Freitag, 19. Dezember 2025

Klappt-nicht-Kaskade

Das haben wir ja alle noch im Ohr; „Klempner der Macht“ und „Sie können es nicht!“ Im Austeilen, aus der Bequemlichkeit der Opposition, war Merz immer ganz groß. 70 Jahre Schimpfen von der Seitenlinie, ohne selbst je Verantwortung zu übernehmen.

Nun waren die wenigsten von uns schon mal Bundesminister und Bundeskanzler. Ich, zum Beispiel, habe überhaupt noch nie eine Industrienation regiert.

Dennoch weiß ich aber, daß Kanzler keine absolutistisch regierenden Monarchen sind, sondern eingebettet in Koalitionen, die Mehrheitsverhältnisse in Bundesrat und Bundestag, innerparteiliche Befindlichkeiten, landsmannschaftliche Eifersüchteleien, internationale Erfordernisse, EU-Regeln, massive Lobbyeinflüsse und unendlich viele Sachzwänge – alles andere als frei entscheiden.

Basta-Kanzler geht nur selten und nur, wenn man über breite Mehrheiten, Autorität und Kompetenz verfügt. Das liegt in der Natur unserer parlamentarischen Demokratie und wird, angesichts der Zerfaserung unserer Parteienlandschaft und der wegbrechenden globalen Sicherheiten, immer extremer.

Das versteht auch jeder.

Außer einem. Fritze Merz checkt das ganz offenkundig immer noch nicht und denkt, als Kanzler lebe er so eine Art Wünsch-dir-was-Traum, in dem er jeden pampig anmachen kann und nur zackig Forderungen stellen braucht, die ihm sofort erfüllt werden.

Immer häufiger verfolgt ihn aber diese lästige Realität, die ihm dann beim Überholen kräftig in seinen knochigen Sauerländer Hintern tritt.

Daß man sich kümmern muss, Allianzen zu schmieden hat, für seine Vorhaben werben sollte, alle Details kennen müßte, während man dicke Bretter bohrt, scheint Hoppla-jetzt-komm‘-ich-Merz nach wie vor unbekannt zu sein.

Daher holte er sich in 24 Stunden gleich drei kräftige Arschtritte: Mercosur-Pleite, keine Freigabe der russischen Milliarden und Kramp-Karrenbauer ante portas.

Merz kann es einfach nicht!

[….] Eigentlich sollte das EU-Abkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten am Samstag unterzeichnet werden. Doch nach dem EU-Gipfel ist klar: Daraus wird nichts. [….] Die Verschiebung des EU-Handelsabkommens mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten sorgt in der deutschen Wirtschaft für Kritik. "Die erneute Verschiebung ist ein Rückschlag für Europas Glaubwürdigkeit als geostrategischer Akteur", sagte Tanja Gönner, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). [….] Auch für den Verband der Automobilindustrie (VDA) ist die Verschiebung eine "schlechte Nachricht". Die EU sende in Zeiten, in denen eine starke europäische Wirtschaft entscheidend sei, ein Zeichen der Schwäche und setze ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel, kritisierte VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Die Welt warte nicht auf Europa. "Die Automobilindustrie in der EU ist heute stärker denn je auf eine Verbesserung des Marktzugangs in Drittländern angewiesen."

Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten auf ihrem Gipfel entschieden, den eigentlich für diesen Samstag geplanten Abschluss des EU-Freihandelsabkommens mit vier Mitgliedsländern des Staatenbunds Mercosur zu verschieben. [….]

Die neue Freihandelszone mit mehr als 700 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern wäre nach Angaben der EU-Kommission die weltweit größte dieser Art und soll auch ein Zeichen gegen die protektionistische Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump setzen.   […..]

(Tagesschau, 19.12.2025)

Mit der Methode Brechstange schoss sich der Fritzekanzler selbst ins Aus. Er kann keine Sozialpolitik, er kann keine Finanzpolitik, er kann keine Wirtschaftspolitik und Außenpolitik erst recht nicht.

Was für ein Desaster für Europa!

Noch blamabler wirkt sich aber die Merzsche Desaster-Affinität bezüglich der 200 russischen Milliarden Euro in Belgien aus. Hier erlitt er totalen Schiffbruch; das russische Vermögen bleibt eingefroren. Nun muß Deutschland wieder einmal ein Fritze-Versprechen kassieren und 70 Milliarden Euro gemeinschaftliche Schulden aufnehmen. 

Carsten Volkery vom konservativen Handelsblatt schlackern die Ohren bei so  viel Merz-Unfähigkeit. 

[….]  Bundeskanzler Friedrich Merz war mit klaren Ansagen zum EU-Gipfel nach Brüssel gereist. Zwei Schicksalsentscheidungen für Europa mussten aus seiner Sicht getroffen werden: der Handelsdeal mit den Mercosur-Staaten und das Reparationsdarlehen für die Ukraine

Berlin warnte die anderen Europäer: Wenn das Mercosur-Abkommen mit dem südamerikanischen Staatenbund nicht diese Woche unterzeichnet werde, wäre es „tot“. Und sollte sich der Gipfel nicht darauf einigen, das russische Vermögen für ein Reparationsdarlehen für Kiew zu nutzen, wäre dies „das Ende Europas“. Eine Alternative zu diesem Plan gebe es nicht.

Nach dem Gipfel ist festzuhalten: Die zackigen Ansagen aus dem Kanzleramt haben ihre Wirkung verfehlt. Denn erst beschlossen die Regierungschefs, die Unterzeichnung des Handelsabkommens mit den Mercosur-Staaten auf Januar zu verschieben. Das setzte Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni durch, weil sie die vereinbarten Schutzklauseln für Landwirte ihrem Parlament erklären will. Merz musste es akzeptieren, weil ihm ohne Meloni die nötige Mehrheit fehlte.  Danach verwarfen die Regierungschefs auch noch den Plan mit dem Reparationsdarlehen und beschlossen stattdessen einen „Plan B“, den es laut Kanzleramt gar nicht gab. […..]

(Handelsblatt, 19.12.2025)

Was Merz anfasst, stirbt.

Und zu Hause, in seinem Land, in seiner Partei?

[….] Niederlage ohne Not

Die neue Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung heißt Annegret Kramp-Karrenbauer. Dass dieser Umstand dem Bundeskanzler als Niederlage ausgelegt wird, liegt auch in seiner Verantwortung. [….]

Annegret Kramp Karrenbauer hat es geschafft. [….] Unter normalen Umständen wäre das eine Meldung unter vielen. Nicht groß der Rede wert. Doch die Umstände sind nicht normal, und das hat auch viel mit dem diplomatischen Gespür des Bundeskanzlers zu tun.

Merz hatte sich zuvor öffentlich für Unions-Fraktionsvize Günter Krings ausgesprochen, obwohl er wusste, dass Annegret Kramp-Karrenbauer auch um das Amt kandidiert. Er hätte ohne Zweifel weitere Komplikationen vermeiden können. Warum hat Merz nicht die Kandidatur seiner alten Konkurrentin begrüßt und sich auf ihre Seite geschlagen? Oder sich neutral verhalten? Das hätte vieles einfacher gemacht. Doch Merz, der 2018 bei der Stichwahl um den Parteivorsitz gegen AKK den Kürzeren zog, weigerte sich, die Widersacherin von einst zu unterstützen. [….]

(Torben Lehning, ARD Berlin, 19.12.2025

Ein sagenhafter Lauf des Versagens.

[…] Friedrich Merz geht angeschlagen in die Weihnachtspause. Nach einer Schlappe in Brüssel hat der Kanzler und CDU-Chef am Freitagnachmittag in Berlin gleich die nächste Niederlage eingefahren. Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) hat die ehemalige CDU-Chefin und Ex-Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer an ihre Spitze gewählt. Damit ist der Bundestagsabgeordnete Günter Krings, den Merz dort platzieren wollte, durchgefallen. Und das nicht einmal knapp. Für AKK, wie Kramp-Karrenbauer in der Partei meist genannt wird, stimmten 28 der KAS-Mitglieder, für Krings 21. Es gab eine Enthaltung.

Damit ist Merz’ Autorität erneut angeschlagen. Dass es in der CDU-nahen Stiftung zum ersten Mal überhaupt zu einer Kampfabstimmung um den Vorsitz gekommen ist, hat viel mit Merz’ schlechter Kommunikation und dem miesen Prozessmanagement zu tun. Der Kanzler hatte Krings den Job versprochen, sich dann aber nicht darum gekümmert, die Mehrheiten für den eigenen Kandidaten zu organisieren. Und er trug auch niemand anderem auf, dies zu tun. Lange war es, wie zu hören ist, sogar unbekannt, dass Merz überhaupt einen Kandidaten hat.  [….]

(Sabina am Orde, 19.12.2025)