Mal ganz
abgesehen vom moralisch-zivilisatorischen Niedergang der westlichen Demokratien,
stehen wir unversehens auch vor einer erstaunlichen politischen Instabilität
unseres ach so vorbildlichen Westens.
Der
Führer der mächtigsten und reichsten Demokratie, der sich mit dem Agnomen „leader
of the free world“ schmücken lässt, scheint seine Hauptaufgabe in der
Zerstörung demokratischer Prinzipien zu sehen.
Er
schleift die Rechtsstaatlichkeit, wähnt sich selbst als absolutistischen
Herrscher, regiert in völliger Unkenntnis der eigenen Verfassung, verachtet
legislative Prozesse, untergräbt die Gewaltenteilung und attackiert die
Pressefreiheit.
Von den
vier europäischen Mitgliedern der zehn größten Volkswirtschaften ……
1
Vereinigte Staaten
2
Volksrepublik China
3
Japan
4
Deutschland
5
Vereinigtes Königreich
6
Indien
7
Frankreich
8
Brasilien
9
Italien
10
Kanada
…… erleben
drei gegenwärtig veritable Regierungskrisen und erweisen sich als partiell
handlungsunfähig, Nr. 4, Nr. 5 und Nr. 9: Deutschland, England und Italien.
Nr. 1
hat einen unzurechnungsfähigen Präsidenten, Nr. 2 ist eine kommunistische Diktatur.
Nr. 6 ist Chaos und der Ex-Regierungschef von Nr. 8 sitzt im Knast.
Es bleiben also nur Nr.7 und Nr.10.
Wir
haben jeden Grund uns Sorgen zu machen.
Tatsächlich
interessiert uns aber offenbar nur Fußball.
Fußball
und Fußball.
Erstens
im Sinne des primitiv-nationalistischen Ballspiels,
das in Russland stattfindet.
Zweitens
im Sinne der weltweiten Fixierung auf 12 fußballspielende Kinder, die 600 m
tief der thailändischen Höhle Tham Luang-Khun Nam Nang Non feststecken.
Seit
Tagen scheint es weder in den sozialen Netzwerken noch auf der Straße irgendein
anderes Thema zu geben.
Ich habe
mir nun schon mehrfach bösartige Blicke und wüste Schimpftiraden eingehandelt,
als ich auf die Cave-boys angesprochen bekundete mich möglichst nicht emotional
an Einzelschicksalen festzukrallen und daher gleich weiterscrole/umschalte wenn
der 27.000 Bericht dazu kommt.
Ich
verstehe den Grund der weltweiten Anteilnahme. Die Opfer haben Gesichter, es
handelt sich um Kinder, es ist ein perfekter Hollywood-Plot, der mit Sicherheit
als Blockbuster verfilmt wird und zudem geht es auch noch um eine menschliche
Urangst. In der Tiefe feststecken.
Seit Jahrtausenden ist das ein literarisches Thema: Lebendig begraben sein.
Seit Jahrtausenden ist das ein literarisches Thema: Lebendig begraben sein.
Es zeigt
aber auch wie extrem sich die Weltemotionen medial manipulieren lassen.
Es passt
so schön alles zusammen. Fußball versteht jeder und zudem sind die Jungs schön
weit weg. Es besteht keine Gefahr, daß die nach Europa einwandern und uns etwas
von unserem Reichtum wegnehmen wollen.
Zudem triggern
adoleszente Thailänder offenbar einen ganzen Satz westeuropäischer Emotionen.
Bumsbomber nach Phuket und Bangkok sind immer noch der Traum für Päderasten
aller westlichen Länder.
Bei
richtig schwarzen Kindern sieht es schon ganz anders aus.
Etwa 15.000 von ihnen krepieren laut Unicef jeden Tag
unter noch elenderen Bedingungen, indem sie ihr Leben lang hungern und dann mit
schwerem Marasmus ihren letzten Atemzug tun.
Eine
Millionen davon durchleben eine der größten zivilisatorischen Katastrophen als
Opfer Saudischer Bombenangriffe mit deutschen Waffen im Jemen.
Neben
den täglich an Hunger verreckenden Kindern sterben weitere 15.000 an zu
behandelnden Krankheiten
[….]
Täglich sterben 30.000 Kinder! Über 50%
der Todesfälle sind durch vermeidbare oder behandelbare Krankheiten wie Masern,
Durchfall, Malaria, Lungenentzündungen und AIDS verursacht. Zusätzlich sind
allein Mangelernährung und Hunger für den Tod von über 3,5 Millionen Kindern
jährlich verantwortlich.
Die erschreckende Zahl
von 8,8 Millionen sterbenden Kindern pro Jahr war Anlass für die Vereinten
Nationen, die Senkung der Kindersterblichkeit in ihre Millenniumserklärung
aufzunehmen. So wird bei Ziel 4 der Millennium Development Goals (MDGs) „Senkung
der Kindersterblichkeit“ festgehalten, dass die Sterblichkeitsrate der Kinder
unter fünf Jahren zwischen 1990 und 2015
um zwei Drittel gesenkt werden soll, was eine Rate von höchstens 59 Todesfällen
pro 1.000 Geburten bedeutet. Gemessen werden die Fortschritte an dem Anteil der
Kinder, die vor ihrem 5. Geburtstag sterben. Bisher hinkt man diesem Ziel
jedoch deutlich hinterher. […]
Alle
fünf Sekunden stirbt ein Kind an Armut und Hunger.
Allein
im Juni 2018 sind zudem über 600 Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken, weil wir
Deutschen mehrheitlich von unseren Parteien verlangen radikal die Grenzen zu
schließen.
[….]
Während in Deutschland und Europa über
die Flüchtlingspolitik gestritten wird, eskaliert die Situation auf dem
Mittelmeer. Allein im Juni sind dort 629 Flüchtlinge ertrunken – während
Rettungsschiffe von privaten Hilfsorganisationen beschlagnahmt oder festgesetzt
wurden. Zum ersten Mal seit Beginn der Rettungsmaßnahmen ist diese Woche keines
dieser Schiffe mehr im zentralen Mittelmeer unterwegs. Die EU plant derweil die
Aufrüstung libyscher Küstenwachen-Milizen und sog. „Ausschiffungsplattformen“,
um Flüchtlinge von Europa fernzuhalten. Menschenrechtsorganisationen sprechen
vom Ende der Humanität. [….]
Die
Kinder sollen bitte woanders elend verrecken, wo wir nicht zusehen müssen, damit
wir in Ruhe unsere ganze Empathie für mittlerweile noch vier thailändische
Jungs in einer Höhle richten können.
Angeschwemmte
Kinderleichen an den EU-Küsten waren mal ein Thema, aber nun sind wir
abgestumpft und wählen lieber CSU und AfD.
[….]
Es fällt uns leicht, mit den in der Höhle
eingeschlossenen thailändischen Jungen mitzuleiden. Für Bootsflüchtlinge auf
dem Mittelmeer steht die Empathie dagegen infrage. Das ist ein gefährlicher
Zivilisationsverlust.
[….]
Die äußeren Gründe, warum die Eingeschlossenen
in der Höhle Menschen in aller Welt berühren, sind schnell gefunden. [….] Doch warum fällt es so leicht, Mitleid mit
den thailändischen Jungs zu haben und sich über jeden Geretteten zu freuen -
und warum gibt es gerade diesen Verlust an Empathie mit den Flüchtlingen im
Mittelmeer? Manche von ihnen sind im Alter der in der Höhle gefangenen Jungs,
auch sie haben Angst vorm Ertrinken, auch hier gibt es selbstlose Helfer.
[….]
Jetzt hat sich die Skala des Diskutierbaren verschoben,
jetzt steht das Mitleid infrage. Es wird als naiv und gefährlich
selbstzerstörerisch diffamiert, das Mitleidlose dagegen als das wahrhaft
Menschliche hingestellt: Lasst doch mal ein paar ertrinken, dann wissen alle
anderen, was Sache ist. [….] Warum
das Mitleid mit den Flüchtlingen verdampft, ist so schnell erklärt wie die
Empathie für die thailändischen Fußball-Jungs. Die Flüchtlinge sind den
Europäern nahegerückt mit ihrem Elend und ihrer Not; die thailändischen Jungs
sind ihnen unschuldig fern geblieben. Und aus der Nähe betrachtet, verlieren
Elend und Not schnell ihre Unschuld. [….]