Es gab in der CDU immer einen ganz rechten Rand.
In der alten Bundesrepublik gab es neben Einzelpersonen wie dem Berliner Rechtsaußen Heinrich Lummer insbesondere im hessischen und Baden-Württembergischen Landesverband einen schwarzbraunen Bodensatz, der brav in der Partei blieb, Mitgliedsbeiträge bezahlte und auf Parteitagen stramm auf Linie den Bundesvorstand unterstützte.
[….] Die CDU gilt seit ihrer Gründung als Kanzlerwahlverein. 1949 war es noch eine sensationelle Notwendigkeit Nationalkonservative, Wirtschaftsfreunde und Vertreter beider Konfessionen zusammenzuführen, um gemeinsam einen starken anti-sozialen Block zu bilden.
Norddeutsche Protestanten, Wirtschaftsbosse, die NSDAP-Überbleibsel und ehemalige Zentrumspolitiker bildeten die Machtbasis Konrad Adenauers.
Es funktionierte wunderbar. Man blieb 20 Jahre ununterbrochen an der Macht und setzte eine USA-orientierte Politik durch.
Adenauer, der vielen bis heute als Ikone gilt, war privat ein ziemlicher
Prolet, der von Demokratie nicht sehr viel hielt.
Ungeniert setzte er Geheimdienste ein, um den politischen Gegner, aber
auch innerparteiliche Widersacher auszuspionieren.
Gewaltenteilung bedeutete ihm nicht sehr viel. Als der aufmüpfige Rudolf Augstein es wagte kritisch über Strauß zu schreiben, ließ Adenauer wie ein früher Erdoğan die Staatsanwaltschaft los, sperrte den SPIEGEL-Chef ein und wollte kritischen Journalismus einfach verbieten.
Warum auch nicht? Hatte er doch wichtige NSDAP-Ideologen wie Hans Globke (1953-1963 Adenauers CDU-Kanzleramtsminister), Theodor Oberländer (CDU-Bundesminister 1953-1961) oder auch Hans Filbinger (12 Jahre CDU-Ministerpräsident Baden-Württembergs) an seiner Seite.
Diese ehemaligen Top-Nazis wußten wie man mit der SPD-Opposition umgeht.
Der braune Sumpf konnte auch nach Adenauers Tod unbehelligt in der CDU weiter existieren.
Bundeskanzler Helmut Kohl war ein Unterstützer der Waffen-SS.
[….] Als junger Politiker spendete Helmut Kohl Geld an ein Hilfswerk, das für inhaftierte NS-Verbrecher und deren Angehörige sammelte. Nach Informationen des SPIEGEL hielt er den Generaloberst der Waffen-SS Paul Hausser für einen "anständigen Mann". [….]
(SPON, 03.02.2018)
Insbesondere in den CDU-Landesverbänden Hessen („Dreggers Stahlhelmfraktion“, Martin Hohmann, Erika Steinbach, Kristina Schröder, Koch, Kanther) und Baden-Württemberg („Studienzentrum Weikersheim“) konnten sich Ultrakonservative bis in die jüngste Zeit austoben. Sie bildeten eine Allianz mit den revanchistischen Vertriebenenverbänden.
Seit dem Zusammenbruch der DDR kam mit dem CDU-Landesverband Sachsen ein weiterer nationalkonservativer Hotspot dazu. [….]
(Schwarze Löcher bei den Schwarzen, 17.02.2018)
Als Gegenleistung bekamen sie von der Parteispitze immer wieder verbale Zuckerli, indem Helmut Kohl sich lange hartnäckig weigerte die Oder-Neiße-Linie anzuerkennen, Ronald Reagan auf den Bitburger SS-Friedhof schleppte, Schwule verteufelte und sich regelmäßig bei den ultrarechten grotesk-folkloristischen Vertriebenentreffen blicken ließ.
Es sprang auch immer ein Kabinettsposten für den braunen Flügel raus, um die Ultrakonservativen bei der Stange zu halten.
Manfred Wörner, Verteidigungsminister 1982-1988, Heinrich Windelen, Bundesminister für Vertriebene 1969, sowie Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen 1983-1987, Manfred Kanther, Innenminister 1993-1998, Rupert Scholz, Verteidigungsminister 1988-1989.
Nach 1990 kamen weitere ultrakonservative CDUler aus den Landesverbänden Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachen hinzu.
Erst waren vor allem General Jörg Schönbohm, Landesinnenminister in Berlin und Brandenburg, sowie der sächsische Justizminister Steffen Heitmann Ikonen der ganz Rechten. Inzwischen sind fast die gesamten CDU-Fraktionen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen kaum noch von der AfD zu unterscheiden.
Bundesweit sind die CDU-Rechten aber fürchterlich deprimiert, weil sie nicht mehr ihren Platz am Trog der Macht bekommen.
Sie sind noch da, sie sind laut, genießen sogar wie die CDU-assoziierte „Werteunion“ enorme Medienaufmerksamkeit.
Der rechte CDU-Flügelmann Wolfgang Bosbach war jahrelang der häufigste Talkshowgast und wurde dadurch extrem beliebt. Die Zuschauer schätzten ihn für seinen „Straight Talk“ so sehr, daß selbst SPD-Gruppen seinen Abschied aus der Politik bedauerten.
Wie so oft bei den beliebten Rechten, störte sich auch niemand daran, daß Bosbach oft und gern log. Er ist genauso ein lügender Hallodri wie Karl-Theodor von und zu Guttenberg, wird ebenso wie der adeliger Multimillionär von der Masse geliebt. In die Regierung schaffte er es aber nie.
Der rechte Unionsflügel schafft es aber in den 2010nern und 2020ern immer schlechter Machtpositionen zu besetzen, schlimmer noch, wenn er sich daran macht nach einer Regierungskrone zu greifen wie im Februar 2020 in Thüringen oder ein Jahr später in Sachsen-Anhalt wird er zurück gepfiffen.
Die Braunen werden aber nicht nur innerhalb des CDU-Machtgefüges marginalisiert, sondern leiden auch noch psychologische Höllenqualen, weil sie nicht mehr exklusiv „Es war ja nicht alles schlecht in Dritten Reich“ murmeln, sondern nun auch noch die AfD neben sich sitzen haben, die das Hier Gemurmelte, dort durch ein Megaphon hinausposaunen.
Die Nationalkonservativen sind enttäuscht, ziehen sich wie Katharina Reiche oder Kristina Schröder ganz zurück, machen wie Martin Hohmann, Erika Steinbach oder Alex Gauland zur AfD rüber oder versuchen genauso verzweifelt wie erfolglos die gesamte Partei auf Rechtsaußenkurs zu zerren.
Dafür stehen die Namen Friedrich Merz, Tilman Kuban, Christoph Ploß, Max Otte, Manuel Hagel, Alexander Mitsch, Carsten Linnemann und Hans-Georg Maaßen.
Nach ihrer Theorie bildet das gegenwärtige Parteienspektrum wieder kommunizierenden Röhren wie in den 80ern, 90ern und 2000ern, als die Lager immer in etwa stabil blieben, sich die Wähler nur zwischen SPD und Grünen einerseits, sowieso CDU und FDP andererseits bewegten.
Als Schröder 2002 zum zweiten Mal zum Bundeskanzler wurde, war seine SPD im Vergleich zu 1998 leicht schwächer geworden, aber die Grünen-Gewinne überkompensierten die Verluste.
Damals war die Koalition so gefestigt, daß eine Grünenstimme ganz klar auch Kanzlerstimme für Schröder war.
Inzwischen sind die Wählerbewegungen aber diffuser.
Die Werteunion scheitert daher nicht nur inhaltlich auf ganzer Linie, sondern das gegenwärtige demoskopische Schrumpfen der CDU führt nicht mehr automatisch zu besseren AfD-Zahlen.
Das ganze Selbstverständnis der rechtskonservativen „Werteunion“ beruht auf der simplifizierten Annahme, die gegenwärtige Merkel-CDU sei zu liberal, die klassischen Wähler fänden keine Heimat mehr in ihr und wanderten daher rüber zur braunen AfD-Alternative.
Das ist aber offensichtlich völlig falsch. Während die CDU in den letzten Wochen ein Drittel ihrer Wähler verlor, stagniert die AfD. Die enttäuschten CDU-Wähler finden den Merkelkurs also nicht etwa zu liberal, sondern zu konservativ. Daher wechseln sie lieber direkt zu den Grünen, die in vielerorts ähnlich schwurbelig, Industriefreundlich, esoterisch. Fromm und habituell konservative wie die CDU-Wähler sind.
Es muss hart sein, für die junge stramm konservative Politgeneration Spahn-Ploß-Kuban: Nachdem endlich ein Ende der Ära Merkel absehbar ist, kommen nicht etwa wie von Merz prognostiziert, massenhaft zuvor enttäuschte rechte CDU-Wähler zurück, sondern das Gegenteil ist der Fall: Liberale CDU-Wähler, die Merkel an ihre Partei gebunden hatte, machen rüber zu den Grünen; die Union schrumpft weg.
Werteunion-Boss Mitsch ist dementsprechend sehr traurig; sein komplettes Weltbild ist offensichtlich falsch, die Kernprognosen werden über den Haufen geworfen.
[…..] Konservative der CDU/CSU Chef der WerteUnion: Mitsch zieht sich zurück
Der Vorsitzende der konservativen WerteUnion Alexander Mitsch tritt den Rückzug an – er will bei der Neuwahl des Bundesvorstands nicht mehr kandidieren. Als Grund nannte Mitsch einen »verheerenden Linkskurs« der CDU. […..]
Begriffen hat er die eigentliche Dynamik offensichtlich nicht.