Sonntag, 23. Februar 2020

Wir brauchen die Sechs-Prozent-Hürde

Langsam nervt es: In Thüringen wird ein FDP-Mann mit AfD-Stimmen zum Ministerpräsidenten gewählt, dessen Partei gerade mal 70 Stimmen über 5% erhielt.

Heute in Hamburg sieht es ähnlich knapp für die FDP aus. Die AfD, die nach ersten Prognosen unter 5% lag, entwickelt sich auch in den letzten Hochrechnungen eher zu 5,1 oder 5,2%.


Bitter, denn es wäre so ein wunderbares, optimistisches Signal gewesen, wenn nach Erfurt und Hanau erstmals seit 2013 die AfD bei einer Wahl nicht ins Parlament kommt. Unter 5% wäre angesichts der ostdeutschen Wahlergebnisse der Faschisten um die 25% eine deutliche Ansage.
Denn tatsächlich ist nun erstmal das passiert, was wir viele Jahre auf Seiten der FDP und CDU, partiell sogar bei der Linken vermissten: Eine klare Positionierung aller Parlamentsparteien gegen den Rechtsextremismus und die AfD.
Man traut kaum seinen Ohren, wenn man hört wie glasklar CSU-General Blume heute die Gauländer verurteilt – nachdem gerade seine Partei Jahrelang der AfD nach dem Mund redete.

Die sehr rechte Hamburger FDP wird nun ebenfalls eingenordet.

[…..] Lindner kritisiert FDP-Kooperation mit AfD in Hamburg
Die Hamburger FDP-Fraktion stimmte mehrfach mit der AfD - "bei harmlosen Vorhaben", sagt Parteichef Lindner. Trotzdem verspricht er: So etwas werde es nicht mehr geben. […..]

Daß die immer wieder rechtsblinkende Sahra Wagenknecht aus der ersten politischen Reihe verschwunden ist, tat der Linken ebenfalls gut. Die Hamburger Linken unter der Führung von Spitzenkandidatin Cansu Özdemir zeigte Haltung, wackelte kein bißchen im Kampf gegen rechts und wurde mit starken knapp zehn Prozent belohnt.
Diese endlich deutliche Distanzierung gegen Faschismus von Linkspartei bis CSU zeigte Wirkung; auch wenn es die AfD leider wohl doch ganz knapp in die Hamburger Bürgerschaft geschafft hat: Sie fuhr Verluste ein und erreichte ihr seit Jahren deutlich schlechtestes Ergebnis.
Möglicherweise lernen die Parteistrategen etwas aus Hamburg!
Viel Hoffnung habe ich nach der traditionelle Berliner Runde allerdings nicht, als FDP-Teuteberg die schnelle Klarstellung ihrer Partei nach der Kemmerich-Wahl hervorlog und anschließend von den C-Herren zehn Minuten am Stück über die bösen Linksextremisten und Kommunisten in der Ramelow-Partei gewettert wurde.
Unfassbar, da hat Paul Ziemiak seine Partei, die noch im Jahr 2004 die absolute Mehrheit in Hamburg holte auf sensationell blamable 11% herabgewirtschaftet und plappert immer noch von der völlig hanebüchenen Hufeisentheorie.
Bei Neuwahlen in Thüringen droht ein ähnliches Desaster.
Alles was Annegret Kramp-Karrenbauer vor zehn Tagen bei ihrer Rücktrittsankündigung versprach – Führung von vorn, Findungsprozess bis Dezember, Zusammenführung von Kanzleramt und CDU-Parteivorsitz  - ist bereits Makulatur.
Die gesamte CDU-Führung ist blamiert bis auf die Knochen und wird inzwischen selbst von den eigenen Ministerpräsidenten Hans und Günther als „irrlichternd“ beschrieben.

[….] Da braut sich gehörig was zusammen für Annegret Kramp-Karrenbauer. Die Woche dürfte ungemütlich werden für die CDU-Chefin. Wenn am Montag die Parteigremien zusammenkommen, soll Klarheit herrschen, wie es nun mit der Vorsitzsuche weitergeht, Kramp-Karrenbauer will das Amt aufgeben. Sie hatte versprochen, diesen Prozess "von vorne" zu führen. Aber am Sonntag ist sie noch ein Stück mehr in die Defensive geraten. Denn das miserable CDU-Ergebnis bei der Wahl in Hamburg verdeutlicht, wie sehr die Partei von der Rolle ist.
Was ist von der CDU in Hamburg nur übrig geblieben? Sie hatte bereits 2015 lediglich magere 15,9 Prozent der Stimmen erzielt. Als am Sonntag die ersten Zahlen bekannt werden, gut 11 Prozent, sitzt der Schock im Konrad-Adenauer-Haus tief. [….]

Das Konrad-Adenauer-Haus talibanisiert weiterhin die Erfurter Landespolitik, gibt sich hartnäckig erkenntnisresistent und unwillig irgendetwas zur Problemlösung beizutragen.                                                                                            

Die CDU-Landespartei in Thüringen hört einfach nicht mehr auf die Bundesparteichefs, ist allerdings selbst mindestens genauso unfähig und mäandert sich auch so in den Abgrund.

Die Landespartei hört einfach nicht mehr auf die Bundesparteichefs, trifft kurioserweise auch auf die Hamburger Sozialdemokraten zu.
Rabiat erteilten Bürgermeister Tschentscher und die Landesvorsitzende Melanie Leonhard Kevin Kühnert, Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans Auftrittsverbot. Sie sollten sich nicht in der Hansestadt blicken lassen, um den Wahlkampf nicht zu gefährden.

Der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete und Finanzexperte Dr. Joachim Seeler tat seine Meinung zum abgebrochenen Studenten Kevin deutlich kund:

[…..] Der Hamburger SPD-Politiker Joachim Seeler wettert wegen einer Personalentscheidung gegen die eigenen Reihen. Der Grund: Kevin Kühnert.
Der Bundesvorsitzende der Jusos ist seit Ende vergangenen Jahres auch stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD – und seit diesem Monat für das Ressort Immobilien, Bauen und Wohnen zuständig.
Ein No-Go für den Hamburger Bürgerschaftsabgeordneten und Wirtschaftsexperten Seeler. In einer Pressemitteilung erinnert er, dass Kühnert sich unlängst öffentlich zu einem sozialistischen Modell für die Wohnungswirtschaft bekannt habe. Demnach dürfte die Wohnungswirtschaft einschließlich Genossenschaften keinerlei positive Erträge mehr erzielen.
„Diese Personalentscheidung des SPD Bundesvorstandes ist ein Frontalangriff auf die Wohnungswirtschaft“, donnert der Hamburger. Ohne Erträge aus der Wohnungswirtschaft gebe es keinen Neubau und keine Sanierungen. „Wohnungen werden wieder Mangelware. Der SPD Bundesvorstand muss diese Personalie korrigieren“, so Seeler. […]

Sogar die Hamburger Jusos stellten sich wutentbrannt gegen den Bundesjuso-Chef Kühnert.




 Während Parteilinken Esken und Kühnert die SPD in ihren jeweiligen Landesverbänden in Richtung Einstelligkeit führten, die SPD in Baden Württemberg (Esken) und NRW (Walter-Borjans) spektakulär aus der Regierung flog und die Berliner SPD (Kühnert) sich anschickt ebenfalls Opposition zu werden, läuft es für die pragmatische und wirtschaftskompetente Hamburger SPD genau umgekehrt: Heute erreichten sie bei Bundeswerten von etwa 13% fast 40% in Hamburg.
SPD, Grüne und Linke zusammen stellen in der vor kurzem noch mit absoluter CDU-Mehrheit regierten Hansestadt, in der Schill 2001 fast jede fünfte Stimme holte, sensationelle 73%!
¾ der Parlamentssitze werden links der Mitte besetzt sein.
Und da werde ich gefragt, wieso ich stolz auf Hamburg bin?
Immer deutlicher zeigt sich also welch katastrophaler Fehler der Mitgliederentscheid zu Gunsten Eskens war.  Mitgliederentscheide stellen sich fast immer als Richtung in die Diktatur der Inkompetenz heraus, weil die Entscheidungen systematisch auf die am wenigsten Qualifizierten verlagert werden.
Es bleibt nur zu hoffen, daß die neue SPD-Spitze lernfähig ist und Olaf Scholz mehr Gewicht bekommt.
Hilfreich wird sein in nächster Zeit etwas unter dem Radar zu segeln, weil sich die CDU genüsslich selbst zerfleischt.