Merz und Merkel gehören derselben Generation an. Er wurde am 11.11.1955 geboren; sie am 17.07.1954.
Beide durchliefen auch dieselben Jobstationen: CDUCSU-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, CDU-Bundesparteivorsitzende und Bundeskanzler/in.
Habituell könnten sie aber unterschiedlicher nicht sein.
Er hält sich selbst für den Allerschlausten und ist ebenso fest davon überzeugt, es aufgrund der eigenen Großartigkeit 2002 oder 2005 verdient zu haben Bundeskanzler zu sein, wie Donald Trump sich für den einzig wahren Träger des Friedensnobelpreises hält.
Ob und wie großartig sich Merkel selbst hält, ist nicht bekannt, weil sie das im diametralen Gegensatz zu Merz, nie laut herausposaunt.
Sie ist so tiefenentspannt und resistent gegen Beleidigungen, wie er stets hysterisch aufschreit, wenn er sich nicht genügend gewürdigt sieht. Er ist das klassische Primaten-Männchen, das sich auf die Brust trommelt und brüllend von Ast zu Ast schwingt, während sie es Tarnung, Mimikry und Beta-Verhalten angeht.
Man könnte das auf sich beruhen lassen; die beiden haben eben unterschiedliche Politikansätze, sind aber beide jeweils zum Ziel – dem wichtigsten politischen Amt Deutschlands - gekommen.
Der große Unterschied besteht aber darin, daß Merz seiner
Nemesis Merkel, im direkten Vergleich stets unterlag und abwarten musste, bis
sie die politische Bühne verlassen hatte. Er ist offenkundig der Schwächere von
beiden und musste erst knapp 70 Jahre alt werden, um zum Zug zu kommen, während
sie bereits im Alter von 51 Jahre mit gewaltiger Mehrheit Kanzlerin wurde:
Am 22. November 2005 erhielt sie 397 Ja-Stimmen von 614 Mitgliedern des
Bundestages (Nein: 202; Enthaltungen: 12).
Fritzes Groko war eine Kleiko und als erster Bundeskanzler überhaupt, vergeigte er auch noch die Kanzlerwahl: Die Kanzlermehrheit am 6. Mai 2025 betrug 316 Stimmen, die CDUCSU-SPD verfügte über 328 anwesende Parlamentarier, Merz erhielt 310 Ja-Stimmen und war damit nicht gewählt. Die Blamage war perfekt. Man musste zu den verhassten Linken gehen, auf deren Stimmen man angewiesen war, um die Geschäftsordnung dahingehend zu ändern, einen zweiten Wahlgang am selben Tag möglich zu machen.
Merz brauche also 20 Jahre länger als Merkel und verstolperte dann den Moment, den sie souverän durchschritten hatte.
Wie ihn das wurmen muss.
Und es wurde nicht besser. Es folgten Pleiten Pech und Pannen bei ihm.
Merkel hingegen amtierte 16 Jahre und ging ungeschlagen auf eigenen Wunsch in den Ruhestand. Mit hoher Wahrscheinlichkeit, hätte sie auch ein fünftes mal Bundeskanzlerin werden können, wenn sie 2021 angetreten wäre.
Sie holte bei den ihren Bundestagswahlen 35,2% (2005), 33,8% (2009), 41,5% (2013) und 32,9% (2017).
Merz kam 2025 auf schwächliche 28,5%, obwohl die SPD sich selbst zerlegt hatte und die FDP aus dem Parlament flog. Nach fünf Monaten Amtszeit bewegt sich die Merz-Union auf die 20%-Marke zu. Ipsos misst die CDUCSU gegenwärtig bei 23%; bei Forsa kommt die Union auf 24% und Insa gibt der Merz-Truppe 24,5%- jeweils klar hinter der AfD.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Merz seine Partei auf 19% schrumpft.
Das treibt den ehrgeizigen Fritzekanzler zur Weißglut: Merkel 16 Jahre Kanzlerin, immer stärkste Partei, im Jahr 2013 sagenhafte 41,5% geholt und er schafft nur die Hälfte.
Im Merz-Koordinatensystem ist nicht vorgesehen, daß eine Frau, eine Protestantin und Ostdeutsche, so offensichtlich die besseren Zahlen vorweisen kann, als er selbst.
Es triggert ihn über alle Maßen und da er, im Gegensatz zu ihr, über keinerlei Selbstkontrolle verfügt, beschädigt er die eigene Partei zusätzlich mit einem Kleinkrieg gegen seine Vorvorgängerin. Ihrem direkten Nachfolger Olaf Scholz vertraute Merkel völlig. Penibel hielt sie sich an die Exkanzler-Tradition, sich nicht in die Tagespolitik einzumischen und ließ den SPD-Mann dreieinhalb Jahre machen. Aber die Abrissbirne Merz hält sie für so gefährlich, daß Merkel entgegen ihrer Natur, immer wieder gegen ihn austeilt. Der so Gescholtene, ohnehin von Hass auf die Uckermärkerin zerfressen, ist außer Stande sich zu beherrschen und stampft wie eine zeterndes Sandkastenkind herum.
[….] Seit Monaten hält Angela Merkel nicht mehr still – und teilt gegen Friedrich Merz aus. Und der schlägt umso härter zurück. Dieses Schauspiel ist kleinlich und würdelos. Sie müssen aufpassen, nicht wie ein britisches Politpaar zu enden.
Vergangene Woche leistete sich die ehemalige Kanzlerin Angela Merkel eine kleine Unverschämtheit. Mit Hinblick auf die Einheitsfeierlichkeiten in Saarbrücken, bei denen der französische Staatspräsident Emmanuel Macron sprechen würde, mäkelte sie aus der Ferne: »Vielleicht hätte man auch jemanden aus Osteuropa oder Ostdeutschland nehmen können, anlässlich von 35 Jahren Deutscher Einheit.« Die Kritik ging an das Bundeskanzleramt, das die Feierlichkeiten organisiert hat. [….] Merkel hat recht, die peinliche Einheitsfeier ohne Ostdeutsche zu kritisieren. [….]
Friedrich Merz, dem westdeutschesten aller gesamtdeutschen Kanzler, scheint es nicht aufgefallen zu sein, wie ausgrenzend es wirkt, wenn sich Westdeutsche auf die Schultern klopfen, wie gut das mit der Einheit lief. Er fühlte sich von Merkel offensichtlich angegriffen und keilte am Sonntagabend in der Sendung von Caren Miosga zurück. Er wurde persönlich. Er sei der erste Kanzler seit 1998, der eigene Kinder bekommen hat. Bums, das saß, das war so richtig perfide, die kinderlose Merkel anzugreifen. [….] Es ist kleinlich, würdelos, und es schädigt die Union. Und da es sich bei der CDU/CSU nicht um eine kleine Oppositionspartei handelt, sondern um eine der Regierungsparteien, wird das ganze Land in Mitleidenschaft gezogen.
Mich überrascht dabei weniger das Verhalten von Merz. Er hat Angela Merkel noch nie gemocht, er hat ihr nie verziehen, dass sie ihm 2002 den Fraktionsvorsitz weggeschnappt hat. Er hielt sie für einen »Irrtum der Geschichte«, wie der »FAZ«-Journalist Ralph Bollmann in seiner Merkel-Biografie formuliert, kritisierte während ihrer Kanzlerschaft ständig ihre Politik. 16 Jahre musste er zusehen, wie sie den Job machte, der ihm nach seinem Ermessen zugestanden hatte. [….] Sie hat ihre Zurückhaltung im vergangenen Januar aufgegeben. Damals kritisierte sie ihren Nachfolger erstmals offen. Es ging um eine umstrittene Abstimmung im Bundestag, Merz’ Union hatte mithilfe der AfD einen Antrag für eine härtere Migrationspolitik durchgesetzt. Die Altkanzlerin kritisierte das in einem Statement scharf, sie sagte, sie halte es für falsch, dass Merz sich nicht mehr an seine Haltung vom November 2024 gebunden sehe, nur Mehrheiten mit Parteien der Mitte zu suchen. Sie appellierte für mehr Verantwortungsbewusstsein, weniger taktische Manöver. Es war eine Ohrfeige. [….] Wohin soll das führen? Merkel und Merz sollten einmal das Schicksal Großbritanniens studieren. Maggie Thatcher hielt es auch im Ruhestand nicht aus, hintertrieb ständig die Politik ihres Nachfolgers John Major. [….] Inzwischen stehen die Tories auf der Insel am Abgrund, sind fast bedeutungslos. [….]
(Sabine Rennefanz, 10.10.2025)
In meiner linken Blase mag man jetzt Merkel. Vergleichen mit Spahn, Reiche, Söder und Merz, wirkt sie so bescheiden, sympathisch und vernünftig. Zudem ist sie engagierte Feindin unseres Feindes (Merz) und somit Freundin.
Aber gemach, gemach: Ja, sie ist nicht so unerträglich wie Merz. Aber darüber darf man natürlich nie vergessen, was für eine schlechte Kanzlerin sie war und welchen gewaltigen Schaden sie für ihre Nachfolger anrichtete.
Aus CDU-Sicht muss man aber einräumen, daß sie den Niedergang der bestimmenden konservativ-christlichen Partei in Deutschland aufhielt, während die Schwesterparteien in vielen europäischen Nachbarländern einer völligen Lysen unterlagen.
Wo immer sich die Konservativen vor den Rechtsradikalen in die Hosen machten und anfingen, die Fascho-Konkurrenz zu imitieren, öffneten sie die Büchse der Pandora. Wurden überrollt. Italien, Frankreich, Holland, Belgien und nun auch noch das konservative Heimatland Groß Britannien.
[….] Großbritanniens Konservative kämpfen gegen den freien Fall und rücken auf ihrem Parteitag drastisch nach rechts. Eine Expertenmehrheit hält das für einen Fehler – Parteichefin Badenoch jedoch für ihre einzige Chance. [….] Kemi Badenoch trägt ein Kostüm in Weiß, als sie am Mittwoch ihre Rede zum Abschluss hält. Auch sie gibt sich gern als jemand, der jederzeit bereit ist, in einen Panzer einzusteigen. Im Herbst 2024 ist die 45-Jährige von den 130 000 Mitgliedern zur neuen Vorsitzenden gewählt worden. Die britischen Konservativen sind eine der ältesten demokratischen Parteien der Welt, bis vor Kurzem waren sie wohl auch die erfolgreichste: Seit sie vor knapp 200 Jahren aus den Tories hervorgegangen sind – weshalb sie bis heute so genannt werden –, haben sie 20 der 36 Premierminister gestellt und allein in den vergangenen hundert Jahren 66 Jahre regiert. Die Tories sind unter den politischen Parteien Europas das, was Real Madrid unter den Fußballvereinen ist. Aber im vergangenen Jahr haben sie bei den Wahlen so heftig verloren, dass von ihrer Mannschaft nicht mehr viel übrig blieb. [….] Bei den meisten Reden in Manchester ist der Saal bestenfalls halb voll, in den Umfragen sind die Tories im freien Fall. In einer aktuellen Ipsos-Umfrage kommen sie noch auf 14 Prozent, deutlich hinter Labour, weit hinter Reform UK und nur noch knapp vor den Grünen und den Liberaldemokraten. Mehrere Abgeordnete und Gemeinderäte sind zuletzt zu Reform übergelaufen, praktisch wöchentlich wird über neue Namen spekuliert, die sich den Rechtspopulisten um Nigel Farage anschließen könnten. [….] Im Herbst 2025 sind die Tories eine Partei auf Sinnsuche, wandeln gefährlich nahe am Rande der Marginalisierung. [….] Ansonsten aber reden ihre Schattenminister und Abgeordneten in diesen vier Tagen vor allem über das eine Thema, in dem die Rechtspopulisten weit vorne liegen: Einwanderung. [….] Ginge es nach Badenochs Tories, soll das Königreich künftig mehr Auswanderung als Einwanderung haben und eine eigene Polizeieinheit nach dem Vorbild der umstrittenen US-Truppe ICE, die dafür sorgen soll, dass jedes Jahr 150 000 Menschen abgeschoben werden. [….] Die Tories vollziehen in Manchester eine drastische Verschiebung nach rechts, sie wollen sich bis zur nächsten Wahl in knapp vier Jahren als die besseren Rechtspopulisten profilieren. Die Umfrage-Experten halten das für einen Fehler, Kemi Badenoch hält es für ihre einzige Chance.[….]
(Michael Neudecker, 08.10.2025)
Ob mit, oder ohne Merkel: AfD-Kuschler Merz befindet sich auf bestem Weg, es den europäischen Nachbarn gleichzutun und seine Partei in die demoskopische Bedeutungslosigkeit zu führen.