Montag, 21. Oktober 2024

Alte Kranken-Probleme

Wie ich diese Abend-Plapperer hasse, verachte und verabscheue, die bei ARD und ZDF tumb immer die gleichen Leute einladen und dann ohne irgendeine Nachfrage und Richtigstellung Lindner, Söder, Weidel, Wagenknecht, Merz labern lassen.

Kein Wunder, daß der Urnenpöbel immer mehr verblödet. Immer mehr populistischen Narrativen von faulen Migranten-Paschas aufsitzt, die den fleißigen Deutschen die Zahnarzttermine wegschnappen.

Es liegt aber nicht am Format der Talkshow. Die Crux sind bräsigen Redaktionen und extrem schlechten, eitlen Moderatoren Miosga, Lanz und Co.

(….) Man kann sich das heute kaum noch vorstellen; aber es gab einst sehr gute und informative Talkmaster in Deutschland.

Menschen, die ihre Themen beherrschten und nicht einfach die von der Redaktion aufgeschriebenen Fragen ablasen, unabhängig vom Fortschritt des Diskussion die Teilnehmer alternierend sprechen lassen und keinerlei Reaktion zeigen, wenn die Gäste sich wiederholen oder nicht auf Fragen antworten.

Es gab die begnadete Lea Rosh, 82, (1982 bis 1988 Gastgeberin „III nach Neun” von Radio Bremen. 1988 bis 1991 „Freitagnacht”), die in ihrer monothematischen zweistündigen Berliner-Talkshow ein freundliches, aber strenges Regiment führte. Wiederholte sich ein Gast, entzog sie das Wort. Wenn es unübersichtlich wurde, griff sie ein, fasste in knappen neutralen Sätzen den bisherigen Sachstand zusammen und führte inhaltlich voran.

Eine extrem fähige Diskussionsleiterin war auch die Berlinerin Juliane Bartel, „III nach Neun”  (1989 bis 1998) und Alex (Sender Freies Berlin, ab 1993), die 1998 im Alter von 52 Jahren an Krebs starb.

Um auch einen Mann zu nennen, sei der hochgebildete Atheist Volker Panzer*, 71,  erwähnt, der heute als Herausgeber des „humanistischen Pressedienstes“ aktiv ist. Er führte von 1997 bis 2012 durch eine der besten und erkenntnisreichsten Talkshows der deutschen Fernsehgeschichte, das sonntägliche ZDF-Nachstudio.

Panzer setzte eher auf Wissenschaftler und Experten, statt auf die bei Willmaischbergerplasbergillnerlanz so beliebten politischen Dauergäste Leyen/Bosbach/Storch.

Es geht also; man kann sinnvolle und informative Talkshows machen.

Leider sind sie alle offline und wurden durch inhaltsleere AfD-Nachplapperer ersetzt. (….)

(Nazis hofieren, 08.06.2018)

*[Volker Panzer starb 2020]

Als ich vor sechs Jahren darüber schimpfte, vergaß ich allerdings den Presseclub, den ich seit Monaten wieder zunehmend lobe. Die Presseclub-Moderatoren Ellen Ehni und insbesondere Susan Link sind bestens informiert, ordnen thematisch.

Unglücklicherweise teilen sie sich die Moderation mit ihrem Chef Jörg Schönenborn, dem Programmdirektor des WDR. Ihm fällt es sichtlich schwer, seine persönlichen erzkonservativen Ansichten zu unterdrücken. Da müssen die Gäste oder das Thema schon außerordentlich interessant sein, um sich die Sendung anzusehen, wenn er moderiert.

Gestern gab es einen Presseclub, den ich dringend anzusehen empfehle, weil er idealtypisch Informationen zu einem schwierigen Thema zusammenfasst und nebenher auch rechtspopulistische Narrative abräumt.

[….] Kassen vor dem Kollaps: Wird Gesundheit unbezahlbar?

Die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung müssen ab 2025 so viel Geld für ihre Gesundheit bezahlen wie noch nie. In den Kassen klafft ein Loch von rund 14 Milliarden Euro. Dabei hat Deutschland schon heute das teuerste Gesundheitssystem in Europa – und trotzdem reicht das Geld nicht. Woran liegt das? Müssen wir uns langfristig vom Solidarprinzip in der Krankenversicherung verabschieden? Und wie teuer wird das dann?

Für Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, SPD, liegt das Problem auf der Hand. Wir gäben viel zu wenig Geld für Prävention aus, die Digitalisierung im Gesundheitswesen komme nicht voran und in der stationären Versorgung stiegen die Ausgaben im Rekordtempo. Deshalb sei die von ihm initiierte Krankenhausreform, die der Bundestag diese Woche beschlossen hat, unabdingbar.

Krankenhausreform unausweichlich?

Mittelfristig mag das so sein, kurzfristig benötigt die Reform aber in den kommenden 10 Jahren jeweils 5 Milliarden Euro zusätzlich. Und das Geld ist bei der bevorstehenden Erhöhung noch gar nicht eingepreist. Kostentreiber sind neue, teure Medikamente und der Einsatz von Hightechmedizin in einer immer älter werdenden Gesellschaft.

Darüber hinaus sind die Kassen auch deshalb stark belastet, weil aus ihrem Topf versicherungsfremde Leistungen bezahlt werden, wie die medizinische Versorgung von Bürgergeldbeziehern. Die Koalition hatte versprochen, das zu ändern. Bisher Fehlanzeige. Stellt sich die Frage, wie es gelingen kann, gute medizinische Behandlungen für alle auch in Zukunft zu sichern?

Einsparungen oder Systemwechsel?

Ohne zusätzliche Steuermittel in Höhe von 100 Milliarden Euro wäre das System längst kollabiert. Gibt es noch Einsparpotenzial, ohne dass die Versorgung leidet? Oder brauchen wir einen radikalen Systemwechsel, indem alle in ein gemeinsames Krankenversicherungssystem einzahlen? Karl Lauterbach wirbt schon seit Jahren für eine Bürgerversicherung – doch die politischen Mehrheiten dafür fehlen. Müssen die Kassen den Leistungskatalog drastisch zusammenstreichen? Brauchen wir eine ehrliche Debatte darüber, wer welche Versorgung künftig vollumfänglich beanspruchen kann und wer nicht? Worauf müssen sich die Versicherten einstellen?  [….]

(Presseclub, 20.10.2024)

Mit den Gästen Werner Bartens, Leitender Redakteur Ressort Wissen, Süddeutsche Zeitung, Rebecca Beerheide, Ressortleiterin Politische Redaktion, Deutsches Ärzteblatt, Markus Grill, Chefreporter, NDR/WDR Investigativressort und Kaja Klapsa, Redakteurin Innenpolitik, WELT, versammelte sich eine illustre Runde, die aus ganz verschiedenen politischen Richtungen kam, unterschiedliche Meinungen einbrachte und dennoch, ganz ohne Geschrei, konstruktiv Fakten zusammentrug, ohne, daß man sich gegenseitig ins Wort fiel, oder Schlagworte wiederholte.

Sicher, wer üblicherweise genau die Nachrichten verfolgt, wird nicht sehr viel Neues erfahren haben. Aber die meisten Menschen haben eben nicht alle diese Informationen parat. Deswegen sitzen sie ja der toxischen rechtspopulistischen Propaganda auf und schießen sich auf Karl Lauterbach ein. Welt-Autorin Klapsa konnte sich zwar ihre Spitzen („nächstes Jahr, wenn Lauterbach nicht mehr im Amt ist“) verkneifen, räumte aber ein, daß seine Krankenhausreform durchaus sinnvoll ist und zehn Jahre verschleppt wurde.

Für Politnerds ist die Langsamkeit der Entscheidungen schwer erträglich. Wir wissen alle schon so lange über die Fehlanreize wegen der Fallpauschalen, die Übertherapie am Lebensende, das absurde Zweiklassen-System, der aberwitzige Wasserkopf der Kassenärztlichen Vereinigungen, der Verwaltungsaufwand für fast 100 Krankenkassen, völlig verrückte Zahlen bei Endoprothetik-OPs, Antibiotikaeinsatz bei viralen Infekten, MRTs bei Bagatell-Schrammen, die absurde Finanzierung von homöopathischen Gaga-Methoden und grotesk überhöhte Pharmapreise Bescheid. Dagegen wird nichts übernommen, weil eine superreiche und mächtige Lobby ihre Pfründe im dreistelligen Milliardenbereich eisern verteidigt.

Das CDU-Kanzleramt tat, wie auch bei der Versicherungs- oder Bank- oder KFZ- oder Energie-Lobby stets das, was die Superreichen verlangten.

12 Jahre lang saßen die Gesundheitsminister Rösler, Bahr, Gröhe und Spahn jede notwendige Reform aus.

Die Pharmahersteller konnten fröhlich tun, was sie wollten. So kostet Zolgensma, eine Spritze gegen die tödliche genetische „spinale Muskelatrophie“, zwei Millionen Euro. Nicht, weil die Herstellung so teuer ist, sondern weil Zolgensma die einzige Möglichkeit ist, das Leben eines Kindes zu retten.

Die Ärztelobby konnte fröhlich ihr Einkommen in den letzten Jahren von 13.000 auf mittlerweile 19.000 Euro „Monatseintrag“ steigern.

[….] Sie können sich jedoch an einem durchschnittlichen Jahres-Reinertrag von ca. 296.000 Euro orientieren. Das entspricht etwa 24.600 Euro als Monatsreinertrag, der potenziell als Gehalt von der Praxis ausgeschüttet werden kann. Nach Abzug aller Folgekosten wie etwa Krankenversicherungen, die Beiträge für das Versorgungswerk sowie Steuern kommen niedergelassene Ärzte auf ein Gehalt von etwa 13.000 Euro netto pro Monat.  […..]

(Springermedizin 2022)

19.000 Euro Monatseintrag und großes Gejammere, die ganze Arbeit lohne sich nicht, da könne man die Praxis gleich schließen, wenn nicht die Honorare bald erhöht würden.

[….] Bundesvereinigung spricht von "Kaputtsparen"

Kein Einzelfall, heißt es von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Beim Krisentreffen am Freitag in Berlin werde es daher vor allem um die Forderung nach mehr Geld gehen. Gesundheitsminister Karl Lauterbach und sein Ministerium hätten den Ärzten viel versprochen, diese Versprechen aber nicht eingehalten, so der Vorwurf. Gerade für jüngere Medizinerinnen und Mediziner werde die eigene Praxis immer unattraktiver, gerade im Vergleich zu einer Festanstellung in einer Klinik.  [….]

(Tagesschau 2023)

Besser wird es nicht, weil die Lobby mauert, weil Patienten so doof sind, auf teure Bildgebung zu bestehen und weil der Urnenpöbel so verrückt ist, stets so zu wählen, daß ohne FDP und/oder CDUCSU nicht regiert werden kann. Natürlich würden SPD und Grüne sofort ein Tempolimit einführen, um die Umwelt zu schonen oder die Bürgerversicherung für alle planen. Aber der Wähler will es offenkundig nicht und setzt ihnen die hepatitisgelbe Pest ins Boot, die selbstverständlich Privilegien für Privatpatienten und Porschefahrer mit Zähne und klauen verteidigt.