Sonntag, 21. September 2025

Das geht böse aus – Teil II

Auf einer Skala von Optimismus bis Pessimismus, liegt der Realismus inzwischen nah bei Letzterem.

Das ist schon praktisch für mich, da ich habituell Misanthrop und Pessimist bin. Also muss ich meine Einstellungen nicht ändern.

Es gilt die alte Küchenweisheit, nach der man als Pessimist wenigstens nicht enttäuscht werden kann, sondern höchstens positive Überraschungen erlebt.

Der Realo in mir erwartet angesichts der politischen Großlage – Klima, Nahost, Russland, Rechtsradikalismus, Demokratiefeindlichkeit, Trump, Social Media, Merz/Reiche-Regierung, Kampf um die Ressourcen, Pandemien, allgemeine Verdummung – keine angenehmen Überraschungen mehr.

Im Gegenteil, wir wissen schon seit Jahrzehnten, welchen Katastrophen wir entgegenrasen, sind aber unfähig, uns entsprechend zu rüsten.

Aber obwohl ich pessimistisch denke, war noch ein Fünkchen zu viel Gutgläubigkeit in mir. Denn offensichtlich habe ich die Geschwindigkeit, mit der sich die westliche, demokratische Welt in den Abgrund bewegt, noch unterschätzt.

Bisher hatte ich recht hoffnungsfroh ausgerechnet, als semi-ältlicher Kinderloser meine Landung auf dieser Affenkugel perfekt getimt zu haben: Geboren zufällig zu einer Zeit des Wachstums, an einer friedlichen Stelle des Planeten und dann auch noch zufällig als Mann, Weißer und Demokrat.

Die Restlaufzeit für ein halbwegs gutes Leben in Nordeuropa; bevor Krieg, Hitze, ökonomischer Niedergang zu irgendeiner Art von Flucht zwingen; taxierte ich auf etwa 20 Jahre. Das fiele ungefähr mit meinem natürlichen biologischen Lebensende zusammen. Sorge um die Nachkommen müsste ich mir nicht machen und könnte erleichtert die Hühner satteln.

Inzwischen erscheinen mir zwei Dekaden Lebensrestlaufzeit aber doch als zu lang. Die Einschläge kommen näher und erfolgen immer schneller.

Sicher, es war zu erwarten, daß Merz und Söder die Weichen auf Vergangenheit stellen und auf diese Art nicht nur das Klima und Deutschlands Zukunft, sondern auch sehr konkret die Ökonomie abwürgen werden. Aber daß sie so eifrig daran arbeiten, die AfD zur stärksten Partei zu machen, hatte ich unterschätzt.

Schon jetzt sind die Nazis bestimmende Kraft in Deutschland. Eine schwarzbraune Regierung hatte ich erst ab 2029 erwartet. Auch das könnte zu optimistisch gewesen sein, weil Merz sich sogar noch dümmer anstellt, als ich dachte. Ein vorzeitiges Kleiko-Aus ist durchaus möglich. Passiert das, während die Nazis bereits Ministerpräsidenten und 40%-Fraktionen in Ossistan stellen, werden Spahn, Ploß und Amthor erklären, der Wähler wolle nun einmal keine Koalition mit RRG-Parteien mehr und 1933 erneut aufführen.

Die USA transformieren sich weitgehend widerstandslos zu einer faschistischen Autokratie. Dort geht es noch schneller.

[….] Trump drängt offenbar US-Justizministerium zu Verfahren gegen politische Gegner

»Jetzt muss Gerechtigkeit her«, schreibt der US-Präsident auf Truth Social. Er bezieht sich damit auf zwei demokratische Kritiker und fordert seine Justizministerin zu Ermittlungen auf – worum es in dem Fall geht.  [….]

(SPON, 21.09.2025)

 

Seit Jahren arbeitet die Mehrheit der US-Gouverneure immer dreister daran, die Wahlgesetze zu ihren Gunsten zu ändern. Obwohl schon jetzt ein Republikaner mit 10%-Stimmenminderheit US-Präsident werden kann. Die Midterms werden aber auf noch nie dagewesene Art die demokratische Stimmabgabe unterdrücken. Dachte ich. Auch das erscheint mir inzwischen als zu optimistisch. Nun rechne ich mit einer Absage der Wahlen, sofern sich Trump nicht ganz sicher ist, zu gewinnen.

Vorwände lassen sich leicht finden. Nach acht Monaten Trump 2.0, haben sich Justiz, Opposition, Presse und Bürger als klar zu schwach und phlegmatisch erwiesen, sich dem Trump-Faschismus entgegen zu stellen. Das ermutigt die Antidemokraten.

Justiz und Presse lassen sich sagenhaft leicht gleichschalten im Land Of The Free.

[….] US-Präsident Donald Trump will innerhalb seiner Regierung vor allem eins: Menschen, die ihm gehorchen. Diejenigen, die ihre Loyalität gegenüber der US-Verfassung sehen und nicht gegenüber ihm, haben es da schwer. Das aktuellste Opfer dieser Philosophie scheint Erik Siebert zu sein. Der amtierende US-Bundesstaatsanwalt trat am Freitag nach zunehmendem Druck aus dem Weißen Haus zurück. Er soll sich geweigert haben, gegen eine langjährige Gegnerin des Präsidenten Anklage zu erheben.

„Heute Abend habe ich meinen Rücktritt als Interimsstaatsanwalt für EDVA (östlichen Bezirk des US-Bundesstaates Virginia) eingereicht“, schrieb Siebert laut US-Medien in einer E-Mail an seine Kollegen am Freitagabend. Nur wenige Stunden zuvor hatte Trump seine Entlassung gefordert. „Ich will, dass er geht“, sagte Trump auf die Frage eines ABC-News-Journalisten im Oval Office.  [….]

(taz, 21.09.2025)


Wieso sollte Trump also noch Wahlen riskieren, wenn er so einfach mit schlichten Willensäußerungen durchkommt? Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika erklärt Kritik an ihm für illegal.

[…] President Donald Trump doubled down on his administration’s brazen attacks on free speech in a Friday afternoon press conference, telling reporters that publishing negative stories about him is “really illegal.” [….]

(Daily Beast, 20.09.2025)

Die amerikanische Öffentlichkeit schluckt das. Geht nicht in Generalstreik. Sie werden auch eine Absage künftiger Wahlen hinnehmen.

[…] Der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom gilt als möglicher Kandidat der Demokraten für die US-Präsidentschaftswahl 2028 – befürchtet aber offenbar, dass Amtsinhaber Donald Trump keine freie und faire Abstimmung mehr zulassen wird. »In meinen Augen gibt es null Zweifel daran, dass er keine weitere Wahl haben will«, sagte Newsom dem »Sydney Morning Herald« in einem Telefoninterview.  Falls es doch eine Wahl geben werde, so Newsom, werde diese im Stil des russischen Präsidenten Wladimir Putin stattfinden: »das Vortäuschen einer Wahl, aber nicht fair, nicht offen. Davon bin ich absolut überzeugt.«

Newsom bescheinigte Trump »außerordentliche Effizienz« bei der Durchsetzung seiner Pläne. »Es ist chirurgisch. Die Verwirklichung einer Vision.« In der aufgeheizten Stimmung nach dem tödlichen Attentat auf den rechtsextremen Aktivisten Charlie Kirk würden Trump und seine Getreuen mit ihrer »rachelüsternen« Rhetorik zusätzlich Öl ins Feuer gießen.

Das sollte »allen einen kalten Schauer über den Rücken jagen«, sagte Newsom der australischen Zeitung. »Ich bin zutiefst besorgt ob der kommenden Wochen und Monate. Das ist ein höllischer Moment für unser Land.« [….]

(SPON, 21.09.2025)