Sonntag, 23. Februar 2025

Olaf Scholz bleibt noch etwas länger Kanzler

Also wenn ich mir ein Wahlergebnis hätte wünschen dürfen, gäbe es heute eine rotgrüne Mehrheit, die AfD wäre geschwächt, FDP und BSW aus dem Bundestag geflogen und die Linke im Bundestag. Davon ausgehend, kann ich am realen Wahlergebnis nur sehr schwer etwas schönreden.

Da bleibt nur, mich in Whataboutism retten: Angesichts einer massiven Medienkampagne pro Rechts, des brutalen Scholz-Bashings und eines addierten Verlustes der Ampelparteien von 19 Prozentpunkten, kann man es nur als blamabel bezeichnen, daß Friedrich Merz gerade mal vom schlechtesten CDUCSU-Ergebnis aller Zeiten auf das zweitschlechteste CDUCSU-Ergebnis aller Zeiten kam. 


Merz, in all seiner Blödheit, blies AfD UND Linke zu neuer Größe auf.


[….]  Der frühere Bundespräsident Christian Wulff hat Kritik am Wahlkampf von CDU und CSU geäußert. »Die Polarisierung, die insbesondere die CDU/CSU am Ende des Wahlkampfs gemacht hat, die war offenkundig falsch, denn die Ränder sind stärker geworden«, sagte der frühere CDU-Ministerpräsident von Niedersachsen im NDR. »AfD und die Linkspartei, die werden wahrscheinlich Friedrich Merz einen Blumenstrauß schicken.«  Wulff sieht gerade für den Erfolg der Linken auch inhaltliche Versäumnisse bei der Union, die im Wahlkampf die Themen wie Wirtschaft und Arbeit zu wenig angesprochen habe und vor allem über Migration geredet habe. »Das ist ein AfD-Thema, und da hat man nach meiner Meinung große Fehler gemacht«, sagte Wulff. [….]

(SPON, 23.02.2025)

Es bewahrt sich, wenig überraschend, was alle Politologen vorhersagten: Wenn die etablierten Parteien nach rechts rutschen und die Narrative der Rechtsextremen übernehmen, machen sie damit nicht etwa „die AfD überflüssig“, wie es Merz und Spahn und Söder immer behaupten, sondern erreichen das Gegenteil: Sie machen die Nazis noch stärker. Die Bürger wählen dann das rechte Original.

Entsprechendes gilt für Grüne und SPD, die ebenfalls migrantenfeindliche Narrative übernahmen und damit Stimmen an die nächstrechtere Konkurrenz verloren. Ihnen erging es aber noch schlimmer, als der CDU, weil der Rechtskurs natürlich auch einen Teil ihrer Wähler so verärgerte, daß sie eine Partei weiter nach links rutschten.

Auch daher das desaströse Ergebnis für SPD und Grüne.

In der Berliner Runde gibt es drei bemerkenswerte Erkenntnisse:

·        Sollte die FDP (hoffentlich!) aus dem Bundestag fliegen, verabschiedet er sich aus der Politik.*

 

·        Olaf Scholz wird natürlich bis zur Wahl eines neuen Kanzlers selbstverständlich sein Amt ausführen, aber weder Minister unter Merz werden, noch für die SPD an solchen Koalitionsverhandlungen teilnehmen.

·        Merz und Weidel beschimpfen sich nun auch nach der Wahl so heftig, daß mir (noch) die Phantasie fehlt, wie es zu einer CDUCSU-AfD-Koalition kommen könnte.

Merz und offenbar 100% aller TV-Journalisten sind völlig sicher: Der neue Bundeskanzler heißt Merz; er müsse nur irgendwie mit der SPD, oder in dem Fall daß mindestens eine der beiden Parteien FDP/BSW die 5%-Hürde überspringt, mit der SPD und einer weiteren Partei (Grüne oder FDP) einen Koalitionsvertrag bilden.

Das wird aber extrem kompliziert, insbesondere für den Fall einer Vierer-Koalition mit den Grünen, da die CSU eine Koalition mit Habeck ausschließt.

Sollten Putinella und Linocchio aus dem Bundestag fliegen, wäre es zwar formal einfacher, weil sich nur CDUCSU und SPD einigen müssten, aber in dem Fall hätte die SPD eine extrem starke Verhandlungsposition, da Merz keine Alternative hätte und kein Drohpotential einsetzen könnte. Seine radikalen Umverteilungspläne nach Oben und das Ende der Klimaschutz-Politik wird er mindestens beerdigen müssen. Es wird beim Bürgergeld bleiben und die Atomkraft kommt erst recht nicht zurück. Zudem wird die SPD darauf bestehen, ihr Zugpferd Pistorius im jetzigen Amt zu belassen. Auch das könnte sehr unangenehm für Merz werden, wenn seine Partei den Finanzminister stellt, der immerfort die Wünsche der Hardthöhe ablehnt. Das braucht extrem geschickte Verhandlungsführung, viel politische Erfahrung, stoische Geduld und die Fähigkeit eine Menge Kröten zu schlucken – also genau die Eigenschaften, die Merz NICHT hat. Dazu ist der Brausekopp gar nicht in der Lage.

Er brauchte schon drei Anläufe, um in seinem eigenen Laden Chef zu werden, weil er die verschiedenen Strömungen nicht deuten kann und nicht bereit ist, über seinen eigenen Schatten zu springen.

Wie soll das gehen, wenn er VIER Parteien vereinen soll, von denen mehr als Zwei ihn mit voller Überzeugung ihn hassen?

Mutmaßlich wird es in Richtung Österreichische, bzw Belgische Regierungsbildung gehen: Sich also ewig hinziehen und auf immer mehr Unverständnis bei der Bevölkerung stoßen, während Putin und Trump die EU zerkloppen.

Merz wird jeden Tag, den er noch nicht ins Kanzleramt zieht, Zeter und Mordio schreien. Er wird immer dünnhäutiger werden, weil Teile seiner Partei, insbesondere in Ostdeutschland, Druck entfalten werden, doch mit Weidel in die düstere Nacht zu tanzen. Durch das braune Blinken werden aber Koalitionsverhandlungen mit Grünen und SPD noch mehr belastet. Ganz einfach kann Merz seine AfD-Ausschließeritis nicht schlucken, zumal auf die braunschwarze Kanzlermehrheit nur fünf oder sechs Sitze „über den Durst“ wäre. Würde er damit überhaupt gewählt werden? Es gibt immerhin noch einige CDUCSU-Abgeordnete des Roderich-Kiesewetter-Schlages, die niemals für Appeasement mit Putin stimmen können.

Das wird sich also sehr lange hinziehen, während Olaf Scholz immer noch als Kanzler amtiert und schon durch seine pure Existenz Merz zur Weißglut reizen wird.

Es wäre sicher unseriös, heute noch weiter in die Zukunft zu orakeln.

Aber ein völliges Scheitern des Fritze Merz und Neuwahlen halte ich für zumindest nicht ausgeschlossen.

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