Samstag, 4. April 2015

Ist ja widerlich.


Vor gerade mal drei Tagen hatte ich noch die Tatenlosigkeit der Bundes- und Landesinnenminister zur Impudenz des Monats März erklärt und die erbärmlichen Vorgänge im Sachsen-Anhaltinischen Tröglitz als Beleg dafür verwendet.
Tout Deutschland empörte sich als der ehrenamtliche Bürgermeister Markus Nierth auf Druck der Nazis sein Amt niederlegte, nachdem er sich für Flüchtlinge, Menschen in Not engagiert hatte.
Die rechte Pest ist weiterhin erfolgreich, weil niemand sie aufhält. Verfassungsschutz; Polizei und Innenministerien sind auf dem rechten Auge blind.
Kurz nachdem Nierth weggebissen wurde, ging nun auch das Haus, in dem die Flüchtlinge wohnen sollten in Rauch auf.

[….] In Tröglitz brannte das Flüchtlingsheim, die Polizei ermittelt wegen Brandstiftung. Bürger versammeln sich zu einem Friedensgebet, doch auch die Rechtsextremen sind da.
[….] Vier in der Region bekannte Rechte, drei Männer und eine Frau, stehen am Rande des Friedensplatzes und halten ein Plakat in die Höhe: "Das System ist das Problem". Und als Susanna Nierth, die Frau des zurückgetretenen Bürgermeisters Markus Nierth, vor 250 Teilnehmern die Ereignisse der Nacht als schlimm bezeichnet, ruft einer der vier: "Falsch, es wird noch viel schlimmer."
[….] "Es ist ein ganz widerliches Verbrechen, das ist eine Katastrophe", sagt Sachsens-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sichtlich betroffen. Und auch Susanna Nierth ist erschüttert. "Das ist so schlimm", sagt die Frau des ehemaligen Bürgermeisters, "davon wird sich Tröglitz wohl nie mehr erholen."
[….] Tröglitz ist in den Schlagzeilen, seit vor einem Monat Markus Nierth sein Amt zurückgab - von der NPD angeführte Proteste gegen Flüchtlinge hatten direkt vor seinem Wohnhaus stattfinden sollen, die Behörden hatten zu spät darauf reagiert. Und jetzt das: Der Dachstuhl des für Flüchtlinge vorgesehenen Hauses in dem 2700-Einwohner-Ort brennt völlig aus - er gehörte zum Wohnbereich[….] Nierth ist erschüttert: "Ich gehe von Brandstiftung aus, die sogar den Tod des dort noch lebenden - deutschen - Ehepaares in Kauf genommen hat", sagt er dem Tagessspiegel. Der ehemalige Kommunalpolitiker - er gehört keiner Partei an - erklärt weiter: "Ich bin fassungslos, traurig und wütend zugleich. Da ist die braune Saat so weit aufgegangen, dass man nun lieber Häuser niederbrennt, in denen Familien eine neue Bleibe finden sollten." Selbst Familien aus Kriegsgebieten werde "von kranken, bösen Gehirnen" kein freistehender Wohnraum gegönnt. "Eine bleibende Schande für Tröglitz, die uns nun mit Mölln und Hoyerswerda in eine Reihe bringt und noch viele unabsehbare Folgen haben wird."
[….]  Im Ort fürchte man sich eher vor Ausländern - sehr zu Freude der NPD, berichtete anschließend die "FAZ". Der Korrespondent des Deutschlandfunks twitterte von der Versammlung: "Asylbewerber sind nicht willkommen. Neid, Missgunst, Skepsis. Kein warmes Wort des Willkommens." Bei "Spiegel online" hieß es: "Die Rechten pöbeln, die Masse schweigt."
Sebastian Striegel, Grünen-Innenpolitiker im Landtag von Sachsen-Anhalt: [….]  "Die Straße darf nicht denen überlassen werden, die gegen Flüchtlinge hetzen." Zu schaffen machen Striegel nicht in erster Linie die vielleicht 100 oder 150 Tröglitzer, die mit Geflüchteten nichts zu tun haben wollen. "Das größte Problem sind die 2500, die nichts sagen."
In Wismar und Rostock kam es zu fremdenfeindlichen Angriffen
Auch in anderen Städten kam es zu neuen fremdenfeindlichen Angriffen. In Wismar wurden in der Nacht zum Samstag zwei ägyptische Asylbewerber von acht bislang unbekannten Männern attackiert. Die beiden Ägypter im Alter von 21 und 26 Jahren wurden geschlagen und mit ausländerfeindlichen Parolen beleidigt. Bereits am frühen Freitagmorgen war in Rostock ein 26-jähriger Kameruner von drei Männern auf offener Straße geschlagen worden, wie der NDR meldete. [….]

Nun steht Tröglitz bundesweit als Schandfleck da.
Von den 2700 Einwohner raffen sich dennoch nur 10% auf, um bei der Demonstration „für ein weltoffenes Tröglitz“ ihr Gesicht gegen die Nazis zu zeigen. Davon sind vermutlich aber auch noch eine große Anzahl Aktivisten von außerhalb.
90% der Tröglitzer schweigen oder stimmen den Nazis zu.

Merkel und Gauck? Sind wie üblich abgetaucht, wenn es unangenehm wird.
Bundeskanzler Schröder hatte sich einst noch dem braunen Mob entgegengestellt und einen „Aufstand der Anständigen“ initiiert.

Die armen Menschen, die in so einem braunen Kaff leben müssen.
Richtigerweise gibt CDU-Landrat Ulrich dem Nazi-Mob nicht nach. Alles andere hätte das verheerende Signal an die Rechtsradikalen zu Folge, daß sich ihre Straftaten lohnten.
Nun MÜSSEN die Flüchtlinge also kommen.
Eine entsetzliche Vorstellung, daß sie nach allem, das sie durchmachen mußten, nun auch noch in Tröglitz enden müssen.

In Tröglitz werden Flüchtlinge leben: Landrat Götz Ulrich (CDU) will an der Unterbringung von Asylbewerbern in dem 2700-Einwohner-Ort festhalten - auch nach dem Feuer in der geplanten Flüchtlingsunterkunft. "Es bleibt dabei, Tröglitz bekommt 40 Asylbewerber", sagte er SPIEGEL ONLINE.
Ab Mitte Mai sollten die ersten Flüchtlinge in die Kleinstadt im Burgenlandkreis kommen, in das hell gestrichene Haus in der Ernst-Thälmann-Straße ziehen. In dem sanierten Gebäude sollten zwölf Wohnungen für sie hergerichtet werden, ein Wachdienst und ein Sozialarbeiter sich um die 40 Menschen kümmern, überwiegend Familien.