Und schon wieder einmal zeigt der Kalender eine „1“ - hohe Zeit für mich den Blödmann des Monats zu küren.
Eine der bizarrsten Erinnerungen meiner Teenagerzeit war es, zu erfahren, daß gleich drei Mädchen aus meiner Stufe, direkt nach dem Abi schwanger waren und die Brut austrugen.
Endlich mit der Schule fertig, endlich frei sein, endlich selbst entscheiden, was man tun will, wann man aufstehen will und wie man seinen Tag verbringt – das war mein Lebensgefühl. Wie konnte man sich nur freiwillig sofort wieder Fesseln anlegen, so eine Verpflichtung eingehen?
Die Krönung der Groteske passierte einige Jahre nach dem Abi, als ich ausnahmsweise mal wieder in der spießigen Gegend des Gymnasiums war, weil ich für meine Tante eine Bestellung in dem spießigen Einkaufszentrum nebenan abholen sollte und dort mit der spießigen blonden Nina zusammenprallte, mit der ich die Klassen 5 bis 13 verbracht hatte.
Sie trug eine Hochsteckfrisur, ein Kostüm, auffälligen teuren Schmuck, wirbelte demonstrativ ihren Schlüsselbund mit dem BMW-Funkchip und beantwortete die obligatorische „Mensch, und was machst Du so?“-Frage wie folgt:
Sie habe nach dem Abi begonnen Jura zu studieren, das wäre aber sehr hart gewesen. Im zweiten Semester habe sie ihr Prof angesprochen „Frau X, sie sind doch so eine attraktive Frau, sie haben es doch gar nicht nötig sich dieses Studium anzutun!“
Das habe sie gleich überzeugt und daher hätte sie sehr schnell ihren Mann Y kennengelernt, der auf jeden Fall genug verdiente, damit sie nicht arbeiten müsse. Das ein oder andere Gör hatte sich dafür natürlich ausbrüten müssen.
Ich war fassungslos. Mit Anfang 20 war Nina in die nächste Generation gewechselt, erwachsen, Mutter. Ich hingegen gehörte noch zur Jugend, die irgendwas lernte und weit davon entfernt war, sich durch irgendwelche Lebensentscheidungen festzulegen. Von diesen Früh-Erwachsenen hielt ich mich fern, bekam an meinem 30. Geburtstag keine Krise. An den 40. erinnere ich mich gar nicht und mit Mitte 40 wurde ein alter Schulfreund von mir Großvater.
Inzwischen kenne ich mehrere Leute meines Alters, die schon Enkel haben.
Ich verstehe nicht, wie die zwei Generationen weiter springen konnten, während ich immer noch in der Findungsphase bin und darüber nachdenke, was ich tun könnte, wenn ich mal groß bin.
Daß ich eine mit „5“ beginnende Zahl, auf die Frage nach meinem Alter nennen muss, überzeugt mich immer noch nicht davon, selbst erwachsen zu sein.
Es irritiert mich aber zunehmend, wenn ich auf Menschen treffe, die durch ihre Berufe als Ärzte oder Handwerkermeister eine natürliche Autorität ausstrahlen und dabei offensichtlich viel jünger als ich sind.
Fachleute um für mich wichtige Informationen zu bitten, wirkt irgendwie grotesk, wenn es sich dabei um Küken handelt, die erst geboren wurden, als ich schon die Schule hinter mir hatte.
Es gibt aber auch überzeugende Indizien dafür, daß ich womöglich doch selbst erwachsen sein muss.
- Die Großelterngeneration existiert nicht mehr.
- Die Elterngeneration stirbt weg.
- Ältere Menschen, die ich früher für ihr Wissen und ihre Expertise bewunderte, fragen nun mich um Rat.
- Ich durchschaue Zusammenhänge, die mir früher unklar waren.
- Einige Menschen, Bücher, Werke, die ich lange Zeit für ungeheuer klug hielt, sind doch nicht ganz so genial.
- Ich bin in der Lage Entscheidungen zu treffen und dabei den Rat anderer, auf den ich früher gehört hätte, zu ignorieren.
- Junge Leute fragen mich nach Dingen, von denen sie noch nie gehört haben, die mir aber völlig geläufig sind.
- Es existiert eine Generation, die sie „die Jugend“ nennt, die ich nicht mehr versehe.
- Die Jugend beschäftigt sich mit Dingen, für die ich nicht nur kein Interesse aufbringe, sondern bei denen ich sogar froh bin, das ignorieren zu können: Manga, TikTok, Playstation, Tinder, Vollbartmode, Muskelstudios, Tattoos, Podcasts, Bluetooth, Selfies, Anime, Hipster, Intimrasur, Deutsch-Repp, Streaming, ghosten, dick-pick, piercing, Upper-Cut, E-Scooter und…
…..damit kommt ich nach endloser Einleitung zur Impudenz des Monats: Die Jugend wählt FDP! Die Generation 18-25 ist für mich der Blödmann des September 2021.
[…..] Laut Schätzung des Bundeswahlleiters durften bei der Bundestagswahl 2,8 Millionen junge Menschen zum ersten Mal wählen. Viele von ihnen entschieden sich für die FDP: Laut Umfrage von Infratest dimap für die ARD am Wahlabend kamen die Liberalen auf 23 Prozent und lagen damit sogar noch einen Prozentpunkt vor den Grünen. Später justierte das Institut seine Zahlen etwas nach, inzwischen liegen FDP und Grüne bei den jüngsten Wählern gleichauf. In den sozialen Medien lösten diese Ergebnisse dennoch eine Welle des Erstaunens aus, viele reagierten auch hämisch. Tatsächlich wirft die Erhebung Fragen auf: Warum wählen junge Menschen ausgerechnet die FDP, die gemeinhin immer noch als Partei der Ärztinnen und Rechtsanwälte gilt, die Reiche noch reicher machen will und kaum Frauen ins Parlament schickt. Hat die FDP mit ihrem Wahlkampf einen Nerv getroffen? […..]In den vorherigen 20 Jahren gab es immer wieder schockierende Untersuchungen über das Nazi-affine Wahlverhalten insbesondere ostdeutscher Erstwähler. Eine Jugend, die den Faschisten hinterherrennt, ist selbstverständlich noch abstoßender als der Massenzulauf zum braungelb blinkenden haartransplantierten Porschefahrer-Posterboy Lindner. Weglaufen, wenn es brenzlig wird, ist sein Signature-move.
Aber für rechtsextreme Jugend gibt es beschreibbare Gründe: Antisemitismus, Hass, Xenophobie, Internet-Hetze, persönliche Perspektivlosigkeit, bildungsferner Prekariats-Hintergrund, Sehnsucht nach dem starken Staat/starken Mann, allgemeiner Protest, Gewaltfreudigkeit.
Aber Lindner, der selbstverliebte Voodoo-Ökonomie-Luftikus, der als einzige Programmatik eine „der Teufel scheißt auf den größten Haufen“-Politik anbietet?
Lindner, der zwar mit teuren Statussymbolen und Tittenbildern seiner jungen Freundin auf Instagram prahlt, aber immer wegläuft, wenn es schwierig wird.
Der seit Jahren nichts anderes zu bieten hat, als immer wieder die gleichen schwarz-weiß-Fotos von Fotomodel Christian zu posten und dazu Verblödungsfloskeln wie „Freiheit!“ (als ob irgendeine Bundestagspartei gegen Freiheit wäre!) plakatiert.
Lindner, der nicht nur eine zutiefst unseriöse
Wirtschaftspolitik verspricht, sondern seit Jahren immer wieder im braunen
AfD-Fäkalienbecken nach Wählern fischt.
Seine Affinität für ganz rechte, verschwörungstheoretische und ausländerfeindliche Positionen war auch schon vor seinem aberwitzigen Kemmerich-AfD-Coup in Thüringen offensichtlich.
Sehr viel schlimmer ist es, daß Linder die Ausrichtung seiner Partei, die schon immer Berührungen mit dem rechtsextremen Spektrum hatte, seit Jahren immer stärker an die AfD anlehnt. Die Lindner-FDP ist ein Gauland-Appendix.
(….) Die FDP suche nun ihren Platz weit rechts der Mitte zwischen CDU/CSU und AfD.Wieder muß ich Jörges zustimmen; die Christian-Linder-Partei (CLP) wird rapide unsympathischer.
Ungeniert feuert der Chef aus der rechten Ecke.
[…..] In einem Interview mit dem Magazin "Stern" wendet sich Linder recht offensichtlich an die Menschen am rechten Rand des Wählerspektrums. "Warum sind so viele Deutschtürken keine Verfassungspatrioten?", fragt Lindner darin. Deutschland sollte beginnen, sich "offensiver zu seinem großartigen liberalen Grundgesetz zu bekennen". Der FDP-Chef befand in diesem Zusammenhang außerdem: Der türkischstämmige Fußballer Mesut Özil soll vor Spielen der Nationalmannschaft die deutsche Hymne mitsingen. Lindner kritisierte zudem die Flüchtlingspolitik der Bundesreagierung. "Unsere Zuwanderungspolitik benötigt eine Generalinventur", sagte er dem "stern". "Wer bleibt, den müssen wir uns aussuchen. Da sollte das Ziel der Integration viel stärker die deutsche Staatsangehörigkeit sein." Das Interview von Lindner sorgte in den sozialen Medien schnell für Wirbel. Vor allem der Satz über Mesut Özil missfiel vielen Lesern. "Leute zwingen, eine Hymne zu singen - ist das liberal?", fragte etwa einer. […..]
Die FDP in der Nähe der AfD scheint zu funktionieren. Petrys Umfragezahlen werden kleiner, die FDP kratzt schon wieder an den 10%. Braun kommt immer an in Deutschland.
Bezeichnenderweise verwendet der eher linke Grüne Jürgen Trittin heute die
gleiche Wortwahl wie CDU-General Tauber vor vier Monaten:
[….] CDU-Generalsekretär
Peter Tauber hat FDP-Chef Christian Lindner scharf attackiert. Zwei Tage nach
dem Dreikönigstreffen der Liberalen, bei dem Lindner die Union erneut wegen
ihrer Flüchtlings- und Sicherheitspolitik kritisiert hatte, warf Tauber dem
FDP-Chef überhebliches Verhalten vor. Das provoziere ein erneutes Scheitern der
Liberalen wie bei der Wahl 2013. Damals hatte
die FDP bei der Bundestagswahl nur 4,8 Prozent der Stimmen geholt und ist
seitdem nicht mehr als Fraktion im Bundestag vertreten. "Der Grund, warum
die FDP damals aus dem Bundestag geflogen ist, war nicht die CDU, sondern sie
selbst", sagte Tauber der Bild am Sonntag. "Und mit seinem
selbstherrlichen Auftreten tut Herr Lindner gerade alles dafür, dass sie es
wieder nicht schafft. Dann wäre die FDP erledigt." Lindners
Auftreten erinnere ihn an den stellvertretenden Parteichef der Alternative für
Deutschland, sagte Tauber: "Er redet teilweise wie Herr Gauland von der
AfD. Der einzige Unterschied besteht darin, dass er statt eines abgewetzten
Tweed-Sakkos einen überteuerten Maßanzug trägt." […..]
Das ist schon eine sehr ekelige Allianz mit den Rechten, die Türkei-Basher Lindner anstrebt.
Von taz bis WELT, von Linke bis CSU stehen Medien und Parteien in Deutschland ausnahmsweise zusammen, wenn es um die Menschenrechtsverstöße unter Präsident Erdoğan geht. Einheitlich fordert man die Freilassung Deniz Yücels und all der anderen inhaftierten Journalisten in der Türkei. Aber rechts von der CSU, bei denen, die Lindner anvisiert sieht das anders aus. (…..)
Nachdem die FDP aus der Hamburger Bürgerschaft flog, schien sich Lindner voll auf die Greta-hassenden FFF-Kritiker des rechten Spektrums zu konzentrieren.
Aber offensichtlich kann er nicht seriös.
Selbst in der Corona-Megakrise, in der doch Konsens sein sollte nun zusammen zu halten und die staatlichen Maßnahmen zu unterstützen, kann er nicht anders als ganz rechts zu framen. Sich bei Identitären und Reichbürgern, bei JF und PP ins Gespräch zu bringen.
[….] Der jetzige Zustand darf keinen Tag länger dauern, als es medizinisch geboten ist. [….]
(CL, März 2020)
Als ob irgendjemand in Deutschland ein Interesse daran hätte, die jetzige Krise unnötig in die Länge zu ziehen. Solche Sätze kommen harmlos daher, sind aber infam. Weil als Huckepack-Botschaft das Geraune von irgendwelchen finsteren Kräften mitschwingt, vor denen uns nur neoliberale Selbstdarsteller wie Lindner beschützen können.
(Lorenz Meyer, 30.03.20) (….)
(Christian Brauner, 30.03.2020)
Für diesen Lindner erwärmen sich nun als die Erstwähler.
Nun weiß ich es nicht nur rational, sondern habe auch
emotional begriffen:
Ich verstehe die Jugend nicht, finde sie
nicht sympathisch, will ihr nicht nacheifern und mache mir große Sorgen bei der
Vorstellung, wie Leute mit so einem mangelnden Urteilsvermögen die Zukunft
gestalten sollen.
Ich bin gern alt und gehöre nicht zur Quietscher-Generation.