Dienstag, 19. Dezember 2017

Keine Heimat, wer schützt mich vor Braunmerika?

Das habe ich hier oft ausgeführt; das Konzept des Stolzes ist mir völlig fremd.
Nationalstolz ist dabei zudem die absurdeste Form des Stolzes.
Ich bin kein Patriot und will auch keiner sein.

Allerdings gebe ich zu, daß ich phasenweise Amerika und Deutschland mit etwas weniger Widerwillen begegne.

Die sozialliberale Ostpolitik, das Bekenntnis zu den Naziverbrechen und natürlich Brandts Kniefall zu Warschau (all das geschah unter heftigen Attacken der CDUCSU) waren schon extrem bedeutende Angelegenheiten.
Man musste sich generell nicht schämen, wenn die Kanzler Brandt und Schmidt im Ausland auftraten. Polyglott, hochgebildet, extrem charismatisch. Beide waren so hochgeachtete Persönlichkeiten, daß sie noch Jahrzehnte nach ihrem Amtsausscheid außerordentlich bewunderte Persönlichkeiten in den ehrenvollsten Internationalen Organisationen waren. Schmidt als langjähriger Chef des Interaction Councils und Brand als Chef der Sozialistischen Internationale, so wie der Nord-Süd-Kommission.
Undenkbar, daß tumbe Konservative wie Helmut Kohl oder die Bush-Präsidenten in einer zweiten Karriere als internationale Ratgeber brilliert hätten.
Ich fühlte mich auch recht gut, als Schröder und Fischer die Regierung übernahmen, die alten Zöpfe abschnitten, den Atomausstieg einleiteten, die Zwangsarbeiter entschädigten, die Homoehe auf den Weg brachten und eben auf internationaler Ebene nicht nur prominent und mutig gegen den Bush-Blair-Kriegskurs aufstanden, sondern sogar zu Anführern einer ganz großen Friedenskoalition mit Russland und Frankreich wurden.
Es ist natürlich etwas anderes Außenminister Fischer auf einer Reise in den Nahen Osten zu beobachten, wenn er als eine der ganz ganz wenigen Persönlichkeiten, die bei Israelis und Palästinensern gleichermaßen geachtet sind, eine bedeutende Rolle als Friedensvermittler spielt, als wenn Gaga-Guido unbelastet von jedem Fachwissen blamabel in Israel rumstolpert, mit dem Fuß aufstampft und kreischt „Was ich sage, zählt!“.

Tatsächlich gab es auch 2015 diese Momente, als im Sommer täglich tausende ausgezehrte Bürgerkriegsflüchtlinge nach Deutschland strömten und ihnen eine Welle der Hilfsbereitschaft entgegenkam, während beispielsweise Ungarn und Österreich die Heimatvertriebenen nur schikanierten und möglichst mit einem Fußtritt wieder aus ihren Ländern vertreiben wollten. Da wirkte Deutschland gar nicht so furchtbar.

Und ja, nach dem grauenvollen acht GWB-Jahren, in denen ein völlig unwissender Oval-Office-Tölpel in Kriege stolperte, die im Desaster enden mussten, war es durchaus ein erhebendes Gefühl, daß die Amis anschließend einen hochintelligenten Schwarzen zum potus machten, der noch 2009 nach Kairo und andere muslimische Städte aufbrach, in bedeutenden Reden für die Grausamkeiten der Amerikaner geradestand, der muslimischen Welt die Hand ausstreckte.
Ja, natürlich kann ich inzwischen abendfüllend davon erzählen was ich alles falsch und schlecht an Obamas Präsidentschaft finde, der frische Wind von 2008/2009, die Begeisterung, die er international auslöste, gingen aber auch an mir nicht emotional unberührt vorbei.
Ich erinnere mich sogar zweitweise intensiv gehofft zu haben, daß ihn bloß niemand erschießen möge, weil mir völlig bewußt war, wie unersetzlich er war und wie wichtig es war, daß überhaupt jemand mit der Biographie und dem Namen in den USA gewählt wurde.

Im Jahr 2017 kann man sich das gar nicht mehr vorstellen.
Mein einziger Gedanke bei den oberen Gomulken der deutschen und amerikanischen Politik ist ein Stoßgebet an die Marsianer, damit die mich möglichst bald hier abholen.

Wenn in Amerika die Republikaner und in Deutschland die CDU regiert ist es mein natürlicher Zustand abgestoßen zu sein.
Aber es hilft ungemein, wenn wie beispielsweise von 1994-1998 ein brillierender Oppositionsführer Joschka Fischer vorhanden ist, der nicht nur in jeder seiner Reden die Regierung scharf auseinander reißt, sondern dies auch noch rhetorisch so gekonnt anstellt, daß es eine wahre Freude ist ihm zuzuhören. Sich diebisch zu freuen, wie die attackierten konservativen Pykniker auf der Regierungsbank nervös hin und her rutschen.

Aber heute?
Es gibt in Amerika zwar einzelne demokratische Senatoren, die sich womöglich größere Ambitionen haben und einen guten Eindruck hinterlassen – Cory Booker (NJ) und Kamala Harris (CA) beispielsweise – aber die Leader im Kongress muss man erst googlen, bis einem die Namen wieder einfallen. Nancy Pelosi (77) und  Steny Hoyer (78) im House, sowie Chuck Schumer (67) und Dick Durbin (73) im Senat.
Im Wahljahr 2020 werden Pelosi und Hoyer über 80 sein. Das erinnert an die KPdSU-Gerontokratie.
Immerhin sind Schumer und Pelosi nicht grundsätzlich auf den Kopf gefallen.
Das ist schon mal einiges wert.

In Deutschland habe ich Martin-Ich hab keine Lust. Ich will nach Hause. Ich bin schon zufrieden, wenn ich uns nicht blamiert habe-Schulz und Andrea-Bätschi-Kacke-Fresse-Nahles.
Dazu kommt auch noch Zickzack-Sigi, der gerade mal wieder eine braune Phase durchlebt und Kolumnisten landauf, landab vor Entsetzen in die Schreibtischplatte beißen lässt.

[….] Sein rechter, rechter Platz ist leer.
Sigmar Gabriel meint, die SPD habe sich zu sehr für Homosexuelle und zu wenig für Industriearbeiter eingesetzt. Was reitet ihn, diese Gruppen gegeneinander auszuspielen? Er scheint nur eine Richtung für seine Partei zu kennen: nach rechts. […..]

(Mal eine Frage an die Homo-Fachleute:
Stimmt es wirklich, daß Industriearbeiter grundsätzlich hetero sind?
Schließen sich "homosexuell" und "Arbeiter" aus?
Arbeiten Schwule grundsätzlich nicht?
Könnte es nicht womöglich sogar Hetero-Industriearbeiter geben, die im Jahr 2017 auch die "Ehe für alle" befürworten?)

Was im Sommer 2015 in Deutschland geschah wird heute einseitig verurteilt.
Menschen in Not helfen? Pfui Teufel, so wahnsinnig können nur „Bahnhofsklatscher“, „Linksgrünversiffte“ und „Gutmenschen“ sein.

Meine Ansichten zu dem Thema vertritt inzwischen gar keine Partei mehr.
AfD, CSU und Lindners Truppe machen reine „Ausländer raus!“-Politik.


Die Grünen haben mit Boris Palmer und Winfried Kretschmann ihre eigenen Hobby-AfD-Politiker in den Reihen. Bei den Jamaika-Sondierung wollten sie sogar Crazy Horsts 200.000er Grenze, die selbst der CDU-Vorsitzenden zu rechts und zu grundgesetzlich erschien, als „atmenden Deckel“ akzeptieren.

Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine rühren schon seit Jahren ihre eigene braune Brühe an.

Wenn wie heute in der HH Mopo die Geschichte eines Syrers erscheint, der nach zwei Jahren in Hamburg die Stadt liebt und sich hier aufgehoben und wohlfühlt, bin ich scheinbar der einzige, den das noch freut.


Meine Position, daß man das Asylrecht unbedingt vollständig erhalten und gewähren muss, wird gar nicht mehr vertreten.


Ich halte die Neubürger für eine kulturelle Bereicherung, wünsche mir mehr multikulti. Das ist eine ethische Verpflichtung, ein kulturelles Glück und auch eine ökonomische Notwendigkeit.

(….)
[….] Die sozialen Ungleichheiten zwischen den Mitgliedstaaten und in den einzelnen Ländern nehmen zu. Das wird der EU auf lange Sicht schaden und sie vielleicht zerstören. Indem man Europa in eine Festung verwandelt, verstärkt man diesen inneren Zerfallsprozess. Seine Ursache sind nicht die Flüchtlinge. Die sind nur der willkommene Brandbeschleuniger von sozialen Konflikten, die vorher schon da waren.
[….] Die Angst vor Veränderungen ist weitverbreitet. Darüber hinaus glaube ich nicht, dass Angst der richtige Begriff ist. Man will nichts abgeben. [….]

Wir alle sind gewöhnt in einer Weltwirtschaftsordnung zu leben, in der wir reichen Industriestaaten kontinuierlich doppelt so viel Geld aus der dritten Welt abziehen, wie wir umgekehrt in die ärmsten Staaten transferieren.
Wer beständig auf Kosten anderer immer reicher wird, hat Interesse daran diesen Zustand zu konservieren, sich also abzuschotten.

Ein Land, das für in selbstverschuldete Schräglage geratene Banken auf Kosten der Steuerzahler in kürzester Frist dreistellige Milliardenbeträge bereitstellen kann, muss für ohne eigenes Verschulden in Not geratene Kommunen auch einen jedenfalls zweistelligen Milliardenbetrag aufwenden können.
[….] In dieser Welt, in der heute fast die Hälfte des globalen Reichtums in den Händen von weniger als einem Prozent der Weltbevölkerung liegt, in der im kapitalistischen Süd-Nord-Transfer für jeden Dollar, der in Richtung Dritte Welt fließt, zwei Dollar in die Gegenrichtung zurückfließen – in dieser Welt gibt es nicht eine weltweite ›Flüchtlingskrise‹, sondern eine Weltkrise, die Fluchtbewegungen erzeugt.
[….] In den gleichen 25 Jahren sind auf dem Weg nach Europa und Deutschland mindestens 30.000 Flüchtlinge allein im Mittelmeer umgekommen. Vor der deutschen Vereinigung sind Flüchtlinge an der deutsch-deutschen Grenze gestorben, heute sterben Flüchtlinge in Massen vor den Grenzen der „Festung Europa“. [….]
 (Prof. Dr. Klaus J. Bade, ehemaliger Vorsitzender des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration, 03.10.2015)

Ältere Deutsche erinnern sich noch zumindest an die Geschichten ihrer Eltern wie es war in der Nachkriegszeit zu hungern, wie primitiv man lebte. Wie dankbar man für jede Kleinigkeit war.
Die Teens und Twens von heute scheinen oft auch keine Empathie für echte materielle und physische Not aufbringen zu können.
Es liegt einfach außerhalb ihrer Vorstellungskraft.

Ich glaube immer noch fest daran, daß wir Deutschen (wenn ich das als Amerikaner sagen darf) viel besser fahren, wenn wir großzügig sind, tolerant auf andere Kulturen reagieren und viel abgeben.
Leider gibt es außer Seeßlen, Bade und den Engagierten von Organisationen wie „ProAsyl“ kaum noch eine Repräsentanz für diese Meinung..
Und es ist extrem unschön zu akzeptieren, mit solchen Ansichten inzwischen offenbar zu einer extremen Minderheit geworden zu sein, wenn sogar die LINKE von „Missbrauch des Gastrechts“ (Wagenknecht) faselt und die Grünen mit der CDU für Abschiebungen plädieren; wenn die SPD akzeptiert Myriaden Familien auseinander zu reißen und Kinder in seelische Not zu treiben, weil der „Familiennachzug“ womöglich mehr Flüchtlinge nach Deutschland bringen könnte. (….)

Eine politische Heimat, eine deutsche Partei, die sich für internationale Gerechtigkeit einsetzt und Deutschland nicht radikal vor Einwanderung abschotten will, gibt es für mich derzeit nicht.
Mehr oder weniger sind alle Bundestagsparteien auf AfD-Kurs gegangen.