Gerade wollte ich aufschreiben, wie sehr mich Frank-Walter Steinmeier enttäuscht.
Dabei wäre es doch in dieser Demokratie- und Nazi-Krise, in der alle die mangelnde Kommunikation des Ampellaner beklagen, ein Erklärer und Redner wichtiger denn je. Es könnte wirklich die Stunde des Bundespräsidenten sein: Gegen Faschismus und Menschenfeindlichkeit Position zu beziehen, Deutschlands Rolle in der Welt, Deutschlands Verpflichtungen und Verfassungsrechtliche Notwendigkeiten zu erklären.
Ein Beispiel: In Thüringer und Sächsischem Wahlkampf war, ebenso wie in den Leserbriefen des gediegenen Hamburger Abendblattes, unbändige Wut über die Scholz-Regierung zu lesen, weil sie den nach Afghanistan Abgeschobenen jeweils 1.000 Euro in die Hand gaben. „Straftäter auch noch belohnen“ tobte der antigrüne Mob.
AfD, Springer und CDUCSU sprangen sofort auf den Zug und inszenierten ein xenophobes Hetzkonzert.
[…] Die Berliner CDU-Generalsekretärin Ottilie Klein (40) spricht von einem „schrägen Rechtsverständnis“, die 1000 Euro seien „absoluter Hohn für jeden Steuerzahler und Beweis für die vollständige Entrücktheit“ der Ampel. Der Hamburger CDU-Politiker Christoph Ploß (39) wirft der Bundesregierung gar vor, „neue Anreize zur illegalen Migration“ zu schaffen – obwohl eine Flucht aus Afghanistan deutlich mehr als 1000 Euro kosten kann. [….]
(BILD, 02.09.2024)
Die braunen Usual Suspects also; Halbnazi Ploß vorn mit dabei. Ein seriöser Bundespräsident könnten dem Fascho-Mob Einhalt gebieten und erklären, was es mit den 1000 Euro Handgeld auf sich hat. Sie sind nicht etwa Ausdruck Rotgrünen „Gutmenschentums“, sondern eine juristische Notwendigkeit. Wird ein Ausländer nämlich mittellos abgeschoben, kann er mit „aufschiebender Wirkung“ dagegen klagen. Mit anderen Worten: Die Abschiebung findet gar nicht statt. Es ist keine Faeser-Idee und keine Grünen-Idee, sondern ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes aus dem April 2022. Das entschied, dass ein Afghane nur abgeschoben werden darf, wenn er danach in der Lage ist, seine „elementarsten Bedürfnisse über einen absehbaren Zeitraum zu befriedigen“. Als Gegenmaßnahme erwähnt das Gericht explizit „gewährte Rückkehrhilfen“.
Steinmeier erklärt das aber nicht nur nicht, sondern betreibt seinerseits Hetze.
Aber ich bin natürlich nicht von Steinmeier
enttäuscht, weil ich dazu irgendwelche Erwartungen an ihn gehabt haben müsste. Aber
was soll man schon von einem Hardcore-Religioten erwarten? Für Steinmeier gilt
für mich seit acht Jahren: Not my Bundespräsident.
(…..) Frank-Walter Steinmeier gilt als Idealbesetzung. Er war und ist beliebtester Politiker Deutschlands – so wie eigentlich alle Außenminister, wenn sie nicht durch extreme Unfähigkeit auffallen wie Guido Westerwelle.
Mehr Establishment als Steinmeier geht eigentlich gar nicht. (…..) Seit zwei Jahrzehnten sitzt er an entscheidenden Hebeln der Macht und führt das fort, was wir fast immer im Amt des Bundespräsidenten hatten:
1. Alt
2. Mann
3. Weißhaarig
4. Ausgesprochen fromm und christlich.
Ich hatte so sehr gehofft, daß mal kein klerikaler Geront ins Schloß Bellevue einzieht, der einmal mehr die Abgehobenheit des politischen Betriebs repräsentiert.
1. Mit Steinmeier, der schon als nächster Präsident der Synode der Evangelischen Kirche gehandelt wurde, zieht schon wieder ein hardcore-Religiot ins höchste Amt der Bundesrepublik ein.
2. Im Juli 2016 erhielt er den „Ökumenischen Preis der Katholischen Akademie Bayern“ für die "Kraft seiner christlicher Überzeugung."
3. Steinmeier focht engagiert für die diskriminierende „Pro-Reli“-Initiative gegen seine eigene Berliner Partei.
4. Steinmeier predigte am 12.November 2014 beim Eröffnungsgottesdienst der Synode der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.“
5. Laudator und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm überreichte im September 2016 den Toleranzpreis der Evangelischen Akademie Tutzing an Steinmeier.
6. Frank-Walter Steinmeier gehört dem Präsidium des Kirchentages an.
7. Steinmeier forderte beispielsweise 2012 vehement und verfassungswidrig die Einmischung der Kirchen in die Politik.
8. Steinmeier eröffnete im November 2014 die Synode der Brandenburgischen Kirche.
Zu fromm für meinen Geschmack. Ich halte es für nahezu ausgeschlossen, daß er eine Art von Aufbruchsstimmung generieren könnte, die auch bisher Politikferne für unsere Demokratie begeistern wird. (….)
Die Religiotie wurde in seiner Amtszeit erwartungsgemäß nur noch schlimmer. Immer mehr passte er sich an den konservativen Mainstream an und verlor mittlerweile offenkundig jedes Gefühl für Anstand. Er geht auf so xenophoben Kurs, daß sogar ein anderer großer Religiot schwer enttäuscht von ihm ist: Heribert Prantl.
[….] Der Bundespräsident passt seine Haltung zu Flüchtlingen immer wieder an. Schade[….] Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist ein Chamäleon. Das gehört eigentlich nicht zur Beschreibung seines Amtes. Aber er kann das gut: Er passt sich der politischen Umgebung, er passt sich der politischen Grundstimmung an. Wenn diese Stimmung sich ändert, ändert sich die Einfärbung seiner Reden. Am Thema Migration lässt sich das gut beobachten. Am 1. September, kurz bevor in Thüringen und Sachsen die Wahllokale schlossen und dort die politische Landschaft umgepflügt wurde, hat er in Solingen eine Rede gehalten, in der er die Begrenzung des Zugangs von Migranten nach Deutschland zur „Priorität in den nächsten Jahren“ erklärte. Dafür müssten wir „jede Anstrengung unternehmen“, um die alten und die neu zu schaffenden Zugangsregeln umzusetzen.
Wirklich jede? Gehört dazu die Entrechtlichung des Umgangs mit Flüchtlingen? Soll den Migranten das Recht, Rechte zu haben, entzogen werden? Gehört dazu dann die Beseitigung auch noch der Reste des Asylgrundrechts, die die Grundgesetzänderung von 1993 übrig gelassen hat? So fordert es die CSU. Soll Deutschland sich aus der Genfer Flüchtlingskonvention hinausschleichen, wie das in den jüngsten Asylbeschlüssen der Ampelregierung klandestin schon angelegt ist? Oder soll man diese Konvention, 73 Jahre nach ihrer Verkündung, gleich ganz und gar kündigen – als knalliges Signal für die Begrenzung des Zugangs? Soll Deutschland, wenn es um Flüchtlinge geht, sich ungarisieren? Ist das die „Zeitenwende in der Migrationspolitik“, die in der CDU gefordert wird? Wenn all das, was derzeit zur „Begrenzung des Zugangs“ plakatiert wird, Gesetz und Praxis würde – dann liefe das darauf hinaus, den Artikel 1 des Grundgesetzes unter Vorbehalt zu stellen: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ steht da.
Steinmeier hat diesen obersten Rechtssatz oft verteidigt. Aber die Diffusität seiner Forderung, zur Begrenzung des Zugangs künftig „jede Anstrengung“ zu unternehmen, klingt ganz und gar nicht nach Verteidigung. Sie klingt so, dass sich selbst die AfD darauf berufen kann. Damit setzt sich Steinmeier in Widerspruch zu sich selbst. Er hat vor einiger Zeit bei anderer Gelegenheit, aber am gleichen Ort, in Solingen also, die Politik noch gemahnt, die Sprache und die Worte zu wägen, die sie benutzt: „Wenn Politiker glauben, verbal um den rechten Rand buhlen zu müssen – dann befeuern sie damit die Gewalt.“ Das war vor einem guten Jahr. Jetzt redet er selbst so, dass es sich wie eine solche Buhlerei anhört: Steinmeier hat die Flüchtlingszahlen als solche zum Sicherheitsproblem erklärt. Er übersieht damit, dass nicht nur die einheimische Bevölkerung, sondern auch das Gros der Flüchtlinge Sicherheit und Schutz sucht – und dass radikalisierte Islamisten eine Bedrohung für beide sind. [….]