Nachdem
ein Berliner Freund drei Jahre in Shanghai gelebt hatte, sagte er mir, der
große Unterschied zwischen den beiden Städten sei folgender:
Wenn
Du in China einen teuren Mercedes parkst, denken die Passanten wohlwollend, „toll,
da hat es einer geschafft. Ich kann mir den nicht leisten. Noch nicht. Werde
aber alles dafür tun, auch mal so ein Auto zu besitzen.“
Wenn
Du in Berlin einen teuren Mercedes parkst, denken die Passanten stinkwütend „
so einen kann ich mir nicht leisten, also soll das Bonzenschwein auch keinen
haben“ und dann zerkratzen sie den Lack.
Ich bin
sehr links, wenn es um Verteilungsgerechtigkeit und Nachhaltigkeit geht. Ich
wünsche mir eine starke Rolle des Staates, möchte öffentliche Versorger nicht
der Marktwirtschaft überlassen. Ich finde, Gesundheit darf keine Ware sein, an
der Herr Broermann auf Kosten der Kranken Milliarden verdient. Ich sympathisiere
mit einem kostenfreien ÖPNV.
Natürlich
müssen Superreiche wie die Quandts und Albrechts stärker besteuert werden und
nicht wie jetzt weniger als Angestellte. Ich bin für staatliche
Konjunkturprogramme und Kulturförderung. Und selbstverständlich sollten die
Parlamente die ökonomischen Rahmen so setzen, daß Altenpfleger und Putzfrauen
nicht ausgebeutet werden, sondern sich auch Wohnungen in den Städten leisten
können und nicht im Alter darben müssen.
Definitiv
bin ich aber kein Neid-Linker. Wenn ich auf der Straße einen 300.000,--Ferrari
sehe, möchte ich, daß er umweltfreundlich ist, nachhaltig produziert wurde. Überhaupt
300.000,- für ein Auto auszugeben stört mich gar nicht.
Es ist
doch prima, wenn eine Lange & Söhne-Armbanduhr für eine halbe Millionen
Euro hergestellt und verkauft wird.
[….]
2013 stellte die Glashütter Manufaktur A.
Lange & Söhne ihre komplizierteste Armbanduhr namens Grand Complication
vor. Die Luxusuhr kostet 1.920.000 Euro. Für diesen Preis haben sie auch
einiges zu bieten: Die Schlagwerkfunktion bietet die Wahl zwischen Petite
Sonnerie (automatischer Stundenschlag), Grande Sonnerie (automatischer Stunden-
und Viertelstundenschlag) und Minutenrepetition (Stunden-, Viertelstunden- und
Minutenschlag auf Abruf). Ein Schieber am unteren Gehäuserand ermöglicht einen
Wechsel zwischen großem und kleinen Geläut. Der obere Schieber entscheidet
zwischen „Schlagen“ oder „Ruhe“. Ein weiteres Ausstattungsmerkmal der Luxusuhr
aus Glashütte ist ein ewiger Kalender mit der Anzeige von Datum, Wochentag,
Monat, Schaltjahreszyklus und Mondphase. Den Begriff „große Komplikation“
vervollständigt der Chronograph, der in diesem Fall die Sekunden aus der Mitte
und die Minuten bei zwölf Uhr zählt. Doch das reicht der sächsischen Marke noch
nicht: Die Chronographenfunktion wurde zum einen um einen
Schleppzeigermechanismus zum Erfassen von Zwischenzeiten erweitert und zum
anderen zeigt eine blitzende Sekunde bei sechs Uhr die gestoppten
Sekundenbruchteile in Fünftelschritten an. 876 Einzelteile setzten sich zum
komplizierten Manufakturkaliber L1902 mit Handaufzug zusammen. Ihre Montage und
Justierung ist so aufwendig, dass die Uhrmachermeister in Glashütte nur eine
dieser Luxusuhren pro Jahr fertigen können. [….]
Natürlich
ist das nicht notwendig, um die Zeit zu erfahren, aber es schafft
Arbeitsplätze, fördert Innovationen, bringt der Allgemeinheit eine Menge
Steuern ein, ist nachhaltig, weil so ein kleines mechanisches Wunderwerk prinzipiell
ewig hält und es ist auch noch umweltverträglich, weil weder unter giftigen
Bedingungen seltene Mineralien geschürft werden müssen, noch zig Liter Benzin
für den Betrieb einer Uhr zu Kohlendioxid verwandelt werden.
Luxus an
sich begrüße ich. Es verbietet sich dabei generell bei Kunst – und das gilt
auch für Handwerkskunst – den absoluten Wert abschätzig zu betrachten, oder
Kunst für unnötig zu erklären. Niemand muss verstehen, wieso jemand für ein
besonderes Kleid 50.000 Dollar ausgibt, wenn man den gleichen wärmenden Effekt
auch mit T-Shirtstoff für 5 Euro erreicht.
Niemand
muss für eine besondere Flasche Wein oder Whisky 10.000 Euro ausgeben.
Betrunken wird man genauso effektiv mit einem 2,99-Schnaps aus dem Discounter. Ob
der Genuss darüber hinaus weitere 9.997,01 Euro wert ist, muss niemand
nachvollziehen können. Es sei aber dem Genießer gegönnt.
Immerhin
ist zu vermuten, daß die Arbeitsbedingungen auf dem Weingut für die
10.000-Euro-Flaschen, die Vertriebswege, die Rücksichtnahme auf
Umweltverträglichkeit, sowie der gesellschaftliche Mehrwert durch Steuereinnahmen
und zusätzliche arbeitsintensive Leistungen (Werbung, Önologie-Zeitschriften,
Kristallglashersteller…) erheblich größer ist, als bei dem möglichst billig
produzierten Fusel.
Selbstverständlich
erlauben es meine persönlichen finanziellen Verhältnisse nicht die genannten
Luxusgegenstände zu erstehen.
Glücklicherweise
interessieren mich einige von ihnen ohnehin nicht. Aber nur weil ich mir so
etwas selbst nicht leisten kann, würde ich den Genuss anderen niemals
missgönnen oder gar sanktionieren wollen.
Hätte
ich unendlich viel Geld, würde ich natürlich Wohltaten verteilen, aber zu
meinem persönlichen Vergnügen einige Originale von Francis Bacon, Egon Schiele
und Pierre Soulages kaufen.
Insbesondere
für die ersten beiden sind inzwischen achtstellige Summen notwendig. Eine leere
Wand könnte ich selbstverständlich auch mit einem 10-Euro-Poster verzieren,
aber die Originale der drei Maler haben mich in Ausstellungen so ungeheuer
fasziniert, daß ich davon überzeugt bin mit einer Reproduktion nicht
gleichermaßen glücklich zu sein.
Es ist
gut, daß sowas existiert. Von den ökonomischen Auswirkungen profitiert
letztendlich die gesamte Gesellschaft.
Nicht
nur direkt durch Steuereinnahmen und Arbeitsplätze (Feinuhrmacher,
Materialforscher, Galeristen, Logistiker, Farbhersteller, Versicherer,
Kunstexperten, Journalisten), sondern auch durch Verbesserungen für
Alltagsprodukte, die nur möglich sind, weil im Highprice-Segment viel
investiert wurde und große Fertigkeiten erworben wurden – Patente, neue
Materialien.
Linke
sollten also nicht grundsätzlich Millionäre und Milliardäre verdammen.
Viele
extrem Wohlhabende setzen sich für liberale und soziale Ziele
ein.
Ich
verdamme es aber, wenn Superreiche sich überproportional Einfluss erkaufen und für
die maßgeschneiderte Gesetze erkaufen.
Der
drittreichste Mensch der USA, Warren Buffett, Vermögen 80 Milliarden
Dollar, beklagte immer wieder diese absurden Ungerechtigkeiten.
Warren
Buffett zahlt weniger
Steuern als seine Sekretärin Debbie Bosanek; geschätztes
Jahreseinkommen: 50.000 Dollar, für die sie etwa 36 Prozent Steuern zahlt. Ihr
Boss zahlt gute 14%.
Es ist
Aufgabe der Gesellschaft nicht so blöd zu sein einen Politiker wie Donald Trump
zu wählen, der sich intensiv daran macht die Steuern für die Superreichen noch
weiter zu senken.
Es ist
Aufgabe der Politik die Steuergesetzgebung so zu gestalten, daß die
Multimillionäre nicht durch die Maschen schlüpfen und immer reicher werden,
weil sie nichts zum Staatshaushalt beitragen.
Es ist
aber nicht die Aufgabe der Politik Multimillionäre grundsätzlich zu bekämpfen.
Es ist
nicht unsere Aufgabe die Sinnhaftigkeit von Luxus grundsätzlich zu beurteilen.
Luxus,
der anderen schadet muss unterschieden werden von „gutem Luxus“.
Die Uhr
und das Gemälde betrachte ich aus den oben genannten Gründen als positiv.
Anders
sieht es bei Yachten aus, die tonnenweisen Schweröle verbrauchen, Manatis die
Rücken aufschlitzen.
Flugreisen
müssten gewaltig besteuert werden, weil sie maßgeblich durch den
Kerosinverbrauch ausgerechnet in den sensiblen Luftschichten zur Klimakatastrophe
beitragen. Pelzmode ist selbstverständlich aus grundsätzlichen moralischen
Erwägungen abzulehnen.
Großwildjagd, wie sie den Trump-Söhnen gefällt, die zu gern Elefanten, Löwen und Leoparden erschießen sind ganz mieser Luxus.
Großwildjagd, wie sie den Trump-Söhnen gefällt, die zu gern Elefanten, Löwen und Leoparden erschießen sind ganz mieser Luxus.
Schmuck
mit Blutdiamanten oder unter brutalen Bedingungen in Myanmar geschürften
Rubinen ist schlecht; Schmuck aus fair geschürften und gewonnenen
Edelmaterialien aber nicht.
Haute
Cuisine mit Michelin-Sternen ist zu begrüßen, weil es eine hohe Kunst ist, die
viel Umsatz und Arbeitsplatze schafft.
Nicht zu
begrüßen ist es natürlich, wenn dabei brutale Stopfleber oder Kaviar von fast
ausgestorbenen Stören verwendet wird.