Es hat
lange gedauert Großbritannien so zu einen, wie es heute der „Union Jack“ zeigt.
David William Donald Cameron (* 9. Oktober 1966 in London) könnte nun
als der schlechteste britische Premierminister aller Zeiten in die Geschichte
eingehen.
Gut
möglich, daß er den Abstieg des britischen Empires über die europäische Regionalmacht
Großbritannien zum ökonomische kränkelnden Kleinbritannien angestoßen hat.
"Schottland wird
jetzt die Unabhängigkeit anstreben. Camerons Vermächtnis wird es sein, zwei
Unionen zerstört zu haben. Beides hätte nicht passieren müssen."
(Harry Potter"-Autorin
J.K. Rowling auf Twitter, 24.06.2016)
Zwischen
Nordirland und Irland wird zukünftig also eine EU-Außengrenze verlaufen.
Steinmeier
wurde heute von seinem irischen Außenministerkollegen darüber aufgeklärt, daß
er deswegen so lange nichts mehr vom blutigen Nordirlandkonflikt gehört haben,
weil die Grenze zwischen den EU-Ländern Irland und dem zu Großbritannien gehörenden
Nordirland offen wäre.
Das könnte
sich schnell wieder ändern.
Die
Nordiren werden sich womöglich auch nach einen erfolgreichen
Unabhängigkeitsreferendum mit Irland vereinigen.
Zurück
bliebe ein Schrumpfland aus England und Wales, welches ohne die Protektion
Europas auskommen müßte und mutmaßlich auch noch seinen florierenden
Finanzwirtschaftszweig verloren haben wird.
Allein
die Stadt Frankfurt rechnet damit, daß in kurzer Zeit über 10.000
Banker-Arbeitsplätze von London an den Main wechseln werden.
Düsterste
ökonomische Szenarien werden gezeichnet und so sehr man für die Briten hofft,
daß es nicht so schlimm kommen möge, so erhoffen sich die EU-Größen Graf
Lambsdorff (Vizeparlamentspräsident), Jean-Claude Juncker, Martin Schulz und
Elmar Brok andererseits auch einen disziplinierenden Effekt einer englischen
Wirtschaftsdepression.
Je stärker das abschreckende Beispiel der Insel ist,
desto schwerer werden es rechtsradikale Nationalisten in Holland, Frankreich,
Dänemark und Deutschland haben ebenfalls erfolgreiche Anti-EU-Referenden herbeizuführen.
Der britische Corgie hat in Brüssel auf den Tisch
gekackt und nun muß man ihn auch mit der Nase in seine Exkremente drücken.
Wir brauchen angesichts der Megakrisen in der Welt
Europa mehr denn je.
Nur innerhalb eines gemeinsamen Europas können sich die im
Vergleich zu Russland, China, Indien oder der USA winzigen EU-Nationen in der
Globalisierung behaupten, nur zusammen können sie gegen Krieg und Terror
bestehen, nur als Einheit können sie mit Massenmigration fertig werden.
In den letzten Jahren blieb die EU sehr oft unter ihren
Möglichkeiten.
Schuld sind nationale Egoismen, die eigenartige
Tradition statt der besten lieber gescheiterte und ausrangierte Politiker wie
Stoiber und Oettinger in wichtige EU-Posten zu hieven und schließlich die leidenschaftslosen,
dröge-desinteressierten Regierungschefs.
Über Jahrzehnte gab es dynamische
französische-deutsche Paarungen an der Regierungsspitze, die für Europa
brannten und sich leidenschaftlich für die EU stark machten.
Die Doppelspitzen Schmidt- Giscard
d'Estaing, Kohl-Mitterand, Schröder-Chirac sind Legende.
Dann aber kam Merkel, die für gar nichts Leidenschaft
aufbringt, sich nie ernsthaft für Europa interessierte und schon gar nicht
mit zukunftsorientierten Plänen vorpreschen würde. Dazu gibt es einen François Hollande,
der vermutlich privat ganz nett ist, aber über das Charisma eines Wischmopps
verfügt.
Solche Luschen begeistern niemand.
Hat auch
Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Teilschuld am Brexit? Dieser Meinung ist
zumindest der Kieler FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki. "Es ist ein Tag
des europapolitischen Scheiterns der Bundeskanzlerin. Hätte Angela Merkel nur
halb so viel Energie dafür verwandt, in Großbritannien für den Verbleib in der
EU zu werben, als sie für die Besänftigung Erdogans in Ankara gebraucht hat,
wäre zumindest die Chance größer gewesen, Großbritannien in der EU zu halten.“
(MoPo
24.06.16)
Vielleicht wären selbst diese beiden Low-Energie-Typen
weiter gekommen, wenn nicht stets die Briten mit beiden Füßen auf der Bremse
gestanden hätten.
Nach 2008 wurde die englische Finanzwirtschaft zwar
von EU-Geld gerettet, aber dennoch verweigerte London jegliche Bankenregulierung.
Dabei spielte der Populist David Cameron eine
unsägliche Rolle.
Aus niederen Machtinstinkten spielte er wider besseres
Wissen mit dem Feuer.
Er wollte Regierungschef und wiedergewählt werden.
Dafür hatte er eine volle Dekade mit negativen
Emotionen gespielt, antieuropäische Ressentiments geschürt und wollte dann
plötzlich in den letzten sechs Wochen seine Landleute vom Gegenteil überzeugen.
Aus Machtgier hatte
er alles verraten; jetzt ist er machtlos.
"Das war eine Fehlentscheidung, für die bitter bezahlt werden
muss", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im
Europaparlament, Elmar Brok (CDU). Er machte den britischen Premierminister
David Cameron für die Niederlage der EU-Befürworter persönlich verantwortlich. "Man muss sich auch nicht wundern,
wenn David Cameron zehn Jahre lang erklärt, wie schlecht Europa ist."
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz gab Cameron eine Mitschuld an dem
Abstimmungsergebnis: Der Premier habe "große Verantwortung auf sich
geladen", sagte Schulz im ZDF.
Der frühere EU-Kommissar Günter Verheugen kritisierte die europäischen
Staats- und Regierungschefs scharf. Ihre Tatenlosigkeit sei für die
gegenwärtige Situation mitverantwortlich, sagte er im "Mitteldeutschen
Rundfunk", wie dpa berichtet. "Aber ich muss leider sagen, dass
unsere Staats- und Regierungschefs die Zeit bisher nicht gefunden haben, eine
wirklich ernsthafte Reform der Europäischen Union auf den Weg zu bringen",
so Verheugen. "Und jetzt müssen sie es. Wenn sie es jetzt nicht tun, dann
fliegt uns das ganze Projekt um die Ohren." Auch die britischen Politiker
kritisierte Verheugen: Sie hätten es über Jahrzehnte versäumt, "den
Wählern in Großbritannien klar zu machen, dass Europa mehr ist als ein
wirtschaftliches Unternehmen."
In die gleiche Richtung zielt die Kritik von Europaparlaments-Vize
Alexander von Lambsdorff. Er nannte das Brexit-Votum im ZDF eine schlechte
Entscheidung für Europa, aber eine viel, viel schlechtere Nachricht für
Großbritannien. Schuld hätten die politischen Eliten in beiden großen Parteien
im Vereinigten Königreich.
Der SPD-Europaabgeordnete Udo Bullmann geht davon aus, dass die Briten den
Austritt aus der EU bitter bereuen werden. "Europa wird durch den Brexit
geschwächt, aber die schwerste Last werden Bürgerinnen und Bürger in
Großbritannien zu tragen haben", sagte der Vorsitzende der Europa-SPD.
"Schätzungen gehen davon aus, dass dem britischen
Durchschnittshaushalt jährlich Tausende Pfund an Einkommen verloren gehen, wenn
Großbritannien den Zugang zum europäischen Binnenmarkt verliert." Dass
solche EU-Privilegien weiterhin zum Nulltarif genutzt werden könnten, sei "schlichtweg
nicht vorstellbar".
(Spon 24.06.2016)
Nigel Farage, der nur Stunden nach dem Brexit-Ergebnis sein zentrales Wahlversprechen einkassierte, tut nun so als könne man alle Segnungen der EU zum Nulltarif haben: Zollunion, Handelsverträge und dergleichen mehr.
Johnson und er nennen es „Modell Norwegen und Schweiz.“
Ja, den Weg Norwegens könnte England gehen, aber dann
müßte es wie bisher in alle Infrastrukturfonds etc einzahlen, bekäme aber
keinen „Briten-Rabatt“ mehr. Es würde für England also teurer als bisher und
dazu verlöre die Insel auch noch alle Stimm- und Mitspracherechte.
Was für eine selten dumme Idee doch das von David
Cameron selbst angezettelte Referendum war. Cameron weigerte sich solidarisch
mit Griechenland zu sein, wollte keine Flüchtlinge aufnehmen, erklärte „Multikulti“ für gescheitert (ausgerechnet
der Premier eines Landes, das ein multikulturelles Weltreich aufgebaut hatte!)
Anfang 2013 verlangte Cameron Neuverhandlung
der britischen EU-Verträge und stellte einen anschließenden
Volksentscheid zum Brexit in Aussicht.
Mit der antieuropäischen Rhetorik gewann Cameron die
Parlamentswahlen im Mai 2015 (absolute Mehrheit der Parlamentssitze mit einem
Stimmenanteil von 36,9 %) und verlor jetzt alles.
David Cameron. Ein Typ, der sein Land durchgenommen hat wie einen
Schweinekopf. Seine Ankündigung, noch ein paar Wochen im Amt zu bleiben, um das
Land "auf stabilem Kurs zu halten". Das wirkt wie ein gottverdammter
Witz von jemandem, der es hingekriegt hat, seine Nation vollends gegen die Wand
zu fahren.
Er muss tatsächlich der größte Versager der Welt sein. Jahrelang macht er
Stimmung gegen die EU, die er für die Briten als eine Bande von
Gurkennormier-Nazis darstellt, nur um innerhalb von ein paar Wochen genau das
Gegenteil zu vertreten und bei 180 Sachen raus aus Europa den Handbremsendrift
in die andere Richtung zu versuchen. Oh, dear.
Referenden sind die Diktatur der Inkompetenz.
Dies zeigt sich bei Brexit in Reinkultur.
Wie sagte der sehr kluge Autor Jens Oliver Haas gerade eben:
Volksabstimmungen sind Demokratie light. "Das Problem ist, dass die Frage
immer lautet: 'Möchtest du morgens länger schlafen?' oder 'Willst du noch ein
Eis?' Vernunft ist halt so schrecklich unsexy."
Sicher können wir jetzt auf die trotteligen Nachbarn auf der Insel
schimpfen. Und auch auf die Demokratie. Demokratie ist eine feine Sache. Das
Dumme daran ist nur, dass die Doofen mitmachen dürfen. Don't hate the game.
Hate the player.
Am Ende ist die Demokratie wie die EU selbst - das kleinere Übel. Aber gibt
es was besseres? Wollen wir wieder ein kleiner Krauter sein, inmitten von Big
Playern? Wollen wir stundenlang an jeder Grenze warten?
Alle Wirtschaftsexperten, alle Verbündeten
Großbritanniens, alle Handelsvertreter, alle politischen Partner rieten
dringend vom Brexit ab.
Es gab nur genau drei internationale Leave-Stimmen:
Putin, Trump und der IS.
Putin, Trump und der IS.
Da das gemeine Volk dumm ist, richtete es sich lieber
danach.
Da das gemeine Volk dumm ist, wollen auch andere
Rechtspopulisten von Petry über Le Pen bis Wilders jetzt Referenden.
Nur Idioten und Populisten verlangen bei derart
komplexen Entscheidungen ein Referendum, um die garantiert Unqualifiziertesten
Weichen stellen zu lassen.
Nach der Brexit-Entscheidung der Briten hat CSU-Chef Horst Seehofer
bundesweite Volksabstimmungen auch in Deutschland gefordert.
"Bürgerbeteiligung ist der Kern moderner Politik", sagte Seehofer dem
SPIEGEL.
Wenigstens einer ist glücklich, daß England nun nicht
mehr die fünft- sondern nur noch die sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt ist,
nachdem das Pfund 11% an Wert verlor und von 1,50 Dollar auf 1,33 Dollar, den
tiefsten Stand seit 1985 abrutschte.
Donald Trump hat am Tag nach dem Referendum in Großbritannien seinen
Golfplatz in Schottland besucht. Dabei wurde der Anwärter auf dei
US-Präsidentschaft nicht müde zu betonen, wie sehr in der Brexit freut. So
weit, so normal.
Doch wie so häufig brachte Trump, der Belgien unlängst als "schöne
Stadt" bezeichnete, mal wieder alles durcheinander. "Die Schotten
haben sich ihr Land zurückgeholt", twitterte Trump.
Dumm nur, dass die Mehrheit der Schotten für einen Verbleib in der EU
gestimmt hatten. Ein Umstand, auf den ihn die Sängerin Lily Allen - ebenfalls
via Twitter - aufmerksam machte: "Schottland hat für den Verbleib
gestimmt, Du Idiot", schrieb sie Trump.
(Spon, 24.06.2016)