Samstag, 9. Dezember 2017

Wasch mir den Pelz aber mach mich nicht nass



Ganze Parteitage auf Phoenix übertragen sind selbst für erfahrenen Binge-Watcher ein hartes Brot.
Aber was erwartet man? Die übliche politische Klasse, die man im Kabinett und Talkshows präsentiert bekommt erweckt in mir schon den Wunsch mir lieber die Finger in der Autotür klemmen zu gehen.
Aber diese Top-Politiker sind bereits die besten und fähigsten Personen ihrer Parteien. Wird man aber gleich mit 600 oder 800 Delegierten konfrontiert, erlebt man die entsprechend schwächeren Redner und Denker. Noch dümmer sind die Parteimitglieder, die wiederum ihre Besten zu Delegierten wählen.
Einfache Parteimitglieder sind aber noch die informierte Crème de la Crème verglichen mit den Menschenmassen, die keiner Partei angehören.

Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.
(Albert Einstein)

Lässt man das Volk direkt entscheiden, führt das zu einer Diktatur der Inkompetenz.

Es gibt Gegenden in Sachsen, da spielt der Kandidat gar keine Rolle, das tumbe Volk wählt ohnehin das, wo „rechtsradikal“ drauf steht.

[….] Landrat Bernd Lange, CDU, seit 2001 im Amt, sagt über den AfD-Kandidaten Chrupalla: "Man hätte einen Besenstiel hinstellen können, der wäre auch gewählt worden." So groß die Unzufriedenheit, so groß das Gefühl, zu kurz zu kommen. Lange formuliert es so: "Wenn Berlin und Dresden nicht mehr an die Region glauben, dann glaubt die Region irgendwann selbst nicht mehr an sich." [….]

Man sollte froh sein, daß diese Leute nicht direkt Bundespolitik gestalten, sondern daß wir in einem System aus Volksvertretern die Menschen entscheiden lassen, die hoffentlich nicht ganz so tumb wie die Basis sind.

Beim heute beendeten SPD-Parteitag, und ich spreche voller Wohlwollen über SPD-Delegierte, das sind noch die Klügsten und Sympathischsten Hobbypolitiker im Vergleich zu den Alternativen, war das Wesen der Demokratie gut abzulesen.
Bei den Personalentscheidungen spielte offensichtlich persönliche Sympathie und Mitleid die Hauptrolle.
Der zweifellos kompetenteste Stellvertreter, Olaf Scholz, bekam das schlechteste Ergebnis, während Jammer-Martin 82% erhielt.
Schulz hatte zwar in einer immerwährenden Kaskade aus Fehlentscheidungen und Peinlichkeiten zum Mitschämen das schlechteste SPD-Ergebnis aller Zeiten zu verantworten, während Olaf Scholz 2011 und 2015 die mit großem Abstand besten SPD-Wahlergebnisse aller Bundesländer holte, aber letzteres ist immer so emotionslos und analytisch.
Auch innerhalb der SPD bestreitet niemand, daß Scholz die deutliche größte Fachkompetenz hat, aber der Blödmann Schulz ist dem Sozi-Bauch irgendwie näher.

[….] Scholz’ fachliche Kompetenz, etwa in der Finanz- und Arbeitspolitik, ist unbestritten. Sein Manko ist die fehlende Empathie und Ausstrahlung. In der gegenwärtigen Lage der SPD bedarf es aber gerade dieser Charaktereigenschaften. [….]

Die SPD-Delegierten belohnen also den Mann, der es mit völlig inhaltlosen Floskeln versuchte jedem Recht zu machen, während Derjenige mit den klaren inhaltlichen Analysen und konstruktiven Vorschlägen durchfiel.

Die neue starke Frau der SPD, Bätschi-Kacke-Fresse-Andrea, gab die Richtung vor.

„Meiner Meinung nach brauchen wir in den nächsten Wochen alle, auch die Jusos, um aus dieser ungeheuerlichen, von anderen angerührten Kacke einen guten Weg nach draußen zu finden.

Schon klar, Lindner und Merkel haben bei den Jamaika-Verhandlungen versagt.
Dadurch ist die arme SPD nun wieder am Ruder.
Um aus der Not eine Tugend zu machen, könnte die Partei nun Merkels Not ausnutzen und SPD-Herzenswünsche wie die Bürgerversicherung für die Wähler rausholen.

Leider sind Planung und Strategie ausgerechnet die Dinge, die Martin Schulz gar nicht kann. Das ahnen auch die anderen Parteitagsdelegierten und fordern nun sicherheitshalber die SPD-Kernthemen von CDU-Ministern umsetzen zu lassen.
Bätschi, die CDU soll viele Zugeständnisse machen. Bürgerversicherung, Rückkehrrecht von Teil- in Vollzeit, Mindestrente. Aber um das durchzusetzen, stehen keineswegs SPD-Minister zu Verfügung.
Mehr Gaga geht nicht.
Möglichst viel soziale Politik – aber das sollen bitte schön die ganz Konservativen, die das strikt ablehnen, durchführen. Die Rolle der SPD-Parlamentarier soll strikt auf intensives daneben sitzen, abwarten und Däumchendrehen beschränkt bleiben.

[….] Die SPD hadert mit einer neuen GroKo. Führende Genossen wollen lieber eine Minderheitsregierung. Und Schulz wettert gegen die CSU.
[….] In der SPD wachsen vor dem ersten Gespräch am Mittwoch mit der Union aber die Vorbehalte gegen eine erneute große Koalition. Die neue stellvertretende SPD-Vorsitzende und Landeschefin in Bayern, Natascha Kohnen, sagte der "Passauer Neuen Presse": "Ich plädiere dafür, andere Wege als eine Neuauflage von Schwarz-Rot zu suchen."
Die SPD müsse mutig sein. "Dazu gehört es, intensiv über eine Minderheitsregierung zu diskutieren und uns nicht einfach wieder vor den Karren von Bundeskanzlerin Angela Merkel spannen zu lassen." Dabei müsste sich Merkel für jedes Projekt Mehrheiten im Bundestag suchen – die Kanzlerin lehnt das als zu unsicher ab. […..]

Malu Dreyer, die intensiv gegen eine Groko und für eine CDU-Minderheitsregierung plädierte, erhielt das mit Abstand beste Wahlergebnis aller Präsidialen – 97,5%!
Wasch‘ mir den Pelz aber mach‘ mich nicht nass, lautet also der Wille der Delegierten.
Das ist die Erneuerung der SPD: Schlanker Fuß. Fordern, aber nichts verantworten. Von der Zuschauerbank aus andere Kritisieren und intern die Ungerechtigkeit der Welt bejammern.
Die bösen, bösen Seeheimer sind scheinbar die einzigen, denen diese Paradoxie auffällt.


"Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass sie die Bürgerversicherung durchsetzen, mit einem CDU-Gesundheitsminister", so Johannes Kahrs (SPD), Sprecher Seeheimer Kreis über ergebnisoffene Gespräche mit der Union.

Aber klares Denken ist eben derzeit nicht gefragt. Kahrs und Scholz sind out, Andrea Bätschi und Kevin Kühnert sind in.

Entweder wir Sozis machen der CDU die Hölle heiß, verlangen ultimative Zugeständnisse und setzen dann mit gestärkten SPD-Ministern und einem Bundesfinanzminister der SPD so viel soziale Politik wie noch nie in einer Groko durch, beenden Waffenexporte, unternehmen etwas gegen Hunger und Klimawandel, streiten dafür mit selbstbewußten und kämpferischen Regierungsmitgliedern,
oder wir lassen das alles, sitzen in der Opposition und beschäftigen uns erst mal mit uns.
In dem Fall wird dann aber sehr viel weniger sozialdemokratisches Regierungspolitik sein.
Beides gleichzeitig geht nicht. Abseits schmollen und die CDU Sozi-Politik machen zu lassen, wird nicht gehen.