Samstag, 15. März 2025

Wirtschaftspolitik.

Das habe ich ja schon oft erwähnt: Mein Zugang zu Politik erfolgte a) über das Elternhaus, in dem viel darüber gelesen/gesprochen wurde und b) über die hochpolitischen Debatten der frühen 1980er, um Nachrüstung und Atomweltkrieg.  Die Aussage „ich interessiere mich nicht für Politik“ konnte ich nie nachvollziehen und neige sogar zu der Arroganz, auch von denjenigen, die es nicht in die Wiege gelegt bekommen zu haben, Politikinteresse zu erwarten. Denn nichts ist wichtiger als Politik. Die Nichtwähler und Politik-Desinteressierten, sind schließlich genauso von politischen Entscheidungen betroffen.

Als Jung-Teenager waren Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik meine Themen. Darüber gelange ich zur Parteipolitik, der ich begeistert bei der montäglichen SPIEGEL-Lektüre frönte. Unglaublich, über wie viele Quellen Augsteins Leute in Bonn verfügten. Man erfuhr aus allen Sitzungen und konnte die politischen Entscheidungswege detailliert nachverfolgen. Als Schüler fremdelte ich aber mit Wirtschaftspolitik, hielt die Wirtschaftspolitiker für eher zweitklassig, weil sie sich für weniger wichtige Dinge engagierten. Steuersätze oder Börsenkurse waren noch zu abstrakt für mich und daher verachtete ich besonders das Wahlverhalten, nur nach seinem eigenen Portemonnaie zu wählen.

Aber auch ich wurde älter und reifer. Die verschiedenen Politikbereiche strikt zu separieren, ist viel zu unterkomplex, dämmerte es mir.

Innenpolitik, Bildungspolitik, Finanzpolitik, Energiepolitik, Außenpolitik, Verkehrspolitik, Rentenpolitik, Steuerpolitik, Medienpolitik und erst Recht Wirtschaftspolitik beeinflussen einander entscheidend. Heutzutage klammere ich nur noch sehr wenige Spezialfelder ganz aus. Unterschiedliche Ansätze zur Förderung des Profi-Biathlons oder Rudersports ignoriere ich. Als sich Rudolph Scharping, immerhin Ministerpräsident, Kanzlerkandidat, SPD-Chef und Verteidigungsminister mehr und mehr dem Radsport zuwendete, war mir schon klar, daß er das Ende seiner politischen Karriere einläutete.

Ein großes Faszinosum der Wirtschafts- und Finanzpolitik besteht in dem weltweit verbreiteten Fehlglauben, die Konservativen verstünden mehr davon, könnten besser mit Geld umgehen.

Eine Meisterleistung der Spindoktoren und der rechten Presse, denn egal ob USA, Deutschland oder England: Die Realität beweist stets das diametrale Gegenteil: Konservative ruinieren die Staatsfinanzen und führen in ökonomischen Krisen, die dann von Linken wieder repariert werden.

Tatsächlich setzen Konservative einfach nur die üblichen Forderungen der superreichen Spender durch: Weniger Steuern, mehr Subventionen, keine gesetzlichen Rahmenbedingungen, Arbeitnehmerrechte runter. Kurzum, Adam Smith, Manchesterkapitalismus, Friedrich August Hayek, Lindner. Der Markt regelt alles.

Das Problem ist nur, daß diese Theorien in der Praxis eben nicht funktionieren. Es gibt keinen Trickle-Down-Effekt, angebotsorientierte Wirtschaftspolitik verarmt die Massen und bedenkt nicht die endlichen Ressourcen oder Umweltschäden.

Das verstehen aber Konservative bis heute nicht. Sie verstehen nur Teile der Unternehmerseite. Aber schon der simple Grundsatz, daß Unternehmer stabile Rahmenbedingungen benötigen, scheint den Blitzbirnen Söder, Merz und Trump völlig unbekannt zu sein. Daher plädieren sie willkürlich mal für, mal gegen Schuldenbremse. Mal für, mal gegen Atomkraft. Mal für, mal gegen Wärmepumpen. Mal für, mal gegen das Verbrenner-Aus. Mal für, mal gegen die Förderung regenerativer Energien.

Damit versetzen sie ganz Branchen und Wertschöpfungsketten in solche Unruhe, daß alle Investitionen gestoppt werden.

Besonders irre treibt es Zickzackzoll-Donald, der es vermochte, mit seinem erratischen Wahnsinn die US-Wirtschaft in Rekordzeit in eine Rezession zu führen.

Die Börsen brechen weg.

[….] Seit Ende Februar fiel der US-Leitindex Dow Jones Industrial Average um mehr als 3000 Punkte. Ein Minus von sieben Prozent in nur neun Handelstagen. Millionen Amerikaner wurden über Nacht ärmer. [….] Von einer „Trumpzession“ ist gar die Rede, also davon, dass Trump höchstselbst die Wirtschaft abwürgt. [….] Seit 55 Tagen ist Donald Trump nun im Amt und hat zum ersten Mal in seiner zweiten Amtszeit ein Problem, das er nicht wie sonst seinem Vorgänger Joe Biden in die Schuhe schieben kann. Dabei löste sein Wahlsieg zunächst Euphorie an den Märkten aus: Die US-Börsen setzten in Erwartung einer neuen Ära der Deregulierung zu einem beispiellosen Höhenflug an. Der endete nun abrupt, aus Kursgewinnen wurden Milliardenverluste, was nicht nur Trumps Ego geschadet hat. Die „Magnificent Seven“, die sieben größten US-Tech-Konzerne, büßten allein am vergangenen Montag 750 Milliarden Dollar ihres Marktwertes ein. Für die Tesla-Aktie ging es um ganze 15 Prozent nach unten.

Und die trübe Stimmung ist längst von der Börse in die reale Wirtschaft übergeschwappt. US-Konzerne von Walmart bis McDonald’s meldeten diese Woche einen gedämpften Konsum. Die Citibank hat anhand von Kreditkartendaten ausgewertet, dass ihre amerikanischen Kunden seit Jahresbeginn für fast alles weniger Geld ausgeben: für Kleidung, für Schuhe, sogar für Luxusartikel, deren Absatz eigentlich als krisensicher gilt. US-Fluggesellschaften wie Delta korrigierten ihre Prognosen nach unten, weil sie mit weniger Buchungen rechnen. Die noch immer hohe Inflation trübt die Konsumlaune. Die Amerikaner, darauf deutet all das hin, stellen sich auf ungemütliche Zeiten ein.

Dabei galt die US-Wirtschaft noch vor wenigen Monaten als Champion unter den Industrienationen. Keine entwickelte Volkswirtschaft wuchs so stark wie die amerikanische. Nun könnte sich das Blatt wenden. Die Investmentbank Goldman Sachs stufte die Wahrscheinlichkeit eines Abschwungs in den kommenden zwölf Monaten auf 20 Prozent herauf. Selbst Donald Trump wollte die Möglichkeit einer Rezession in einem Fernsehinterview nicht ausschließen – und löste damit den jüngsten Börsensturz aus. [….]

(SZ, 14.03.2025)

Dazu sage ich: Herzlichen Glückwunsch! Das ist das einzige, das die USA noch retten kann: Der komplette ökonomische Ruin. Nur das kann die Trumpanzees davon abhalten immer wieder die rechten kriminellen GOP-Spinner zu wählen. Sie sind von Fakten nicht erreichbar und widersetzen sich mit maximaler Borniertheit jeder Aufklärung. Also müssen sie es massiv im Geldbeutel lernen, ihre Jobs, Krankenversicherungen und Häuser verlieren. Nur so wird man Trump los. Damit würde die Wirtschaftspolitik auch die Geopolitik verändern.

[….] In seiner Rede zur Lage der Nation  hatte sich Donald Trump gebrüstet, nach sechs Wochen im Amt mehr erreicht zu haben als andere US-Präsidenten in acht Jahren. Für einen Serienlügner wie Trump war das eine verblüffend zutreffende Aussage. Tatsächlich hat der 47. Präsident Historisches geleistet.  Er hat in Rekordzeit Freunde und Verbündete verprellt, die eben noch prosperierende US-Wirtschaft und die Wall Street auf Talfahrt geschickt, die Zweifel an seiner Rechtstreue weiter genährt, die gesellschaftliche Spaltung vertieft und die über Jahrzehnte mühsam aufgebaute »Soft Power« zerstört, die maßgeblich dazu beigetragen hat, dass die USA politisch, ökonomisch und kulturell zum mächtigsten Land der Erde aufgestiegen sind. [….] Atemberaubend ist dennoch, mit welcher Rasanz Trumps zerstörerisches Werk schon jetzt in der Wirtschaft und an der Börse sichtbar wird. Die US-Aktienindizes haben seit seinem Amtsantritt zwischen fünf und zehn Prozent verloren, die dort gehandelten Unternehmenswerte sind aggregiert um mehrere Billionen Dollar geschrumpft.

Allein Trumps Chef-Disruptor Elon Musk hat rund 150 Milliarden Dollar verloren, weil sich der Kurs der Tesla-Aktie seit seinem Einzug ins Weiße Haus halbiert hat. Die Sorgen um die enormen Staatsschulden der USA nehmen zu.

Noch im Oktober schmückte der liberale britische »Economist« seine Titelgeschichte über Amerikas ökonomische Erfolgsgeschichte mit einem Bündel Dollarnoten und der etwas holprigen Zeile: »Der Neid der Welt«. Kein halbes Jahr später sagt Mohamed El-Erian, jahrzehntelang der einflussreichste Anleiheinvestor der Welt: »Ich habe noch nie erlebt, dass sich die Mehrheitsmeinung an den Märkten so schnell und so dramatisch ändert.«

Selbst die von Trumps Entourage heiß geliebten Kryptowährungen schmieren ab. Der Bitcoin hat seit Trumps Inauguration 25 Prozent verloren, Melania Trumps Meme Coin  sogar 95 Prozent. Stattdessen boomen Gold und sogar die Aktienmärkte im kriegsmüden, wachstumsschwachen Europa. [….]

(Thomas Bartz, Spiegel-Leitartikel, 13.03.2025)