Man könnte meinen, in der deutschen Nachkriegsdemokratie
wäre Antifaschismus ein Minimalkonsens, den alle Parlamentarier nicht nur
missmutig akzeptieren, sondern offensiv verteidigen.
Es ist ein schweres Versagen der Konservativen und
Nationalliberalen zuzulassen, daß die parlamentarische Rechte den Begriff „Antifa“
negativ umdeuten konnte. CDU-geführte
Innenministerien und Staatskanzleien fielen weder Landes- noch Bundesverfassungsschützern
in den Arm, wenn sie mit fest zugeklebten rechten Augen Antifa-Gruppen unter
Generalverdacht stellten.
Der ehemalige oberste Verfassungsschützer Hans-Georg Maaßen,
Großzampano der CDU-Werteunion, AfD-Freund am äußersten rechten Rand der
Demokratie, hält ganz offensichtlich
Gruppen wie „Antifa Zeckenbiss“ und die „Antilopengang“ für wesentlich
gefährlicher, als Rassisten und Faschisten des Schlages Höcke.
Unglücklicherweise schmust nicht nur der rechte Rand der CDU
mit den Rechtsextremen, sondern nahezu das gesamte CDU/CSU/FDP-Spektrum hält
die Linke für genauso schlimm wie die AfD. Annegret Kramp-Karenbauer vertritt
noch heute diese Ansicht.
Bodo Ramelow, der bodenständige Christ, der Thüringen fünf
Jahre erfolgreich regierte und so bösartige Dinge wie kostenfreie Kitaplätze
einführte auf einer Stufe mit Holocaustleugner, gewaltbereiten Antisemiten, Revanchisten,
Hitler-Verehrern und Rassisten?
Den Konservativen ist offenbar ihr gesamtes
Koordinatensystem verrutscht.
Die RAF-Zeit wirkt bis heute
nach; sie hat den Staat verändert. Von 1971 bis 1993 wurden von RAF-Mitgliedern 34 Menschen getötet.
Seit der Selbstauflösung der RAF
wurden fast 200 Menschen durch rechtsextreme und
rassistische Gewalt umgebracht.
Obwohl die rechtsextreme Gewalt
eine viel höhere Quantität hat – jeden Tag gibt es ein halbes Dutzend
rechtsextremer Übergriffe – können deutsche Innenminister,
Verfassungsschutzbehörden und Medien kein wirkliches Interesse aufbringen. Das
liegt an der Auswahl der Opfer.
Eher die Schwachen der
Gesellschaft, keine Promis.
Die interessieren uns offenbar
weniger.
(….) Für mich ist der Unterschied
zwischen links und rechts die generelle Stoßrichtung.
Links kämpft für die Schwachen,
Rechts kämpft für die Starken.
Das gilt nicht nur politisch,
sondern beispielsweise auch für den Terrorismus.
Rechte Terroristen ermorden die
Schwächsten der Gesellschaft, rechte Hetzer pöbeln gegen Minderheiten: Schwule,
Flüchtlinge, Behinderte, Obdachlose.
Linke Terroristen legen sich mit
den Stärksten der Gesellschaft an, dem Militär, Bankdirektoren, Toppolitiker.
Von einer linken Partei wie der SPD
erwarte ich, daß sie sich im Zweifelsfall immer für die Schwächsten einsetzt
und mit ihnen gegen die Mächtigsten kämpft. (….)
(……) Der rechte Terrorismus hat
neben der schon genannten größeren Quantität aber auch eine andere Qualität.
Es sind Hass-Verbrechen, die
niedersten Instinkten entspringen.
Begangen von zutiefst
sadistischen Personen, die sich daran erfreuen Schwache zu quälen,
niederzuringen, zu demütigen, ihnen Leid zuzufügen.
Während die RAF tötete in dem
Wahn damit etwas Gutes zu erreichen, wollen Rechtsextremisten etwas Böses
erreichen, um dann nach Herzenslust zu töten.
Allein die von Mordphantasien
besessene Mecklenburg-Vorpommersche Prepper-Gruppe „Nordkreuz“ plante Myriaden
Menschen zu töten, erstelle eine Liste mit 25.000 Namen. (…..)
Es gibt dennoch keine Rechtfertigung, keine Entschuldigung
für linke Gewalt.
Wer aber hartnäckig nur nach links guckt und verschweigt,
daß rechts ganz offensichtlich die viel größere Gefahr lauert; wer darüber
hinaus 31 Jahre nach der Deutschen Einheit immer noch die Linke pauschal als „SED/PDS/Kommunisten“
bezeichnet, ist nicht ernst zu nehmen.
Diese Vorwürfe kommen interessanterweise aus den beiden
Parteien – CDU und FDP – die anders als die SED-Nachfolger überhaupt keine
Auseinandersetzung mit der Geschichte der vier von ihnen wegfusionierten
SED-Blockparteien führten.
Diese Vorwürfe kommen interessanterweise aus den beiden
Parteien – CDU und FDP – die nach 1945 nicht nur massenhaft ehemalige Nazis in
die Partei aufnahmen, sondern die Schlimmsten von ihnen zu Ministern, Kanzlern, Partei- und
Ehrenvorsitzenden machten.
(…..) CDU und CSU waren nie die
mehr oder weniger sozialdemokratischen Parteien der Mitte, als die sie gerne
verkauft werden.
Von Anfang an, ab 1949 gab es
immer starke Überschneidungen zu völkischen, rechtsnationalen Positionen.
Beide Parteien haben das Personal
der NSdAP übernommen; mit Strauß und Kiesinger waren sogar zwei ehemalige
NSdAP-Mitglieder Bundesvorsitzende.
Der erste große CDU-Kanzler holte
demonstrativ nicht nur überhaupt ehemalige Nazis wie Theodor Oberländer in
seine Regierung, sondern machte mit Hans Globke gleich einen der schlimmsten
Rassisten der Nazis zu seinem Kanzleramtsminister.
Das war keine vorrübergehende
Nachkriegserscheinung gemäß der alten Mär, man hätte um des Zusammenhaltes des
Landes ja die ehemaligen NSdAP-Mitglieder integrieren müssen. Nein, die
Verquickungen von CDUCSU mit Rechtsradikalen hält an.
[….] Die CDU gilt seit ihrer
Gründung als Kanzlerwahlverein. 1949 war es noch eine sensationelle
Notwendigkeit Nationalkonservative, Wirtschaftsfreunde und Vertreter beider
Konfessionen zusammenzuführen, um gemeinsam einen starken anti-sozialen Block
zu bilden.
Norddeutsche Protestanten,
Wirtschaftsbosse, die NSDAP-Überbleibsel und ehemalige Zentrumspolitiker
bildeten die Machtbasis Konrad Adenauers.
Es funktionierte wunderbar. Man
blieb 20 Jahre ununterbrochen an der Macht und setzte eine USA-orientierte
Politik durch.
Adenauer, der vielen bis heute
als Ikone gilt, war privat ein ziemlicher Prolet, der von Demokratie nicht sehr
viel hielt.
Ungeniert setzte er Geheimdienste ein, um den politischen Gegner, aber auch innerparteiliche Widersacher auszuspionieren.
Ungeniert setzte er Geheimdienste ein, um den politischen Gegner, aber auch innerparteiliche Widersacher auszuspionieren.
Gewaltenteilung bedeutete ihm
nicht sehr viel. Als der aufmüpfige Rudolf Augstein es wagte kritisch über
Strauß zu schreiben, ließ Adenauer wie ein früher Erdoğan die Staatsanwaltschaft
los, sperrte den SPIEGEL-Chef ein und wollte kritischen Journalismus einfach
verbieten.
Warum auch nicht? Hatte er doch
wichtige NSDAP-Ideologen wie Hans Globke (1953-1963 Adenauers
CDU-Kanzleramtsminister), Theodor Oberländer (CDU-Bundesminister 1953-1961)
oder auch Hans Filbinger (12 Jahre CDU-Ministerpräsident Baden-Württembergs) an
seiner Seite.
Diese ehemaligen Top-Nazis wußten
wie man mit der SPD-Opposition umgeht.
Der braune Sumpf konnte auch nach
Adenauers Tod unbehelligt in der CDU weiter existieren.
Bundeskanzler Helmut Kohl war ein
Unterstützer der Waffen-SS.
[….] Als junger Politiker spendete Helmut Kohl Geld an ein Hilfswerk, das
für inhaftierte NS-Verbrecher und deren Angehörige sammelte. Nach Informationen
des SPIEGEL hielt er den Generaloberst der Waffen-SS Paul Hausser für einen
"anständigen Mann". [….]
(SPON, 03.02.2018)
Insbesondere in den
CDU-Landesverbänden Hessen („Dreggers Stahlhelmfraktion“, Martin Hohmann, Erika
Steinbach, Kristina Schröder, Koch, Kanther) und Baden-Württemberg
(„Studienzentrum Weikersheim“) konnten sich Ultrakonservative bis in die
jüngste Zeit austoben. Sie bildeten eine Allianz mit den revanchistischen
Vertriebenenverbänden.
Seit dem Zusammenbruch der DDR
kam mit dem CDU-Landesverband Sachsen ein weiterer nationalkonservativer
Hotspot dazu. [….]
Natürlich übertreiben linke Gruppen gelegentlich. Auch nach
den ungeheuerlichen Vorgängen um das 1000-minütige Reich des Thüringer AFDP-MPs Kemmerich,
ist selbstverständlich nicht jeder FDP-Kandidat ein Faschist.
Carl Cevin-Key Coste, FDP-Bürgerschaftskandidat in Hamburg,
ist nun furchtbar traurig und deprimiert, weil ihm in der heißen Wahlkampfphase
deutliche Missgunst entgegenschlägt und ausgerechnet er, der Mann mit
Migrationshintergrund als „Nazi-Freund“ beschimpft wird.
Ich sage dazu ganz ohne Häme: So ein einzelner FDP-Mann, der
nun ausbaden muss, was Kubicki, Lindner, Kemmerich, aber auch die Hamburger Burkhardt
Müller-Sönksen und Anna von Treuenfels-Frowein verbockt haben,
tut mir Leid.
[…..] „Ich
bin kein Nazi-Freund!“ Warum einem Hamburger FDP-Mann die Tränen kommen[…..] Am
Mittwoch habe ich mir die Demo vor unserer Parteizentrale angeschaut und musste
mir von 1500 Demonstranten anhören: „FDP - Scheißverein - Wer lässt sich mit
Nazis ein!“ Ich wusste, dass zumindest ein Teil davon auch mich damit meinte. […..] Ich
habe selbst Migrationshintergrund. Habe die deutsche und die türkische
Staatsbürgerschaft. In meiner gesamten politischen Aktivität habe ich immer und
unmissverständlich eine klare Haltung gegen Rechts eingenommen. […..] Es ist
für mich unerträglich als Nazi-Freund diffamiert zu werden. Ich bin immer noch
fassungslos, dass mir eine Nähe zu Nazis unterstellt wird. Es ist nicht einfach
nur auf ein FDP-Plakat geschrieben worden. Diese Bezeichnung haben die Täter
mir mitten ins Gesicht geschrieben. […..]
Den Druck, den einige Kandidaten
gerade spüren, ist für viele von Euch vielleicht nicht nachvollziehbar. Aber es
ist ein mulmiges Gefühl, wenn ein Fußabdruck auf Deinem Gesicht zu sehen ist.
Die Ohnmacht, die Du spürst, wenn Du durch die Allee deiner zerstörten
Plakate schreiten musst. Mit nur einer Gewissheit: In den nächsten Tagen wird
es gegen Dich und Deine Parteifreunde wieder Morddrohungen geben. […..]
Nein, Carl Cevin-Key Coste, Sie sind kein Faschist und ich
glaube Ihnen kein Nazi-Freund zu sein.
Nun kommt das ABER: Sie engagieren sich in einer Partei, die
diesbezüglich eine üble Vergangenheit hat und der man aus gutem Grunde ihre
Abgrenzung zur AfD nicht glaubt.
Insbesondere Ihr Parteichef Christian Lindner blinkt immer
wieder ganz rechts, robbt sich an die AfD heran. Dabei ist er keineswegs der
erste FDP-Chef, der mit rechtsradikalen und antisemitischen
Tendenzen echte Liberale wie Hildegard Hamm-Brücher aus
der Partei treibt.
Sie können persönlich nichts für das Totalversagen der
Erfurter FDP-Führung, aber es war Ihre Entscheidung in die FDP einzutreten und
für die FDP-Wahlkampf zu machen.
Wenn Ihnen Antifaschismus wichtig wäre, wenn Sie nicht als „Nazi-Freund“
beschimpft werden möchten, sollten Sie sich in der SPD, bei den Grünen oder den
Linken engagieren. Dort gibt es keine Unklarheiten gegenüber den
Rechtsextremen.
Man muss nicht auf die Nazi-Freunde in der FDP der 1950er
und 1960er gucken.
Die Namen Manfred Brunner, Heiner Kappel, Achim Rohde, Klaus
Rainer Röhrl oder auch der langjährige Bundesgeneralstaatsanwalt und FDP-Staatssekretär
in Berlin Alexander von Stahl stehen für die rechtsnationale „liberale Offensive“.
Von Stahl, immer noch FDP-Mitglied engagiert sich heute für das AfD-Blatt „Junge
Freiheit“.
[….] Im Abgeordnetenhaus-Ausschuss für
Frauenfragen löst Justiz-Staatssekretär
Alexander von Stahl einen Eklat aus, als er sich gegen die Forderung
wendet, bei der Staatsanwaltschaft ein Sonderdezernat für Sexualdelikte zu
bilden, dem nur Staatsanwältinnen angehören sollen. Diese Delikte würden von
männlichen Richtern gewöhnlich härter
bestraft, sagt er, und nennt als
Beispiel das „harte Urteil“ gegen einen Mann, der mehrere Frauen
vergewaltigt habe, „es waren wohl acht Stück“. Wegen einhelliger Empörung der
Abgeordneten und Zuhörer über das „Fehlverhalten des Staatssekretärs“ wird die
Sitzung vorzeitig beendet. [….]
In Hamburg schwenkte der gesamte Landesverband ab dem Jahr 1982 nach scharf rechts
und verdrängte alle verbliebenen liberalen Mitglieder.
Bei der Bürgerschaftswahl 2001 trat der zackige
Konteradmiral Rudolf Lange als Listenführer und Spitzenkandidat für die FDP an.
Auch er dachte gar nicht daran die stärkste Partei, die SPD
bei der Regierungsbildung zu unterstützen, sondern warf sich vor dem
kriminellen Nazi-Kokser Ronald Schill auf den Boden.
Stolz nannte die FDP es „erste bürgerliche Koalition
Hamburgs“ mit der CDU unter Ole von
Beust und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive unter Ronald Schill. Lange
wurde Bildungssenator.
Unnötig zu erwähnen, daß Lange auf ganzer Linie an seiner
eigenen Unfähigkeit scheiterte und schon vor dem Platzen der Schill-Koalition nach mehreren Skandalen zurückgerteten werden musste.
Wie man sich bettet, so liegt man, Carl Cevin-Key Coste!