in einer "anderen Welt" (Merkel), der Westen muss ihm "Grenzen setzen" ("Frankfurter Allgemeine"). Schon lange waren sich Machthaber und Medien im Westen nicht mehr so einig wie in der Krim-Krise: Der irre Iwan bricht das Völkerrecht, und wir müssen alle fest zusammenstehen.
[….]   Im Angesicht eines angenommenen Feindes lernen wir gerade den Unterschied zwischen einem freien und einem unfreien Pressewesen: In Russland werden die Medien von der Regierung gleichgeschaltet, bei uns übernehmen sie das gerne auch mal selbst. Für den Journalismus wird die Krim-Krise damit zur Sinn-Krise.  Wer es wagte, gegen den Strom der gleichgerichteten Meinung zu schwimmen, bekam vor kurzem noch ein lächerliches Etikett verpasst: "Putin-Versteher". […]

Aber da ich schon so viel über Krim und Co geschrieben habe, bekommt den Titel der Impudenz des Monats die Abschiebungs-Begleitkampagne des Bayerischen Roten Kreuzes.

Wer hätte das gedacht?
Lange hielt ich mich selbst für den größten Zyniker aller Zeiten, aber nein, es gab diesen Monat eine Aktion, die weit über das für mich erträgliche Maß zynisch war. Zu zynisch, viel zu zynisch.

Seht selbst:


                                               
Das durch den FREISTAAT BAYERN geförderte „Rückkehrhilfeprojekt der AWO Nürnberg und BRK Nürnberg-Stadt“ stellt die Abschiebung von „illegalen Menschen“ als tolle Chance dar:

Rückkehr in die Heimat bedeutet

    Verwandte und Freunde wiederzusehen,
    sich im vertrauten Kulturkreis zu bewegen,
    sich in der Muttersprache auszudrücken.

Rückkehr bedeutet auch

    Neubeginn,
    gesellschaftliche Anerkennung und
    die Chance, neue berufliche Perspektiven wahrzunehmen.

Es gibt für mich kaum eine größere moralische Katastrophe als die Abschiebepraxis Deutschlands, bei der jeden Tag in Nacht- und Nebelaktionen Familien auseinander gerissen werden.
Man steckt Kinder, die ihr Leben lang in Deutschland waren, von eben auf jetzt in ein Flugzeug und setzt sie dann in einer Gegend aus, die sie nicht kennen. In einem Land, dessen Sprache sie nicht sprechen.
Es wundert kein bißchen, daß es dabei immer wieder zu Suiziden aus purer Verzweiflung kommt.

Das „Rückkehrbuch“ ist die Bonbon-bunte Spaßversion des NPD-Slogans „Ausländer raus!“. Happy Abschiebung!

Diesen perfiden und ethisch abartigen Vorgang zu bagatellisieren, sogar mit einem Comic schön zu reden und als Spaß in bunten Bildern darzustellen, kann nur vollkommen verdorbenen Charakteren entspringen.
Die Deportation von Kindern zu verniedlichen haut selbst mich Großzyniker um.

Sie sollten sich wirklich schämen, Rotes Kreuz Nürnberg!

Dass die Darstellung als verharmlosend betrachtet werden kann, gesteht [Ulrike Sing, Abteilungsleiterin Soziale Arbeit des BRK Nürnberg] ein, verweist aber auf ihre Funktion als Türöffner. Das Buch werde von den Sozialarbeiterinnen genutzt, um „mit den Kindern ins Gespräch zu kommen, mit ihnen über ihre Ängste zu sprechen“. „Eine geäußerte Angst ist eine kleinere Angst“, sagt sie. Flüchtlings-Aktivist Weinzierl kritisieret dennoch, dass die Abbildung einer „gut situierten Flüchtlingsfamilie mit eigener Wohnung samt gut gefülltem Spielzeug-Regal an jeder Realität vorbei geht“.
Auch Mesovic möchte nicht daran glauben, dass der Comic hilfreich sein kann. Das Thema der erzwungenen Ausreise lasse sich „kaum pädagogisch adäquat darstellen, weil die dahinter stehende Situation Kindern nicht vermittelbar ist“, so Mesovic, der sich seit über 30 Jahren für Flüchtlinge einsetzt. Er verweist darauf, dass der Verlust von Heimat und Freunden von Kindern als „extrem hart“ wahrgenommen wird und viele nach der Abreise schlicht im Elend landen. Viele Kinder seien nach ihrem erzwungenen Abschied aus ihrem gewohnten Umfeld regelrecht traumatisiert und hegen über Jahre hinweg die Hoffnung, eines Tages nach Deutschland zurückkehren zu können.