Donnerstag, 27. April 2017

Türken-Twitter.



Es gibt kaum einen der omnipräsenten TV-Talkshowgast-Journalisten, den ich so unsympathisch finde, wie STERN-Mann Jörges.
Am meisten stört mich seine Selbstverliebtheit, dieses sich immerzu in die Kameras drängen. Zugegebenermaßen ein unsinniger Vorwurf, schließlich liegt das in der Natur der Sache. Wenig sinnvoll Fernsehen zu gucken und sich über diejenigen zu echauffieren, die im Fernsehen sind.
Vermutlich habe ich ihm nie verziehen, daß er in den frühen 2000er Jahren an der Spitze derjenigen stand, die mit aller Macht Rotgrün loswerden wollten, um Westerwelle in die Regierung zu befördern.

(….) Staatliche Rentenversicherung war out, jeder sollte privat vorsorgen. Im großen Maßstab wurden dem deutschen Michel geraten Telekom-Aktien zu kaufen, sich Maschmeyers AWD-Finanzprodukte zuzulegen.
Immer dramatischer warnten Gabor Steingart (SPIEGEL) und Hans-Ulrich Jörges (STERN) vor dem Untergang Deutschlands, wenn nicht bald Merkel und Westerwelle die Regierung übernähmen und die totale Marktliberalisierung in Gang setzten. (…..)
(Politik und Pietät, 18.03.2016)

Heute war Herr Jörges Gast im Morgenmagazin und sagte einige bedenkenswerte Dinge.
Die deutsche Bekümmerung über den Ausgang des türkischen Verfassungsreferendums sei „die größte Heuchelei“.

"In Wahrheit war die Bundesregierung erfreut darüber, dass Erdogan sein Referendum gewonnen hat. Die größte Sorge war, dass er es verliert und dass dann neben den Kriegen in Syrien und im Irak auch noch eine große Türkei-Krise ausbricht."
(Presseschau mit Hans-Ulrich Jörges, 27.04.2017)

So abwegig ist das nicht. Man stelle sich vor, das Hayir-Lager hätte mit 51% vorn gelegen und Recep Tayyip Erdoğan müßte mit einer gewaltigen Klatsche leben.
Hätte er das etwa einfach achselzuckend hingenommen?
150.000 Verhaftete und Degradierte in der Türkei zeigen doch deutlich wie der Präsident mit Widerspruch umgeht.
Die „Säuberungen“ hätten womöglich ein nicht vorstellbares Maß erreicht, es wäre vielleicht zu einem offenen Bürgerkrieg gekommen, wenn die Regierungsgegner mit einem Mehrheitsvotum im Rücken auf ein Regime geprallt wären, welches das gesamte Land – Armee, Justiz, Medien, Parlamente – kontrolliert.
Neben den ca drei Millionen Bürgerkriegsflüchtlinge in der Türkei würden dann unter Umständen weitere Millionen Türken folgen, die ebenfalls aus ihrem Land fliehen müßten.

Zudem wies Jörges darauf hin, daß gerade mal 13% aller türkischstämmiger Menschen in Deutschland mit „Evet“ gestimmt hätten, 87% könne man nicht als Erdoğan-Fans vereinnahmen.
(Nach meinen Informationen von vor zwei Wochen waren es 15% statt 13%, also in etwa die gleiche Größenordnung)

Angesichts dieser doch recht kleinen Minderheit sei es schäbig, wie Christian Lindner auf dem Rücken der Migranten nun eine Anti-Doppelpass-Kampagne lostrete.
Die FDP suche nun ihren Platz weit rechts der Mitte zwischen CDU/CSU und AfD.

Wieder muß ich Jörges zustimmen; die Christian-Linder-Partei (CLP) wird rapide unsympathischer.
Ungeniert feuert der Chef aus der rechten Ecke.

[…..] In einem Interview mit dem Magazin "Stern" wendet sich Linder recht offensichtlich an die Menschen am rechten Rand des Wählerspektrums. "Warum sind so viele Deutschtürken keine Verfassungspatrioten?", fragt Lindner darin. Deutschland sollte beginnen, sich "offensiver zu seinem großartigen liberalen Grundgesetz zu bekennen".
Der FDP-Chef befand in diesem Zusammenhang außerdem: Der türkischstämmige Fußballer Mesut Özil soll vor Spielen der Nationalmannschaft die deutsche Hymne mitsingen.
Lindner kritisierte zudem die Flüchtlingspolitik der Bundesreagierung. "Unsere Zuwanderungspolitik benötigt eine Generalinventur", sagte er dem "stern". "Wer bleibt, den müssen wir uns aussuchen. Da sollte das Ziel der Integration viel stärker die deutsche Staatsangehörigkeit sein."
Das Interview von Lindner sorgte in den sozialen Medien schnell für Wirbel. Vor allem der Satz über Mesut Özil missfiel vielen Lesern. "Leute zwingen, eine Hymne zu singen - ist das liberal?", fragte etwa einer. […..]

Die FDP in der Nähe der AfD scheint zu funktionieren. Petrys Umfragezahlen werden kleiner, die FDP kratzt schon wieder an den 10%.
Braun kommt immer an in Deutschland.

Bezeichnenderweise verwendet der eher linke Grüne Jürgen Trittin heute die gleiche Wortwahl wie CDU-General Tauber vor vier Monaten:



[….] CDU-Generalsekretär Peter Tauber hat FDP-Chef Christian Lindner scharf attackiert. Zwei Tage nach dem Dreikönigstreffen der Liberalen, bei dem Lindner die Union erneut wegen ihrer Flüchtlings- und Sicherheitspolitik kritisiert hatte, warf Tauber dem FDP-Chef überhebliches Verhalten vor. Das provoziere ein erneutes Scheitern der Liberalen wie bei der Wahl 2013.
Damals hatte die FDP bei der Bundestagswahl nur 4,8 Prozent der Stimmen geholt und ist seitdem nicht mehr als Fraktion im Bundestag vertreten. "Der Grund, warum die FDP damals aus dem Bundestag geflogen ist, war nicht die CDU, sondern sie selbst", sagte Tauber der Bild am Sonntag. "Und mit seinem selbstherrlichen Auftreten tut Herr Lindner gerade alles dafür, dass sie es wieder nicht schafft. Dann wäre die FDP erledigt."
Lindners Auftreten erinnere ihn an den stellvertretenden Parteichef der Alternative für Deutschland, sagte Tauber: "Er redet teilweise wie Herr Gauland von der AfD. Der einzige Unterschied besteht darin, dass er statt eines abgewetzten Tweed-Sakkos einen überteuerten Maßanzug trägt." […..]
Das ist schon eine sehr ekelige Allianz mit den Rechten, die Türkei-Basher Lindner anstrebt.
Von taz bis WELT, von Linke bis CSU stehen Medien und Parteien in Deutschland ausnahmsweise zusammen, wenn es um die Menschenrechtsverstöße unter Präsident Erdoğan geht. Einheitlich fordert man die Freilassung Deniz Yücels und all der anderen inhaftierten Journalisten in der Türkei.
Aber rechts von der CSU, bei denen, die Lindner anvisiert sieht das anders aus.

[….] Am Tag nach dem Verfassungsreferendum in der Türkei ließ die Welt eine Spalte auf der ersten Seite leer: "Freiraum für Deniz. Hier würde der Kommentar von Deniz Yücel stehen". Dietmar Bartsch, ein Politiker der Linken, von dem Ulf Poschardt sagt, er werde ihn kaum wählen, verbreitete die leere Spalte auf Twitter, mit dem Kommentar: "Schon cool."
[….] Mit der taz habe man eine Art "Redaktionsgemeinschaft" in Sachen Deniz Yücel gegründet. Eine Kollegin, ein Kollege sei immer vor Ort in Istanbul, für alle Fälle. Man löse sich ab. "Wie Sie heute meinem rockigen Senkt-die-Steuern-Kommentar entnehmen können", sagt Poschardt, "haben wir ordnungspolitisch komplett konträre Positionen. Aber wenn es darum geht, Meinungsfreiheit zu verteidigen, marschieren wir zusammen."
[….] Nur die AfD schert aus dem Korso aus. "Die verzeihen Deniz den Deutschenhass nie", sagt Ulf Poschardt, "sie hassen ihn im selben Wortlaut und mit derselben Garstigkeit, mit der die AKP ihn hasst." Es sieht in der Tat nach einem neuen Frontverlauf aus, in Sachen Kulturkampf, beziehungsweise nach einem Wahlkampfthemchen für die AfD.
[….] Nun twittert ein Markus Frohnmaier, Jahrgang 1991 und Bundesvorsitzender der Jungen Alternative: "National-Borderliner #Yücel hätte in Deutschland schon längst wegen Beleidigung und Volksverhetzung Gefängnis von innen erleben sollen." Und Pegida-Chef Lutz Bachmann tritt auf Facebook nach: "Gibt's in der Türkei die Todesstrafe? Wenn ja, wäre die Hinrichtung von Schmierfink #Deniz mal wieder ein guter Grund hinzufahren!" [….]