Mittwoch, 21. März 2018

Wer hat hier den Größten?

Hamburg bekommt in den nächsten Jahren ein gewaltiges Hochhaus.
Das ist gewissermaßen das Abschiedsgeschenk des Olaf Scholz.
Bis jetzt hassen die Hamburger den Entwurf. Ich finde ihn auch doof.

 Aber das hat erst einmal nichts zu sagen. Die Menschen sind öde, phantasielos und lehnen alle Änderungen ab. Daher wählen wir ja auch manisch immer wieder die alten behäbigen CDU-Kanzler Adenauer, Kohl und Merkel. Das garantiert, daß alles so bleibt wie es immer war.

Große städtebauliche Neuerungen werden immer erst mal abgelehnt. Selbst die Pariser fanden den Eiffelturm zunächst grauenhaft und wehrten sich dagegen.
Und wir hassten kollektiv die Elbphilharmonie, auf die alle jetzt so stolz sind.
Vielleicht wird also auch die „Elbkompassnadel“ in einigen Jahrzehnten unser ganzer Stolz.

Zwingend muss das allerdings nicht passieren. Ole von Beusts durchgepaukte „Europapassage“ seines Busenfreundes Hadi Teherani, für die direkt vorm Rathaus an der Binnenalster elf historische Kontorhäuser abgerissen wurden, ist nach zehn Jahren in Betrieb immer noch genau so eine beschissene Fehlkonstruktionen und optische Beleidigung, wie am Tag der Eröffnung.

[….] Franz-Josef Höing bezeichnet das Gebilde als "Kompassnadel". Höing ist der neue Oberbaudirektor in Hamburg, und seine Kompassnadel ist 235 Meter hoch, heißt "Elbtower" und soll den Auftakt bilden für Hamburgs große Osterweiterung an den Elbbrücken. Dort begrüßen einen bisher Stelzendächer von Stückguthallen, bröckelnde Hafenbecken mit Birkenbewuchs, verlorene Backsteingebäude und eine Menge nostalgisch wirkender Gewerbepragmatismus - vom Reifenstapel bis zum pinkelnden Brummifahrer. [….] Mit Schwung nach oben, würde man es bildlich deuten, wenn man das gläserne Betongebilde mit seinen konkaven Linien auf den Animationen betrachtet. Die Computeransichten sind Bedeutungsversprechen, die gar nicht verleugnen wollen, dass an diesem entscheidenden Punkt der Stadt zwischen ihren wichtigsten Verkehrsadern etwas bisher Unerhörtes entsteht. Mehr als doppelt so hoch wie die Elbphilharmonie wird die neue Landmarke das dominanteste Architekturzeichen sein, das Hamburg sich je geleistet hat. [….] Den distinguierten Hamburger, der so gerne Schirmlampen in die Fenster seiner Altbauwohnung stellt, mag es vor diesem Megazeichen und seinen Implikationen schaudern. [….]

Das reizt natürlich jetzt die Küchenpsychologen. Kleine mächtige Männer wie Nicolas Sarkozy (1,60m), Silvio Berlusconi (1,62m), Wladimir Putin (1,70m) müssen vielleicht etwas kompensieren?
Wollte Olaf Scholz (Körpergröße unbekannt) mit dem dritthöchsten Büroturm Deutschlands ein Zeichen setzen?

[….] Kleine Männer haben „mehr Power, mehr Sex, mehr Energie, mehr Ehrgeiz, mehr Eloquenz“, behauptet Willen. Sie sind den großen Männern hoffnungslos überlegen, und vielleicht deshalb versucht die 75%-Mehrheit der großen Männer, sie sich vom Leib zu halten. Das gelingt in den seltensten Fällen, was man gerade bei den kleinwüchsigen Diktatoren sieht, die mit „Geltungssucht, Machtbewußtsein und Ehrgeiz“ (Willen) sich an die Spitze des Staates vorarbeiten und dann alle spüren lassen, dass mit ihnen nicht zu spaßen ist.
Benito Mussolini (1,52 m) flößte seinen Gegnern Rhizinusöl ein und Josef Stalin (1,65 m) stellte sie an die Wand, nicht ohne ihnen vorher noch einen Schauprozess gemacht zu haben, ganz zu schweigen von den Nazi-Größen, die ganz klein waren: Hitler (1,72 m), Goebbels (1,65 m), Eichmann (1,68 m) Streicher (1,68 m). Gottseidank bringt maßloser Ehrgeiz nicht immer einen Diktator hervor, aber doch erstaunlich viele kleine Politiker, die durch viele Wortmeldungen auffallen wie Gregor Gysi (1,66 m), Norbert Blüm (1,67 m), den man allerdings auch zu den Kabarettisten rechnen könnte, und Heinrich Lummer (1,58 m), der sich in seiner Zeit als Berliner Innensenator gerne als Napoleon inszenierte, wenn er besetzte Häuser räumen ließ. [….]

Nein, natürlich schätze ich Scholz nicht so ein, daß er so etwas nötig hat.
In einer rapide wachsenden Stadt wie Hamburg – 35.000 Neubürger jedes Jahr – die nun einmal ihre Stadtgrenzen nicht ausdehnen kann, ist es der natürliche Weg in die Höhe zu bauen.
Der neue Turm wird weit ab von der Altstadt stehen, weil er nicht mit den enormen Türmen der fünf Hamburger Hauptkirchen konkurrieren soll.


[…..] Ihre Türme prägen das Stadtbild - die fünf Hauptkirchen Hamburgs: Der schlanke, hoch aufragende Turm der Petrikirche steht an der Mönckebergstraße. Nur wenige Schritte entfernt erhebt sich an der Steinstraße die Jacobikirche mit ihrer modernen Turmspitze. Der Turm der Katharinenkirche ist an seinen fensterartigen Durchbrüchen gut zu erkennen. Von der Nikolaikirche ist nur noch der neugotische Turm erhalten, die Hauptkirche selbst wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört […..] Am bekanntesten ist der Turm der Michaeliskirche, denn der "Michel" ist bis heute ein Wahrzeichen der Hansestadt.
Alle fünf Kirchtürme sind außergewöhnlich hoch: Der Nikolaikirchturm ist mit 147 Metern sogar der fünfthöchste der Welt, die anderen vier sind immerhin noch unter den 30 höchsten weltweit zu finden. Besucher können alle fünf Türme besteigen. Bequem per Aufzug geht das allerdings nur bei Michel und St. Nikolai. [….]

Auch der Turm des gewaltigen Hamburger Rathauses musste mit 112 m Höhe niedriger als die Kirchen St. Petri (132m), St. Katharinen (117m), St. Michaelis (132m), St. Jacobi (125m) und St. Nikolai (147m) sein.

 Selbst der Petersdom im Vatikan misst „nur“ 137m.
Da kann sich die Nikolaikirche (Baubeginn der Kapelle 1195, Fertigstellung des Turms 1518) sehen lassen.

Kirchtürme sind die steinernen Erektionen der Bischöfe.
Da darf niemand einen Größeren haben.

Auch die nagelneue Elbphilharmonie mußte sich mit 110 m Höhe dieser städtebaulichen Regel anpassen.

Kirchliche Mega-Phalli sind eine sehr weltliche Angelegenheit; es genügt eben gerade nicht Gott zu gefallen, sondern sie sind eine Machtdemonstration.
Keiner steht über uns.
Dafür brauchen die Christen diese ultrateuren Denkmäler.


Mit ihrem Gottvertrauen steht es in Wahrheit nicht zum Besten.
Päpste verstecken sich in Panzerglasautos, weil sie ganz offensichtlich nicht auf Gottes Protektion vertrauen – obwohl sie immerhin sein Stellvertreter auf Erden sind.

Und nichts zeigt mangelndes Gottvertrauen so sehr wie ein Blitzableiter auf der Kirchturmspitze.
Dafür ist dann die 1000 Jahre bekämpfte Wissenschaft doch gut genug.

Mit der Kirchenhöhe beweisen Christen man aber nicht nur weltliche Macht, sondern können im praktischen Sinne dem Staat, der sie so üppig mit Geld überschüttet, aushelfen.

Großzügig überließen die Herren der Münchner Frauenkirche ihre Türme für Sendemasten dem Observationskommando QB30 des Bundesnachrichtendienstes (BND) – um die garstigen Schäfchen auszuspionieren.
Mit 98 m würde der Nordturm der Frauenkirche in Hamburg zwar wenig beeindrucken, aber in Bayern ist das sehr sehr hoch.

[…..] Leibhaftig saß nie ein Geheimagent im Nordturm der Frauenkirche. Doch der Bundesnachrichtendienst (BND) hat den Dom offenbar mit dem Ziel genutzt, Spione und ausländische Diplomaten zu beschatten: Eine Empfangs- und Sendeanlage im Kirchturm ermöglichte Agenten im Einsatz dazu einen besseren Funkverkehr. Darüber hinaus nutzte womöglich noch eine zweite Behörde den Turm. Zudem wurde die Anlage wohl ausgerechnet von einer BND-Truppe verwendet, die illegale Überwachungen durchführte.
[…..]  Die Frauenkirche aber ist für diesen Zweck besonders gut geeignet. Die BND-Leute kommunizierten im Einsatz über einen CB-Funkkanal, ähnlich wie Fernfahrer, sagt [Geheimdienst-Experte Erich] Schmidt-Eenboom. Um auch in Häuserschluchten sprechen zu können, brauche man einen hoch gelegenen Verstärker - und in München ist kaum ein Gebäude höher als der 98,57 Meter hohe Nordturm der Kathedrale. Eine solche Anlage sende bis zu 80 Kilometer weit, sagt Schmidt-Eenboom, also mehr als genug, um Agenten mit der damaligen BND-Zentrale in Pullach oder den Leitstellen an der Schubertstraße oder an der Dachauer Straße zu verbinden. Installiert worden sei die Anlage noch vor 1989. [….]

Kann man sich nicht ausdenken.
Und wie immer bei Kirchenskandalen, wird vertuscht, verschwiegen und gelogen.

[….] Doch abseits der Zahlen ist es in München mit der Offenheit erheblich weniger weit her: Da endet die Transparenz bereits an der Haustür. Der Bundesnachrichtendienst hat offenbar jahrelang eine Funkanlage zur Beschattung von Diplomaten und Spionen im Nordturm der Frauenkirche betrieben. Nun stehen berechtigte Fragen im Raum: Warum unterstützt die Kirche Spionage? Wieso gibt sie einen Turm ihrer Kathedralkirche, eines der Wahrzeichen Münchens, dafür her? Wer hat das genehmigt, wer wusste davon? Und wurden mit Hilfe der Kirche auch Münchner bespitzelt, womöglich gar Straftaten begangen?
Der Kirche fällt zu all diesen Fragen bislang nur eines ein: Sie schweigt. Sie setzt darauf, die Aufregung werde sich schon legen. Aus ihrer Sicht geht es die Katholiken offenbar nichts an, was in deren Kathedrale passiert. [….]