Montag, 10. Dezember 2012

Tutu is pissed.




 Wenn man sich die Liste der Friedensnobelpreisträger der letzten Dekade ansieht, stellt man fest, daß es diese klassischen Geehrten wie Gandhi, der den Preis wirklich verdiente, kaum noch gibt.
Interessanterweise hat Gandhi den Preis gar nicht bekommen, auch wenn das a posteriori alle glauben. Aber zu seinen Lebzeiten traute sich Oslo nicht die Briten so zu ärgern. Friedensnobelpreise gehen nämlich überproportional oft nach England und nach Amerika. Die beiden Friedensengel unter den Nationen.
 Ebenso bevorzugt das Norwegische Komitee eindeutig Männer (85 Friedensnobelpreise) gegenüber Organisationen (24) oder gar Frauen (15).

Es gab natürlich einigermaßen unumstrittene Entscheidungen, die man heute noch gut findet. 
Carl von Ossietzky (1935), Linus Carl Pauling (1962 Frieden + 1954 Nobelpreis für Chemie), George C. Marshall (1953), das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) bereits dreimal (1917, 1944 sowie 1963), Willy Brandt (1971), Eisaku Satō (1974), Andrei Dmitrijewitsch Sacharow (1975), Amnesty International (1977), International Physicians for the Prevention of Nuclear War (1985), Michail Sergejewitsch Gorbatschow (1990), Nelson Mandela (1993), Ärzte ohne Grenzen (1999) zum Beispiel.

Das Nobelpreis-Komitee geht manchmal Risiken ein und will offensichtlich Friedensprozesse aktiv fördern, indem es aktive Politiker oder Aktivisten ehrt, deren Bilanz noch keineswegs klar ist.

Das kann allerdings auch in die Hose gehen.
 Blamiert hat sich Oslo unter anderem mit den Entscheidungen Kissinger (1973), Mutter Teresa (1979), Desmond Tutu (1984), Arafat, (Rabin) und Peres (1994), Carter (2002), Gore (2007) und Obama (2009).

Leute, die Kriege führen, gezielte Tötungen anordnen mögen dafür UNTER UMSTÄNDEN gute Gründe haben, aber insbesondere US-Präsidenten, die hundertfach die Todesstrafe durchführen lassen, ohne Veto einzulegen und die mit Abstand größte Waffenexportnation führen, sind keine geeigneten Kandidaten für Friedensnobelpreise.
Vor drei Jahren erklärte der Friedensnobelpreisträger, warum Kriege nun mal sein müssten, und ließ anschließend völkerrechtswidrig Bin Laden ermorden.
 Lustig ist es, wenn ein Zickenkrieg ausbricht und frühere Friedensnobelpreisträger einen Medienschlag gegen aktuellere Geehrte anzetteln.
Dies geschieht seit einigen Wochen wegen des heute an „die EU“ verliehenen Nobelpreises.
Der südafrikanische Erzbischof Desmond Tutu und zwei weitere Friedensnobelpreisträger haben das norwegische Nobel-Komitee aufgefordert, der Europäischen Union kein Preisgeld auszuzahlen. Tutu, der 1984 ausgezeichnet worden war, die Nordirin Mairead Maguire (1976) und der argentinische Menschenrechtler Adolfo Pérez Esquivel (1980) schrieben dem Komitee, dass die EU „eindeutig kein Vorkämpfer für den Frieden“ sei. Damit widerspreche die Verleihung des Preises dem Willen des Stifters Alfred Nobel. „Die EU strebt nicht nach der Verwirklichung von Nobels globaler Friedensordnung ohne Militär. Die EU und ihre Mitgliedsländer gründen kollektive Sicherheit weit mehr auf militärischen Zwang und die Durchführung von Kriegen als auf die Notwendigkeit eines alternativen Herangehens“, heißt es in dem Brief.
(FAZ 30.11.12)
 Ich bin mir zwar nicht ganz sicher, ob der greise Bischof die Unterschiede zwischen EU, Europa und NATO kennt, aber es bleibt eine Tatsache, daß unter den EU-Staaten einige der größten Waffenexporteure sitzen. 
Nationen, die Kriege führen, Diktatoren unterstützen, Klimaschutz blockieren und durch ihre Landwirtschaftspolitik (Subventionen, Patent-Saatgüter, genetisch einheitlicher Hühner, Fleischkonsum,..) weite Teile Afrikas in den Hunger treiben.
 
Nett ist das nicht gerade.

 Und friedlich schon gar nicht. 

Es ist auch nicht bekannt, daß sich die EU bei den gegenwärtigen Hauptbrennpunkten der Welt (Israel-Palästina, Somalia, Sudan, Afghanistan, ..) mit Ruhm bekleckert. 
Friedensnobelpreis für Waffenexporteure
„Es ist ein Hohn, dass die EU heute den Friedensnobelpreis erhält und das Preisgeld für Kinder in Kriegs- und Krisengebieten stiften möchte - und gleichzeitig ungehemmt Waffen in genau diese Kriegs- und Krisengebiete exportiert. Der heute vorgestellte Bericht der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) bestätigt, dass Waffenexporte nicht zu Frieden und Stabilität beitragen. Der Bericht macht deutlich, dass es in Deutschland keine strengen Kriterien und Kontrollen für Waffenexporte gibt. Jahr um Jahr erhöhen sich die deutschen Rüstungsexporte. Dabei werden mehr Waffen in Kriegs- und Krisengebiete exportiert als je zuvor. Und ganz oben in der Käuferliste stehen auch Länder, in denen die schwersten Menschenrechtsverletzungen begangen werden.“
(Jan van Aken, Pressemitteilung der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, 10.12.2012)
 Dennoch, man kann diesen Preis irgendwie rechtfertigen.
 „Der Friedensnobelpreis schießt mit Schrot“, für die Metapher gibt es 2013 den Literaturpreis. Ratspräsident Van Rompuy repräsentiert den Egoismus der nationalen Regierungen, Kommissionschef Barroso die Willkür nicht demokratisch legitimierter Kommissare und Parlamentspräsident Schulz einen entmündigten Souverän. Deshalb holen die Jungs den Pott auch zu dritt ab und rangeln um die Auftrittschoreografie. Also neoliberal oder sozial oder demokratisch oder Bürokratur: Egal ! Hauptsache, „Verbrüderung der Völker“ und „Verminderung der Heere“, wie Alfred Nobel es gefordert hatte. Und das – stimmt. Mal abgesehen davon, dass Norwegens Parlament lieber eine Kommission wählt, die der EU einen Preis gibt, als ihr beizutreten.
(Friedrich Küppersbusch 09.12.12)
 Es hilft der Blick zurück.
 Europa ist nämlich weniger ein Kontinent der Kultur und des Abendlandes, als ein Konglomerat von hochaggressiven Egoistennationen, die über 2000 Jahre danach trachteten den Rest der Welt auszubeuten, kulturell zu negieren und zu unterjochen.
Die religiösen Konfessionskriege wie der berühmte 30-Jährige Krieg haben den halben Kontinent entvölkert. 
Noch heute schlagen sich in Irland Protestanten und Katholiken mit Verve gegenseitig die Köpfe ein.
Europa ist eigentlich eine Pest. 
Zwei Weltkriege wurden aus der Mitte Europas angezettelt und auch bei Genoziden macht uns keiner was vor.
Friedlich sind Nationen wie zum Beispiel Bhutan. Bhutan hätte den Friedensnobelpreis verdient. Dafür, daß es nie Kriege angezettelt hat, die Wirtschaft der Erhaltung der Natur unterordnet und trotz bitterer Armut ein für alle Menschen kostenloses Gesundheitswesen eingerichtet hat.

Aber gerade weil Europa so scheiße ist und diese unfassbare brutale Vergangenheit hat, ist es natürlich schon beeindruckend was für einen Modus Vivendi wir inzwischen generiert haben.
Seit die EWG, bzw EG, bzw EU existiert schlägt man sich in Nord- und Westeuropa nicht mehr die Köpfe ein.
Nationen, die über Jahrhunderte Todfeinde, bzw „Erbfeinde“ waren, haben diese Denkkategorie eingemottet.

Der Normalzustand war es immer, daß nur ein einzelner irrer Fürst genügte, um beispielsweise Franzosen gegen Deutsche oder umgekehrt in die Schlacht zu schicken.
Noch 1914 herrschte europaweit große Begeisterung, daß es wieder losging mit dem kontinentalen Massenmord. 
Überall jubelte man auf der Straße, die Menschen aller Nationen drängelten sich darum beim großen Morden und Abschlachten dabei zu sein.
Ich behaupte, daß dies heute nicht mehr geht.
Gesetzt den Fall, daß sich Merkel und Hollande so fürchterlich verkrachen, daß sie beide ihre Armeen gegen den anderen in Gang setzen wollen, so würde ihnen das nicht viel nutzen.
Die Soldaten würden ihnen einen Vogel zeigen.
Man sollte nie „nie“ sagen, aber Krieg untereinander halte ich für nahezu ausgeschlossen für die EU-Nationen.
Das ist doch was.

Daher doch ein „Ja“ von mir zum EU-Friedensnobelpreis.
Der Chef des norwegischen Nobelkomitees Thorbjørn Jagland dankte den zahlreichen Politikern in seiner Rede für ihr Kommen: So könne gemeinsam gefeiert werden, dass Europa von einem "Kontinent des Kriegs zu einem Kontinent des Friedens geworden ist". Für diese Errungenschaft müsse man Tag für Tag kämpfen, so Jagland. Jagland erinnerte an den Fall der Berliner Mauer, die Auflösung des Ostblocks, die Kriege auf dem Balkan. Die EU sei stets treibende Kraft bei dem Prozess der Aussöhnung gewesen und habe geholfen, "die Bruderschaft und den Frieden zwischen den Nationen" zu fördern, so der Norweger. Der Friedensnobelpreis für die EU sei deshalb "nicht nur gerechtfertigt, sondern auch notwendig. Ich gratuliere Ihnen sehr herzlich dazu", sagte Jagland in Richtung der europäischen Vertreter. Jagland appellierte an die europäischen Länder, in der Finanzkrise "Seite an Seite" zu stehen.
 Aber übertreiben wollen wir nun auch nicht, Thorbjørn Jagland!
Gemeinsam die Finanzkrise bewältigen?
Wünschenswert wäre es, aber das ist blauäugig.
 Dafür dominieren viel zu sehr die nationalen Egoismen. Geld für andere gibt man eben nicht so gerne in Europa.
Fragen sie mal in Bhutan nach; da würden sie auf offenere Ohren stoßen.