Zur
heutigen Ausgießung des Heigei habe ich meiner fröhlich-lockeren Stimmung
entsprechend ein bißchen darüber gelesen, wie fürchterlich die Menschen sind
und wie man es anstellen könnte die elende Homo-Sapiens-Infektion dieses
Planeten zu stoppen.
Ich bin
erstaunt wie doof ich bin; ausgerechnet ich, als weltgrößter Misanthrop, der
seit Jahrzehnten gerne Emile M. Cioran liest, kannte die Begriffe „Antinatalismus“
und „Efilismus“ nicht.
Auch
mein Jahrgangsgenosse Théophile de Giraud war bisher an mir vorbeigegangen.
Shame on
me.
Also der
Reihe nach:
1.)
Der große rumänisch-französische Philosoph Cioran (* 8. April 1911 in Rășinari in Siebenbürgen, Österreich-Ungarn; † 20. Juni 1995 in Paris), Sohn eines orthodoxen Priesters im multiethnischen Transsilvanien, ist Schüler Arthur Schopenhausers und wurde nach dem zweiten Weltkrieg zu einem radikaleren und pessimistischeren Nietzsche. Pessimistisch und zynisch schrieb er schon mit 20 Jahren in „Auf den Gipfeln der Verzweiflung“:
Der große rumänisch-französische Philosoph Cioran (* 8. April 1911 in Rășinari in Siebenbürgen, Österreich-Ungarn; † 20. Juni 1995 in Paris), Sohn eines orthodoxen Priesters im multiethnischen Transsilvanien, ist Schüler Arthur Schopenhausers und wurde nach dem zweiten Weltkrieg zu einem radikaleren und pessimistischeren Nietzsche. Pessimistisch und zynisch schrieb er schon mit 20 Jahren in „Auf den Gipfeln der Verzweiflung“:
„Ich weiß überhaupt nicht, weshalb wir
hienieden etwas tun, warum wir Freude und Bestrebungen, Hoffnungen und Träume
haben müssen. […] Aber was gibt es in dieser Welt schon zu gewinnen? […] Es
gibt keinerlei Argumente für das Leben.“
Auf den Gipfeln der Verzweiflung, Das Buch der Täuschungen und Die
Lehre vom Zerfall sind seine bedeutendsten Werke; am bekanntesten dürfte sein
Spätwerk Vom Nachteil, geboren zu sein:
Gedanken und Aphorismen von 1979 sein.
Cioran, aus Vom Nachteil, geboren zu sein |
2.)
Die
Philosophie des Antinatalismus betrachtet das Bevölkerungswachstum
außerordentlich skeptisch und spricht sich stark für Geburtenkontrolle aus.
Der
Begriff geht auch auf Arthur Schopenhauer zurück und stammt vom lateinischen
natalis, „zur Geburt gehörig“, ab.
3.)
Der
Begriff des Efilismus entstand aus der Umkehrung von "life“ in
"efil".
Elifisten
sind deutlich radikaler als Antinatalisten. Darüber weiß ich fast nichts. Offenbar
ist das Wort “efilism” in Amerika gebräuchlicher. Dazu ergoogele ich:
Life always involves suffering, in obvious and subtle forms. Even when things seem good, we always feel an undercurrent of anxiety and uncertainty inside.
Life always involves suffering, in obvious and subtle forms. Even when things seem good, we always feel an undercurrent of anxiety and uncertainty inside.
Depressions-Verstärker |
Mutmaßlich
handelt es sich dabei um eine promortalistische Strömung, die auch aktiv gegen
lebende Menschen denkt, während Antinatalisten nichts gegen bereits geborene
Menschen haben (die können ja nichts dafür), sondern in der zukünftigen Kinderlosigkeit
die Lösung globaler Probleme sehen.
Das
unterstützte zum Beispiel auch Helmut Schmidt, der in seinen letzten drei
Lebensjahrzehnten unermüdlich die Planetare Überbevölkerung als größtes
Menschheitsproblem brandmarkte.
Im
Zusammenhang mit den von Deutschland nicht erreichten „Klimazielen“ tauchte
kürzlich eine Gespensterdiskussion auf, als Klimaforscher die unzureichenden
Maßnahmen der Bundesregierung zur Reduzierung von CO2 kritisierten. Der
katastrophalste CO2-Abdruck sei ein in den Industrienationen
geborenes Kind.
Das
stimmt zwar zweifellos, wurde aber sofort von allen erdenklichen Hohlköpfen
professionell missverstanden und als Angriff auf ihre Kinder angesehen.
4.)
Der
Belgier Théophile de Giraud ist offizieller Vertreter des Voluntary Human Extinction Movement, einer 1992 in den USA gegründeten
Bewegung, die dem Antinatalismus einen Überbau gibt für den
französischsprachigen Raum Europas. Der Dandy-Punk, Goth, Schriftsteller,
Performance-Künstler und Philosoph tritt europaweit auf, um den Planeten zu
retten.
Ein sehr
höflicher Mensch, der sehr bestimmt auftritt, aber natürlich fast nie ernst genommen
wird.
Wie
sollte das auch gehen in einer Welt, die sich gegenwärtig während der sich
anbahnenden Superkrisen, Superkriege und Superwahlergebnisse (Silvio
Berlusconi, Brexit, Theresa May, Donald Trump, Recep Tayyip Erdoğan, Viktor
Mihály Orbán, Roderigo Duterte, Mateusz Morawiecki) erst wochenlang damit
beschäftigt welche Fußballmannschaften in welchen Ligen auf- und
absteigen und nun seit Tagen die Berichterstattungen
sämtlicher seriösen Nachrichtenportale mit Bildern einer Hochzeit flutet, da
ein Ed Sheeran-Double, das gerade mal auf Platz sechs der britischen Thronfolge
steht irgendein amerikanisches Seriendarsteller-Sternchen heiratete.
Das
scheinen offenbar die wichtigsten Nachrichten zu sein, das scheint dem Hauptinteresse
des Urnenpöbels zu entsprechen, während wir fleißig Waffen exportieren und dafür
sorgen, daß täglich Myriaden Arme und Kinder krepieren.
Théophile
de Giraud, unglücklich über seine Geburt, stellt diesem Irrsinn seine überaus
beeindruckende Schriftstellerkarriere entgegen:
[…..] "Womit de Giraud einen Großteil
seiner Zeit verbringt, zeigt auch der Schuhkarton, den er mitgebracht hat.
Darin ist eine Auswahl der Bücher, die er in den letzten fast zwanzig Jahren
verfasst hat. Keins davon ist übersetzt, aber die Titel sprechen für sich: Von
der Unverschämtheit, sich fortzupflanzen (2000), Einhundert Haikus zur Beschwörung
der Toten (2004), Die Kunst, die Fortpflanzer zu guillotinieren:
Antinatalistisches Manifest (2006), Diogenesen: fluoreszente Gedichte zur Zeit
zwischen zwei Genoziden (2008). Aphorismensammlung zum Nutzen künftiger
Familizide (2013). Alle seine Verleger seien pleite, sagt er. Wenn jemand ein
Buch von ihm bestelle, müsse er selbst ein paar Euro drauflegen, damit ein
Exemplar gedruckt werde." [….]
Dabei
hat der gute Mann so RECHT!
[….]
Der Schmerz ist immer größer als das
Glück
Wie begründet man,
dass nichtleben besser ist als leben? Erstens sei der Schmerz, den man im Leben
erleide, immer intensiver und anhaltender als das Wohlgefühl, sagt de Giraud.
"Vergleichen Sie mal eine Migräne mit einem Orgasmus." Zweitens sei
das Unglück immer schon präsenter als das Glück: "Es ist viel schwieriger
und unwahrscheinlicher, glücklich zu werden, als unglücklich zu sein."
Drittens brächten Glücks- und Unglücksempfinden ein jeweils anderes Zeitgefühl
mit sich: "Unglück dehnt die Zeit, Glück komprimiert sie." In der Summe
ergebe das eine Existenz, die man besser gar nicht erst anfangen sollte.
Glücklich ist, wer nicht geboren wird.
[…..]