Mehr als zwei Prozent waren für die Linke bei den vier Landtagswahlen des Jahres kaum zu schaffen. Mitten in der größten Wirtschaftskrise, in der alle Nicht-Superreichen darum bangen, sich Heiz- und Lebensmittelkosten leisten zu können, fällt ausgerechnet die Oppositionspartei aus, die sich der Sozialpolitik verschreibt.
Die Landesverbände befinden sich weitgehend in Lyse. Landesvorsitzende werfen frustriert ihre Posten weg, die letzten verbliebenen Parteiprominenten treten aus.
Was für ein Armutszeugnis. Schon bei der Bundestagswahl im September 2021 schaffte sie die 5%-Hürde nicht, sitzt nur wegen der drei Direktmandate-Sonderregelung im Bundestag.
[….] Seit Ewigkeiten gibt es Gerüchte, das prominenteste Gesicht der Linken könnte eine eigene Partei gründen. Der SPIEGEL hat mit mehreren Politikerinnen und Politikern im Umfeld Wagenknechts gesprochen, stets ist dasselbe zu hören: Die Überlegungen seien so ernsthaft wie noch nie, es werde geplant und geprüft. In diesem Jahr werde zwar nichts mehr passieren. Aber die Linke sei verloren, dem Untergang geweiht. Deshalb habe man doch nichts zu verlieren. […..]
Die Fraktionsmacht dürfte das einzige sein, das überhaupt noch weiter erodieren könnte. 39 Abgeordnete garantieren den Fraktionsstatus, für den man mindestens 37 Sitze benötigt. Es erfordert nur geringste Mathematikkenntnisse, um Sahra Sarrazins Erpressungspotential zu erkennen. Verließe sie die Bundestagsfraktion, würden ihr mindestens eine Handvoll weiterer Mandatsträgerfolgen und somit wäre die Linke im Bundestag nur noch eine „Gruppe.“ Das heißt: Weniger Geld, weniger Redezeit, weniger Einfluß, weniger Rechte.
[….] 5.1 Bildung von Fraktionen und Gruppen
Die Fraktionen sind mit eigenen Rechten ausgestattete Teile des Bundestages. Aufgrund ihrer Eigenständigkeit sind sie berechtigt, Rechte des Bundestages und eigene Rechte, die das Grundgesetz einräumt, vor dem Bundesverfassungsgericht geltend zu machen. Die Fraktionen sind aber keine Organe des Bundestages, da sie von ihm weder eingesetzt werden noch Aufträge oder Weisungen erhalten; sie sind vielmehr von der Organisationsgewalt des Bundestages unabhängige Vereinigungen von Mitgliedern des Bundestages, die sich zur gemeinsamen Verfolgung politischer Ziele zusammengeschlossen haben. [….]
Abgeordnete, deren Zusammenschluss die Fraktionsmindeststärke nicht erreicht, können sich gemäß § 10 Abs. 4 GOBT zu einer Gruppe zusammenschließen, wenn der Bundestag diesem zustimmt. Ob die erforderliche Gruppenstärke vorhanden ist, entscheidet der Bundestag mittels der Anerkennung oder Ablehnung als Gruppe. Die Geschäftsordnung räumt Gruppen keinerlei den Fraktionen zuerkannte Rechte ein. [….]
Welche Rechte genau einer neuen Linken Gruppe eingeräumt würden, liegt bei den anderen Bundestagsparteien. Auf sehr viel Entgegenkommen werden die Dewagenknechtisierten nicht hoffen können. Hinter vorgehaltener Hand wird eine Zahl von 150 Mitarbeitern genannt, die man entlassen müsse. Ein Horrorszenario; gerade für eine Linke Partei. Das Arbeitsklima dürfte dramatisch vergiftet werden.
Aber wenn man beobachtet, wie die Linke in den letzten 14 Monaten ihre Fraktionsrechte MIT Sahra Wagenknecht nutzte, ist die Leistungsbilanz derartig negativ, ja geradezu verheerend, daß es ohne die völkischen Putinophilen nicht schlimmer werden kann. Im Gegenteil, die AfD-affinen Querfrontler sind für viele Linksliberale ein Wahlausschlusskriterium. Wer sich eine Politik links der Ampel wünscht, hat derzeit kein Angebot.
Erst mit Sahra Sarrazins Abgang gäbe es wieder eine wählbare Alternative.
[….] Die »progressiven Linken« sehen eine Wagenknecht-Partei nicht als Gefahr. Die Noch-Genossin sei nicht teamfähig und unnahbar, sie habe sich weder in der Fraktion noch in der Partei wirklich integrieren können. Zudem fehle es Wagenknecht an einer konsistenten Programmatik. Eine Anti-USA-, Anti-Corona- und Anti-Woke-Partei gebe es mit der AfD schon. Ebenso wird auf die von Wagenknecht initiierte Sammlungsbewegung »Aufstehen« verwiesen, die im Tumult verendete. Wagenknecht, heißt es, habe zu viele Chaoten hinter sich, etwa den einstigen Musiker Diether Dehm. Oder die Abgeordnete Sevim Dağdelen, die als menschlich höchst schwierig gilt. Diese zwei, lästern Wagenknecht-Gegner, würden schon reichen, um jede neue Partei in kürzester Zeit zu zerlegen. […..]
Eine Wagenknecht-Partei würde sich mit der AfD um dieselben Wähler streiten. Das muss kein Schaden für die Demokratie sein, wenn sich Rechte sektieren und gegenseitig beschädigen.
Diese Leute sind für eine wählbare Linke aber ohnehin destruktiv.
[…] Der Wagenknecht-Vertraute Diether Dehm soll aus der Linkspartei geworfen werden. Vordergründig geht es um Abspaltungsfantasien. Doch er hat viele fragwürdige Auftritte hinter sich. […] In dem Antrag, der ZDFheute exklusiv vorliegt, heißt es, Dehm habe "dazu aufgerufen, einen konkurrierenden Wahlantritt gegen die Partei die Linke zur Europawahl 2024 zu unterstützen und zu organisieren". Und weiter:
Herr Dr. Dehm-Desoi hat vielfach vorsätzlich, öffentlich und mit Außenwirkung gegen die Satzung sowie die Grundsätze und Ordnung der Partei verstoßen. Damit hat er der Partei schweren Schaden mit Blick auf ihre Glaubwürdigkeit und ihr Ansehen in der Öffentlichkeit zugefügt. […] Mit dem Antrag zum Rauswurf reagiert die Partei auf die erneuten Gerüchte über eine Spaltung der Linken. Befeuert wurden die vor drei Wochen noch einmal von Sahra Wagenknecht selbst, die bei "Bild TV" gesagt hatte: "Ich wünsche mir, dass in Deutschland eine Partei entsteht, die die Politik der Regierung verändern kann." […] Diether Dehm ist schon lange umstritten. In dem Antrag heißt es: Dehms jüngster Aufruf für eine Konkurrenzorganisation sei "nur der inakzeptable Höhepunkt unzähliger Äußerungen der letzten Jahre". Und weiter:
Eine vollständige Dokumentation aller dieser für die Linke schädlichen Äußerungen würde den Rahmen deutlich sprengen.
Das Schreiben nennt dennoch drei Beispiele.
Bei einer Rede hatte Dehm die den Holocaust relativierende Aussage getroffen: "Die größte Verbrecherorganisation nach der SS war die Nato. Und das ist die Nato auch heute noch."
In einer von ihm geteilten Bild-Montage werden Politikerinnen mit einem Hund verglichen. Angesichts der Metoo-Vorwürfe in seiner Partei ist das umso problematischer.
In einem Tweet nannte er die Parteiführung zudem "karrierebeseelten Apparat von BND-gestutzten Egomanen". [….]
Wenn Dehm, Höcke, Dağdelen, Weidel, Wagenknecht, Storch und Chrupalla zusammen ins braune Schlammbad steigen, um dort miteinander zu catchen, lehne ich mich entspannt zurück und genieße die Show.