Mittwoch, 6. November 2013

Patriotismus, nein Danke.



Vorhin grübelte ich wie eigentlich das Antonym zu „Patriotismus“ lautet.
Ich bin nämlich so gar kein Patriot und kann für patriotische oder gar nationale Gefühle (gegenüber Deutschland ODER Amerika) einfach kein Verständnis aufbringen.
Auch das Wort „Stolz“ liegt mir nicht. Insbesondere könnte ich keinen Stolz auf eine Nation empfinden, da ich Stolz immer mit einer eigenen Leistung verbinde.
Was aber ist weniger ein eigener Verdienst als der Zufall wo man geboren wurde?
Wie nennt man aber nun Menschen, die keine Patrioten sind?
Im Zweifelsfall googlen. Eine Internetsuche spuckt folgende Begriffe aus:

Vaterlandsverräter, Fahnenflucht, Verrat, Unzufriedenheit, Untreue, Falschheit, Wankelmut, Unbeständigkeit, Perfidie, Nestbeschmutzer, „Jemand der sich ganz schnell verpissen sollte. Er mag sein Land nämlich nicht“, Landesverräter, Idiot, Zecke,..

Nun bin ich noch unpatriotischer, nachdem ich sehe welche Konnotationen aktiviert  werden, wenn man Menschen nach dem Gegenteil von Patriotismus fragt.
Das Abstoßende am Patriotismus ist also nicht nur das penetrante Sich-mit-fremden-Federn-schmücken, sondern die mehr oder weniger latent damit einhergehende Abwertung anderer Nationen, bzw der Nicht-Patrioten im eigenen Land.
Es stimmt eben, daß die Grenzen vom Patriotismus zum Nationalismus fließend sind und Letzterer ist einer der destruktivsten Ismen, den die Menschheit hervorgebracht hat.

Immer wenn die Patriotismuskarte gespielt wird, folgt etwas Ekelhaftes.

Jüngstes Beispiel ist die Eröffnungssitzung des aktuellen Bundestags.
Die erstarkte, fast absolute CDU/CSU-Fraktion drückte eine Neuerung durch und setzte zum Ende der Sitzung das Singen der deutschen Nationalhymne an!
Zum Mitschämen! Davon bekommt man außerdem Ohrenbluten.

Seit dem November 2011 liegen meine PERSÖNLICHEN PROBLEME nicht nur auf meinem Schreibtisch, sondern auch in diesem Blog vor.

Genauer gesagt mit meiner nationalen Identität, die schließlich eindeutig festgestellt sein will.


Ich rekapituliere:

Rot/Grün wurde 1999 nämlich von der Hessen-CDU dazu gezwungen ein modernes, sinnvolles Staatsbürgerschaftsrecht zurück zu nehmen.
Ein modernes Recht, wie es in fast allen Ländern der Welt gilt.
Nur die Deutschen mit ihrem völkischen Blutrechtsvorstellungen hängen manisch am Ius Sanguinis ( lat. Recht des Blutes); jenem Prinzip, nach dem ein Staat seine Staatsbürgerschaft an Kinder verleiht, deren Eltern oder mindestens ein Elternteil selbst Staatsbürger dieses Staates sind.
Dieses Abstammungsprinzip sieht auf den ersten Blick gar nicht so verkehrt aus, bedeutet aber eben auch, daß es komplett irrelevant ist, WO und in welchem Umfeld man geboren wurde.
Ist man vor 1974 in Deutschland geboren worden und hatte sogar eine deutsche Mutter, die sich aber bedauerlicherweise von einem Ausländer schwängern ließ, hat man dessen Staatsbürgerschaft!
Auch wenn man den Vater nie gesehen hat, das Land aus dem er stammt nie besucht hat, die Sprache nicht spricht und als in Deutschland geborener Mensch bei seiner rein deutschen Familie aufgewachsen ist!
So sagte es einst das Abstammungsprinzip - die MÜTTERLICHE Abstammung war irrelevant.
Ein Kasache, dessen Vorvorvorfahren einst unter Katharina der Großen mal nach Russland eingewandert waren, konnte hingegen nach Deutschland kommen, obwohl seit Generationen niemand mehr deutsch gesprochen hatte, niemand mehr in Deutschland gewesen war und bekam noch am ersten Tag - eingefädelt von Helmut Kohls legendären Staatssekretär Horst Waffenschmidt (1982 bis 1997 Parlamentarischer Staatssekretär beim Innenminister und von 1988 bis 1998 Aussiedlerbeauftragter Kohls, zur Zeit tot) sofort einen deutschen Pass.

Natürlich blicke ich jetzt mit einem besonderen persönlichen Interesse auf die Koalitionsverhandlungen in Berlin. Wird es der SPD gelingen die Union von ihrer diskriminierenden Optionspflicht abzubringen, so daß Menschen wie ich endlich zwei Staatsbürgerschaften erhalten können?
Tatsächlich würde ich so ein großzügiges Angebot der Regierung annehmen, wenn ich dafür nicht meinen US-Pass schreddern lassen müßte.
Wie so ein Gesetz konkret aussähe, weiß ich natürlich noch nicht.
Im Moment wäre es aber höchstwahrscheinlich unmöglich für mich Deutscher zu werden, selbst wenn ich aufhörte Ami zu sein, da meine finanziellen Verhältnisse nicht üppig genug sind, um zu beweisen, daß ich kein Sozialfall werden kann.

Unterdessen macht sich meine lokalpatriotisch geliebte Heimatstadt Hamburg unter ihrem erfolgreichen Bürgermeister Scholz daran systematisch hier lebende Ausländer zur Einbürgerung einzuladen.
So einen Scholz’schen Brief habe ich selbstverständlich auch schon erhalten; kann aber aus o.g. Gründen nicht darauf eingehen.
Viele andere Ausländer in Hamburg haben offenbar mehr Zaster als ich.

Rekord: Hamburg hat die höchste Einbürgerungsquote.
Die Zahl der Einbürgerungen in Hamburg hat einen Höchststand erreicht. Im vergangenen Jahr haben 5736 Menschen in der Hansestadt die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. Zum Vergleich: Im Jahr 2008 waren es noch 2800 Einbürgerungen. Die Zahlen des laufenden Jahres deuten darauf hin, dass dieser Wert Ende 2013 noch einmal übertroffen wird. Bis Ende Juni wurden 3747 Einbürgerungen gezählt. [….] So versendet Scholz monatlich rund 3700 persönliche Anschreiben an Einwanderer, um diese zu Einbürgerungsanträgen zu ermuntern. Seit Dezember 2011 sind 72.173 dieser Briefe versendet worden. Die nun seit sieben Jahren laufenden Bemühungen der Stadt machen sich auch im bundesweiten Vergleich bemerkbar. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes werden in Hamburg, gemessen an der Einwohnerzahl, die meisten Menschen in Deutschland eingebürgert. Die Quote betrug im Jahr 2011 – neuere Zahlen sind noch nicht veröffentlicht – 2,28 Prozent. Es folgen die Flächenländer Schleswig-Holstein (2,03 Prozent) und Hessen (1,84 Prozent). Berlin etwa hinkt mit einer Quote von 1,41 Prozent deutlich hinterher. Bundesweites Schlusslicht ist Sachsen (0,77 Prozent).
 (HH Abla, 06.11.13)

Ich würde Olaf Scholz den „Erfolg“ gönnen seine Einbürgerungsquote durch mich noch zu erhöhen – wenn ich reich genug dazu wäre.
Das war eine Konjunktiv-Formulierung.
Der Leitartikel des stellvertretenden Abendblatt-Chefredakteurs Iken löst bei mir allerdings wieder so einen antipatriotischen Brechreiz aus, daß ich mit solchen Typen wirklich nicht meine Staatsbürgerschaft teilen möchte – selbst wenn man mich ließe.

Einbürgerung ja, Doppelpass nein!
Die Einbürgerung ist ein wichtiges Ziel, die doppelte Staatsbürgerschaft ist es nicht
[….]  Es ist so gut wie richtig, Menschen die deutsche Staatsbürgerschaft zu verleihen, die seit Langem in der Bundesrepublik zu Hause sind. Wer den deutschen Pass bekommt, bekennt sich zu seiner neuen Heimat; er genießt fortan dieselben Rechte – allen voran das aktive wie passive Wahlrecht – und dieselben Pflichten wie früher den Wehrdienst. Wichtiger noch als der formale Akt aber ist die Symbolik: Deutschland, dieser Schmelztiegel im Herzen Europas, der sich lange Zeit gewehrt hatte, "Einwanderungsland" zu sein, und Zuwanderer als "Gastarbeiter" behandelte, baut endlich Brücken und bezieht die Ausländer von gestern als Deutsche von morgen ein.
Wer am tieferen Sinn dieser Politik zweifelt, sollte eine Einbürgerungsfeier im Festsaal des Rathauses besuchen: Der Festakt mit der Verleihung der Einbürgerungsurkunde durch den Bürgermeister und dem gemeinsamen Singen der Nationalhymne ist ein Hochamt der bürgerlichen Demokratie.
Die Staatsbürgerschaft ist ein Bekenntnis – und dieses Bekenntnis ergibt Sinn. Bei allem Verständnis für die Betroffenen und ihre Schwierigkeiten, sich zu entscheiden, der Staat darf ein eindeutiges Bekenntnis verlangen – und er sollte es tun. [….] Zu Recht haben die Gesetzgeber seit 2000 ein Optionsmodell geschaffen – Kinder ausländischer Eltern, die in Deutschland geboren werden, erhalten automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit, müssen sich aber zwischen dem 18. und 23. Lebensjahr für den bundesrepublikanischen Pass oder den ihrer Eltern entscheiden. Das ist, anders als die SPD derzeit in den Koalitionsverhandlungen glauben macht, eben nicht zu viel verlangt.
Eine doppelte Staatsbürgerschaft schafft doppelte Probleme. Diese beginnen bei einem theoretischen Mehrfachwahlrecht etwa bei Europawahlen, erstrecken sich über Schwierigkeiten im Privatrecht und hören bei der Frage nach den Pflichten, etwa dem Wehrdienst, nicht auf.
(Leitartikel Iken 06.11.13)

Was bildet sich dieser Iken eigentlich ein?
Ich lebe schon länger in Deutschland als er und dennoch meint er von mir erst einmal verlangen zu müssen mich zu bekennen und gemeinsam die Nationalhymne zu singen, bevor es überhaupt möglich ist dieselben Rechte zu erhalten, die Iken schon seit seiner Geburt im Jahr 1970 innehat?
Wer ist er, daß er sich einbildet etwas von mir „verlangen“ zu dürfen?
Und weiß er nicht, daß multiple Staatsbürgerschaften in allen anderen westlichen Ländern die Regel sind? Jeder, der beispielsweise in Amerika geboren wird, ist sofort automatisch Amerikaner- vollkommen unabhängig davon, ob er noch andere Staatsbürgerschaften bekommt, oder nicht.
Und das soll „doppelte Probleme“ bringen?
Nein, ich glaube, daß ich gar nicht die Staatsbürgerschaft eines Landes haben möchte, in dem man sich mit so anmaßenden Blutrechtsvorstellungen aufbläst.