Freitag, 25. Mai 2012

Highlights


Im letzten Presseclub  zum Thema „Die eiskalte Kanzlerin - rettet Röttgens Rauswurf Schwarz-Gelb?“ waren sich alle fünf anwesenden Journalisten einig: 

Merkel mache alles in allem ihre Sache ziemlich gut und ein es sei auch niemand in Aussicht, der es besser könne.
Eine offene Frage blieb jedoch in welcher Konstellation Merkel auch nach 2013 Kanzlerin bleiben könne. 
Berappelt sich die FDP doch noch wieder so sehr, daß weiterhin die „schlechteste Regierung in der Geschichte der Bundesrepublik" amtieren kann? 

Kommt stattdessen Schwarzgrün? 

Oder führt das phlegmatische SPD-Trio seine Partei wieder als Juniorpartner in die große K.O.alition?

Irgendwie werde es Merkel aber schon schaffen im Amt zu bleiben.
Ausgerechnet Michael Backhaus (Bild am Sonntag) schien sich aber Sorgen zu machen um seine Lieblingspolitikerin.

Bei den letzten Wahlen und auch in allen Umfragen hätten die Parteien links von der CDU gute 60% erhalten und Merkel können sich bei sechs Bundestagsparteien nicht ewig darauf verlassen, daß die Führungsfiguren nicht doch jenseits von ihr eine Mehrheit zu Stande brächten.

Das ist mal eine interessante Frage.

Die einzigen, die überhaupt einigermaßen miteinander können, sind Grüne und SPD.

Streng hält sich die Gabriel-Parteiführung an die alte Hildebrandt-Maxime 

„Die SPD scheißt in jede Hose, die man ihr hinhält“. 

Um bloß nicht als unseriös oder als Vaterlandsverräter zu gelten, ist die SPD-Zustimmung zur Merkelpolitik verlässlicher als die FDP- oder CSU-Stimmen.
Zwar nörgeln Gabriel, Steinbrück, Steinmeiner und Grinsekatze Nahles immer wieder am Regierungskurs herum, aber im Bundestag stimmen sie letztendlich doch immer zu.
Von der SPD gibt es zu Fiskalpakt, Rettungsschirmen, Afghanistan letztlich immer ein „ja“.

Gabriels Truppe versprüht den Esprit eines greisen Faultiers und scheint schon zufrieden zu sein, wenn die CDU nicht viel mehr als zehn Prozent vor ihnen liegt.

So wird es RotGrün aber schwer haben eine absolute Parlamentsmehrheit zu erringen.
Offensichtlich ist man im Willy-Brandt-Haus so genügsam, daß die vage Aussicht auf einen Dreier nach 2013 als ausreichende Politikgestaltung angesehen wird.

Nur, wer sollte dieser ominöse Dritte sein, nachdem sich Linke, Piraten und FDP solche Mühe geben sich selbst zu zerlegen?

Für Rotrotgrün spräche der Rückzug Lafontaines. Denn seine Person war bisher das Haupthindernis eines solchen Zusammengehens.
Könnte sich der pragmatische Bartsch und seine professionellere Ost-Linke an der Parteispitze etablieren, wäre das ein weiteres Signal für Rotrotgrün. Inhaltlich gäbe es hier die wenigsten Streitpunkte. 
Einen besonderen Charme hätte diese Option für die SPD, wenn die Linke an der 5%-Hürde scheiterte und dann nicht mehr mit vollen Fraktionsrechten im Bundestag vertreten wäre. 
Daß sie auch mit 4,x-Prozent in das Parlament einzögen erscheint mir über die Drei-Direktmandate-Regelung hochwahrscheinlich zu sein. Eine so kastrierte Linken-Gruppe wäre leichter als Stimmvieh zu missbrauchen, als eine selbstbewußte 10%+X-Linkenfraktion.

Für eine herkömmliche Ampel, Rot-Gelb-Grün spräche die absehbar starke Position Christian Lindners in der FDP.
Fragt sich nur, wer dann für die FDP im Bundestag sitzt. Es ist wenig wahrscheinlich, daß Lindner selbst schon 2013 zurück nach Berlin wechselt. Aber bei dem derzeitigen „liberalen“ Personal mit den atomlobbyistischen hardcore-Neoliberalen inkl. Westerwave und Fipsi Rösler sehe ich noch kein Zusammengehen mit Trittin und Gabriel. 
Dazu müßten noch sehr viele rechte Liberale aus der Fraktion geröttgent werden. Ob Linder das in 12 Monaten schafft? Und will er das überhaupt?

Für einen SPD-Grüne- Piraten-Dreier spräche die inhaltliche Flexibilität der Piraten. Sie könnten vermutlich alles und jeden mittragen. Außerdem könnten sich Rote und Grüne berechtigte Hoffnungen machen die Piraten-Frischlinge bei Koalitionsverhandlungen gewaltig über den Tisch zu ziehen, weil sie über keinerlei parlamentarische Erfahrung verfügen.
Bliebe aber der Unsicherheitsfaktor. Wie soll man mit einer Partei durch womöglich schwere Krisen steuern, wenn sie per Liquid-Feedback pausenlos ihre Meinung ändert?

Wie heterogen die Parteien links der CDU sind und wie wenig man sie deshalb als „Anti-Merkel-Block“ zusammenzählen kann, zeigte heute eine hübsche Episode im Bundestag. Es ging um die kontinuierliche Ausweitung der Waffenverkäufe in Krisenregionen,  welche die Koalition der christlichen Werte voran treibt.

Zum Amnesty International Jahresreport 2012 erklärt Katja Keul, Parlamentarische Geschäftsführerin:
Der Kontrolle des Waffenhandels muss jetzt Priorität eingeräumt werden. International wie national. Wir brauchen einen starken UN-Waffenhandelsvertrag und müssen menschenrechtliche Kriterien bei Rüstungsexporten auch in Deutschland wieder konsequent anwenden. Die Exportpolitik des Kabinetts Merkel ist verheerend. Die Bundesregierung hat jegliche Hemmungen bei der Lieferung von Kriegswaffen aufgegeben. Die Regierung muss hier endlich wirksam kontrolliert werden. Deshalb fordern wir die politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern gesetzlich zu verankern. Die Kontrollrechte des Parlaments müssen gestärkt werden. Der Bundestag muss vor sensiblen Exportentscheidungen informiert werden. Nur so ist den Abgeordneten die Wahrnehmung ihrer Kontrollfunktion gegenüber der Regierung möglich. Der Bundestag muss künftig vierteljährlich über Exportgenehmigungen für Kriegswaffen und Rüstungsgüter unterrichtet werden.
Außerdem muss die Federführung für Exportentscheidungen vom Wirtschaftsministerium in das Auswärtige Amt verlagert werden, denn das Auswärtige Amt hat die notwendige Sachkenntnis zur Menschenrechtslage in den Empfängerstaaten. Es steht der Ruf Deutschlands auf dem Spiel, eine besonnene Menschenrechts- und Abrüstungspolitik zu betreiben.

Martin Linder, der pyknische und doofere Namensvetter des NRW-FDP-Lindners erfuhr, was Linken-Politiker Jan van Aken (und ich) von ihm halten.

Das Protokoll der Marathonsitzung listet auf Seite 95 von 216 genau auf, wie sich Aken zunächst zu einem flammenden Plädoyer für mehr Ernsthaftigkeit bei der Diskussion um deutsche Waffendeals aufschwingt ("Das sind keine Nähmaschinen") und dann zur Frontalattacke gegen FDP-Mann Martin Lindner ausholt.
"Zu Herrn Lindner muss ich sagen, dass ich das unerträglich finde: Jedes Mal, wenn hier eine Frau redet, dann macht dieser Macho arrogante Zwischenrufe und krault sich seine Eier. Das ist wenig zu ertragen. Das geht überhaupt nicht."
Nun ist der Plenarsaal wach, bei der Linken, der SPD und den Grünen setzt begeisterter Beifall ein. Selbst einige Vertreter der CDU/CSU und der FDP können sich ein Lachen nicht verkneifen, unter ihnen auch Lindner.
Die Pfeilspitze ist verschossen, jetzt lenkt Aken ein:
"Entschuldigen Sie, Frau Präsidentin. Ich entschuldige mich dafür."
Das geht in Richtung von Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt, die nun etwas verwirrt nachfragt:
"Für den 'Macho' oder für was jetzt?"
Replik Aken:
"Für die 'Eier'."
(Spon 25..05.12)