Samstag, 10. November 2012

Tiefschlag




 In meinem Facebook-Profil verwende ich bei den persönlichen Angaben fast keine korrekten Angaben. Ich wüßte nicht weshalb ich Mulitimilliardär Zuckerberg bei seinem Adressenhandel helfen sollte.
Wahr ist aber meine Angabe bei „politische Einstellung“, dort steht:
Politische Einstellung
  Das Kleinste Übel liegt irgendwo zwischen Linken, Grünen und SPD
    Dagegen sein ist sehr einfach und ich bin gegen sehr viel.
    Schwieriger ist es Alternativen aufzuzeigen, die auch noch im einigermaßen realistischen Bereich liegen. Zufällig lebe ich in einem Land, welches eine Parteiendemokratie ist. Die politische Willensbildung erfolgt über die Parteien.
    Solange man mehr als 51% Übereinstimmung mit einer Partei hat, kann man ihr Mitglied sein. Und das bin ich in der SPD. Wiewohl die Religioten Nahles, Thierse und Co beharrlich daran arbeiten die Schnittmenge von meiner Partei und mir zu verkleinern.
Bei allen drei linken Parteien (die Piraten zähle ich ausdrücklich nicht dazu; das ist gar keine Partei, sondern ein Ein-Themen-Chaoshaufen) gelangen erstaunlicherweise recht kompetente Leute in den Bundestag. 
Die jeweiligen Delegiertenversammlungen offenbaren stets ein solches Maß an Doofheit, daß man eigentlich das Schlimmste befürchten müßte. So wie bei den schwarzgelben Kollegen, die mit Vorliebe inkompetente Charakterfieslinge in die höchsten Gremien schicken.
Schlimmer als Entscheidungen der Freizeitpolitiker in den Parteitagen ist es nur, wenn man das Volk direkt befragt.
Bei Personalien bevorzugen sie die, die sie schon kennen. 
Oder aber sie zerlegen sich in Fraktionen, so daß, wie bei der Parteivorsitzenden-Urwahl der SPD von 1993 der offensichtlich ungeeignete Rudolf Laaangsaaaaaam Scharping eine schwache relative Mehrheit gegen Gerhard Schröder und Heidemarie Wieczorek-Zeul erreicht.
Die folgende Bundestagswahl von 1994 ging krachend verloren. Oskar Lafontaine zeigte auf dem inzwischen legendären Mannheimer Parteitag von 1995 wie man es macht, schubste den überforderten Scharping mühelos aus dem Amt und führte die SPD zur Regierungsübernahme 1998.

Nun haben es die Grünen mit einer Urwahl versucht und scheinen heute dermaßen begeistert von sich selbst zu sein, daß sie ernsthaft behaupten als einzige Partei Demokratie zu praktizieren. 

Als habe es noch nie Urwahlen gegeben. 
Fast alle Profi-Schreiberlinge erzählen dieselbe Legende.
Es gibt aber Erfahrungen mit Urwahlen und die waren stets schlecht.
1995 gab es eine FDP-Urwahl, bei der sich eine Mehrheit von 63,6 % für den „Großen Lauschangriff” aussprach. Die damals noch mit rechtsstaatlichen Überzeugungen behaftete Sabine Leutheusser-Schnarrenberger trat daraufhin als Justizministerin zurück.

Vor einem Jahr ließen 44,2 Prozent der FDP-Mitglieder bei der „Rettungsschirm-Urwahl“ beinahe die europäische Wirtschaft kollabieren.

Die grüne Kanzlerkandidaten-Entscheidung erinnert in äußerst unangenehmer Weise an Guido Westerwelles Spaßpartei-Performance von 2002, als er sich mit einer „18“ unter den Schuhsohlen als Kanzlerkandidat der FDP ausrufen ließ und damit den endgültigen intellektuellen Abstieg der einstmals Liberalen einläutete.
Weswegen die Grünen nun ausgerechnet diese FDP-Methoden kopiert ist mir fast so unklar, wie das allgemeine Lob, welches ihnen dafür entgegen gebracht wird.

Gesetzt war Jürgen Trittin, der zu den wenigen Politikern gehört, denen ich schon ausdrückliche Lobpreisungs-Postings gewidmet habe.
 Er ist wirklich ein Guter und ich würde es sehr begrüßen ihn tatsächlich als Kanzler zu erleben. Allein, das wird nie passieren. 
Daß Trittin der einzig in Frage kommende Kandidat der augenblicklichen Grünen-Konstellation ist, mag Zufall sein. 
Blöderweise verlangt der elende linke Proporz ihm eine Frau zur Seite zu stellen. Ganz so, als ob man befürchten müsse, ein allein mächtiger Trittin könnte womöglich das Frauenwahlrecht abschaffen und die Macho-Gesellschaft des 19. Jahrhunderts anstreben.
Schwachsinn. 

Die zur Wahl stehenden Co-kandidierenden Frauen Künast, Roth und Kathrin Göring-Kirchentag sind allesamt ebenfalls seit Jahrzehnten an vorderster Front aktive Größen. 
Ihre Chancen wurden vorab allgemein so eingeschätzt, daß eigentlich Künast gewinnen müßte - WENN sie sich nicht mit ihrer Berliner Bürgermeisterkandidatur so ungeschickt angestellt hätte. Daher könne womöglich die als etwas zu schrill empfundene Claudia Roth zum Zug kommen. Keine Chance hätte hingegen die konservative EKD-Chefin, die niemand möge.
Bei einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS Forschung im Auftrag von SPIEGEL ONLINE hatten 23 Prozent der befragten Grünen-Wähler gesagt, dass sie sich die Bundestagsvizepräsidentin als Spitzenkandidatin wünschten. Sie lag damit klar hinter Trittin (60 Prozent), Künast (50 Prozent) und Roth (47 Prozent).
 Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt.
Kathrin Göring-Kirchentag hängte die Geschlechtsgenossinnen deutlich ab und wieder jubelt alles.
 Eine erstaunliche Unkenntnis befällt die Profikommentatoren.
 So fabuliert der ehemalige SZ- und SPIEGEL-Mann und heutige Chef des konservativen „Cicero“ Christoph Schwennicke auf SPON von einer klaren Richtungsentscheidung zu Gunsten von Schwarz-Grün.
Dabei hatte die Oberchristin aus Thüringen in einem schweren Ausschließeritis-Anfall genau das kategorisch ausgeschlossen.
 Göring-Eckardt wollte nicht mal "irgendeine Hintertür offen lassen", sagte sie bei einer Urwahlveranstaltung in Hamburg.
 Der Cicero-Mann, der offensichtlich auch nicht mitbekommen hat, daß Kathrin Göring-Kirchentag seit über 20 Jahren Top-Grüne Spitzenämter innehat (Bundestagsfraktionsvorsitzende, Bundestagsvizepräsidentin, Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), "Bündnis 90"-Gründerin, parlamentarische Geschäftsführerin ihrer Bundestagsfraktion und Pizza-Connection-Initiatorin) erklärt, nun beginne ein personeller Neuanfang.
Die Urwahl der Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckardt und Jürgen Trittin ist die dritte große Zäsur in der Geschichte der Grünen. […] Eine Koalition mit der Merkel-CDU wird immer wahrscheinlicher.
[…] Nach einem knappen halben Jahrhundert [??? Die Grünen wurden vor 32 Jahren geründet - T.] der Existenz ist dies der dritte Markstein am Lebensweg der Grünen. Der erste markiert die Zeit, als aus dem Fluidum der Anti-Atom- und Anti-Kriegs-Bewegung eine handfeste Partei wurde. Das war die Geburt der Grünen. Die zweite Zäsur stand an, als sich Joschka Fischer in Turnschuhen als Umweltminister im Kabinett von Holger Börner vereidigen ließ. Das war der Anfang der Regierungsgrünen, hervorgegangen aus den strukturell oppositionellen Dagegen-Grünen.  Und dieses Wochenende markiert die Wende der linken Grünen zu den bürgerlichen Grünen. Das ist die tiefere Erkenntnis hinter den Personen, die gewählt und vor allem jenen, die nicht gewählt wurden.
[…] Joschka Fischer hat Katrin Göring-Eckardt stets als zu bequem verhöhnt, weil sie nicht aktiv für ihre Grundeinstellung und damit für eine schwarz-grüne Option gekämpft hat.   Jetzt ist sie da, KGE - und die Option auch. Wer das nicht sehen will, der immunisiert sich gegen das Offensichtliche aus ideologischen Gründen. Mit dem Ergebnis der Urwahl sind die Grünen einem Bündnis mit der Union auf Bundesebene einen ganz großen Schritt näher gekommen. […] Und Katrin Göring-Eckardt? Die sowieso. Mit der SPD konnte die Kirchenfrau in Wahrheit noch nie viel anfangen. […]
Zwei Erkenntnisse jedenfalls werden von diesem Wochenende bleiben. Erstens: Die Grünen sind eine bürgerliche Partei. Zweitens: Schwarz-Grün ist in den Top Five der möglichen Koalitionen nach der nächsten Bundestagswahl auf einen sicheren zweiten Platz gestiegen.
 Ich staune.
Zwar stimmt es, daß viele Grüne der alten Tante SPD sehr skeptisch gegenüber stehen, aber eine Kanzlerwahl Merkels 2013 mit grünen Stimmen erscheint mir selbstmörderisch nachdem die Frau ihre beiden vorherigen K.O.alitionspartner zermalmt und marginalisiert hatte. 
Das wäre politischer Suizid. 
Warum sollten die Grünen das angezettelte schwarzgelbe Chaos mit den katastrophalen Entscheidungen wider des Allgemeinwohls fortführen?

Immerhin veröffentlich SPON einen zweiten Kommentar zum Thema, der ganz im Gegenteil eine rot-grüne Vorliebe der Kirchenfrau diagnostiziert:
[KGE] half ein atemberaubender persönlicher Politikwechsel an die Macht: Aus der Frontfrau der neoliberalen Agenda-Politik mit einer Schwäche für Schwarz-Grün wurde die engagierte Sozialpolitikerin, die sich brennend auf ein Bündnis mit den Sozis freut. Das irritierte zwar ihre eigenen Anhänger, die sich von Göring-Eckardt eine Öffnung der Partei zu den Konservativen erhofften und von einer Art Winfried Kretschmann in weiblich träumten.
Bei der Basis dagegen half ihr der beherzte Linksschwenk ganz offenbar - und ließ die Gegnerinnen einfach nur älter aussehen.
(Ralf Beste 10.11.12)
 Problematisch ist die Personalie der frommen Kathrin Göring-Kirchentag, weil der gesellschaftspolitische Rollback der schwarzgelben Jahre zementiert wird.

Die EKD-Frau vertritt so radikal menschenrechtsantagonistische Positionen, daß ich nur BETEN kann, daß sie nicht noch mehr Einfluß bekommt.

Sie schlss sich der notorischen Lügen-Argumentationen Bischof Hubers bei der Pro-Reli-Frage an, sie votierte wider PID und Patientenverfügung, stimmte für die Genitalverstümmelung und vertritt massiv die arbeitsrechtliche Diskriminierung von Juden und Atheisten. 
Mit dieser Top-Religiotin ist die dringend erforderliche und verfassungsrechtlich gebotene Entflechtung von Kirche und Staat nicht zu machen.
Schockierend.
Die 46-jährige Ostdeutsche ist tief in der evangelischen Kirche verwurzelt.
Selbst wenn es nicht geklappt hätte: Katrin Göring-Eckardt konnte nicht tief fallen bei dieser Urabstimmung. Sie hatte ein Netz, das unter ihr gespannt war, ein Netz der evangelischen Kirche. Vielleicht war es das, was der Überraschungs-Siegerin die Extraportion Kraft und Souveränität gab. […] Schon früh verbindet Göring-Eckardt, die im Mai 1966 in Friedrichroda in Thüringen geboren wird, ihre beiden Hauptinteressen: die Kirche und die Politik. […] Die junge Frau engagiert sich in der kirchlichen Opposition, ist Mitglied in der Bewegung "Solidarische Kirche und Frauen für den Frieden". Nach ihrem Abitur 1984 beginnt sie ein Theologiestudium, das sie allerdings nach fünf Jahren ohne einen Abschluss wieder aufgibt. […]  
Ihr Handeln ist seit je geprägt von christlichen Werten, die ihr vor allem im linken Flügel der Partei nicht nur Freunde verschaffen. Mit Anfang 20 heiratet sie den Pfarrer Michael Göring, als eine der ersten Frauen in der DDR pocht sie auf ihr Recht, einen Doppelnamen tragen zu dürfen. Die beiden bekommen zwei Kinder, Göring-Eckardt veröffentlicht unter dem Titel "Gott gibt die Fischstäbchen" ein Buch über Erfahrungen mit religiöser Erziehung.
2009 wird die heute 46-Jährige zum Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland gewählt, 2011 leitet sie als Präsidentin den Evangelischen Kirchentag 2011 in Dresden.
Nun bin ich im Bundestag 2013 endlich Schwerkatholiban Thierse los und die Grünen schicken mit Kathrin Göring-Kirchentag gleich die nächste Vollblutreligiotin hinterher.