Montag, 4. April 2022

Putins Helfer

Gestern hatte ich auf Russlands Unterstützung in Afrika, dem Nahen Osten und Asien hingewiesen. Nach Butscha sollte man meinen, die Putin-Fans in der deutschen Öffentlichkeit und der Medienlandschaft wären inzwischen ziemlich still. Das stimmt bedingt.

Das Linke Betonkopflager, beispielsweise Wagenknecht und Lafontaine, ist ziemlich abgetaucht; weist nicht mehr daraufhin, daß NATO und USA noch schlimmer wären. (Warum eigentlich nicht? GWB hat mit seinen völkerrechtswidrigen Angriffskriegen immer noch deutlich mehr Unschuldige auf dem Gewissen als Putin, viele US-amerikanische Kriegsverbrechen sind dokumentiert.) Aber Whataboutism fliegt einem um die Ohren, wenn die Gräuel-Bilder gerade noch so frisch sind, weil Whataboutism nur ablenken kann und nicht des einen Verbrechen mit den Untaten anderer rechtfertigen kann.

Gar nicht verwunderlich sind die Volten aus dem rechtsextremen Verschwörungstheoretiker-Lager. Nazi-Blogger David Berger übernimmt für seine PP-Plattform beispielsweise die Lügen der Covidioten-Hetzsammelseite „Unser Mitteleuropa“. Demnach sei das „Massaker von Butscha nur ein Fakenews-Märchen“. Zitiert wird unter anderem der rechtsextreme ehemalige NPD-Aktivist Carsten Jahn vom „Team Heimat“, der „Beweise“ dafür gefunden haben will, es handelte sich um eine „False-Flag-Aktion“ der berüchtigten Ukrainischen Asow-Neonazis.

Genau das hatte ich aus dieser Ecke erwartet. Wer derartig moralisch verkommen ist, ergötzt sich generell an Massakern, saugt begierig propagandistischen Honig aus Tod und Terror. Werden Massaker von den eigenen Leuten angerichtet, dichtet man es flugs in eine False-Flag-Story um. Das kennen wir von den rechtsextremen Trump-Parlamentariern, die den blutigen Putschversuch vom 06.01.2021 im US-Kapitol planten und dann bei schlechter Presse verkündeten, die Trump-Flaggen und QAnon-Schilder wären von verkleideten Antifa-Aktivisten getragen worden.

Kein Wunder also, daß deutsche Hetzblogger die Methode gleich adaptieren.

Viel gefährlicher sind natürlich die Verstrickungen von US-Toppolitikerin in die Insurrection. Hunderte gewählte Parlamentarier, aber zum Beispiel auch Ginni Thomas, die Ehefrau des ultrarechten Supreme-Court-Richters Clarence Thomas, waren Treiber des Sturms auf die US-Demokratie. 

Wenn David Berger für sich allein in seinem dunklen SM-Keller zwischen Hitler-Büsten und Meth-Pfeifen sitzend, Hassphantasien verbreitete und es nur die üblichen Spinner läsen, müsste man sich wenig Sorgen machen.

Aber diese braunen Medien dringen in die Parlamente vor.  Die AfD übernimmt gern die Putin-freundlichen Lügen, weil sie Russland als eins der letzten Refugien der weißen, christlichen, heterosexuellen, männlichen Macht betrachtet. Aufgrund mannigfacher Komplexe fürchten sich die „Kleinschniedelesken Männchen“ vor Diversität, gleichberechtigten Frauen und Queeren. Sie saugen begierig Desinformationen auf.

Die AfD-Parlamentarier sind begeistert.

[….] "Der russische Staat und staatsnahe Unternehmen, Oligarchen investierten sehr viel Zeit darin, Kontakte zu rechtsextremen und verschwörungsideologischen Milieus im Westen zu unterhalten."

(Julia Smirnova, Analystin ISD Germany)

Auch zu Gunnar Lindemann? Bei der Veranstaltung in Brandenburg ist er an Elsässers Seite. Für die AfD sitzt er im Berliner Abgeordnetenhaus. In seiner Freizeit vertritt er Putins Interessen.  Lindemann bereiste die Krim, Lugansk, Donezk, seit die Gebiete faktisch unter russischer Kontrolle stehen. Bei seinen Besuchen forderte der AfD-Politiker die Anerkennung der selbsternannten Volksrepubliken im Osten des Landes. Die Ukraine setzte ihn auf ihre Sanktionsliste. Vor Publikum verteidigte Lindemann im März mal wieder Russland.

  "Russland betreibt extra die Angriffe so, dass sie versuchen, die Zivilbevölkerung zu schützen."

(Gunnar Lindemann (AfD), Mitglied des Abgeordnetenhauses Berlin)

Das ist gelogen – die Wahrheit sieht so aus.  Bilder wie diese aus Mariupol haben Russlands Ruf ruiniert. Leute wie er wollen das kaschieren: Gunnar Lindemann.  Er greift eine Erzählung auf, die auch im verschwörungsideologischen Milieu weit verbreitet ist. Putin selbst nutzte sie, um die Invasion zu rechtfertigen:

"Mittlerweile kommen natürlich immer mehr Details raus, worüber die westliche Presse versucht zu schweigen. Wir erinnern uns zum Beispiel: Am Anfang des Krieges schon hat Russland gesagt, es gibt Biolabore, Biowaffenlabore in der Ukraine mit der USA zusammen."

(Gunnar Lindemann (AfD), Mitglied des Abgeordnetenhauses Berlin) [….]

(Kontraste, 31.03.2022)

Der Bundestagsabgeordnete Eugen Schmidt, 46, macht ungeniert Propaganda für Putin im Parlament.

Es geht aber noch schlimmer. Ungarns Regierungschef Viktor Orbán, der katholische, antisemitischen Diktator von Ursula von der Leyens Gnaden.

Der Mann aus der konservativen EU-Parteienfamilie verhalf der EU-Kommissionspräsidentin mit den entscheidenden Stimmen ins Amt und im Gegenzug hält sich die stärkste Frau Europas devot zurück, wenn in Ungarn Pressefreiheit und richterliche Unabhängigkeit abgeschafft werden.

Von der Leyen ist geiler auf die konservativen Stimmen Polens und Ungarns, als die deutsche Chemieindustrie auf russisches Erdgas. Sie stört sich nicht nur nicht daran, daß Ungarn sich als größtes Fan-Land Russlands inszeniert, sondern verhindert auch Abmahnungen gen Budapest. Umso intimer schmust Orbán mit Putin.

[….] Wladimir Putin galt als Vorbild von Ungarns Regierungschef Viktor Orbán. Was sich mit dem Ukraine-Krieg als fatal erwies, sagt György Dalos. Der Historiker schätzt die Lage in Ungarn vor der Wahl am Sonntag ein.

t-online: Herr Dalos, Ungarns Regierungschef Viktor Orbán machte aus seiner Verehrung für Wladimir Putin keinen Hehl, nun führt Russland Krieg gegen die Ukraine. Schadet Orbáns Vorgeschichte mit Russlands Präsidenten ihm nun im Wahlkampf?

György Dalos: Viktor Orbáns Flirt mit Wladimir Putin war keine besonders kluge Idee – das ist eine Tatsache. [….] Seine ganze Politik des letzten Jahrzehnts war ein großer Fehler: Ungarn ist ein kleines Land, mit einer derartigen Schaukelstuhlpolitik zwischen den großen Mächten wie der Europäischen Union und Russland war die Gefahr groß, zwischen die Fronten zu geraten. [….] Mein Land ist in dieser Hinsicht extrem von der Europäischen Union abhängig, weswegen Orbáns antieuropäische Politik umso sinnloser erscheint. [….] Wir sind geradezu eine Demokratie ohne Demokraten – wenn ich es auf diese Formel bringen darf. Das Verfassungsgericht, das Parlament und die Behörden, alles wird von Orbán kontrolliert. [….]

(Marc von Lüpke, 03.04.2022)

Es kam wie es kommen musste: Putin-Fanboy Orbán, der sämtliche Medien kontrolliert und alle Wahlgesetze zu seinen Gunsten manipulierte, gewann die gestrige Parlamentswahl haushoch.

Die Frau, die als erste einschreiten sollte, wenn ein EU-Land alle demokratischen Prinzipien abschafft, sich zu einer antisemitischen xenophoben und Putin-anhimmelnden Diktatur aufschwingt, dabei von der EU finanziert wird, schweigt so laut, daß es weh tut: Kein Wort von der Leyens zur „Wahl“ in Ungarn.

Putin-freundliche Naziblogger und AfD-Abgeordnete sind peinlich und schädlich.

Aber viel gefährlicher ist Ursula von der Leyens Appeasement.

Die Personalie von der Leyen, der die SPD aus gutem Grunde nie zustimmte, obwohl damit der mächtigste Posten der EU an eine Deutsche ging, bleibt womöglich die giftigste Hinterlassenschaft der völlig verfehlten 16 Jahre CDU-Kanzlerschaft in Deutschland 2005-2021. Die stellvertretende EU-Parlamentsvorsitzende Katarina Barley (SPD) ist entsetzt.

[….] Barley: Das Versagen der EU beim Schutz ihrer demokratischen Grundwerte wird damit zementiert. Orbán ist ein Antieuropäer, jemand, der Wladimir Putin als seinen Verbündeten betrachtet. Er hat während dieses Wahlkampfes in den staatlichen Sendern antiukrainische Propaganda rauf und runter laufen lassen. Orbán wird eine weitere europäische Integration immer wieder behindern. Für Ungarn bedeutet sein Sieg, dass die demokratischen Standards künftig noch weiter abgebaut werden. [….] Die Schuld liegt bei Orbán, aber die EU hat ihn zu lange gewähren lassen. Orbán hat zum Beispiel die ungarischen Minderheiten in den Nachbarstaaten sehr großzügig versorgt und ihnen dann ein vereinfachtes Wahlrecht eingeräumt. Dafür hat er auch europäisches Geld genutzt – das stimmt. Das Schlimmste ist, dass die EU seinem Treiben seit zwölf Jahren zusieht und nichts unternimmt. Sie hat zugeschaut, wie Scheibchen für Scheibchen die Demokratie in Ungarn abgeschafft wurde. Es hat 700 Änderungen des Wahlrechts gegeben, die natürlich alle zum Nutzen von Orbán waren. [….]

SPIEGEL: Seit über einem Jahr hätte die EU-Kommission mit dem Rechtsstaatsmechanismus ein Mittel in der Hand, gegen solche Praktiken vorzugehen. Sie hat es bisher nicht genutzt.

Barley: Das war ein kolossaler Fehler der EU-Kommission. [….]Solange Orbán Mitglied der konservativen Parteienfamilie war, hat man einfach freundlich zugeschaut und ihm auf die Schulter geklopft. Jetzt können wir die Uhr nicht zurückdrehen. Ich würde mir auch wünschen, dass die deutsche Wirtschaft ihren Kurs ändert. Ein Grund, warum Orbán diese Wahl so hoch gewonnen hat, ist auch, dass man in Ungarn sehr gut leben kann. Das hat damit zu tun, dass die deutsche Wirtschaft von seinen autokratischen Methoden profitiert und ihn dadurch stützt. [….]

SPIEGEL: Von seinen Kolleginnen und Kollegen in den Mitgliedstaaten ist Orbán bislang geschont worden. Haben Sie die Hoffnung, dass sich das jetzt ändert?

Barley: Wir sehen ja dort eher einen Nachahmereffekt. Einige Staaten beobachten ganz genau, wie einfach man mit autokratischem Gebaren davonkommt. Deswegen macht die polnische Regierung mit dem Abbau des Rechtsstaats weiter. Deshalb eifert der slowenische Ministerpräsident Janez Janša seinem Vorbild Orbán nach. [….]

(SPON; 04.04.2022)