Montag, 18. Mai 2015

Piepsis


Generell habe ich es nicht so mit Haustieren.
Insbesondere nicht mit Hunden, da diese (bedingt durch ihrer verblödeten Halter) andere Menschen belästigen, einschüchtern und auch immer wieder totbeißen.
Diese ganze „Herrchen-Attitüde“ missfällt mir. Ein Tier, das gehorcht, sich unterordnet und blind den Befehlen eines Menschen folgt, ist für mich pervers.
Präziser ausgedrückt ist es pervers, daß Menschen gerade die unbedingte Folgsamkeit so schätzen. Pervers ist auch diese aberwitzige Tiernahrungsindustrie, die mit Fressen das nicht artgerechte Halten all der fetten Hunde in zu kleinen Stadtwohnungen kaschiert.
Zoos gefallen mir auch nicht. Aus grundsätzlichen moralischen Erwägungen.
Tiere einsperren und anglotzen ist auch pervers.
Natürlich, es gibt rund 50 Tierarten, die nur noch in Zoos leben und sonst schon ausgestorben wären. Das ist ein Argument. Aber jeden Tag sterben Dutzende Tierarten aus. Darunter sehr viele Mollusken und Amphibien. Kümmert natürlich niemand, weil man im Zoo nun mal nur mit niedlichen oder spektakulären Säugetieren Publikum anlockt.
Da wird ein aberwitziger Aufwand getrieben, damit jeder Zoo seine Elefanten und Löwen hat. Oder ganz schlimm: Eisbären, die bei völlig ungeeigneten Klima so gut wie immer auf Kunstfelsen hocken müssen.
Das Geld sollte stattdessen unbedingt dafür verwendet werden Flächen des natürlichen Lebensraums der vom Aussterben bedrohten Arten aufzukaufen, um sie vor Rodung und Urbanisierung zu schützen.

Natürlich kann man sich oft nicht der Anziehungskraft der Viecher entziehen.
Ich bin bekanntlich ein Vogelliebhaber. Ich liebe die kleinen Piepser draußen!
ALLE Piepsis. Aber insbesondere Finkenvögel (mag ich lieber als die Sittich-artigen) und außerdem begeistern mich alle Watschel-Vögel. Die sind so süß.
Seit einigen Jahren beschäftige ich mich etwas genauer mit der unglaublichen Anpassungsfähigkeit der Vögel an menschliche Behausungen.
Zugvögel beispielsweise nutzen Städte wie Lufttankstellen, da sie zum Kräftesparen unbedingt Aufwinde brauchen, die über den betonierten Städten generiert werden.
Amseln oder Tauben sind typische Kulturfolger, die mit sagenhafter Lernfähigkeit an menschlichen Nahrungsquellen partizipieren.
Singvögel bevorzugen sogar inzwischen Städte, weil sie weniger natürliche Feinde als der Wald beherbergen. Zudem sind sie wärmer, so daß sie früher brüten können. Einige Populationen von Zugvögeln unterlassen sogar die anstrengende Reise gen Afrika vollkommen, weil sie in nordeuropäischen Städten bequemer überleben können.
Was mir als sehr nachteilig erscheint; der städtische Lärm, wird von Klein-Piepsis locker gehandelt, indem sie einfach selbst auch lauter singen.
Leider kommen nicht alle Vögel so gut mit Städten klar.
Spezialisten, wie zB Eisvögel oder haben es immer schwerer.
Spatzen brauchen Felder und Sandkuhlen, die sie nicht in der Stadt finden. Schwalben brauchen spezielle Nistplätze. Fichtenkreuzschnäbel sind auf Nadelholzzapfen angewiesen.

Vor ein paar Tagen ging ich von meiner Wohnung aus einige Schritte zur Post an einem Fleet entlang. Das war lustig.
Natürlich gibt es hier jede Menge Wasservögel rund um die Alster, aber ich wunderte mich eine ganze Delegation in so einem schmalen, nicht begrünten Fleet zu sehen. Kurioserweise war es genau ein Vogel pro Art, die feinsäuberlich der Größe nach schwammen.
Erst ein Schwan, dann eine Kanadagans, kurz danach eine Stockente und schließlich noch ein Blesshuhn.
Lustige Piepsis. Vielleicht waren es die Ausgestoßenen ihrer Art. Die Punks. Oder Homos.
An der Stelle ist der Fußweg einige Meter höher, so daß man das ganze Fleet nur einsehen kann, wenn man sich ganz an das Geländer stellt. Da die vier Watschler genau in der Mitte schwammen, wollte ich nachsehen, ob vielleicht noch ein paar Kumpel von ihnen am Rand ruderten und ging einen Schritt in Richtung Geländer.
Faszinierend auch das: Ein Schritt von mir in Richtung Wasser und sofort änderten die gefiederten Blitzbirnen ihren Kurs und schwammen direkt auf mich zu: Offenbar waren sie konditioniert, daß ein Mensch, der Interesse an ihnen zeigt auch etwas Fressbares dabei hat.
Die bettelten regelrecht, so daß es mir natürlich Leid tat zufälligerweise kein Gänsefutter in der Hand zu haben. Schnell wankte ich wieder weg von ihnen, woraufhin sie mir ebenfalls sofort desinteressiert ihren Hintern zudrehten.

Schwäne werden seit Jahrhunderten in Hamburg gehegt und gepflegt. Jeder Hamburger kennt Schwanenvater Olaf Nieß, der die Hamburger Dienststelle „Schwanenwesen leitet.

Seit Jahrhunderten sind die Alsterschwäne mit der Tradition unserer ehrwürdigen Stadt eng verbunden und prägen ihr Bild. Nicht nur das Stormaner Wappen, sondern auch verschiedene Bauwerke belegen, dass sich unsere Vorfahren intensiv mit diesen königlichen und stolzen Tieren befasst haben.

Als Hamburg als ehemalige Hauptstadt Stormans eine selbstständige Stadt wurde, übernahm es auch das Privileg eines eigenständigen Schwanenwesens. Zu damaliger Zeit war dies nur herrschenden Häusern, also Grafen, Herzögen, Königen usw. vorbehalten und allen anderen bei Strafe verboten.  Durch das Schwanenwesen dokumentierte Hamburg als deutlich sichtbares Zeichen seine Freiheit und Unabhängigkeit.

Wie ernst es dem Hamburger Senat mit der Wahrung seiner Rechte an den Schwänen auf der Alster war, vermittelt ein Mandat aus dem Jahre 1664 (Auszug in original Satz- und Schriftstellung):

,(….)Klagen vorkommen, daß ein oder anderer Schwan unlängst auf dem freyen Alster-Strom und Gebiete dieser Stadt geschossen, auch todtgeschlagen seyn soll; solches aber keinesweges zu dulden, vielmehr der Verbrecher mit geziemendem Ernst abzustrafen: Als thut E.E.Rath mäniglichen hiermit erinnern und vermahnen, daß keiner ihm unterstehen soll, vorgemeldete dieser auf der Alster gehende Schwäne in einiger Weise zu beleidigen, weniger dieselbigen zu schiessen oder todtzuschlagen, mit dem Anhange und Verwarnung, daß so jemand diesem Mandat zuwider handeln sollte, derselbe alles Ernstes willkürlich gestrafet werden soll.“


Die vielen Kanadagänse in der Stadt kannte ich viele Jahre nur von den Zwischenstopps ihrer Wanderungen.
Zweimal im Jahr überfliegen große Gänseschwärme Hamburg und lassen sich gerne mal zu ein paar Tagen Rast an der Außenalster nieder.
Dann sieht man plötzlich hunderte Gänse auf den Wiesen der Verkehrsinseln chillen.

Offenbar kommen aber mehr und mehr Gänse oder Halbgänse, wie die afrikanische Nilgans auf den Geschmack und breiten sich gen Nordwesteuropa aus. Nilgänse sieht man bisher noch kaum in Hamburg, aber deutschlandweit gelten sie als die erfolgreichsten Neozoen. Vermutlich leben schon Zehntausende dauerhaft hier und halten auch strengste Winter problemlos aus.
Wie es typisch für Neozoen ist, sind Nilgänse a) sehr flexibel und b) durchsetzungsstark.
Jeder Hamburger liebt Schwäne, weiß aber auch, daß die Viecher selbstbewußt sind und sich durchsetzen.
Als ich ein Kleinkind war und gerne auf Schwäne zuging, erklärten mir meine Eltern, daß die Vögel so stark wären, daß sie mir ganz leicht einen Arm brechen könnten. Außerdem heiß es, der große Hecht im Teich unten könnte Kindern eine ganze Hand abbeißen. Sollte mich sicher vom Baden im Teich abhalten.
Ich weiß nicht, ob es sich dabei um Ammenmärchen handelte, aber ich war einmal Zeuge wie ein Passant von einem genervten Schwan gebissen wurde. Das tut richtig weh.
1:0 für das Federvieh.

Nilgänse sind offensichtlich noch wehrhafter. Sie schützen in Brutzeit ihre Nester mit allen Mitteln und verjagen jeden, der in die Nähe kommt.
Ich finde das SUPER. Piepsis, die nicht vor Menschen kuschen, sondern die blöden Zweibeiner verjagen.
Sieht aber nicht jeder so.

[…]  Aggressive Nilgänse haben in Oberursel Fußgänger angegriffen. "Wenn sie einem in den Finger hacken, ist das richtig schmerzhaft", berichtet eine Joggerin, die bereits vor einigen Jahren von einer Nilgans angegriffen wurde – und das, obwohl sie einen Riesenbogen um die Tiere gemacht habe. Dass die Tiere so aggressiv sind, liege vermutlich am Schutz des Nachwuchses, teilt die Stadt Oberursel mit. […] Anders als Kaninchen, die mit Frettchen gejagt werden könnten, lasse sich gegen Nilgänse in der Stadt nichts unternehmen, sagt Rainer Vollweiter vom Umweltdezernat Frankfurt. "Sie vermehren sich fröhlich weiter, verdrängen andere Gänse aber nicht." Die Vögel machen auch vor den Freibädern und dem Zoo in Frankfurt nicht Halt. […]

Go, Nilgänse, go!
Die Kommunen sollen das gefälligst aushalten und sich ihren Wutbürgern zu Gunsten der Federafrikaner entgegenstellen.

Menschen, die so eifrig dabei sind Habitate zu zerstören und jeden Tag Dutzende Tierarten ausrotten, sollen gefälligst auch mal aushalten, daß eine andere Spezies nicht alles mit sich machen lässt.

Es ist lächerlich zu sehen, wie in nordeuropäischen Breiten, in denen es de facto gar keine gefährlichen Tiere gibt, sofort alle durchzudrehen scheinen, wenn auch mal Tiere in den Lebensraum der Menschen eindringen, statt immer nur umgekehrt.

Es kommt immer häufiger vor, daß mit maximaler Dramatik über Wölfe in Vorstädten, Wildschweine, die sich nicht an die Kleingartenvereinsordnung halten, kackende Starenschwärme, lärmende Saatkrähen, Goldfischteich-leerende Reiher oder eben bissige Gänse berichtet wird.
Als vor einigen Jahren ein einziger Braunbär in Bayern auftauchte, ließ Edmund Stoiber den „Problembären“ gleich erschießen.
Homo homini lupus.
Ich wünsche mir noch viel mehr Tiere in deutschen Wohngebieten, die sich nicht menschgerecht verhalten.
Menschen, die Tiere nach menschlichen Maßstäben beurteilen, ihre eingesperrten Lieblinge wie einen Menschen behandeln, sich dafür begeistern wie menschlich Wellensittich Willi oder Dackel Dieter wirken, sind Idioten, denen man verbieten müßte Haustiere zu halten.
Die Unterscheidung in Nutz- und Schadtiere, die weitgehend willkürlich ist, sollte endlich vergessen werden.
Vor 30 Jahren wurde jeder „Nizzasalat“ mit Thunfisch boykottiert, weil man durch Greenpeace-Kampagnen wußte wie viele niedliche Delphine bei der Thun-Jagd verenden.
Die Thunfischfangflotten bekamen den PR-Gau in den Griff, indem sie angeblich Dephin-schonende Fangnetze entwickelten.
Was für ein moralischer Bullshit.
Haie oder Thunfische sind genauso schützenswert wie Delphine. Ob das menschliche Gehirn mehr oder weniger stark mit Empathie reagiert, ist irrelevant.
Wie lächerlich ist das Geschrei der Tierschützer über Schweizer Bauern, die angeblich noch Hunde essen.
Na und? Wo ist der moralische Unterschied zum Verzehr eines Schweins oder einer Kuh oder einer Katze?

Ich wünsche mir, daß Kinder in Zukunft wieder lernen, daß es zur Natur gehört andere Lebewesen zu respektieren, indem man ihnen aus dem Weg geht.
Das kann nur hilfreich sein, wenn man lernt sich zu arrangieren und nicht aus der bloßen Tatsache ein homo sapiens zu sein das Recht ableitet andere Tiere abzumurxen, wenn sie einem den Weg kreuzen.