Das ist
gewissermaßen das Abschiedsgeschenk des Olaf Scholz.
Bis
jetzt hassen die Hamburger den Entwurf. Ich finde ihn auch doof.
Aber das
hat erst einmal nichts zu sagen. Die Menschen sind öde, phantasielos und lehnen
alle Änderungen ab. Daher wählen wir ja auch manisch immer wieder die alten
behäbigen CDU-Kanzler Adenauer, Kohl und Merkel. Das garantiert, daß alles so
bleibt wie es immer war.
Große
städtebauliche Neuerungen werden immer erst mal abgelehnt. Selbst die Pariser
fanden den Eiffelturm zunächst grauenhaft und wehrten sich dagegen.
Und wir
hassten kollektiv die Elbphilharmonie, auf die alle jetzt so stolz sind.
Vielleicht
wird also auch die „Elbkompassnadel“ in einigen Jahrzehnten unser ganzer Stolz.
Zwingend
muss das allerdings nicht passieren. Ole von Beusts durchgepaukte „Europapassage“
seines Busenfreundes Hadi Teherani, für die direkt vorm Rathaus an der
Binnenalster elf historische Kontorhäuser abgerissen wurden, ist nach zehn
Jahren in Betrieb immer noch genau so eine beschissene Fehlkonstruktionen und
optische Beleidigung, wie am Tag der Eröffnung.
[….] Franz-Josef Höing bezeichnet das Gebilde
als "Kompassnadel". Höing ist der neue Oberbaudirektor in Hamburg,
und seine Kompassnadel ist 235 Meter hoch, heißt "Elbtower" und soll
den Auftakt bilden für Hamburgs große Osterweiterung an den Elbbrücken. Dort
begrüßen einen bisher Stelzendächer von Stückguthallen, bröckelnde Hafenbecken
mit Birkenbewuchs, verlorene Backsteingebäude und eine Menge nostalgisch
wirkender Gewerbepragmatismus - vom Reifenstapel bis zum pinkelnden
Brummifahrer. [….] Mit Schwung nach
oben, würde man es bildlich deuten, wenn man das gläserne Betongebilde mit
seinen konkaven Linien auf den Animationen betrachtet. Die Computeransichten
sind Bedeutungsversprechen, die gar nicht verleugnen wollen, dass an diesem
entscheidenden Punkt der Stadt zwischen ihren wichtigsten Verkehrsadern etwas
bisher Unerhörtes entsteht. Mehr als doppelt so hoch wie die Elbphilharmonie
wird die neue Landmarke das dominanteste Architekturzeichen sein, das Hamburg
sich je geleistet hat. [….] Den
distinguierten Hamburger, der so gerne Schirmlampen in die Fenster seiner
Altbauwohnung stellt, mag es vor diesem Megazeichen und seinen Implikationen
schaudern. [….]
Das
reizt natürlich jetzt die Küchenpsychologen. Kleine mächtige Männer wie Nicolas
Sarkozy (1,60m), Silvio Berlusconi (1,62m), Wladimir Putin (1,70m) müssen
vielleicht etwas kompensieren?
Wollte
Olaf Scholz (Körpergröße unbekannt) mit dem dritthöchsten Büroturm Deutschlands
ein Zeichen setzen?
[….]
Kleine Männer haben „mehr Power, mehr
Sex, mehr Energie, mehr Ehrgeiz, mehr Eloquenz“, behauptet Willen. Sie sind den
großen Männern hoffnungslos überlegen, und vielleicht deshalb versucht die
75%-Mehrheit der großen Männer, sie sich vom Leib zu halten. Das gelingt in den
seltensten Fällen, was man gerade bei den kleinwüchsigen Diktatoren sieht, die
mit „Geltungssucht, Machtbewußtsein und Ehrgeiz“ (Willen) sich an die Spitze
des Staates vorarbeiten und dann alle spüren lassen, dass mit ihnen nicht zu
spaßen ist.
Benito Mussolini (1,52
m) flößte seinen Gegnern Rhizinusöl ein und Josef Stalin (1,65 m) stellte sie
an die Wand, nicht ohne ihnen vorher noch einen Schauprozess gemacht zu haben,
ganz zu schweigen von den Nazi-Größen, die ganz klein waren: Hitler (1,72 m),
Goebbels (1,65 m), Eichmann (1,68 m) Streicher (1,68 m). Gottseidank bringt
maßloser Ehrgeiz nicht immer einen Diktator hervor, aber doch erstaunlich viele
kleine Politiker, die durch viele Wortmeldungen auffallen wie Gregor Gysi (1,66
m), Norbert Blüm (1,67 m), den man allerdings auch zu den Kabarettisten rechnen
könnte, und Heinrich Lummer (1,58 m), der sich in seiner Zeit als Berliner
Innensenator gerne als Napoleon inszenierte, wenn er besetzte Häuser räumen
ließ. [….]
Nein,
natürlich schätze ich Scholz nicht so ein, daß er so etwas nötig hat.
In einer
rapide wachsenden Stadt wie Hamburg – 35.000 Neubürger jedes Jahr – die nun
einmal ihre Stadtgrenzen nicht ausdehnen kann, ist es der natürliche Weg in die
Höhe zu bauen.
Der neue
Turm wird weit ab von der Altstadt stehen, weil er nicht mit den enormen Türmen
der fünf Hamburger Hauptkirchen konkurrieren soll.
[…..] Ihre Türme prägen das Stadtbild - die fünf Hauptkirchen Hamburgs: Der schlanke, hoch aufragende Turm der Petrikirche steht an der Mönckebergstraße. Nur wenige Schritte entfernt erhebt sich an der Steinstraße die Jacobikirche mit ihrer modernen Turmspitze. Der Turm der Katharinenkirche ist an seinen fensterartigen Durchbrüchen gut zu erkennen. Von der Nikolaikirche ist nur noch der neugotische Turm erhalten, die Hauptkirche selbst wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört […..] Am bekanntesten ist der Turm der Michaeliskirche, denn der "Michel" ist bis heute ein Wahrzeichen der Hansestadt.
Alle fünf Kirchtürme
sind außergewöhnlich hoch: Der Nikolaikirchturm ist mit 147 Metern sogar der
fünfthöchste der Welt, die anderen vier sind immerhin noch unter den 30
höchsten weltweit zu finden. Besucher können alle fünf Türme besteigen. Bequem
per Aufzug geht das allerdings nur bei Michel und St. Nikolai. [….]
Auch der
Turm des gewaltigen Hamburger Rathauses musste mit 112 m Höhe niedriger als die
Kirchen St. Petri (132m), St. Katharinen (117m), St. Michaelis (132m), St.
Jacobi (125m) und St. Nikolai (147m) sein.
Selbst
der Petersdom im Vatikan misst „nur“ 137m.
Da kann
sich die Nikolaikirche (Baubeginn der Kapelle 1195, Fertigstellung des Turms
1518) sehen lassen.
Kirchtürme
sind die steinernen Erektionen der Bischöfe.
Da darf
niemand einen Größeren haben.
Auch die
nagelneue Elbphilharmonie mußte sich mit 110 m Höhe dieser städtebaulichen
Regel anpassen.
Kirchliche
Mega-Phalli sind eine sehr weltliche Angelegenheit; es genügt eben gerade nicht
Gott zu gefallen, sondern sie sind eine Machtdemonstration.
Keiner
steht über uns.
Dafür
brauchen die Christen diese ultrateuren Denkmäler.
Mit
ihrem Gottvertrauen steht es in Wahrheit nicht zum Besten.
Päpste
verstecken sich in Panzerglasautos, weil sie ganz offensichtlich nicht auf
Gottes Protektion vertrauen – obwohl sie immerhin sein Stellvertreter auf Erden
sind.
Und
nichts zeigt mangelndes Gottvertrauen so sehr wie ein Blitzableiter auf der
Kirchturmspitze.
Dafür
ist dann die 1000 Jahre bekämpfte Wissenschaft doch gut genug.
Mit der
Kirchenhöhe beweisen Christen man aber nicht nur weltliche Macht, sondern
können im praktischen Sinne dem Staat, der sie so üppig mit Geld überschüttet,
aushelfen.
Großzügig
überließen die Herren der Münchner Frauenkirche ihre Türme für Sendemasten dem Observationskommando QB30 des
Bundesnachrichtendienstes (BND) – um die garstigen Schäfchen
auszuspionieren.
Mit 98 m
würde der Nordturm der Frauenkirche in Hamburg zwar wenig beeindrucken, aber in
Bayern ist das sehr sehr hoch.
[…..]
Leibhaftig saß nie ein Geheimagent im
Nordturm der Frauenkirche. Doch der Bundesnachrichtendienst (BND) hat den Dom
offenbar mit dem Ziel genutzt, Spione und ausländische Diplomaten zu
beschatten: Eine Empfangs- und Sendeanlage im Kirchturm ermöglichte Agenten im
Einsatz dazu einen besseren Funkverkehr. Darüber hinaus nutzte womöglich noch
eine zweite Behörde den Turm. Zudem wurde die Anlage wohl ausgerechnet von
einer BND-Truppe verwendet, die illegale Überwachungen durchführte.
[…..]
Die Frauenkirche aber ist für diesen Zweck
besonders gut geeignet. Die BND-Leute kommunizierten im Einsatz über einen
CB-Funkkanal, ähnlich wie Fernfahrer, sagt [Geheimdienst-Experte Erich] Schmidt-Eenboom. Um auch in Häuserschluchten
sprechen zu können, brauche man einen hoch gelegenen Verstärker - und in
München ist kaum ein Gebäude höher als der 98,57 Meter hohe Nordturm der
Kathedrale. Eine solche Anlage sende bis zu 80 Kilometer weit, sagt
Schmidt-Eenboom, also mehr als genug, um Agenten mit der damaligen BND-Zentrale
in Pullach oder den Leitstellen an der Schubertstraße oder an der Dachauer Straße
zu verbinden. Installiert worden sei die Anlage noch vor 1989. [….]
Kann man
sich nicht ausdenken.
Und wie
immer bei Kirchenskandalen, wird vertuscht, verschwiegen und gelogen.
[….]
Doch abseits der Zahlen ist es in München
mit der Offenheit erheblich weniger weit her: Da endet die Transparenz bereits
an der Haustür. Der Bundesnachrichtendienst hat offenbar jahrelang eine
Funkanlage zur Beschattung von Diplomaten und Spionen im Nordturm der Frauenkirche
betrieben. Nun stehen berechtigte Fragen im Raum: Warum unterstützt die Kirche
Spionage? Wieso gibt sie einen Turm ihrer Kathedralkirche, eines der
Wahrzeichen Münchens, dafür her? Wer hat das genehmigt, wer wusste davon? Und
wurden mit Hilfe der Kirche auch Münchner bespitzelt, womöglich gar Straftaten
begangen?
Der Kirche fällt zu
all diesen Fragen bislang nur eines ein: Sie schweigt. Sie setzt darauf, die
Aufregung werde sich schon legen. Aus ihrer Sicht geht es die Katholiken
offenbar nichts an, was in deren Kathedrale passiert. [….]