Samstag, 1. August 2020

Impudenz des Monats Juli 2020


Und schon wieder einmal zeigt der Kalender eine „1“ - hohe Zeit für mich den Blödmann des Monats zu küren.

Nach den ersten paar Wochen des Lockdowns, als eine massive Änderung des Verbraucherverhaltens eingetreten war, spekulierte ich ob die positiven Aspekte wohl auch nach dem Abflauen der Pandemie beibehalten würden.
Könnten die Deutschen begriffen haben, daß man statt billiger Fertiggerichte und Kantinenfraß auch unter Verwendung gesunder, regionaler Zutaten selbst kochen und backen kann; daß dies sogar günstiger ist, besser schmeckt und definitiv besser für die Umwelt, das Tierwohl und das Klima ist?
Würde endlich der apokalyptische Wahn der Billigfliegerei reduziert werden?
Sollte man nicht generell auf diese alberne Virenübertragungshilfe Händeschütteln und Wangenküsse verzichten?
Ist ein Leben ohne die Königsklasse des Totalirrsinns, also Kreuzfahrten möglich?

(….) Der absolute ökologische Irrsinn sind Kreuzfahrten. All die 400 m langen, 70 m hohen Giganten für 6.000 Passagiere und 4.000 brutal ausgebeutete Arbeitssklaven unter Deck.

[….] Der Nabu rechnet vor (PDF), dass ein Kreuzfahrtschiff pro Tag so viel CO2 ausstösst wie fast 84.000 Autos, so viel Stickoxide wie etwa 421.00 Autos, so viel Feinstaub wie etwa über 1 Million Autos und so viel Schwefeldioxid wie gut 376 Millionen Autos.
Die Deutsche Lungenstiftung warnte daher schon vor Jahren: „Lungenkranke, die sich auf eine Kreuzfahrt begeben, sollten sich vor den Abgasen des Schiffes in Acht nehmen.“ [….]
Kreuzfahrtschiffe fahren mehrheitlich mit Schweröl und verbrauchen davon täglich im Schnitt 150 Tonnen. Schweröl ist stark umwelt- und gesundheitsschädlich und deswegen an Land verboten, denn das giftige Abfallprodukt der Petrochemie enthält 3.500 mal mehr Schwefel als auf Europas Straßen für PKW erlaubt wären. […..]


Weltweit gibt es etwa 6.500 Passagierschiffe. Davon sind 500 Kreuzfahrriesen.
500 mal 150 Tonnen = 75.000 Tonnen Schwerölverbrauch pro Tag.
Das entspricht 27.375.000 Tonnen im Jahr.
27 Millionen Tonnen giftiges Schweröl werden jährlich für betrunkene, reiche Kreuzfahrtouristen in die Luft geblasen?
Schluss mit dem Irrsinn. Kein Bailout für Kreuzfahrtreedereien. Alle 500 Schiffe für immer stilllegen. (…..)
Ist die Spezies des weißen, reichen Allemannen lernfähig?

Vier Monate später gibt es eine Antwort. Und die lautet NEIN!

Und so werden die teutonischen Anti-maskers, die Corona-Leugner, die Hildmann-Querfrontler, Ballermann-Zusammenballungen, Corona-cornernde Jugend-Pulks, zusammenklebenden IKEA-Massen, dicht an dicht gedrängten Zoo-Besucher, die alle Regeln ignorieren, Sardinendosen-artig zusammengepresste Ostseeurlauber zur Impudenz des Monats Juli 2020 gekürt.

Die Deutschen sind zu doof für Pandemie. Im ersten Schrecken konnten sie sich ein paar Wochen an Hygienemaßnahmen halten.
Nun aber scheint der Schrecken vergessen und im Angesicht des diese Woche erlebten stärksten Anstiegs der Corona-Fallzahlen überhaupt, allgemein auf eine zweite Welle hingearbeitet werden.

[……] Die Corona-Pandemie breitet sich weiter aus. Laut WHO haben sich innerhalb eines Tages weltweit 292.000 Menschen infiziert - Rekordwert. Auch das RKI meldet für Deutschland steigende Zahlen.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) verzeichnet einen Rekord bei der Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus. Innerhalb eines Tages hätten sich weltweit 292.000 Menschen infiziert, teilte die WHO mit. Die meisten neuen Fällen gab es danach in Nord-, Mittel- und Südamerika mit insgesamt 172.000.
Die meisten neuen Fälle innerhalb eines Landes gab es in Brasilien: Dort wurden 69.000 Fälle gezählt. Knapp dahinter laut WHO: die USA mit 65.000 Neuinfektionen. [….]

Heute kam ich um 22.00 Uhr nach Hause nachdem ich zweimal quer durch Hamburg fahren musste. Hamburg ist heute warm, es ist Samstag und sämtliche Plätze der Gastronomie sind lückenlos besetzt, auf jedem Stuhl sitzt einer, niemand trägt Maske.

In Berlin ballte sich heute die Dummheit im erschreckenden Maß: Myriaden Unterbelichtete zogen ohne Masken, ohne Abstand durch die Hauptstadt, um ein Mega-Ischgl zu generieren.

[…..] Die Populisten auf der Bühne können sich damit brüsten, ein Massenpublikum angezogen zu haben. Angemeldet waren 10.000 Menschen, die Polizei zählte 17.000 Teilnehmer. Die Veranstalter selbst sprachen von 1,3 Millionen. Die Stimmung war teilweise explosiv. Jeder filmte jeden, Passanten hielten den Mittelfinger hoch. Die Gewinner sind auch die Rechtsextremen, die sich mit Reichsflagge strategisch geschickt unter die Demonstranten mischten: mal hier einer, mal da einer. […..]

No hope for the human race.

[….] Auch die SPD-Vorsitzende Saskia Esken übte harsche Kritik an den Protesten. "Tausende #Covidioten feiern sich in Berlin als 'die zweite Welle', ohne Abstand, ohne Maske", schrieb sie auf Twitter. "Sie gefährden damit nicht nur unsere Gesundheit, sie gefährden unsere Erfolge gegen die Pandemie und für die Belebung von Wirtschaft, Bildung und Gesellschaft." Dies sei unverantwortlich.
Ähnlich äußerte sich Bundesarbeitsminister Hubertus Heil. "Angesichts der neuen Infektionszahlen finde ich diese Anti-Hygiene-Demo in Berlin, in der auch Neonazis mitmarschieren, hochgradig abstoßend und unverantwortlich", schrieb er auf Twitter. [….]

Herman Cains Tod wird heute allgemein als tragisch bezeichnet. Der ehemalige republikanische Präsidentschaftskandidat, Multimillionär, Trump-Freund und Corona-Leugner hatte gegen die Maskenpflicht gewettert und Trumps erste Rally nach dem Lockdown in Tulsa massiv beworben und dort teilgenommen – natürlich ohne Maske.



Aber Cains Tod ist nicht tragisch, sondern schlicht folgerichtig.
Eine Konsequenz seiner Borniertheit.
17.967.563 Millionen Infizierte, 687.259 Tote und ein weltweiter Zusammenbruch der Wirtschaft sind offenbar noch nicht Lehre genug. Die Impudenzler des Monats Juli 2020 müssen wohl erst die Cain-Lektion lernen.