Sonntag, 20. Oktober 2019

Realität – Teil II


Es nervt mich, es nervt mich unglaublich, daß mehr und mehr Leute meinen Realpolitik wäre eine Angelegenheit, die man wie ein beleidigtes Kind behandeln könne.
Uns gefällt die Groko nicht? Also sind wir muksch, ziehen uns in den Schmollwinkel zurück.
Was ist das nur mit den Linken, daß sie sich neuerdings immer nur einen schlanken Fuß machen wollen und sich ein Beispiel an Christian Lindner nehmen, dem auch alles irgendwie zu anstrengend, zu kompliziert wurde und sich daher beleidigt in die Ecke stellte – „da mache ich nicht mit. Sollen doch andere regieren!“
Ist der FDP entsprechend bekommen. Nach dem zweistelligen Bundestagswahlergebnis ist sie jetzt wieder in der wohlverdienten Bedeutungslosigkeit angekommen. Spielt inhaltliche keine Rolle mehr und nähert sich mit aktuell etwas über sechs Prozent in den Umfragen wieder der 5%-Hürde.

Ich habe auch keine Erklärung für die sagenhafte Unfähigkeit des Willy-Brandt-Hauses, das nicht in der Lage ist die großen Erfolge der SPD in dieser Groko darzustellen.
Aber Fakten bleiben Fakten.

(….) Die Bertelsmänner haben sich diese Effektlosigkeit der Unions-Minister genauer angesehen und die Arbeit des Groko-Kabinetts überprüft.
Das Ergebnis ist ein Desaster für die Parteichefs Söder und Kramp-Karrenbauer.

Die SPD-Seite der Groko arbeitet höchst effektiv und seriös.

 [….]  Hält die Große Koalition, was sie verspricht? Weitgehend ja - zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie. [….]  Demnach hat die Regierung aus Union und SPD in ihren ersten 15 Monaten zahlreiche Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt. 47 Prozent der Versprechen seien vollständig oder teilweise erfüllt, 14 Prozent "substanziell in Angriff genommen" worden. Das sei deutlich mehr als die - ebenfalls schwarz-rote - Vorgängerregierung zur Halbzeit geschafft hatte.
Die Autoren der Studie untersuchten 296 "echte Versprechen": Vorhaben, bei denen sich klar überprüfen lässt, ob sie umgesetzt wurden. Ihr Fazit: Die Bilanz der jetzigen Koalition sei "rekordverdächtig". Sollte die Regierung in ihrem jetzigen Tempo weiterarbeiten, könnte sie bis zum Ende der Legislaturperiode fast alle Versprechen eingelöst haben.
[….]  Von den 296 Wahlversprechen stammen der Studie zufolge 73 (etwa ein Viertel) aus dem Wahlprogramm der SPD und 32 (elf Prozent) aus denen von CDU und CSU. 46 Vorhaben (16 Prozent) finden sich in den Programmen beider Koalitionspartner wieder. [….]  Zwischen Union und SPD ist die Umsetzungsbilanz ausgeglichen: Die SPD setzte der Studie zufolge 33 der 73 Vorhaben um, die allein aus ihrem Wahlprogramm stammen (45 Prozent). Von den 32 unionsgeprägten Versprechen waren am 30. Juni, dem Stichtag der Untersuchung, 14 umgesetzt worden (44 Prozent). [….] 

Während für die CDUCSU die blamable Erkenntnis bleibt, daß ihre Minister sehr viel schlechter als die Sozen arbeiten, müssen sich Totalversager wie Andrea Nahles fragen lassen, wie zum Teufel sie es geschafft haben eine so erfolgreiche Realpolitik als völliges Desaster zu erkaufen.
Viele SPD-Mitglieder wollen „nur noch raus aus der Groko“, weil sie fest davon überzeugt sind, diese erreiche gar nichts oder setze nur neoliberale Dinge um – obwohl das diametrale Gegenteil der Fall ist.
                                                             
Das ist ein ganz neuer Spin des Versagens der politischen Linken von 2019:
Wählerabschreckung durch Erfolg!
Enttäuschung auslösen durch Ehrlichkeit!
Die eigene Parteibasis frustrieren durch Effektivität.
Sozial Schwache vergrätzen durch Politik für sozial Schwache.

Die Groko arbeitet nicht nur gut, sondern so viel besser als ihr Ruf, daß es schon an ein Wunder grenzt demoskopisch so katastrophal dazustehen.

[…..] Die GroKo glänzt unbemerkt.
"Besser als ihr Ruf" betitelt die Bertelsmann Stiftung ihre ausführliche Auswertung der Arbeit der Großen Koalition und trifft damit den Kern der vorgestellten Forschungsergebnisse: Viele Menschen sind demnach überzeugt, dass Koalitionsversprechen oft nicht umgesetzt würden. [….]

Da setzt die Groko überwiegend und kontinuierlich ureigene SPD-Forderungen um und in den Sozi-Basisgruppen auf Facebook ziehen Jusos und Parteilinke über Scholz als „Schäuble 2.0“ her, ätzen er solle endlich in die CDU übertreten. (….)


In der Groko gibt es mindestens sechs Vollpfeifen – AKK, Klöckner, Seehofer, Spahn, Scheuer, Karliczek.

Das ist schlimm genug.
Scheuer lügt und betrügt, verursacht Milliardenschäden für die Bürger, alle drei CDU-Frauen sind hoffnungslos überfordert, debakulieren ahnungslos durch ihre Ämter und dann ist da noch der Superminister, der nun die Gamer-Szene als Feind entdeckt hat.


Ich verstehen ja den Impuls aus so einem Kabinett fliehen zu wollen.
Aber so sehr ich Karl Lauterbach schätze, so sehr frage ich mich wie er auf die irrige Idee kommen kann, daß ein Kabinett mit sechs gefährlich Unqualifizierten schlimmer wäre als ein Kabinett mit zwölf gefährlich Unqualifizierten, wenn die SPD ihre Minister abzieht und Merkel als Minderheitsregierungschefin die Posten mit Unionslern besetzen muss, die dann auch noch so rechts blinken, um die parlamentarische Unterstützung und von FDP und AfD zu erhalten.


Wenn die SPD die Groko aufkündigt bedeutet das nämlich nicht, daß es gar keine Regierung mehr gibt und sich wie von Zauberhand alles selbst regelt, sondern dann gibt es eben eine rein rechte Regierung ohne irgendwelche sozialen Anteile.
Dann können Millionen arme Rentner eine Grundsicherung sofort vergessen und werden sie auch nicht mehr bekommen in den nächsten Jahren. Dann gibt es keinen Mindestlohn mehr, keinen Schutz für ausgepresste Paketboten und dafür riesige Steuergeschenke für die Superreichen.

Das wird dann die Realität. Aber man macht sich nicht die Hände schmutzig.