Sollte es zu einer
rotschwarzen Bundesregierung kommen, wird es zu vielen von mir als „unverzichtbar“
angesehenen Änderungen in der Politik NICHT kommen, weil die SPD-Parteispitze
sie nicht unter den „zehn Essentials“ auflistet, die in
Koalitionsverhandlungen mit der CDU als unverzichtbar angesehen werden.
Da kann ich mich wohl von
der doppelten Staatsbürgerschaft verabschieden und muß weiterhin die
Bildungsfernhalteprämie akzeptieren.
Und dafür hat man die SPD
nach Kräften unterstützt. Es ist zum Heulen.
Allerdings gehört auch zur
Wahrheit, daß weit über 50 % der Wähler (nämlich die der CDU, CSU, FDP, Linken,
AfD und Piraten) für eine Kanzlerin Merkel votierten und die SPD-Verhandlungsposition
schwächten. Mit 25% kann man sich nun einmal schlecht gegen 50%+ durchsetzen.
85% Zustimmung für Koalitionsverhandlungen
mit der CDU gab es heute beim SPD-Konvent. Gabriel formuliert das weitere
Vorgehen an die Parteimitglieder:
Dabei werden wir für unsere Ziele hart kämpfen. Klar ist: Nicht alles werden wir durchsetzen können, Koalitionsverhandlungen erfordern immer auch Kompromisse. Was für uns aber unverzichtbar sein wird in einem möglichen Koalitionsvertrag, hat der Konvent der Verhandlungsdelegation als Auftrag mitgegeben: der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro, die abschlagsfreie Rente nach 45 Versicherungsjahren, Verbesserungen bei der Pflege, die Gleichstellung von Frauen und Männern, die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts, mehr Geld für die Kommunen, für Infrastruktur und Bildung, die Spekulantensteuer, Impulse für mehr Wachstum und Arbeitsplätze in Europa, eine erfolgreiche Energiewende.
(Sigmar
Gabriel, Mitgliederbrief 20.10.13)
Die großen
Lobbyorganisationen bekommen aber schon mit dieser schwachen SPD weiche Knie.
Der alten schwarzgelben
Regierung mußte man gar nicht erst drohen. In vorauseilendem Gehorsam
formulierten Kanzlerin und Vizekanzler die Gesetze ganz nach den Wünschen der
Großindustrie. Gesetzesinitiativen der Regierungsfraktionen wurden teilweise im
gleichen Layout mit denselben Rechtschreibfehlern wie die Positionspapiere der
Lobbyisten in den Bundestag eingebracht. Die rückgratlose Merkel und das
Industrieflittchen Rösler waren nur allzu willige Erfüllungsgehilfen der
Umverteilung von unten nach oben.
Ganz so einfach dürfte es
zukünftig dann doch nicht mehr gehen, wenn immerhin einige Sozis auf wichtigen
Kabinettsposten sitzen.
Über Merkels
Mangelprogrammatik machen sich die Leitartikler immer noch lustig.
Es wäre interessant zu wissen, ob CDU
und CSU eigentlich zehn Punkte zusammenbekämen, die ihnen in
Koalitionsverhandlungen wirklich wichtig sind. Mal versuchen: Die Union möchte
Investitionen in erstens Bildung, zweitens Forschung und drittens
Infrastruktur. Was noch? Die Mütterrente. Und? Grübel, grübel, ach ja, die
Maut. Zählen wir mal als halben Punkt. Macht viereinhalb. Moment! Weil es sich
um Konservative handelt, muss man auch mitzählen, was bleiben soll: Keine
Steuererhöhung, keine Änderung beim Betreuungsgeld, keine Bürgerversicherung,
keine Euro-Bonds, keine Gleichstellung von Homosexuellen. Macht 9,5. Gerade so.
Die SPD hat nun locker zehn Ziele
vorgelegt, die sie in den Koalitionsverhandlungen erreichen will. Zugegeben, da
ist manches noch sehr vage, andererseits haben die Sozialdemokraten auch schon
vieles weggelassen. Und manches von dem, was die Union gerne ändern möchte,
findet die SPD ja auch gut, vor allem das, wofür Geld ausgegeben werden soll.
Alles in allem kann man also sagen, die
Union hat zwar fast doppelt so viele Stimmen bekommen, die SPD hat dafür
doppelt so viel vor - ausgleichende Gerechtigkeit.
Eine konzeptionslose CDU
ist ideal für die milliardenschweren Lobbyisten.
Relativ unvorstellbar, daß
ein SPD-Umweltminister so billig zu haben wäre, wie Herr Altmaier, der für das Taschengeld von 690.000 Euro der Quandtfamilie
eine BMW-konformes EU-Regelung durchdrückte.
Im Jahr 2012 hatten die
drei Quandts ohne einen Finger zu rühren 700 Millionen Euro Kapitalerträge nur
aus ihrer BMW-Beteiligung kassiert und mußten dank der CDU-FDP-Regierung dafür
weit weniger Steuern als auf Arbeitseinkommen zahlen.
Das knapp eine Promille, daß Stefan, Susanne und Johanna aus ihren BMW-Einkünften (und sie haben noch weit mehr Einkünfte!) an die CDU weiterleiteten, war also sehr gut angelegt.
Das knapp eine Promille, daß Stefan, Susanne und Johanna aus ihren BMW-Einkünften (und sie haben noch weit mehr Einkünfte!) an die CDU weiterleiteten, war also sehr gut angelegt.
Das neue Kabinett ist noch
nicht bestimmt. Aber eine der mächtigsten Großkapital-Lobbyorganisation beginnt
sich bereits in die Hose zu machen. Ihr Homunculus Angela könnte dem neuen
Regierungspartner durchaus das ein oder andere Zuckerstück überlassen, welches
die Reichsten nicht gerne hergeben.
„Chance 2020“ nennt sich
verschleiernd die bundesweite Mega-Kampagne der schwerreichen Initiative Neue
Soziale Marktwirtschaft (INSM), die 2000 zur Unterstützung der eiskalten neoliberalen
Politik gegründet wurde und von der Metall- und Elektroindustrie finanziert
wird. Ihr Jahresbudget für Imagekampagnen beträgt sieben Millionen Euro.
Merkel hatte man damals sehr schnell im Sack. Bereitwillig ließ sich die damals neue CDU-Chefin
Konzepte der INSM diktieren und warb öffentlich massiv für die
Arbeitgeberlobby. Sinnlos, diese Zustände zu beklagen. Das ist seit vielen
Jahren bekannt und Angela Merkel ist beliebter denn je.
[….]
Das Neue an der Neuen Sozialen
Marktwirtschaft, die die INSM propagiert, besteht darin, dass die sozialen
Bestandteile eliminiert werden, da sie den Interessen der Arbeitgeber
widersprechen. Der Staat soll sich aus dem wirtschaftlichen und sozialen
Geschehen zurückziehen, d. h. auf soziale Korrekturen und Sicherungsmaßnahmen
verzichten, auch wenn die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter
auseinanderklafft. Umschrieben wird dieser Grundgedanke auf der Website der
INSM („Was will die INSM konkret“) als „konsequente und konsistente
wettbewerbliche Ausrichtung unserer Wirtschafts- und Sozialordnung“,
„Beschränkung des Staates auf seine Kernkompetenzen“ sowie „Stärkung des
Prinzips 'Hilfe durch Selbsthilfe'“. In ihren Kampagnen, Auftragsstudien und
Unterrichtsmaterialien werden Privatisierungen, Deregulierungen, Steuersenkungen,
der Abbau von Subventionen, eine Senkung der Arbeitskosten, die
Flexibilisierung des Arbeitsmarktes (Abbau des Kündigungsschutzes, flexible
Arbeitszeiten), mehr Eigenvorsorge im Gesundheitssystem und die kontinuierliche
Erhöhung des Renteneintrittsalters gefordert. Mindestlöhne und die
Finanztransaktionssteuer werden abgelehnt. Rechte der Arbeitnehmer stellt die
INSM ausschließlich als Hemmnis für die wirtschaftliche Entwicklung und die
Schaffung von Arbeitsplätzen dar. Die gesetzliche Renten- und
Pflegeversicherung wird schlecht geredet und stattdessen die Einführung von
kapitalgedeckten Versicherungen gefordert, deren Probleme (hohe
Verwaltungskosten, Risiken aufgrund von Finanzmarktkrisen, Unerschwinglichkeit
für Niedrigverdiener) unerwähnt bleiben. [….]
Daß INSM-Kanzlerin Merkel
nun mit Sozis (und zuvor den Grünen) sondiert, gefällt ihren Finanziers aber
nicht wirklich und so bringen sie ihre Kanzlerin mit bundesweit 117
Großplakaten und neun riesigen Anzeigen in überregionalen Tageszeitungen auf
Kurs.
Man darf annehmen, mit Erfolg.
Steuererhöhungen für die Reichsten lehnt die CDU-Chefin, die sonst so flexibel
ist, kategorisch ab.
Die INSM will aber auf
Nummer sicher gehen.
»Verfluchte Wahlversprechen« stand auf
dem bizarren Geschenk, das die »Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft« (INSM)
zu Jahresbeginn an einflussreiche Menschen in Berlin schickte. Eine
Voodoo-Puppe lag in dem Päckchen, das Bundestagsabgeordnete und politische
Multiplikatoren bekamen – samt blau befahnten Nadeln mit Begriffen wie
»Mindestlohn«, »Frauenquote« und »Vermögensteuer«. Die Voodoo-Puppen sollten
die Wähler darstellen. […Die INSM] ist sehr einflussreich, auch weil sie sich
gerne als eine Art unparteiliche intellektuelle Bürgerwehr ausgibt. Doch sie
ist nichts anderes als eine Vorfeldorganisation der Arbeitgeberverbände der
Metall- und Elektroindustrie. Im Jahr 2013 stecken diese nach eigenen Angaben
fast sieben Millionen Euro in die Organisation. Das Geld fließt in aggressive
Öffentlichkeitsarbeit. Zurzeit überschwemmt die Initiative Berlin mit Plakaten
sowie das Internet und Zeitungen mit Anzeigen. Die Wochen nach der
Bundestagswahl sind für Lobbyisten die wichtigsten der Legislaturperiode. […]
Die INSM fordert ein
»marktwirtschaftliches Reformpaket«. In Anlehnung an die Agenda 2010 des
ehemaligen SPD-Bundeskanzlers Gerhard Schröder nennt sie es »Chance 2020«. [….]
Unter falscher Flagge zu segeln, hat bei
der »Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft« Tradition. Schließlich sollen
Leser und Zuschauer glauben, sie bekämen die industriefreundlichen Botschaften
von unabhängigen Experten präsentiert. Ohne zu kennzeichnen, wer dahinter
steckt, haben sie 2007 das Portal unicheck.de ins Internet gestellt, und zwar
als Website »von Studenten für Studenten«. Auf den Seiten sollten Studierende
Universitäten danach bewerten, wie gut oder schlecht sie Studiengebühren einsetzen.
Studiengebühren sollten positiv und als Form der Mitbestimmung erscheinen. In
der ARD-Serie »Marienhof« kaufte sich die Initiative für rund 58 700 Euro Dialoge in sieben Folgen. Eine der
Botschaften war, Zeitarbeit sei toll. »Die Werbung für die Zeitarbeit im Marienhof muss im Kontext der
Forderung nach einer weitgehenden Flexibilisierung des Arbeitsmarktes gesehen
werden«, stellte die NGO Lobbycontrol damals fest. […]
Ihr Meisterstück abgeliefert hat die
Arbeitgeberinitiative nach der Bundestagswahl 2009. Damals hat sie eine ihrer
zentralen Positionen im Koalitionsvertrag von Union und FDP untergebracht, und
zwar zur gesetzlichen Pflegeversicherung. […]