Der Multimillionär Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob
Philipp Franz Joseph Sylvester Buhl-Freiherr von und zu Guttenberg schwang sich
in den Jahren 2009-2011 zum beliebtesten deutschen Politiker seit Adolf Hitler 1941
auf.
Zeitungen von links bis rechts berichteten nicht mehr sachlich
über ihn, sondern huldigten devot dem Mann, den sie sich als nächsten König von
Deutschland wünschten.
Es war völlig sicher, daß dieser Mann Deutschlands
zukünftiger Superkanzler werde. SPIEGEL und FAZ schrieben, KTG müsse nur
zugreifen. Würde er seinen Hut in den Ring werfen, bliebe Merkel nur der
Rücktritt.
Nur wenige Jahre später fristet KTG ein Leben als persona
non grata im Exil, hofft verzweifelt darauf wieder gerufen zu werden, ist
allerdings nur noch als der große Blender, die Inkarnation der Enttäuschung,
der Selbstinszenierungsminister ohne irgendwelchen politischen Inhalte in
Erinnerung.
Es kann auch umgekehrt laufen. Helmut Schmidt war für viele
Deutsche erst mal eine Enttäuschung nach dem charismatischen Willy Brandt. Dem
Weltökonomen flogen die Herzen nicht zu, als er durch die Ölkrise steuerte, den
autofreien Sonntag durchsetzte und die Weltwirtschaftstreffen, sowie den Euro
erfand.
20 Jahre nach seinem erzwungenen Ende als Kanzler war
Schmidt zum deutschen Superstar, zum allwissenden Orakel und Zuschauermagnet
emporgestiegen.
Ich bin fest davon überzeugt, daß es Gerd Schröder dereinst
ähnlich ergehen wird. Die Geschichte wird ihn eines Tages als einen der ganz
großen Visionäre und wichtigsten Kanzler der BRD würdigen.
Die Gründe, weswegen er heute so gern negativ konnotiert
wird, werden keine Rolle mehr spielen. Man wird seinen Mut, seine ökonomische
Kompetenz, seine weltpolitische Progressivität und all seine gesellschaftlichen Neuerungen
und Liberalisierungen loben.
Das ist der eine Grund weswegen ich Bundeskanzler Schröder gern preise.
Der Andere ist natürlich der, daß „Schröder“ so ein
hervorragender Trigger ist, um verbohrte Linke ganz fürchterlich aufzuregen.
Die springen dann wie pawlowsche Hunde los und blamieren
sich vortrefflich mit den ewig gleichen erbärmlichen Beleidigungen: „Gas-Gerd,
Putin-Versteher, Brioni-Kanzler. Das finde ich lustig.
Nur ein sozialdemokratischer Name regt SPD-Linke noch mehr
auf als „Schröder“ und das ist Klaus von Dohnanyi.
Der 90-Jährige Ex-Bürgermeister Hamburgs wirkt auf die Kühnert-affinen
Jusos wie in UV-Licht gehüllte Knoblauchzehen auf Vampire. Seine wichtigsten
Ämter - von 1972 bis 1974 Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, von 1969
bis 1981 Mitglied des Deutschen Bundestags und von 1981 bis 1988 Erster
Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg – und Taten (er bewirkte das
Wunder von der Hafenstraße) sind längst vergessen.
Der hochgebildete Schöngeist stammt aus einer berühmten adeligen Widerstands-Familie:
Vater Hans von Hans von Dohnanyi und Mutter Christine Bonhoeffer (Schwester von
Dietrich Bonhoeffer) wurden zusammen mit Onkel Dietrich am 5. April 1943
verhaftet, weil sie am Hitler-Attentatsversuch und dem Putschversuch Henning
von Tresckows beteiligt waren. Adolf Hitler ließ Dietrich Bonhoeffer und Hans
von Dohnanyi im KZ Sachsenhausen ermorden.
Klaus‘ Bruder Christoph von Dohnányi ist ein weltberühmter
Dirigent.
Nach 1989 erwarb sich Klaus von Dohnányi noch mehr Ruhm und
Ehre, als er sofort in die DDR übersiedelte und viele Jahre mit ganzer Kraft aus
altruistischen Motiven für die Ossis arbeitete.
Sein Buch „Brief an die Deutschen Demokratischen
Revolutionäre“ von 1990 wurde zum bedeutendsten Werk der Wende. Im Anschluss
fungierte er von 1990 bis 1994 als Beauftragter der Treuhandanstalt für die
Privatisierung ostdeutscher Kombinate, arbeitete beim Fördermaschinen- und Kranbauer TAKRAF in
Leipzig, war unter Schröder 2003 bis 2004 war er Sprecher des Gesprächskreises
Ost.
Er ist Gründungskommissar der Bucerius Law School in
Hamburg, leitet den Mindestlohn-Ausschuss der Bundesregierung, ist Mitglied der
Atlantik-Brücke und der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und war
Gründer der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte.
Ein großer Mann, der allerdings auch zu meinem Missvergnügen
unter schwerer Grünen-Phobie leidet und seit Jahrzehnten Koalitionen seiner SPD
mit den Grünen bekämpft.
Die jüngeren und linkeren Sozis verzeihen ihm insbesondere
nicht seine persönliche Freundschaft mit Angela Merkel.
Das ist vielen nicht nur deshalb suspekt, weil sie nun
einmal Chefin der großen Konkurrenzpartei CDU ist. Dubioser noch erscheint
SPD-Linken die Tatsache, daß von Dohnányis offenbar nicht nur Bekannte Merkels
sind, sondern tatsächlich enge persönliche Freunde sind, die das Paar
Merkel-Sauer auch beraten.
Dabei befolgt Klaus von Dohnanyi streng Merkels Grundregel von der absoluten
Diskretion und erzählt öffentlich nicht das geringste Bißchen über Merkels
Privatleben und ihre Privatansichten.
Als notorischer Linken-Fresser macht sich der
90+-Nadelstreifensozialdemokrat derzeit wieder besonders unbeliebt, weil er im
aktuellen SPIEGEL mit einem Aufsatz vor einem Linksruck der Partei warnt.
Da läuft den Pawlow-Sozis der Sabber.
Seinen Artikel gelesen haben sie allerdings offensichtlich nicht.
Denn darin steht viel Richtiges und Bedenkenswertes.
[…..] Raus aus der Nische.
Warum ein Ruck nach links für die SPD tödlich wäre. […..] Im SPIEGEL vom 20. Oktober forderte Veit Medick im Leitartikel den Abschied vom Reformweg des Godesberger Programms von 1959, mit dem sich SPD und Marktwirtschaft endlich versöhnten. Die Partei solle sich nun »ein Stück zurück in die Nische« vor Godesberg zurückziehen, schreibt Medick, und »natürlich muss sie nach links«. So sieht es wohl auch ein großer Teil der SPD. Aber weiter links gibt es schon die Linke mit stabilen zehn Prozent. Die Grünen wiederum sind erfolgreich, gerade weil sie keinen verschärften Linkskurs verfolgen.
Warum ein Ruck nach links für die SPD tödlich wäre. […..] Im SPIEGEL vom 20. Oktober forderte Veit Medick im Leitartikel den Abschied vom Reformweg des Godesberger Programms von 1959, mit dem sich SPD und Marktwirtschaft endlich versöhnten. Die Partei solle sich nun »ein Stück zurück in die Nische« vor Godesberg zurückziehen, schreibt Medick, und »natürlich muss sie nach links«. So sieht es wohl auch ein großer Teil der SPD. Aber weiter links gibt es schon die Linke mit stabilen zehn Prozent. Die Grünen wiederum sind erfolgreich, gerade weil sie keinen verschärften Linkskurs verfolgen.
Die SPD fehlt heute also nicht als
»linke« Partei: Sie fehlt als Volkspartei mit breitem Spektrum, die Arbeitnehmer,
Handwerker, fortschrittlich denkende Unternehmer und Wissenschaftler
anspricht. Sie fehlt als Gegengewicht zur Union für einen möglichen
Machtwechsel mit einem sozialdemokratischen Bundeskanzler. Machtwechsel
sind die Eckpfeiler jeder Demokratie, aber nur wer die Mitte erreicht, wird
ihn auch herbeiführen können. […..]
(Der Sozialdemokrat Dohnanyi im SPIEGEL Nr
47 vom 17.11.2018, s.29)
Und da wundern sich die Küken, wenn man als SPD-Geront die
mangelnde inhaltliche Tiefe der Generation Facebook beklagt.
[…..] Die Digitalisierung wird alle
Bereiche der Gesellschaft tiefgreifend verändern. Vor ihrem Hintergrund
werden sich auch die von der SPD so erfolgreich eingeleiteten Reformen
bewähren müssen. Hier einen glaubwürdigen Zukunftsentwurf für ein politisches
Programm einer zuversichtlichen, mutigen und reformstarken Volkspartei
SPD im digitalen Zeitalter zu entwerfen, ist unsere Aufgabe. Wir gehören
nicht in verstaubte Nischen von Wagenknecht und Co. […..]
(Der Sozialdemokrat Dohnanyi im SPIEGEL Nr
47 vom 17.11.2018, s.29)