Mittwoch, 13. Juni 2018

#MNKGA


 Vor 48 Stunden hatte ich nur über den Kim-Trump-Gipfel spekuliert.
Seit dem habe ich viele, richtige viele Kommentare dazu gelesen.
Der gemeinsame Nenner ist weltweit überwiegend, daß Trump, ob seiner bahnbrechenden allgemeinen Unkenntnis  recht einfach vom Kim über den Tisch gezogen werden konnte.
Wenn MAKE NORTH KOREA GREAT AGAIN der Plan war, ist dieser perfekt aufgegangen. Nur zu verständlich, daß Kim gar nicht mehr aufhören konnte zu grinsen.
Er bekam alles was er sich in seinen kühnsten Träumen bis vor kurzem noch nicht mal zu wünschen wagte und mußte im Gegenzug keinerlei überprüfbare, konkrete Konzessionen machen. Im Gegenteil, er sagte die vagen Denuklearisierungssprüche auf, die schon seit 30 Jahren aus Nordkorea kommen, ohne je umgesetzt zu werden.


 [….] Entscheidend ist, dass die außenpolitische Woche des US-Präsidenten eine politische Methode und eine Weltsicht offenbart haben, die das Gruseln lehren. Aufschluss über Trumps Welt und den Zustand der amerikanischen Regierung gibt nicht nur das dürre Kommuniqué von Singapur. Aufschluss gibt die Pressekonferenz, die fast länger gedauert hat als das direkte Gespräch der beiden.
 Selbstdarstellung und Selbstwahrnehmung des US-Präsidenten zeugen von einer gefährlichen Infantilität. Aus Trumps Mund ergießt sich ein Strom von wirren Deutungen und Dummheiten: Xi Jinping ist jetzt wieder sein Freund, Justin Trudeau nicht mehr; Kim hat er nach einer Stunde verstanden; Nordkorea bietet tolle Strände für den Bau von Hotels - "betrachten Sie es aus einer Immobilien-Perspektive". Von den internen G-7-Gesprächen wird glaubwürdig berichtet, dass der Präsident zusammenhanglos und bar jeder Faktenkenntnis spreche, derweil seine Hintersassen die Kim-Truppe an Servilität locker überbieten.
 [….] Kim wird keine Gulags schließen, und überhaupt wurde er nicht bedrängt in Sachen Menschenrechte. Den US-Präsidenten nannte man einst den Anführer der freien Welt. Jetzt ist er der Intendant eines Illusionstheaters. [….] Überall auf der Welt wächst die Zahl der Menschen, die Trumps Methode für hohe Politik und für erfolgreich halten. Hier liegt der eigentliche Schaden, den so ein "Gipfel" anrichtet. So wie Trump über die Handelsverhältnisse mit seinen europäischen Verbündeten die Unwahrheit sagt, so sagt er auch nach dem Treffen mit Kim die Unwahrheit. Spektakuläre Bilder und die stupide wiederholte Formel vom "großartigen Erfolg" bilden das Szenengerüst für das Illusionstheater. Aber Vorsicht: Die Vorspiegelung von Politik ersetzt nicht die eigentliche Tat, die so unendlich viel mühsamer ist.   [….]

Wir lernen einmal mehr: Integre Demokraten wie Barack Obama oder Justin Trudeau sind für Trump Betrüger und Lügner – „very dishonest“ - denen er nicht traut, mit denen er keine Vereinbarung trifft und Bestehende aufkündigt.




 
Kim Jong Un und Wladimir Putin hingegen sind für ihn echte Ehrenmänner, die er gar nicht genug loben kann.

[…..] Mittlerweile ist Kim Jong Un in den Augen des US-Präsidenten offenbar ein feiner Kerl. Oder wie er sagt: "Ein sehr ehrenwerter, sehr smarter Verhandler." Kim habe eine "große Persönlichkeit", sei "sehr schlau" und "sehr talentiert" - um nur einige Superlative zu nennen, mit denen Trump den nordkoreanischen Diktator bei ihrem gemeinsamen Gipfeltreffen in Singapur belegt hat. [….]
(STERN, 12.06.2018)


So spricht der US-Präsident über einen Mann, der Millionen Menschen hungern lässt, über 200.000 Nordkoreaner in Gulags schmoren lässt. Es gilt Sippenhaft. Gerät auch nur ein Mensch in den Verdacht Kim Jong Un nicht genug zu verehren, verschwindet seine gesamte Familie bis zum Kleinkind im Arbeitslager, aus dem man nie mehr rauskommt.
Mitglieder seiner eigenen Familie ließ Kim öffentlich mit Flakgeschützen hinrichten, seinen Bruder vergiften; also „sehr ehrenwert“ in Trumps Augen.


Staaten wie der Iran, Südafrika oder Pakistan sollten lernen, daß internationale Kooperation, Abrüstung und Ehrlichkeit bestraft wird, daß sich hingegen derjenige, der am dreistesten Menschenrechte mit Füßen tritt und sich Massenvernichtungswaffen besorgt, gelobt und gepriesen wird, sogar ins Weiße Haus eingeladen wird.

Noch ein paar Stimmen:

[…..] Gestern noch isoliert, heute auf Weltmacht-Niveau […..] Die Gretchenfrage lautet: Wie konkret und kontrollierbar fällt eine Vereinbarung aus? Wenn Ihr Chef zum Beispiel zusagt, Ihr Gehalt "bald" und "erheblich" zu erhöhen, werden Sie mit Recht fragen: Heißt "bald" in den nächsten Wochen - oder erst in fünf Jahren? Und heißt "erheblich" um 15 Prozent - oder doch eher nur um zwei?
Trump hat mit Kim unter anderem vereinbart, dass Nordkorea an der "kompletten Denuklearisierung" auf der koreanischen Halbinsel arbeitet. Aber was genau passiert? Bis wann? Und wie werden die Kontrollen aussehen? Eine Vereinbarung, die nichts Konkretes festhält, ist eine Luftnummer. […..]

 […..] Dabei fiel dieser Substanzmangel den meisten US-Experten sofort unangenehm auf. Selbst Republikaner warfen Trump vor, ohne Not Konzessionen gemacht zu haben, um bei seiner Basis zu punkten - während Kim erst mal nichts aufgeben müsse, sondern sich nun als international geachteter Staatsmann rühmen könne.
"Kann man vergessen", urteilte Christopher Hill, ein früherer Nordkorea-Unterhändler der US-Regierung, über den Gipfel. "Die gemeinsame Erklärung ist schwächer als jede vorherige seit 1992." Jennifer Rubin, konservative Kolumnistin der "Washington Post", nannte das Treffen eine "totale Farce": "Wir bekamen nichts, Kim bekam einen PR-Coup."
Auf Trumps Hauskanälen war von solcher Kritik freilich nichts zu hören. Im Gegenteil: Trumps Freund Sean Hannity, der als Chefkommentator von Fox News angeblich fast jeden Abend mit dem Präsidenten telefoniert, bekam das erste "Interview" nach dem Gipfel zugeschustert. Da konnte Trump zum Beispiel unwidersprochen behaupten, Kim werde "praktisch sofort" mit der Denuklearisierung beginnen. […..] Das war natürlich frei erfunden, doch Trump wiederholte es auch anderswo, wobei er jedesmal weiter aufdrehte. "Er denuklearisiert das ganze Land", fabulierte er bei ABC. "Es wird ziemlich schnell losgehen, er fängt glaube ich jetzt schon an." Auf dem Rückflug erklärte er schließlich, Kim habe einen "totalen Plan zur Denuklearisierung". Oder meinte er einen "Plan zur totalen Denuklearisierung"? […..]

[…..] Es ist ein historisches Treffen mit zweitklassigem Ergebnis gewesen, urteilte beispielsweise die Organisation Arms Control Association. Trump sei es wie immer vor allem um die Optik gegangen, weniger um die Substanz. Der Präsident habe deutlich weniger vorzuweisen als frühere Verhandlungsführer, schrieb auch der demokratische Abgeordnete Ted Lieu. Die Vereinbarung bleibe hinter dem Iran-Abkommen zurück, das er gerade erst aufgekündigt habe. "Es sieht so aus, als sei Trump in Singapur hereingelegt worden", fasste es der Nordkorea-Experte Nicholas Kristof in der New York Times zusammen.
Trump habe dem nordkoreanischen Machthaber konkrete und weitreichende Zugeständnisse gemacht, während Kim sich weder inhaltlich noch zeitlich habe festlegen müssen, meinen viele Experten.  "Das Dokument beinhaltet überhaupt nichts", sagte der lange für die Nordkorea-Politik zuständige US-Diplomat Joseph Yun. Ein Zeitplan habe es in dem einseitigen Dokument – das Trump selbst als "umfassend" bezeichnete – genauso gefehlt wie Verpflichtungen, Inspektoren ins Land zu lassen, Interkontinentalraketen zu zerstören oder Programme für die Anreicherung von Uranium und Plutonium einzufrieren. Kim habe lediglich denselben "Willen zur Denuklearisierung" gezeigt wie schon sein Großvater Kim Il Sung 1992 zeigte, ohne konkrete Schritte zu unternehmen, so Kristof. "Es ist gruselig, dass Trump das nicht zu merken scheint." […..]


[…..] Gut gelaufen für Kim. Durch den Singapur-Gipfel wird Kim Jong Un international aufgewertet. Zugeständnisse muss er kaum machen, in der Atompolitik kann er auf Zeit spielen. […..] Trump hat die Atomkrise von seinen Vorgängern Bill Clinton, George Bush Jr. und Barack Obama geerbt und beschlossen, den nordkoreanischen Diktator zwecks Lösung der Krise persönlich kennenzulernen. Das entspricht seinem Selbstverständnis als Dealmaker.
Dagegen ist nichts zu sagen, über Massenvernichtungswaffen muss geredet und verhandelt werden, sie sollten am besten ganz aus der Welt verschwinden. Der Preis dafür aber ist, dass Nordkoreas Diktator Kim Jong Un damit international wie zu Hause enorm aufgewertet wird. Etwas Besseres als ein intensives Händeschütteln mit Trump in Singapur vor den groß aufgezogenen Nationalflaggen Nordkoreas und der USA konnte Kim – einem Menschenrechte missachtenden Gewaltherrscher – nicht passieren. Plötzlich steht er als international beachteter Staatsmann da.
Überhaupt ist der Gipfel für die Nordkoreaner günstig ausgegangen, denn auch wenn Trump stets Konsequenz und Härte zeigen will, ist er beim nordkoreanischen Staatschef ziemlich weit in Vorleistung gegangen. Er stellte Kim in Singapur nicht nur in Aussicht, nach Pjöngjang zu reisen, er will ihn zu gegebener Zeit auch ins Weiße Haus einladen – eine Einladung, die Kim Jong Un angenommen hat. […..]

Alles richtig, aber am ein interessanter Aspekt wird für meinen Geschamck zu wenig betont, nämlich das totale Versagen der US-Medien, die zwar auch Experten befragen, aber sich wieder einmal willig und devot vor Trumps Wahlkampfkarren spannen lassen; ihm kostenlos 24/7 eine Propaganda-Show ganz in seinem Sinne liefern.
Offenbar haben sie nichts daraus gelernt, wie sie 2015/2016 wesentlich dazu beitrugen mit Trump den Mann ins Weiße Haus zu befördern, der nun nach Kräften die freie Presse ausmerzt.

[…..] Doch nicht nur Fox News beteiligt sich an der Jubelfeier. Die Live-Bilder aus Singapur - die hier unter anderem die reale US-Realityshow "The Bachelor" unterbrachen - waren ganz im Sinne des Weißen Hauses. Selbst CNN und MSNBC, sonst eher Trump-kritisch, verklärten jeden Schritt und jede Szene als "historisch" - oder, wie Trump es selbstzufrieden nannte, "sehr historisch".[…..]

  
[…..] Groß auf Sendung. In den amerikanischen Medien kritisieren Experten das Ergebnis des Gipfels. Doch in der Wahrnehmung dominiert Donald Trump und seine Inszenierung des Treffens als opulente Fernsehshow, die sich nur um ihn drehte.
[…..] Die Zweifel von Professoren, pensionierten Diplomaten und anderen Experten, die im Fernsehen rational Fakten diskutieren, dürften freilich nur begrenzt Gewicht haben. […..] Für die meisten Amerikaner war der Gipfel vor allem ein opulentes TV-Ereignis, live ausgestrahlt zur besten Sendezeit. Sie sahen dort ihren Präsidenten, der an einem Ereignis teilnahm, das nicht nur das Weiße Haus, sondern auch alle Moderatoren großzügig mit dem Adjektiv "historisch" bedachten. Dass frühere US-Präsidenten mit Kims Vorgängern ähnliche Dokumente unterzeichnet hatten, die zu nichts führten, oder dass sie Nordkoreas Bitten um ein Gipfel früher aus guten Gründen ausgeschlagen hatten - all das ging in der Flut beeindruckender Bilder unter. In dieser Hinsicht bekam Trump, was er sich von dem Treffen erwartet hatte: eine mehrstündige Fernsehshow, die sich nur um ihn drehte. Alles sei großartig gelaufen, Kim werde jetzt rasch alle Atombomben verschrotten, dieses Resümee zog Trump dann im Interview mit seinem Freund und Hofberichterstatter Sean Hannity von Fox News. Widerspruch war da nicht zu erwarten. [….]