Samstag, 6. Februar 2016

Zickzack-Sigis Lob des Zackzack-Kurses.



Der Vizekanzler ist sichtlich angegriffen.
Offensichtlich zermürben ihn seine öffentliche Wahrnehmung und die katastrophalen Umfragewerte der SPD.
Also wendet er sich nun mit einem offenen Brief via SPON direkt an die Wähler.
Wütend schleudert der ehemaliger Lehrer dem Publikum entgegen, es sei richtig hin- und hergerissen zu sein, die SPD müsse Partei des „sowohl, als auch“ sein.

In dieser Hinsicht kann man ihm natürlich nur zustimmen. Es ist richtig das Gesamtbild zu sehen, es ist immer angebracht seine eigenen Einstellungen zu überdenken, politische Sturheit an sich ist falsch und wir sind auch nicht in den USA, wo fanatisierte Republikaner nichts so sehr verabscheuen wie „Flipflopper“ – also Politiker, die ihre Meinung ändern.

Allerdings führt uns Gabriel hier auf eine ganz falsche Fährte.
Wer zu einer anderen Überzeugung gelangt und dem Wähler ehrlich erklärt welche Umstände sich verändert haben und wieso man sich daher nun zu einem anderen Vorgehen entschieden hätte, wird deswegen nicht bei Wahlen abgestraft.
So tickt der deutsche Urnenpöbel nicht.
Immerhin ist Merkel Umfaller-Königin und gleichzeitig Umfragekönigin.
Ihr nimmt man es doch offensichtlich nicht übel, daß sie immer wieder das tut, was sie zuvor noch ausgeschlossen hatte. AKW-Laufzeit, Berufsarmee, Kopfpauschale, Rettungsschirme, etc.

Gabriel kommt aus einem anderen Grund zu seinem zweifelhaften Spitznamen „Zickzack-Sigi.“
Er fällt nicht einfach um und beschließt auf einmal etwas anderes, als das was er zuvor propagiert hatte, sondern er verschleiert das und behauptet wahrheitswidrig nicht umgefallen zu sein.

Ja, er hat Waffenexportgenehmigungen zurückgezogen, aber es ist unredlich sich deshalb selbst zu loben, da er andererseits noch viel zu viele Exporte in Krisengebiete zuläßt.
Ja, er sagt, er sorge für Transparenz bei den TTIP-Verhandlungen, aber die kommt nie wirklich. Die Wähler sollen sich endlich nicht mehr gegen TTIP stellen, aber die Vertragstexte soll kein Journalist lesen dürfen.
Ja, er hat die doppelte Staatsbürgerschaft ermöglicht. Aber das gilt nur für eine kleine Altersgruppe. Die Optionspflicht ist nicht abgeschafft. Ich zum Beispiel darf immer noch keinen deutschen Pass bekommen.
Ja, die SPD tritt für gleiche Rechte Homosexueller ein, aber im Bundestag stimmten sie doch gegen einen entsprechenden Antrag der Opposition mit der Unionsfraktion. Statt der „Ehe für alle“ haben wir nun eins abstrus kompliziertes Gesetzgemisch, das der CSU/CDU-Homophobie nachgibt.

[….][….] Die große Koalition wollte nämlich nicht einfach die "Ehe für alle" einführen, also die homosexuellen Paare zur Ehe zulassen, wie dies eine Mehrheit im Bundesrat anstrebt. Man wollte also kein Gesetz beschließen, in dem steht, dass eine Ehe im Sinn der Gesetze auch die Verbindung von homosexuellen Paaren ist. Etwa so: "Die für Ehe und Ehegatten geltenden Vorschriften sind auf Lebenspartnerschaft und Lebenspartner in gleicher Weise anwendbar." So ein Gesetz wäre nur ein paar Zeilen lang und würde die gesamte Rechtsordnung durchdringen. Aber die Union im Bundestag ist gegen die Ehe für alle. Also ging es nur kompliziert. Es musste in allen Gesetzen, noch in den entlegensten Winkeln des Rechts, geprüft werden, ob dort dem Wort "Ehe" das Wort "Lebenspartnerschaft" hinzugefügt werden darf; oder ob das dort nicht zu weit geht. [….]
Ergebnis: Betroffen vom Bereinigungsgesetz sind 32 Bundesgesetze - bis hin zur Höfeordnung (da geht es um das Erbschaftsrecht für Bauernhöfe), in dem es jetzt neben dem "Ehegattenhof" auch den "Lebenspartnerhof" gibt. [….][….]

Ich bin immer noch der Meinung, daß es keine Schande ist für einen kleinen Koalitionspartner sich oft nicht vollständig durchzusetzen und Kompromisse einzugehen.
Man muß dann aber sagen, woher der Widerstand kam.
Was nicht geht, ist einfach so zu tun, als habe man sich durchgesetzt.

Beim Großthema „Flüchtlinge“ versucht Gabriel nun erneut zu suggerieren, die Bundesregierung betreibe reine SPD-Politik, da sich die Spitzengenossen so geschickt durchgesetzt hätten.

[….] Die SPD zeigt große Kontinuität im Umgang mit dem Flüchtlingsthema. Ein gutes Beispiel dafür ist unsere Haltung zur Verringerung der Flüchtlingszahlen: Als Frank-Walter Steinmeier und ich das vergangenen Oktober im SPIEGEL gefordert haben, brach ein Sturm der Entrüstung aus: Wir würden reden wie Seehofer, wir fielen der Kanzlerin in den Rücken, so lauteten die Vorwürfe. Heute ist die Forderung längst Mainstream. Nicht die SPD wechselt ihre Haltung, sondern mancher Kommentator. […] Und wir wissen: Wenn das gelingt, wird sich niemand an den Ursprung erinnern, sondern es wird der Erfolg der CDU-Kanzlerin sein. Die Wahrheit aber ist: Das muss uns egal sein, denn es ist dann der Erfolg für Deutschland und für halb Europa. In diesen Zeiten ist für Parteitaktik kein Platz. [….]

Ebenfalls nicht schön ist Gabriels schleimiger Versuch einen Keil zwischen die „bösen“ Oberen der Pegida-AfD und die „guten“ Mitläufer zu treiben.

Als Spitzenpolitiker und Wahlkämpfer traut sich Sigmar Gabriel natürlich nicht Wähler zu beschimpfen.
So ein Bashing wird einem immer übel genommen und die so Geschmähten sind außerdem für immer und ewig als Stimmenlieferanten verbrannt.

[….] Die absehbaren Probleme haben Ängste in unserer Bevölkerung ausgelöst. Und nicht jeder, der solche Ängste hat und sich so sehr über die Flüchtlingspolitik ärgert, dass er überlegt AfD zu wählen, ist ein Rechtsradikaler. Diese Bürger dürfen wir nicht aufgeben.
Das gilt allerdings nicht für die Repräsentanten von AfD und Pegida, die offen rassistisch und rechtsradikal argumentieren. Oder so menschenverachtend sind, dass sie Schießbefehle selbst auf Kinder an der deutschen Grenze ausgeben wollen. [….]

Das passt nicht recht zu Gabriels Aussage, in diesen Zeiten ist für Parteitaktik kein Platz.

Man muß sich nur mal anhören was die AfD-Führungsriege auf Großdemos hinausposaunt und Tausende ihrer Anhänger begeistert zujubeln.
Herr Gabriel, das sind Rechtsradikale, die bei PEGIDA mitlaufen und AfD wählen.

Manfred Güllner sagt, die AfD sauge das rechtsradikale Wählerpotential von 10-12% in Deutschland komplett auf.

Das ist ein Mob, der ohnehin nicht die SPD wählt, also sollte Herr Gabriel auch aus parteitaktischen Gründen darauf verzichten diese Typen zu umarmen, da das wiederum andere Wähler abschreckt.

Außerdem verweist Gabriel, wie so viele andere auf die Umfragen, welche eine gewaltige Unzufriedenheit mit der Flüchtlingspolitik der Regierung ausweisen.
Daher müsse man nun die Zügel anziehen, mehr Polizisten einstellen usw usf.

In der Tat gibt es diese ARD-Umfrage.

Große Mehrheit kritisiert Flüchtlingspolitik der Bundesregierung.
Wenn man von den teilweise durchaus positiv bewerteten Einzelmaßnahmen auf "das große Ganze" blickt, dann gibt es deutliche Kritik an der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung: 81 Prozent der Befragten haben nicht den Eindruck, dass die Regierung die Flüchtlingssituation in Deutschland im Griff hat. [….]

Die Zahl halte ich für plausibel.
Auch ich zähle mich zu diesen 81%.

Aber Gabriel interpretiert es völlig falsch, wenn er glaubt diese 81% würden sich alle nach hartem Durchgreifen à la CSU und AfD sehnen.
Im Gegenteil; ich finde die Abschottungen, die Einzelfallprüfungen, das Behindern des Familienzuzuges, die Residenzpflicht, das Verweigern der Arbeitserlaubnis, die BAMF- und Lageso-Schikanen, das Verurteilen zum Nichtstun viel zu hart.

Ich gehöre zu den 81%, weil ich nicht erkenne, daß die Bundesregierung überhaupt konstruktiv vorgeht. Der zuständige Innenminister verkompliziert die Lage, fiel immer wieder durch das Schüren xenophober Stimmungen auf.
Gabriel behauptet aber, es gäbe stringente Regierungspolitik, die zudem auch noch auf Plänen seiner SPD beruhe.

Immer wieder wird behauptet, dass wir diese Verringerung der Flüchtlingszahlen nicht schaffen, ja nicht mal einen Plan dafür hätten. In Wahrheit ist unser damaliger Plan heute offizielle Regierungspolitik:

 1.   Investitionen in die Nachbarstaaten Syriens, um die Lebensbedingungen der Menschen deutlich zu verbessern;

 2.   Sicherung der EU-Außengrenzen, auch durch Zusammenarbeit mit der Türkei;

 3.   im Gegenzug Übernahme großer Kontingente von mehreren Hunderttausend Flüchtlingen pro Jahr nach Europa und Deutschland.

Was für eine ekelige Mischung aus Larmoyanz und  Halbwahrheiten.

Punkt 1 ist schlicht gelogen. Das Gegenteil ist der Fall.

    Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR hatte 2015 um 7,2 Milliarden Dollar für Flüchtlinge gebeten - aber gerade einmal 52 Prozent bekommen.
    "Noch immer sterben Menschen an Hunger oder frieren zu Tode", sagt eine UNHCR-Sprecherin.
    Länder wie Libanon und die Türkei, die Millionen Flüchtlinge aufgenommen haben, sind an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit. [….][….]

Punkt 2 ist gar nicht umsetzbar, wenn man nicht bereit ist Massaker an Tausenden Menschen zu verüben. Man kann die Grenzen gar nicht schließen.

Griechenland weist EU-Vorwürfe als Lüge zurück
Im Streit um die Grenzsicherung hat Griechenland den anderen EU-Staaten Unehrlichkeit vorgeworfen. Die Seegrenze sei nicht schließbar, Seenotrettung die einzige Option. [….]

Punkt 3 ist geradezu lächerlich. Es geht um Millionen Menschen und nach einem Jahr hat es die EU geschafft gerade mal wenige Hundert verteilt.

Die geplante Verteilung von 160.000 Flüchtlingen auf die EU-Staaten kommt nicht voran. Nur 272 Personen wurden bislang in andere Länder gebracht. Auch andere Vereinbarungen lassen noch auf sich warten. [….]

Ich habe nichts dagegen, wenn Gabriels „Sowohl, als auch“ praktiziert würde, ich akzeptiere (begründete) Meinungs- und Kursänderungen.
Was aber nicht geht, ist kontinuierliches Sand in die Augen streuen.
Gabriel propagiert hier Politiksimulation.

Jetzt muß ich schon einen Hamburger Morgenpost-Kommentar zitieren, um dem Vizekanzler den Vertrauensverlust in die Bundesregierung klar zu machen:

[….] Dies liegt auch daran, daß die Regierung nicht das geringste Signal sendet, wie es eigentlich im Land selbst weitergehen soll: Wo bleibt beispielsweise eine „Agenda Flüchtlinge“, vergleichbar mit der „Agenda 2010“? Wo ein Milliardenschweres staatliches Wohnungsbauprogramm? Oder eine Offensive zur Ausbildung und Einstellung von Lehrern und Polizisten? „Wir schaffen das“ ist zwar ein edles und richtiges Motto. Momentan hat man aber nicht den Eindruck, daß die Bundesregierung genug unternimmt. Stattdessen hat sie sich von EU-Partnern, der Opposition und engagierten Bürgern anhängig gemacht. [….]
Wir wissen doch nun schon seit vielen, vielen Monaten, daß CDU-de Maizière bei der Einschätzung der Flüchtlingszahlen und der Funktion des BAMF total versagt, wissen doch nun schon seit vielen, vielen Monaten, daß er Berliner CDU-Senator für Gesundheit und Soziales Mario Czaja beim LAGESO total versagt.
Kann ja passieren.
Aber es darf doch nicht sein, daß man den Zustand einfach so belässt, obwohl die Situation extrem pressiert.
Diese Typen gehören sofort entfernt. Mit schlichter Untätigkeit und Merkels General-Rezept „Abwarten“ kommen wir nicht weiter.
Auch nicht, wenn ihr Vizekanzler das als „Regierungsplan“ verkauft.