Freitag, 3. Mai 2024

Nach 14 Jahren endlich die Strafe

Er ist attraktiv, steinreich und verfügt über eine gewaltige Einparteien-Parlamentsmehrheit von ungefähr 365 Mandaten; die absolute Mehrheit liegt bei 325 Stimmen. Rishi Sunak im Glück.

Absolute Mehrheit mit 40 Stimmen über dem Durst. Wow; was Olaf Scholz damit anfangen könnte. Endlich keine Nörgler und Bremser und Chaoten mehr im Kabinett, endlich die Dinge durch den Bundestag bringen, die notwendig sind, aber immer von den Hepatitisgelben blockiert werden.

Es könnte alles so schön sein.

Leider ist es trotz dieser Ideal-Voraussetzungen alles andere als schön für den Britischen Premierminister.

Sunak muss sich mit fünf entscheidenden Problemen rumschlagen:

1.) Er ist ein abstoßendes rechtsradikales Arschloch.


2.) Seine Partei besteht aus lauter realitätsnegierenden fanatischen Irren.

3.) Die konservativen Sunak-Amtsvorgänger Cameron, May, Johnson und Truss waren genauso schwachsinnige Lügner wie er.

4.) Der Brexit war der größte Fehler der britischen Geschichte und bricht der gesamten Wirtschaft das Genick.

5.) Tories sind offenbar generell regierungsunfähig und verstricken sich alle früher oder später in Sex- und Korruptionsskandalen.

Zuletzt wurde das Unterhaus Ende 2019 gewählt; fünf Jahre sind also bald um und alles andere, als ein gewaltiger Tritt der gesamten Wählerschaft in den Tory-Hintern, wäre eine riesige Überraschung.

[….] Johnson, Truss, Sunak, das sind die drei unbeliebtesten Premierminister, die die Tories seit sehr langer Zeit hatten. Dass sich Sunak nicht von seinen Vorgängern lösen kann, das mache es für ihn „extrem schwierig, im Amt zu bleiben“, sagt John Curtice [….], 70, ist Politikprofessor in Glasgow und eine Art höchste Meinungsforschungsinstanz des Landes. [….] Ob die Briten ernsthaft einen erneuten Wechsel der Tory-Spitze, den dann dritten in weniger als zwei Jahren, erleichtert und dankbar mit dem Wahlsieg belohnen? Sagen wir so: Eher rettet Liz Truss den Westen. [….] Und da ist noch eine Zahl: Nach der Wahl 2019 hatte Boris Johnson eine Mehrheit von 80 Sitzen, nach inzwischen fast fünf auch von Ausschlüssen, Skandalen und verlorenen Nachwahlen geprägten Jahren ist die Mehrheit deutlich geschrumpft. Sie liegt aktuell bei 48. [….]

(Michael Neudecker, SZ, 01.05.2024)

Die Briten tun mir Leid, weil ihr Land derartig runtergewirtschaftet wurde, Millionen Menschen buchstäblich Hunger leiden und frieren, während in den Supermärkten leere Regale die Kundschaft angähnen und öffentliche Einrichtungen, wie Schulen und Krankenhäuser verrotten.

Andererseits muss Strafe eben sein. Nicht nur stimmten sie ganz freiwillig aus purer Verblödung und xenophober Verblendung dafür, ihr Land durchs Klo zu spülen: Nämlich am 23. Juni 2016 mit 51,89 % der Teilnehmer für den EU-Austritt.

Nach weiteren dreieinhalb Jahren und zwei verschlissenen Tory-Regierungschefs, als wirklich jeder Blinder mit Zimmertemperatur-IQ begriffen haben musste, was für eine unglaubliche Scheiß-Idee der EU-Austritt war, gaben sie ausgerechnet Boris Johnson, dem zutiefst korrupten Hallodri, der maßgeblich den Brexit verursachte und lügt, wenn er den Mund aufmacht, besagte 365-Mandate-Mehrheit.

Die Tories genau elf Prozentpunkte vor Labour.

Es dauert offensichtlich extrem lange bis bei den Engländerioten der Groschen fällt.

Aber nach 14 Jahren konservativem Parforceritt in den tiefsten Abgrund, scheint es nun endlich soweit zu sein. Bei den gestrigen britischen Kommunalwahlen bezogen Sunaks Vasallen kräftige Prügel.

[….]  Zu den Städten und Kommunen, welche Labour seit Donnerstag für sich beanspruchen kann, gehören auch während der Brexitjahre an die Tories verloren gegangene Wahlkreise, etwa in Hartlepool im Nordosten, und Thurrock im Südosten des Landes. Labour gewann außerdem die Mehrheit im westenglischen Redditch, wo die Konservativen elf Sitze verloren, und Labour zehn dazu gewann. In Rushmoor, einer bisher immer konservativ ausgerichteten Stadt im englischen Hampshire, 60 Kilometer südwestlich von London, gewann Labour zum allerersten Mal die Mehrheit des dortigen Stadtrates.  Besonders augenfällig war der Gewinn des südlichen Teils der nordwestenglischen Küstenstadt Blackpool, den bei der parlamentarischen Nachwahl Labours Chris Webb einfuhr. Die 10.825 für ihn abgegebenen Stimmen sind eine deutliche Mehrheit von 58,7 Prozent und satte 20,4 Prozent mehr als 2019. Auf dem zweiten Platz lagen die Tories mit 17,4 Prozent und einem Minus von 32,2 Prozent im Vergleich zu 2019. Dann folgte die die einst von Nigel Farage mitgegründete rechte Reform-Partei. Ihr Kandidat wurde mit 16,8 Prozent der Stimmen dritter. Andernorts wartet die Partei jedoch noch auf Erfolge, die sich eventuell im Laufe des Wochenendes zeigen könnten – bisher blieben sie allerdings aus.  […..] Die Schlagzeile im rechten Daily Telegraph am Freitagmorgen verwies klar auf den britischen Premierminister: „Sunaks Zukunft in Gefahr, angesichts des schlechtesten Wahlergebnis für die Konservativen in 30 Jahren!“ Die Times ging in ihrer Schlagzeile sogar noch weiter, und bezeichnete den Ausgang der Wahl am Donnerstag als das schlimmste Ergebnis in 40 Jahren. [….]

(taz, 03.05.2024)

Ja, liebe Briten. Natürlich müsst Ihr die Sunakidioten endlich ins Aus schicken und Labour übernehmen lassen. Aber ich befürchte, die 14 Jahre waren einfach zu lang. In der Zeit konnten die rechten Berserker einen derartigen Schaden anrichten, daß GB vermutlich nicht mehr zu reparieren ist.

[….] Auch sonst brachte der Tag wenig Ermutigendes für die Tories. Mit Stand Freitagmorgen waren schon mehr als hundert Council-Sitze verloren, viele davon an Labour. Die Kommunalwahlen sind, was die Verteilung der Macht im Unterhaus angeht, zwar irrelevant, aber dennoch stets ein Stimmungsbarometer. Der stets sachliche Meinungsforscher John Curtice sagte in der BBC, das Ergebnis der Nachwahl in Blackpool sei nichts anderes als "spektakulär", und was die Kommunalwahlen angehe: Wenn sich der erste Trend bis Samstag bestätige, drohe den Konservativen "eines der schlechtesten, wenn nicht das schlechteste Ergebnis für eine konservative Regierung bei Kommunalwahlen der vergangenen vierzig Jahre".  [….]

(SZ, 03.05.2024)