Das habe ich hier oft ausgeführt; das Konzept des Stolzes ist mir völlig fremd.
Nationalstolz ist dabei zudem die
absurdeste Form des Stolzes.
Allerdings gebe ich zu, daß ich
phasenweise Amerika und Deutschland mit etwas weniger Widerwillen begegne.
Die sozialliberale Ostpolitik, das Bekenntnis
zu den Naziverbrechen und natürlich Brandts Kniefall zu Warschau (all das
geschah unter heftigen Attacken der CDUCSU) waren schon extrem bedeutende
Angelegenheiten.
Man musste sich generell nicht schämen,
wenn die Kanzler Brandt und Schmidt im Ausland auftraten. Polyglott,
hochgebildet, extrem charismatisch. Beide waren so hochgeachtete
Persönlichkeiten, daß sie noch Jahrzehnte nach ihrem Amtsausscheid
außerordentlich bewunderte Persönlichkeiten in den ehrenvollsten
Internationalen Organisationen waren. Schmidt als langjähriger Chef des
Interaction Councils und Brand als Chef der Sozialistischen Internationale, so
wie der Nord-Süd-Kommission.
Undenkbar, daß tumbe Konservative wie
Helmut Kohl oder die Bush-Präsidenten in einer zweiten Karriere als
internationale Ratgeber brilliert hätten.
Ich fühlte mich auch recht gut, als
Schröder und Fischer die Regierung übernahmen, die alten Zöpfe abschnitten, den
Atomausstieg einleiteten, die Zwangsarbeiter entschädigten, die Homoehe auf den
Weg brachten und eben auf internationaler Ebene nicht nur prominent und mutig
gegen den Bush-Blair-Kriegskurs aufstanden, sondern sogar zu Anführern einer
ganz großen Friedenskoalition mit Russland und Frankreich wurden.
Es ist natürlich etwas anderes
Außenminister Fischer auf einer Reise in den Nahen Osten zu beobachten, wenn er
als eine der ganz ganz wenigen Persönlichkeiten, die bei Israelis und
Palästinensern gleichermaßen geachtet sind, eine bedeutende Rolle als
Friedensvermittler spielt, als wenn Gaga-Guido unbelastet von jedem Fachwissen
blamabel in Israel rumstolpert, mit dem Fuß aufstampft und kreischt „Was ich
sage, zählt!“.
Tatsächlich gab es auch 2015 diese Momente,
als im Sommer täglich tausende ausgezehrte Bürgerkriegsflüchtlinge nach Deutschland
strömten und ihnen eine Welle der Hilfsbereitschaft entgegenkam, während beispielsweise
Ungarn und Österreich die Heimatvertriebenen nur schikanierten und möglichst
mit einem Fußtritt wieder aus ihren Ländern vertreiben wollten. Da wirkte
Deutschland gar nicht so furchtbar.
Und ja, nach dem grauenvollen acht
GWB-Jahren, in denen ein völlig unwissender Oval-Office-Tölpel in Kriege
stolperte, die im Desaster enden mussten, war es durchaus ein erhebendes
Gefühl, daß die Amis anschließend einen hochintelligenten Schwarzen zum potus
machten, der noch 2009 nach Kairo und andere muslimische Städte aufbrach, in
bedeutenden Reden für die Grausamkeiten der Amerikaner geradestand, der
muslimischen Welt die Hand ausstreckte.
Ja, natürlich kann ich inzwischen
abendfüllend davon erzählen was ich alles falsch und schlecht an Obamas
Präsidentschaft finde, der frische Wind von 2008/2009, die Begeisterung, die er
international auslöste, gingen aber auch an mir nicht emotional unberührt vorbei.
Ich erinnere mich sogar zweitweise
intensiv gehofft zu haben, daß ihn bloß niemand erschießen möge, weil mir
völlig bewußt war, wie unersetzlich er war und wie wichtig es war, daß
überhaupt jemand mit der Biographie und dem Namen in den USA gewählt wurde.
Im Jahr 2017 kann man sich das gar
nicht mehr vorstellen.
Mein einziger Gedanke bei den oberen
Gomulken der deutschen und amerikanischen Politik ist ein Stoßgebet an die
Marsianer, damit die mich möglichst bald hier abholen.
Wenn in Amerika die Republikaner und in
Deutschland die CDU regiert ist es mein natürlicher Zustand abgestoßen zu sein.
Aber es hilft ungemein, wenn wie
beispielsweise von 1994-1998 ein brillierender Oppositionsführer Joschka
Fischer vorhanden ist, der nicht nur in jeder seiner Reden die Regierung scharf
auseinander reißt, sondern dies auch noch rhetorisch so gekonnt anstellt, daß
es eine wahre Freude ist ihm zuzuhören. Sich diebisch zu freuen, wie die attackierten
konservativen Pykniker auf der Regierungsbank nervös hin und her rutschen.
Aber heute?
Es gibt in Amerika zwar einzelne demokratische
Senatoren, die sich womöglich größere Ambitionen haben und einen guten Eindruck
hinterlassen – Cory Booker (NJ) und Kamala Harris (CA) beispielsweise – aber
die Leader im Kongress muss man erst googlen, bis einem die Namen wieder
einfallen. Nancy Pelosi (77) und Steny
Hoyer (78) im House, sowie Chuck Schumer (67) und Dick Durbin (73) im Senat.
Im Wahljahr 2020 werden Pelosi und
Hoyer über 80 sein. Das erinnert an die KPdSU-Gerontokratie.
Immerhin sind Schumer und Pelosi nicht
grundsätzlich auf den Kopf gefallen.
Das ist schon mal einiges wert.
In Deutschland habe ich Martin-Ich hab keine Lust. Ich will nach Hause. Ich bin schon zufrieden, wenn ich uns nicht blamiert habe-Schulz
und Andrea-Bätschi-Kacke-Fresse-Nahles.
Dazu kommt auch noch Zickzack-Sigi, der
gerade mal wieder eine braune Phase durchlebt und
Kolumnisten landauf, landab vor Entsetzen in die Schreibtischplatte beißen
lässt.
[….] Sein rechter, rechter Platz ist leer.
Sigmar Gabriel meint, die SPD habe sich zu sehr für
Homosexuelle und zu wenig für Industriearbeiter eingesetzt. Was reitet ihn,
diese Gruppen gegeneinander auszuspielen? Er scheint nur eine Richtung für
seine Partei zu kennen: nach rechts. […..]
(Mal eine Frage an die Homo-Fachleute:
Stimmt es wirklich, daß Industriearbeiter grundsätzlich
hetero sind?
Schließen sich "homosexuell" und
"Arbeiter" aus?
Arbeiten Schwule grundsätzlich nicht?
Könnte es nicht womöglich sogar Hetero-Industriearbeiter
geben, die im Jahr 2017 auch die "Ehe für alle" befürworten?)
Was im Sommer 2015 in Deutschland geschah
wird heute einseitig verurteilt.
Menschen in Not helfen? Pfui Teufel, so
wahnsinnig können nur „Bahnhofsklatscher“, „Linksgrünversiffte“ und „Gutmenschen“
sein.
Meine Ansichten zu dem Thema vertritt
inzwischen gar keine Partei mehr.
AfD, CSU und Lindners Truppe machen reine „Ausländer raus!“-Politik.
Die Grünen haben mit Boris Palmer und
Winfried Kretschmann ihre eigenen Hobby-AfD-Politiker in den Reihen. Bei den
Jamaika-Sondierung wollten sie sogar Crazy Horsts 200.000er Grenze, die selbst
der CDU-Vorsitzenden zu rechts und zu grundgesetzlich erschien, als „atmenden
Deckel“ akzeptieren.
Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine rühren schon seit Jahren ihre eigene braune Brühe an.
Wenn wie heute in der HH Mopo die Geschichte eines Syrers
erscheint, der nach zwei Jahren in Hamburg die Stadt liebt und sich hier
aufgehoben und wohlfühlt, bin ich scheinbar der einzige, den das noch freut.
Meine Position, daß man das Asylrecht unbedingt vollständig erhalten und gewähren
muss, wird gar nicht mehr vertreten.
Diesen Grenzschließungs- und Ausgrenzungswahn
teile ich nicht.
Ich halte die Neubürger für eine
kulturelle Bereicherung, wünsche mir mehr multikulti. Das ist eine ethische
Verpflichtung, ein kulturelles Glück und auch eine ökonomische Notwendigkeit.
(….)
[….] Die sozialen Ungleichheiten zwischen den Mitgliedstaaten und in den einzelnen Ländern nehmen zu. Das wird der EU auf lange Sicht schaden und sie vielleicht zerstören. Indem man Europa in eine Festung verwandelt, verstärkt man diesen inneren Zerfallsprozess. Seine Ursache sind nicht die Flüchtlinge. Die sind nur der willkommene Brandbeschleuniger von sozialen Konflikten, die vorher schon da waren.
[….] Die sozialen Ungleichheiten zwischen den Mitgliedstaaten und in den einzelnen Ländern nehmen zu. Das wird der EU auf lange Sicht schaden und sie vielleicht zerstören. Indem man Europa in eine Festung verwandelt, verstärkt man diesen inneren Zerfallsprozess. Seine Ursache sind nicht die Flüchtlinge. Die sind nur der willkommene Brandbeschleuniger von sozialen Konflikten, die vorher schon da waren.
[….]
Die Angst vor Veränderungen ist
weitverbreitet. Darüber hinaus glaube ich nicht, dass Angst der richtige
Begriff ist. Man will nichts abgeben.
[….]
Wir
alle sind gewöhnt in einer Weltwirtschaftsordnung zu leben, in der wir reichen
Industriestaaten kontinuierlich doppelt so viel Geld aus der dritten Welt
abziehen, wie wir umgekehrt in die ärmsten Staaten transferieren.
Wer
beständig auf Kosten anderer immer reicher wird, hat Interesse daran diesen
Zustand zu konservieren, sich also abzuschotten.
Ein Land, das für in
selbstverschuldete Schräglage geratene Banken auf Kosten der Steuerzahler in
kürzester Frist dreistellige Milliardenbeträge bereitstellen kann, muss für
ohne eigenes Verschulden in Not geratene Kommunen auch einen jedenfalls
zweistelligen Milliardenbetrag aufwenden können.
[….]
In dieser Welt, in der heute fast die
Hälfte des globalen Reichtums in den Händen von weniger als einem Prozent der
Weltbevölkerung liegt, in der im kapitalistischen Süd-Nord-Transfer für jeden
Dollar, der in Richtung Dritte Welt fließt, zwei Dollar in die Gegenrichtung
zurückfließen – in dieser Welt gibt es nicht eine weltweite ›Flüchtlingskrise‹,
sondern eine Weltkrise, die Fluchtbewegungen erzeugt.
[….]
In den gleichen 25 Jahren sind auf dem
Weg nach Europa und Deutschland mindestens 30.000 Flüchtlinge allein im
Mittelmeer umgekommen. Vor der deutschen Vereinigung sind Flüchtlinge an der
deutsch-deutschen Grenze gestorben, heute sterben Flüchtlinge in Massen vor den
Grenzen der „Festung Europa“. [….]
(Prof. Dr. Klaus J. Bade, ehemaliger Vorsitzender
des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration,
03.10.2015)
Ältere
Deutsche erinnern sich noch zumindest an die Geschichten ihrer Eltern wie es
war in der Nachkriegszeit zu hungern, wie primitiv man lebte. Wie dankbar man
für jede Kleinigkeit war.
Die
Teens und Twens von heute scheinen oft auch keine Empathie für echte materielle
und physische Not aufbringen zu können.
Es
liegt einfach außerhalb ihrer Vorstellungskraft.
Ich
glaube immer noch fest daran, daß wir Deutschen (wenn ich das als Amerikaner
sagen darf) viel besser fahren, wenn wir großzügig sind, tolerant auf andere
Kulturen reagieren und viel abgeben.
Leider
gibt es außer Seeßlen, Bade und den Engagierten von Organisationen wie
„ProAsyl“ kaum noch eine Repräsentanz für diese Meinung..
Und
es ist extrem unschön zu akzeptieren, mit solchen Ansichten inzwischen offenbar
zu einer extremen Minderheit geworden zu sein, wenn sogar die LINKE von
„Missbrauch des Gastrechts“ (Wagenknecht) faselt und die Grünen mit der CDU für
Abschiebungen plädieren; wenn die SPD akzeptiert Myriaden Familien auseinander
zu reißen und Kinder in seelische Not zu treiben, weil der „Familiennachzug“
womöglich mehr Flüchtlinge nach Deutschland bringen könnte. (….)
Eine
politische Heimat, eine deutsche Partei, die sich für internationale
Gerechtigkeit einsetzt und Deutschland nicht radikal vor Einwanderung abschotten
will, gibt es für mich derzeit nicht.
Mehr
oder weniger sind alle Bundestagsparteien auf AfD-Kurs gegangen.