Montag, 28. Februar 2022

Ist schlecht für Putin, noch schlechter für uns?

Sabine Fischer, die Osteuropa- und Russland-Expertin bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), sitzt gerade bei „Hart, aber fair“ und referiert ebenfalls das, was sich schon seit gestern aus der Ukraine andeutet, das auch all die TV-Militärexperten erstaunt berichten: Im russischen Militär gab es die allgemeine Einschätzung einer nahezu wehrlosen Ukraine, in der einerseits viele Russlandfreunde und andererseits viele Feiglinge lebten. In zwei Tagen wäre die Angelegenheit erledigt; und zwar ohne nennenswerte eigene Verluste.

Offensichtlich leiden nicht nur amerikanische Militärs an katastrophaler Selbstüberschätzung, sondern auch Russische. So glatt läuft es nämlich nicht. So wie die Militär-Supermacht USA letztendlich ihre Kriege im Irak, in Syrien, in Vietnam, in Afghanistan alle verlor, so unerfreulich sieht es nun für Putin aus.

An Tag fünf gibt es heftige Kämpfe, der russische Vormarsch wird immer langsamer, die Einnahme von Kiew oder Charkiv gelingt nicht.

Sicherheitsexperte Prof. Carlo Masala weist zwar heute im ARD-Brennpunkt darauf hin, die Verlangsamung der Ukraine-Eroberung wäre zwar beachtenswert, ändere aber nichts an der haushohen russischen Überlegenheit.  Putin werde letztendlich siegen können, aber dann nur mit erheblichen Verlusten. Mutmaßlich wird es der Kreml-Militärführung keine Gewissensbisse verursachen, tausende russische Soldaten zu opfern, aber sie könnten ein Problem für die öffentliche Meinung werden.

Gestern war ich (positiv) überrascht vom starken Auftritt der Scholz-Regierung. Aber nun werden auch deutsche Waffen mitten in ein Kriegsgebiet geliefert. Einen Krieg bis auf das Äußerste. Einen Krieg gegen eine Supermacht und Atommacht.

So wie Wladimir Putin weltweit in den sozialen Medien verteufelt wird, steigt Wolodymyr Selenskyj zur mutigen Kultfigur auf, der stündlich in Myriaden Memes für seinen Mut heroisiert wird, während sich ganze Innenstädte in gelb-blaue Solidaritätsfahnenmeere verwandeln.

Die Menschen möchten sich positionieren und suchen verständlicherweise nach einer positiven Symbolfigur. Außerdem bieten sich aus satirischer Sicht die grotesken Vergleiche zu US-Senator Ted Cruz, der bei einem Stromausfall in Texas nach Cancun floh, oder Donald Trump, der bei Demonstrationen vor dem Weißen Haus schnell in den Atombunker verschwand, diesen offensichtlichen totalen Feiglingen, an.

Aber nach wie vor empfinde ich jede Form des Nationalismus negativ. Jeden einzelnen der 144 Millionen Russen zu verteufeln, hilft nicht weiter. Auch militärischer Heldenmut erscheint mir archaisch und womöglich kontraproduktiv. Klitschko und Selenskyj verhalten sich gegenwärtig zweifellos mutig, sind verblüffend erfolgreich dabei, den Widerstand gegen die Invasoren zu organisieren.

Bis gestern Abend hielt ich das aber für verantwortungslos, weil damit der Krieg verlängert wird, jede Minute mehr Menschen sterben und mehr zerstört wird. Humaner wäre es, sich gleich kampflos zu ergeben.

Ich dachte an den Nazi und Gauleiter Karl Kaufmann, der von 1933 bis 1945 Hitlers Reichsstatthalter in Hamburg war. Er sollte 1945 gegen die übermächtigen britischen Streitkräfte so lange kämpfen, bis jeder einzelne Hamburger tot war. Hitlers Nero-Befehl verlangte, nur noch verbrannte Erde zu hinterlassen. Jeder, der aufgeben wollte, musste sofort erschossen werden.

Herr Meister, der alte Gärtner meiner Oma war lange Soldat an Hitlers Ostfront, überlebte Schlachten auf drei Kontinenten. 1945 sollte er als alter Hase einen kleinen Trupp „Volkssturm“, hauptsächlich Teenager der Hitlerjungend gegen die Briten anführen und lag an den Elbbrücken verschanzt.  „Was machen wir, wenn die englischen Panzer kommen?“, fragte ihn ein verängstigter Junge. Herr Meister antwortete  ‚dann werft ihr schnell eure Pistolen weg, schlagt euch in die Büsche und rennt nach Hause!‘  Die alten Soldaten wußten, wann Schluss ist. Die indoktrinierte Hitlerjungend war in den letzten Kriegstagen viel gefährlicher und richtete in ihrem jugendlichen Wahn enormen Schaden an, führte zu vielen weiteren sinnlosen Toten.

Der Politiker Kaufmann einigte sich mit dem obersten Hamburger Militär, dem Generalmajor der Luftwaffe Alwin Wolz im April 1945, daß diese Kämpferei sinnlos war. Letztendlich ließen sie Hitler im Führerbunker, sowie dessen Nachfolger Dönitz toben und übergaben am 3. Mai 1945 die Hansestadt Hamburg kampflos an den englischen Brigadegeneral Spurling. Kein Hamburger musste mehr sterben.

Kaufmann und Wolz mit der Ukrainischen Führung zu vergleichen, verbietet sich natürlich in fast jeder Hinsicht.  Aber Widerstand bis zur letzten Patrone macht die Angelegenheit immer noch blutiger. Aber mit den Waffenlieferungen aus dem Westen?

Über die Möglichkeit eines erfolgreichen Ukrainischen Widerstands hatte ich gar nicht nachgedacht, weil ich immer von der enormen Überlegenheit  der Russen ausging. Aber um den Advocatus Diaboli zu spielen: Was ist eigentlich, wenn Selenskyj jetzt so viel Waffenhilfe aus der EU bekommt, die Ukraine so motiviert und die Russen so demotiviert sind, dass die Ukrainer tatsächlich "gewinnen", es also schaffen, Putins Armee zu vertreiben?  Wird der Kreml das reumütig akzeptieren?

Wie wahrscheinlich ist es, dass Putin einräumt gegen den eben noch als „Nazi“  geschmähten Wolodymyr Selenskyj verloren zu haben, sich entschuldigt und seine Armee wieder nach Sibirien schickt?

Vielleicht hält er vor seinen Oligarchen-Kumpels eine Ansprache im Kreml-Ballsaal:

So, jetzt habe ich Russland mal so richtig ökonomisch und geopolitisch zertrümmert, weil ich die Machtverhältnisse völlig falsch eingeschätzt habe. Eure Vermögen sind weg, aber wir waren wohl zu schwach und zu feige, um Kiew platt zu machen. Meine winzigen Testikel haben mich da wohl was überkompensieren lassen. Schwamm drüber. Macht ja nichts. Ich bleibe einfach im Amt und versuche es jetzt mal mit Menschenrechten und Demokratie. Zwinkersmiley.

Ich halte es für wahrscheinlicher, daß Präsident Putin so eine Demütigung nicht akzeptieren wird. Bevor die russische Armee in Schimpf und Schande aus der Ukraine vertrieben wird, drückt Putin möglicherweise doch auf den Knopf der ganz großen Raketen mit dem hässlichen anschließenden Fallout.

Es wird viel darüber spekuliert, ob Trump als Oberbefehlshaber wirklich Atomwaffen eingesetzt haben könnte. Würden nicht erfahrene Generäle, den Politik- und Militär-Laien, der vorher als Titten-Juror tätig war, stoppen? Zumal Trump gar nicht die Folgen einschätzen konnte.

Bei Putin, dem hochspezialisierten KGB-Offizier ist das ganz anders. Nach 22 Jahren an der Staatsspitze hat er alle sicherheitsrelevanten Positionen mit absoluten Loyalisten besetzt. Insbesondere die Militärs sind loyal. Verteidigungsminister Sergei Kuschugetowitsch Schoigu, der seit 2012 im Amt ist, gilt als Putins allerengster Buddy. Gilt bei diesen Leuten nicht „never surrender“?

Vielleicht ist eine Niederlage Russlands in Kiew das schlimmste Szenario überhaupt, das direkt in einen Atomkrieg und damit die Auslöschung des gesamten menschlichen Lebens führt.

Damit wäre es doch geschafft, die Gattung Homo DEMENS vom Planeten Erde auszuradieren.

Wir haben es auch insgesamt nicht verdient zu überleben. Wir sind einfach zu parasitär, machen alles kaputt, rotten Fauna und Flora aus, verpesten das Klima und ermorden uns auch noch fleißig gegenseitig.  Solange Menschen auf dem Erdboden umherkriechen, wird es nicht besser. Wir werden Fauna, Flora, Natur, Klima, alles vergiften.

Ein Atomkrieg ist aber eben nicht das Ende der Welt. Die Erde hat noch einige Milliarden Jahre Lebensdauer übrig, bevor die Sonne explodiert. Bis dahin kann sie noch mal enorme Artenvielfalten hervorbringen und möglicherweise gelingt ihr dann auch mal wieder eine dominante Spezies, wie die Dinosaurier, die hunderte Millionen Jahre existieren, ohne wie die widerlichen kleinen Homo Sapiens in Rekordtempo alle anderen auszurotten.

Aber für den Neustart müssen nun mal die Menschen erst mal verschwinden.

Sonntag, 27. Februar 2022

Katapultstart Scholz

Putin hatte Recht mit seiner Einschätzung; Westeuropa ist militärisch schwach geworden, sprach nicht mit einer Stimme, verfolgt keine einheitliche Strategie und ist ohnehin nicht in der Lage, den Einmarsch in die Ukraine zu verhindern.

Putin war vorbereitet auf Wirtschaftssanktionen, hatte Finanzreserven gebildet, die Allianz mit China vertieft.

Putin hielt seine Truppen für hoch motiviert, ließ seinen Soldaten, wie weiland Rumsfeld und GWB 2003 den G.I.s mitteilen, der Gegner (Ukraine, Irak) werde sehr schnell aufgeben, vermutlich die Waffen wegwerfen und die Eroberer als Befreier bejubeln.  Das stellt sich offenbar jetzt schon in der Ukraine, wie damals im Irak als Irrtum heraus.

Putin glaubte, die Weichlinge in der EU würden in einen Hühnerhaufenmodus verfallen, ängstlich sein und sich untereinander zerstreiten. Auch diese Kalkulation schien die ersten zwei bis drei Tage aufzugehen. Insbesondere die sehr von russischen Energielieferungen abhängigen Länder, wie Italien, aber auch Deutschlands Finanzminister Lindner, zögerten die ganz grobe Keule SWIFT einzusetzen. Außenministerin Baerbock bekräftige (mit guten Argumenten), keine Waffen in die Ukraine zu liefern, kaum eine europäische Nation wollte russischen Privatflugzeugen die Überflugrechte verwehren. Für die Twitter-Schreihälse, die immer schon nach wenigen Minuten die einfachen Lösungen parat hatten, galt Scholz schon als Weichei, weil er nicht mit radikalen antirussischen Maßnahmen vorgeprescht war. Aber vielleicht irrt sich Putin in dem deutschen Bundeskanzler am meisten. Olaf Scholz reagierte nämlich ganz anders als Spontanplapperer Trump und ganz anders als sich Klein Fritzchen Weltpolitik vorstellt. Er besprach sich gründlich mit seinen Ministern und den befreundeten Regierungen. Nach drei Tagen, in der heute erstmals an einem Sonntag abgehaltenen Sondersitzung des Bundestages, hielt er eine äußerst bemerkenswerte Regierungserklärung, deren Wortlaut vielfach genau nachgelesen werden muss.

Es ist offensichtlich eine Gesetzmäßigkeit; sozialdemokratische Bundeskanzler bekommen gewaltige internationale Krisen vor die Füße geworfen, müssen von eben auf jetzt Weltstaatsmänner sein.

Helmut Schmidt quälte die Ölkrise, stand für den von ihm entwickelten NATO-Doppelbeschluss zur Nachrüstung mit atomaren Mittelstreckenraketen, die Entwicklung einer gemeinsamen Währung und bekämpfte den RAF-Terrorismus.

Bei Schröder waren es erst der Kriegseinsatz im Kosovo (1999), dann 9/11 mit den Kriegen in Afghanistan (ab 2001) und Im Irak (ab 2003), sowie eine Jahrhundert-Reformprojekt der Sozialsysteme.

Olaf Scholz erlebt bereits an Tag 78 seiner Amtszeit einen Epochenumbruch, einen großen Krieg in Europa.

Heute räumte Scholz einen ganzen Strauß sozialdemokratischer und grüner Gewissheiten ab, kündigte Maßnahmen an, die alle Ampelparteien noch im Wahlkampf abgelehnt hatten.

[….] So kündigt er an:

    die Verteidigungsausgaben massiv zu erhöhen -dafür soll ein einmaliges »Sondervermögen Bundeswehr« von 100 Milliarden Euro geschaffen werden;

    die jährlichen Verteidigungsausgaben auf mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen;

    dem Bau einer nächsten Generation von Kampfflugzeugen und Panzern zusammen mit Frankreich oberste Priorität einzuräumen;

    und die Anschaffung der bewaffneten »Heron-Drohne« aus Israel voranzutreiben.

Scholz spricht also nicht nur wolkig von einer »Zeitenwende«. Er unterfüttert dies auch mit konkreten, grundlegenden Änderungen der Politik. Ein Beispiel: das Zwei-Prozent-Ziel der Nato. Jahrelang haben viele in der SPD dies abgelehnt, Martin Schulz warnte im Wahlkampf 2017, Deutschland dürfe keinesfalls zum »Militärbullen« im Herzen Europas werden. Auch noch im aktuellen Koalitionsvertrag vermied die Ampel ein Bekenntnis zum Zwei-Prozent-Ziel. Mit einer einzigen Rede wirft Scholz diese Position nun über Bord. Der SPD-Kanzler übernimmt damit die Führung, die viele Beobachter in den vergangenen Wochen vermisst hatten. [….]

(SPON, 27.02.2022)

Wer Führung bestellt, bekommt Führung.

Heute brillierte Scholz und zwar nicht nur mit dieser klaren, programmatischen und detaillierten Rede, sondern auch mit seiner akribischen Vorbereitung.

Scholz benutzt eben nicht die Brechstange, muss nicht auf seine „Richtlinienkompetenz“ pochen, wie es die lautesten Twitterer schon am 24.02.2022 besserwussten. Nein, ganz offensichtlich gelang es ihm, sowohl seine Koalitionspartner, als auch die Partner in der EU zu überzeugen. Lindner, Habeck, Lambrecht, Baerbock, sogar Mützenich und die SPD-Parteilinken stehen fest zusammen, erhoben sich mit vielen Unions-Abgeordneten zu Standing Ovations.

Die heutige Regierungserklärung in Berlin ist gar nicht gut für Wladimir Putin, der offensichtlich bereits nervös wird und verbal mit seiner Atomrassel spielte.

Ich mutmaße, im Kreml setzte man extra auf einen Kriegsbeginn kurz nach Merkel, weil man annahm, das chaotische Post-Brexit-Europa wäre dann relativ führungslos. Der unerfahrene neue Kanzler in einer Regierung mit den Grünen Peace-Ökopaxen hätte nicht die Autorität, um als Europas mächtigste Nation voranzugehen.  Scholz verfüge auch nicht über den Willen dazu, weil Berlin unter der blutigen Historie des letzten großen Krieges in der Sowjetunion auf Ukrainischen Gebiet leide.

Bundeskanzler Scholz beweist Putin gerade das Gegenteil und schreibt jetzt schon Geschichte.

[….] Die Entscheidung der Bundesregierung, Waffen an die Ukraine zu liefern, ist historisch. Genau wie die Versprechen zur Ausstattung der Bundeswehr. Und beide sind richtig.  Es kann nicht schaden, sich kurz ins Bewusstsein zu rufen, dass die Ampelkoalition erst seit zweieinhalb Monaten regiert. Vom Start weg wurden Olaf Scholz und seine Minister von einer Pandemie begleitet, die noch nicht zu Ende ist, einer Klimakrise, die an Dringlichkeit zunimmt, und seit dem 78. Tag von einem Krieg, wie ihn Europa lange nicht erlebt hat; eine Krise, deren Eskalationspotenzial furchterregend ist, wie die Drohung Wladimir Putins mit dem Einsatz von Atomwaffen zeigt, und die alle anderen Probleme überschattet, ohne sie zu beseitigen. Diese Regierung ist gezwungen, so schnell wie möglich Geschichte zu schreiben. [….]

(SZ, 27.02.2022)

Samstag, 26. Februar 2022

Warum begreift Heribert Prantl das nicht?


[…..] Der Weg ins Reich Gottes geht durch Kampf, Kreuz und Opfer, nicht durch falschen Frieden. Wir sehen in Rasse, Volkstum und Nation uns von Gott geschenkte und anvertraute Lebensordnungen für deren Erhalt zu sorgen uns Gottes Gesetz ist. Daher ist der Rassenmischung entgegenzutreten. Die deutsche äußere Mission ruft aufgrund ihrer Erfahrung dem deutschen Volke seit Langem zu: ‚Halte deine Rasse rein!‘ und sagt uns, dass der Christusglaube die Rasse nicht zerstört, sondern vertieft und heiligt. […..]

(Richtlinien der „Deutschen Christen“)

Über die Gemeingefährlichkeit des Christentums kann es seit Jahrhunderten keinerlei Illusionen mehr geben. Die Kirche ist eine Verbrecherorganisation. Das kann man unter anderem in einem ganzen Regalmeter Deschner nachlesen.

Die Aufklärung musste gegen den erbitterten Widerstand der Kirchen erstritten werden. Ihr vielleicht scheußlichstes Gesicht zeigten die christlichen Kirchen erst im 20. Jahrhundert, als sie fest an der Seite nahezu jedes faschistischen Massenmörders stand.

Besonders begeistert waren die Christen natürlich von dem neben Martin Luther größten Antisemiten der Welt – Adolf Hitler.

Der Vatikan war der erste Staat, der Hitler mit dem berüchtigten Konkordat erheblich aufwertete, Hitler selbst war Katholik, wurde nie exkommuniziert, Rom wußte ab 1942 über den Holokaust Bescheid, verurteilte das aber nie öffentlich. Die RKK ließ nach Hitlers Tod durch den hochrangigsten deutschen Kardinal Bertram ein Totenrequiem für den verehrten Führer abhalten und unternahm bekanntlich nach Kriegsende viele Anstrengungen, um die SS- und KZ-Schlächter über die „Rattenlinie“ vor der alliierten Justiz zu verstecken. Die schlimmsten Faschisten – Franco, Tiso, Mussolini – waren allesamt Katholiken.

Der slowakische Nazi-Diktator Jozef Tiso, der als glühender Hitler-Fan stolz verkündete alle slowakischen Juden ins Vernichtungslager geschickt zu haben, war selbst katholischer Priester.

Wie Hochhuth im „Stellvertreter“ 1962 feststellte, schwieg der Papst zum Holokaust und warf damit auch jeden moralischen Anspruch der RKK in den Orkus.  Sie störten sich nicht an der deutschen Kriegsschuld oder dem Holokaust, im Gegenteil, sie waren begeistert davon, daß Hitler die atheistische Sowjetunion angriff.  Anders als Hitler und die Nazis, verdammte Pius XII Hitlers Gegner mehr als deutlich. Beispielsweise in der Enzyklika „Divini Redemptoris“ (am 19. März 1937 veröffentlicht).   Die "acta apostolicae sedis", die Gesetzessammlung des Heiligen Stuhls vom Juni 1949 machte die Exkommunikation der Kommunisten und ihrer Anhänger aktenkundig und offiziell.

Die Weisung des Vatikans lautet: Kein Katholik kann Mitglied einer kommunistischen Partei sein oder sie begünstigen. Kein Katholik darf Bücher, Zeitungen oder Zeitschriften veröffentlichen, lesen oder verbreiten, in denen die kommunistische Doktrin verkündet wird. Jeder Katholik, der die materialistische und antichristliche Lehre des Kommunismus verkündet, sie verteidigt oder gar verbreitet, verfällt als Abtrünniger des katholischen Glaubens der Exkommunikation.
(DER SPIEGEL)

Der unfehlbare Papst definiert „kommunistische Erzsünder“ als Intellektuelle und KP-Propagandisten, die automatisch exkommuniziert sind.   Mitglieder der katholischen Kirche blieben hingegen Adolf Hitler, Heinrich Himmler, Reinhard Heydrich, Rudolf Hoess, Julius Streicher, Fritz Thyssen, Klaus Barbie, Leon Degrelle, Emil Hacha, Ante Pavelic, Konrad Henlein, Pierre Laval, Franco, Mussolini, oder Josef Tiso.
Das ist die Realität der Heiligen Römisch-katholischen Kirche.
Die Befreier von Ausschwitz, die Rote Armee, wurden verdammt und exkommuniziert, aber der Lagerkommandant Rudolf Hoess, sowie der Megasadist Josef Mengele blieben Mitglieder der RKK.
Nach 1945 half der Vatikan den Massenmördern des Jüdischen Volkes der Justiz zu entkommen.   Adolf Eichmann, Alois Brunner, Dr. Josef Mengele, Franz Stangl (Kommandant der Vernichtungslager Sobibór und Treblinka), Gustav Wagner (Stangls Assistent), Klaus Barbie, Edward Roschmann („Der Schlächter von Riga“) und Aribert Heim (KZ Mauthausen) sind einige der Männer, die auf Veranlassung des Papstes durch Bischof Hudal mit Vatikanischen Papieren ausgestattet vor der alliierten Justiz nach Südamerika flüchteten.
Die überlebenden Juden, die sich nach Israel retten konnten, schätzte der Vatikan weit weniger.  Es dauerte bis 1993 - fast ein halbes Jahrhundert - bis sich der Vatikan dazu herab ließ auch nur diplomatische Beziehungen zu Jerusalem aufzunehmen.


Als es schließlich 1948 trotz vatikanischer Vetos zur Gründung des Staates Israel kam, polemisierte der "Osservatore Romano": "Der moderne Zionismus ist nicht der wahre Erbe des biblischen Israel, sondern ein weltlicher Staat ... deshalb gehören das Heilige Land und seine geheiligten Stätten der Kirche, die das wahre Israel ist."
Im Sommer 1948 schwieg Papst Pius XII. wochenlang, als arabische Artillerie Jerusalem beschoß. Aber kaum hatten Israels Truppen die Jerusalemer Neustadt besetzt, erließ er eine Enzyklika ("In multiplicibus curis"), in der er für die Internationalisierung Jerusalems eintrat, da die Sicherheit der Heiligtümer unter den Juden nicht gewährleistet sei -- ganz im Sinne des heiliggesprochenen Papstes Pius X.: "Es ist nicht angenehm, daß die Türken unsere Heiligtümer besitzen, aber die Juden in der Erlangung unserer heiligen Stätten zu begünstigen, das können wir nicht."
Im Mai 1949 wiegelte der Vatikan einige katholische Staaten gegen die Aufnahme Israels in die Uno auf, "weil das Land den vollen Internationalisierungsplan nicht durchgeführt hat". Daß auch Jordanien -- wie damals alle arabischen Staaten -- die Internationalisierung Jerusalems kategorisch ablehnte, kritisierte der Papst nicht, obwohl mehr als 90 Prozent aller heiligen Stätten Jerusalems in der Hand der Jordanier waren.
Gebete für die "treulosen Juden".
Und die Tatsache, daß die Juden die einzigen Pilger waren, die 19 Jahre lang ihre heiligen Stätten nicht besuchen konnten, überging der Vatikan mit Schweigen. Auch unter Pauls Regierung war die Kurie stets darauf bedacht, die Araber auf Kosten Israels zu hofieren. Der Staat Israel wird vom Vatikan noch immer nicht offiziell anerkannt. Als der Papst 1964 zehn Stunden in Israel weilte, vermied er für das israelische Staatsoberhaupt die Anrede "Herr Präsident".

(DER SPIEGEL 11.11.1974)

 

Reguläre diplomatische Beziehungen zu Russland, dem Rechtsnachfolger der Sowjetunion nahm der Vatikan erst im Dezember 2009 (sic!) auf.  Wie auch immer die Kurienkardinäle wirklich über Hitler, den Holocaust, die Juden, den Kommunismus, Russland und Deutschland denken mögen; mit den Tätern des Massenmordes an den Juden einigte sich der Vatikan ganz schnell. 1951 nahm der Vatikan diplomatische Beziehungen mit der Bundesrepublik Deutschland auf und eröffnete eine Apostolische Nuntiatur in Bad Godesberg.
Die Auschwitz-Befreier und die Opfer selbst waren weit weniger angesehen.

(Das größere Übel 16.11.2010)

Das Christentum ist eine Abscheulichkeit. Davon zeugen aktuell die Myriaden von Priestern vergewaltigten und gequälten Kinder. Die Amtskirche, die Bischöfe bis hinauf zum Papst protegierten die Kinderfi**er.

In Kanada werden derweil laufend neue anonyme Massengräber entdeckt, in denen katholische Geistliche, die von ihnen zu Tode gequälten Kinder verscharrten.

(….) Ein Abscheulichkeits-Maximum erreichte die kirchliche Kinderfolter im 19. und 20. Jahrhundert in Kanada. Dort wurden in 139. katholischen Einrichtungen rund 150.000 indigene Kinder gefoltert und tausende davon umgebracht.  Im Mai 2021 entdeckte man in der westkanadischen katholischen „Residential School“ bei Kamloops (British Columbia), die bis 1978 betrieben wurde, 215 Kinderleichen, die die Geistlichen einfach heimlich verscharrt hatten. Wenige Wochen später, der nächste Fund. Diesmal waren es 751 anonyme Kindergräber bei einem katholischen Kinderheim in der Provinz Saskatchewan. (….)

(Wenn das Mitleid aufgebraucht ist, 05.07.2021)

Als oberster Christ Russlands fügt sich Patriarch Kyrill I. in das Bild. Er ist begeistert von dem Krieg, den der Kreml über die Ukraine zieht und gratuliert seinem Helden Wladimir Putin.

Ob es nun die evangelikalen Christen der USA sind, die Trump und Putin zujubeln, oder die katholischen Kinderf**ker, oder orthodoxe Kirchen – das Christentum positioniert sich immer falsch.

(….)  Zu den gut sieben Millionen Serben gehört auch die Serbisch-Orthodoxe Kirche (serbisch Српска Православна Црква/Srpska Pravoslavna Crkva, abgekürzt СПЦ/SPC) und die Leute haben schwer einen an der Waffel. Das Patriarchat in Belgrad sieht sich immer noch als eine Art Nationalkirche Großserbiens, bzw Großjugoslawiens und läßt keine Gelegenheit unversucht Streit anzufangen.  Gegen Homosexuelle zu hetzen, ist da nur eine Fassette des Hasses, den serbisch-orthodoxe Popen und Bischöfe zu bieten haben.

Aber von vorn.

Als Kirche des Königreichs Jugoslawien hatte die SPC im zweiten Weltkrieg unter der extremen Brutalität der katholischen Ustascha-Faschisten in Kroatien zu leiden.  Die extra aus dem Vatikan angereisten Folterspezialisten der Kroaten gingen so unfassbar gewalttätig gegen die orthodoxen Serbenchristen vor, daß vereinzelt die deutsche SS eingriff, um das Morden zu stoppen.   Was die Katholiken anrichteten, war selbst den Nazis unter dem Totenkopfsymbol zu grausam. Hunderte Priester wurden von Katholiken zu Tode gefoltert.  Diese Opfer führten aber zu einem für den kommunistischen Teil der Welt extrem freundlichen Umgang der Tito-Sozialisten mit der SPC.  Man hatte auf derselben Seite gegen die katholischen Faschisten gekämpft.  Die SPC wurde im Jugoslawienkrieg der 1990er Jahre zu einem extrem nationalistischen Spieler.  Patriarch Pavle der serbisch-orthodoxen Kirche reichte den Hauptkriegsverbrechern Radovan Karadžić und Ratko Mladić nur wenige Tage nach dem Massaker von Srebrenica geweihtes Brot.   Wie so oft in der Geschichte der Menschheit, stehen christliche Kirchen eher an der Seite von Unterdrückern und Diktatoren und agitieren gegen deren Opfer und Freiheitsbewegungen.

 Wir kennen das aus Südamerika und auch die Syrischen Christen unterstützen das Assad-Regime. 

Inzwischen hat Serbien eine demokratisch gewählte Regierung und die mögen einige Bischöfe gar nicht.  Sie stehen an der Seite der extremen Nationalisten.  Elf Millionen Serben weltweit bekennen sich zu dieser SPC.

Zwei Bischöfe haben in Serbien einen handfesten Skandal ausgelöst: Die Geistlichen drohten der Regierung in Belgrad und dem Parlament mit dem Tod, unter anderem mit einer symbolischen Totenmesse. […] Es muss ein gespenstischer Auftritt gewesen sein: Die serbischen Bischöfe Amfilohije und Atanasije lasen am Freitag bei einer Demonstration von Nationalisten in Belgrad eine Totenmesse für die Regierung und das gesamte Parlament. Sie beließen es nicht bei dem symbolischen Akt, sondern drohten Regierungschef Ivica Dacic direkt mit einem ähnlichen Schicksal wie dem vor zehn Jahren ermordeten ersten demokratischen Ministerpräsidenten Zoran Djindjic. Am Samstag legte Amfilohije nach: "In der Regierung soll alles das absterben, was krank ist", sagte er der Zeitung "Politika".

 (Spon 11.05.13)

Ganz reizend. Aber wenig überraschend, denn schon immer waren hohe Kleriker Meister im Verdrehen von historischen Fakten, Erschaffen von Mythen und logen sich die Welt so zu Recht, wie man am besten Hass und Zerstörung verursachen kann. (….)

(Loving Christians – Teil II,14.05.2013)

Nach 2.000 Jahren, in denen die Kirchen offensichtlich immer abscheulicher wurden, gibt es immerhin einen Lichtblick:
Kinderfic**rschützer und Lügner wie Heße, Woelki und Marx lösen so viel Abscheu aus, daß die Menschen Westeuropas in Massen austreten und damit die einzige Möglichkeit nutzen, die Kirchen zu schwächen! GUT SO!

Hoffentlich ergeht es Patriarch Kyrill ähnlich. Mögen möglichst viele Russen seinen kriegsgeilen Putin-Fanverein verlassen.

Ich freue mich auf die Rückkehr Kardinal Woelkis. Hoffentlich zeigt er sich weiterhin von so abscheulicher, misogyner, homophober und kindersexfreundlicher Seite, daß noch mehr Kölner austreten.

Das intellektuelle SZ-Urgestein Heribert Prantl ist unerklärlicherweise nicht in der Lage, diesen einzig möglichen Schluß zu ziehen. Er schreibt heute offensichtlich realitätsblind gegen den Kirchlichen Mitglieder-Exodus an.

[….]  Am nächsten Mittwoch will der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki seinen Dienst wieder aufnehmen. Er sollte das tun - aber nicht, um auf Dauer zu bleiben, sondern um auf Dauer zu gehen. Er sollte seinen Dienst antreten, um zurückzutreten. Er sollte diesen Rückzug in seinem für Mittwoch angekündigten "Hirtenbrief" ankündigen. [….] Woelki gilt als die Verkörperung der Schuld der katholischen Kirche im sogenannten Missbrauchsskandal. [….]. Woelki ist ein Hirt ohne Herde, er steht an der Spitze eines Erzbistums mit immer noch fast zwei Millionen Katholiken, des größten katholischen Bistums in Deutschland. Es hat sich dort aber ein tiefes Misstrauen gegen ihn entwickelt. "Nos sumus testes" - das ist Kardinal Woelkis Wappenspruch. So ist es: "Wir sind Zeugen". Es ist in Köln noch schlimmer als anderswo. Durch die Art seiner Amtsführung ist die Zahl der Kirchenaustritte in Köln ins Ungeheure gestiegen [DAS IST ETWAS GUTES, HERR PRANTL!] und die Zahl der Taufen ins Bodenlose gesunken. [DAS IST ETWAS GUTES, HERR PRANTL!] Woelki ist seiner eigenen Erzdiözese im Kardinalsamt ein Ärgernis, ein Stein des Anstoßes, ein Fremder im eigenen Haus [….]

(Heribert Prantl, 26.02.2022)

Was für eine erbärmliche intellektuelle Verrenkung, um die weltgrößte Verbrecherorganisation zu schützen, Hört nicht auf Prantl!
Woelki rein in die Kirche. Er passt da sehr gut rein. Alle, denen Menschenrechte etwas bedeuten, raus aus der Kirche!

Freitag, 25. Februar 2022

Die Welt ab 2022

Freitags ist mein Einkaufstag. Da habe ich immer Gelegenheit mit Hinz und Kunz zu sprechen.  Es war heute relativ unerfreulich. Alle reden über den Krieg in der Ukraine (ich auch) und genauso schnell wie 82 Millionen Menschen in diesem Land Bundestrainer und Virologen werden können, sind sie nun auch einmal Geostrategen und Militärexperten, verbreiten dabei mit großer Selbstsicherheit Prognosen. Dabei kommen aber eklatante Wissenslücken zu Vorscheinen. Kaum einer weiß offensichtlich, welche Länder wann NATO-Mitglieder wurden.

Noch mal zum Mitschreiben: Die drei baltischen Republiken, Polen und Norwegen sind in der NATO. Ebenso Albanien, Kroatien und Montenegro. Es ist äußerst schwer vorstellbar, daß Russland eins dieser Länder angreifen könnte, denn dann gälte Artikel 5, die USA wären involviert, Atombomben, Weltkrieg, Planet aus.

Finnland, Schweden, die Ukraine und die Republik Moldau sind aber wie Österreich oder die Schweiz nie dem Nordatlantischen Verteidigungsbündnis beigetreten. Diese Staaten können schon etwas weniger sicher sein, weil die NATO nicht eingreifen müsste und mE auch nicht wollte.

Erstaunt hörte ich aber auch, man wisse schon seit dem Super-GAU von Tschernobyl wie Putin lüge, weil er damals alles vertuscht hätte.  Nur der Form halber: Tschernobyl explodierte 1986, als noch die Sowjetunion existierte. Putin war zu der Zeit KGB-Hauptmann in Sachsen und überwachte Besuchergruppen des in Dresden ansässigen Kombinats Robotron.

Diese hanebüchenen Fehlinformationen erklären, wie es möglich ist, daß die Hälfte der US-Amerikaner Putin liebt und stattdessen ihren eigen Präsidenten Joe Biden hasst.

[….] Ukraine-Debatte bei US-Republikanern:

Biden böse, Putin gut! Trotz Ukrainekrieg zeigen sich Donald Trump und andere Republikaner beeindruckt von Wladimir Putin – sie schmähen US-Präsident Joe Biden als »nutzlosen, senilen Mann«. Die Kremlpropaganda greift das gern auf. […..]

(Marc Pitzke, 25.02.2022)

Wenn in einem Land mit freier Presse, freiem Zugang zum Internet, schon so ein Propaganda-Schaden eintritt, weil die Hälfte der TV- und Radiosender rechte Verschwörungstheorien verbreiten, kann man sich ausmalen, wie indoktriniert die Russen sind, nachdem es de facto gar keine freie Presse mehr gibt und alle TV-Sender Putin lobpreisen.

Die Lügen-Propaganda, Verschwörungstheorien und Fehlinformationen, die sich in Deutschland ausbreiten, kennen wir schon lange (Stichwort „Covidioten“). Das ist deswegen so ärgerlich, weil die seriöse Presse in Deutschland gerade eine Sternstunde erlebt. Mit brillanten Analysen, ausführlichen Berichten und kritischen Kommentaren, die Hintergründe des Ukrainekonfliktes und das aktuelle Kriegsgeschehen höchst informativ begleitet.

Süddeutsche Zeitung und SPIEGEL nenne ich in diesem Fall zuerst, aber neben den usual suspects, bin ich zum Beispiel auch höchst beeindruckt von der Mikroredaktion des Greifswalder Printmagazins „Katapult“, die (u.a. auf Instagram) laufend das Geschehen und alle Hintergründe in einfachen Graphiken zusammenstellt. Hier nur wenige Beispiele von Dutzenden.




Man kann sich so leicht seriös und faktisch richtig informieren. Ob nun ausführlich mit hintergründigen Artikel in der SZ, oder für die schnellen, nicht ans lange Lesen gewöhnten Meta-User; alles wird angeboten. Warum gucken nur dennoch so viele Menschen lieber die reißerische PR auf BLÖD-TV?

Ich gehe weitgehend konform mit den gestrigen Überlegungen Maximilian Popps.

Jetzt wird sich sehr viel ändern in Deutschland.

[….] Die europäische Ordnung, die dem Kontinent nach dem Ende des Kalten Kriegs drei Dekaden relativer Sicherheit und Stabilität beschert hat, zerbricht. Eine neue, gefährliche Zeit beginnt. Und die Frage ist, ob Europa darauf hinreichend vorbereitet ist.  Die Europäer haben sich bequem in der alten Ordnung eingerichtet. Sie haben in Sonntagsreden Demokratie und Menschenrechte hochgehalten und gleichzeitig Geschäfte mit Diktaturen wie Russland oder China gemacht. Für Sicherheit sorgten im Zweifelsfall die Amerikaner.  Nun gilt es, sich von einigen lieb gewonnenen Lebenslügen zu verabschieden. […..]

(Maximilian Popp, 24.02.2022)

Dazu ergänzend möchte ich Hubert Wetzel zitieren, der darauf hinweist, daß die USA auch gar nicht mehr die Kraft haben, Europa zu verteidigen; selbst wenn sie wollten.  Und ob sie bereit wären, darf unter republikanischer Führung sehr bezweifelt werden. Die Republikaner liegen in allen Umfragen vorn für die US-Wahlen im November 2022. JFK, Ronald Reagan und auch Bill Clinton hätten ohne zu zögern, europäische NATO-Staaten gegen russische Angriffe verteidigt. Biden täte das vielleicht. Trump sicher nicht.

[….] Der politische Spielraum des US-Präsidenten ist heute sehr viel kleiner. Amerika hat weder das Geld noch den Willen, auf ewig die Ordnungsmacht in Europa zu sein. Das Land ist auch in der Frage, wer der Feind ist, längst nicht mehr geeint. Die Trumpisten unter den Republikanern, die in der Partei den Ton angeben, hassen Biden und die Demokraten mehr, als sie Putin fürchten. Sie unterstützen inzwischen offen den Autokraten im Kreml. Wäre Putin vor zwei Jahren in der Ukraine einmarschiert, hätte der damalige US-Präsident Donald Trump ihm vermutlich per Tweet zum gelungenen Überfall gratuliert.  Die Europäer müssen sich dessen bewusst sein. Im Moment haben sie im Weißen Haus einen Transatlantiker als Partner, der die Verteidigung der Nato für eine "heilige Pflicht" hält. Aber das kann sich in wenigen Jahren ändern. So gesehen, ist das, was derzeit in der Ukraine passiert, vielleicht nur ein Vorgeschmack - darauf, wie es ist, wenn Amerika nicht mehr den Frieden in Europa garantiert. [….]

(Hubert Wetzel, 24.02.2022)

Es ist verrückt, wie sich wieder einmal die kontra-parteipolitische Politik der Bundesregierungen bestätigt.

Der konservative Helmut Kohl, der privat SS-Hilfsvereine unterstützte, war es, der die verhasste Oder-Neiße-Linie anerkannte und zusammen mit der FDP den Spitzensteuersatz auf sagenhafte 56% anhob.

Die friedensbewegte soziale rotgrüne Bundesregierung ab 1998 gab ihr Placet zu einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg in Europa, senkte die Spitzensteuer drastisch ab und verschlankte das Sozialsystem deutlich.

Die konservative CDU-Frau Merkel schlachtete ebenfalls gleich mehrere heilige Kühe ihrer Partei. Sie setzte den Atomausstieg durch, schaffte die Wehrpflicht ab und in ihre Amtszeit fiel auch die Ehe für alle.

Und nun ist die Ampel mit starken Grünen, die ganz offensichtlich wieder Säbelrasseln lernen muß und drastisch aufrüsten wird.

Putin und die sagenhafte Naivität des Westens machen es notwendig.

[….] Der Angriffskrieg auf die Ukraine vom 24. Februar 2022 wird in die Geschichte eingehen als Wendepunkt der Nachkriegsordnung von 1945. Mit Ausnahme der friedlichen Revolutionen von 1989 hat dieser Kontinent keinen so gravierenden Eingriff in seine Ordnung, keine so gefährliche Herausforderung für seine Lebensgrundlage erlebt. [….] Der Überfall auf die Ukraine muss deswegen mit größtem Ernst als Auftakt einer viel langfristigeren, möglicherweise über Jahre angelegten Kampagne zur Zerschlagung der europäischen Stabilität betrachtet werden. Putins ultimatives Ziel, das hat er in seiner Kriegseröffnungsrede klargemacht, ist die Vertreibung der USA aus dem europäischen Mächtegleichgewicht. Putin will ein schwaches, zerschlagenes Europa, das von Russland manipuliert werden kann. Er will das Europa des Wiener Kongresses, in dem Grenzen neu gezogen werden und Macht neu verteilt wird - allein, dass es nun Russland ist, das in zaristischer Größe aufersteht. [….] Dies bedeutet, dass neben der Ukraine alle früheren Staaten des Warschauer Pakts in ihrer Souveränität bedroht sind. Putin wird die Forderung nach einem Rückzug der Nato aus diesen Staaten nicht aus seinem Repertoire streichen, er wird dies zu erzwingen versuchen - mit Mitteln "wie Sie sie in Ihrer Geschichte noch nie erlebt haben".[….]

(Stefan Kornelius, 24.02.2022)

Donnerstag, 24. Februar 2022

Es ist Krieg.

Wie so oft, guckte ich Don Lemon auf CNN (04.00-06.00 Uhr deutscher Zeit), sah Putins Kriegserklärung live, verfolgte live, wie die Nachricht in der gleichzeitig stattfindenden UN-Sicherheitsratssitzung einschlug und sah insbesondere live die Bilder der CNN-Reporter vor Ort. Frederik Pleitgen beobachtete von Belgorod im äußersten Westen Russland das Artilleriefeuer in Richtung Ukraine.

Matthew Chance in Kiew zog militärische Schutzkleidung an, hörte die Raketeneinschläge, Clarissa Ward kamen die Einschläge in Charkiv gefährlich nahe. 

Selbstverständlich, auch das kennt man aus anderen internationalen Megakrisen, befand sich das deutsche Fernsehen noch zwei Stunden im Tiefschlaf, spulte schnarchige Wiederholungen ab, ging erst um 5.00 Uhr mit einem sichtlich überforderten Jens Riewa mit einer Sonder-Tagesschau auf Sendung und überließ im Folgenden dem Morgenmagazin mit einer hilflosen Reporterin Anna Feist in Moskau wackelige Schaltungen, die mühsam das rekapitulierte, was die vielen CNN-Leute vor Ort in den verschiedenen Ukrainischen Städten seit zwei Stunden ausführlich berichteten.  LIVE-Berichterstattung gehört offensichtlich, genau wie Geheimdiensttätigkeit oder militärische Einsatzfähigkeit, zu den Dingen, die Deutschland einfach nicht kann. Das muss man akzeptieren. Dazu sind wir einfach zu doof.

Es ist sehr seltsam, aber selbst bei den wirklich erwarteten Kriegen, deren Beginn man live im Fernsehen verfolgt, kann oder will man nicht glauben, was sich da vor sich im Bildschirm tut.  Ich war auch live dabei, als 1991 G.H. Bush den Irak angriff, als 2001 Kabul von amerikanischen Raketen eingedeckt wurde und als G.W. Buch 2003 den illegalen Angriffskrieg gegen den Irak begann. Selbst, wenn man sich seit Monaten intensiv mit diesem Worst-Case-Szenario beschäftigt, will der menschliche Geist die präsentierten Fakten nicht sofort akzeptieren, wenn sie zu schrecklich sind.

Einschränkend sei gesagt; einige menschliche Geister können sich das offensichtlich sehr wohl vorstellen, Präsident Putin zum Beispiel.

Der russische Präsident ist anders als die meisten Menschen der westlichen Welt gar nicht überrascht, sondern bereitete sich offensichtlich seit Jahren intensiv vor.

In den sozialen Medien färbten sich nun die Profilbilder mit gelb-blauen Flaggen ein, es erschienen die obligatorischen Hinweise „pray for Ukraine“ und natürlich ein gewaltiges Anschwellen der gegenseitigen Versicherungen der eigenen Betroffenheit. Wir sind alle fürchterlich betroffen und wir hassen Putin.

Anti-Putin-Memes haben noch mehr Konjunktur als das Wort „Krieg“.

Aber was sollte man auch anderes erwarten, wenn die ehemaligen Regierungschefs Österreichs, Finnlands und Italiens, Altkanzler Christian Kern, Esko Aho und Matteo Renzi, verkünden aus den Aufsichtsräten russischer Unternehmen zurückzutreten, wenn selbst Sahra Wagenknecht einräumt, sich in Putin geirrt zu haben und sogar Gerd Schröder den russischen Präsidenten scharf angreift? Nur Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) bleibt still im "Board of Directors" des russischen Ölkonzerns Lukoil.  Ein Fußballverein will keinen Gazprom-Logos mehr auf den Trikots, der Rosenmontagszug wird abgesagt und ein Fußballverein aus Wladimir Putins Geburtsstadt St. Petersburg soll nun von einem internationalen Turnier ausgeschlossen werden.

All diese Maßnahmen und Verhaltensweisen sind verständlich, zeigen aber auch, wie naiv und doof der Westen insgesamt ist und wieso es Kräfte in Peking und Moskau gibt, die uns gar nicht mehr ernst nehmen.

Putin rollt über die Ukraine, weil er es kann.

Ihn zu dämonisieren, ist absolut verständlich, hilft aber keinen Millimeter weiter.

Notwendig ist jetzt etwas ganz anders, nämlich selbstkritische Analyse und die richtigen Konsequenzen daraus zu ziehen. Und umzusetzen!  Immerhin machte Vizekanzler Habeck schon heute Morgen den Anfang; „wir waren zu naiv“ sprach er.

Putin ist moralisch verkommen. Dagegen können wir nichts tun. Er ist aber kein Idiot (wie zum Beispiel sein großer Fan Donald Trump).  Putin war und ist in der Lage, die eigenen Schwächen und die der anderen, rational zu beurteilen und konsequent zu handeln.  Es ist unverzeihlich, wenn wir das nicht können und uns dumm anstellen.

Als Putin vor gut zwei Dekaden Regierungschef wurde, übernahm er ein marodes Land mit einer maroden und desillusionierten Armee.

Er schaffte es aber, diese gewaltige Militärmaschine zu modernisieren, mobilisieren und einsatzfähig zu machen. Deutschland verwendete im gleichen Zeitraum mehr Geld für eine kleinere Armee und schaffte es mit einer Trottel-Parade aus Guttenberg, Jung, de Maizière, von der Leyen und Kramp-Karrenbauer, die Bundeswehr noch mehr zu schrotten.

[….] Russland greift die Ukraine an – und die Bundeswehr kann aus Sicht des Heeresinspekteurs Alfons Mais kaum etwas ausrichten. Die Truppe stehe nach Jahren der Sparpolitik »mehr oder weniger blank da« und habe nur begrenzte Optionen gegenüber Russland, schrieb der Generalleutnant am Donnerstag im Netzwerk LinkedIn. [….] Mais schrieb: »Ich hätte in meinem 41. Dienstjahr im Frieden nicht geglaubt, noch einen Krieg erleben zu müssen. Und die Bundeswehr, das Heer, das ich führen darf, steht mehr oder weniger blank da.« Er warnte: »Die Optionen, die wir der Politik zur Unterstützung des Bündnisses anbieten können, sind extrem limitiert.«  Mais forderte eine Neuaufstellung der Bundeswehr. »Wir haben es alle kommen sehen und waren nicht in der Lage, mit unseren Argumenten durchzudringen, die Folgerungen aus der Krim-Annexion zu ziehen und umzusetzen«, schrieb er. »Das fühlt sich nicht gut an! Ich bin angefressen!« [….] Die frühere Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer äußerte sich zutiefst getroffen durch die militärische Eskalation im Ukrainekonflikt. »Ich bin so wütend auf uns, weil wir historisch versagt haben«, schrieb die ehemalige CDU-Chefin auf Twitter. »Wir haben nach Georgien, Krim und Donbass nichts vorbereitet (...), was Putin wirklich abgeschreckt hätte.« [….]

(SPON, 24.02.2022)

Das darf im Konzert der Großmächte nicht passieren. Wir dürfen uns nicht so viele Jahre dümmer und unprofessioneller als die anderen verhalten.

Wieso finden wir uns eigentlich damit ab, daß nur die Supermächte militärstrategisch denken können? Kein eigenes Atomwaffenarsenal zu haben, befreit einen nicht von der Notwendigkeit das Handeln der Großen zu verstehen und zu analysieren. Sicherheitsexperte Prof. Carlo Masala spricht Klartext.

[….] Die russische Armee verhält sich ziemlich nach Handbuch, es gibt keinerlei Überraschungen in dem militärischen Vorgehen. Wir haben jetzt die erste Phase mit massiven bodengestützten Feuern, Artillerie, ballistischen Raketen, Raketenwerfern und Luftschlägen. Die Flugabwehr der Ukrainer scheint ausgeschaltet zu sein. [….]

SPIEGEL: Wie kann es angehen, dass Putin das alles machen kann?

Masala: Er kann es, weil er weiß, dass die USA und die Nato nicht aktiv in diesen Konflikt eingreifen werden, um der Ukraine zu helfen. [….]  Ich halte Putin für einen sehr rationalen Akteur und kein Selbstmordattentäter. Er hat genauso wenig Interesse an einem Konflikt mit der Nato und den USA wie die mit ihm. Deswegen wird er die baltischen Staaten so nicht unter Druck setzen, wie er es mit der Ukraine gemacht hat, weil er weiß, dass dann der Beistandsartikel greift und die Situation unkalkulierbar wird für ihn. Im schlimmsten Fall kämen dann auch nukleare Langstreckenraketen in Spiel – und das ist eine Schwelle, die auch Putin nicht übertreten wird. [….]  

SPIEGEL: Wie kann die westliche Diplomatie Putin das Heft des Handelns entreißen?

Masala: Überhaupt nicht. Das ist genau der Punkt. Der Westen basierte seine Politik auf der Annahme, dass Sanktionen Putin davon abhalten würden, zu eskalieren. Er hat aber die wirtschaftlichen Verluste in seine Pläne eingepreist. Er bestimmt die Eskalationsspirale. [….]  

SPIEGEL: Das heißt, weder die USA noch die Nato oder die EU können den russischen Präsidenten stoppen und müssen hinnehmen, was er entscheidet?

Masala: Mit Blick auf die Ukraine – ja. Wir haben es hier nicht mit dummen Gegenspielern zu tun, die völlig überrascht davon sind, dass wir sie womöglich aus dem Swift-Zahlungssystem werfen. Ihnen ist bewusst, welche Zwangsmaßnahmen noch kommen könnten. Und sie sind bereit, den Preis zu zahlen, weil Putin der Gewinn einer möglichen militärischen Besetzung der Ukraine wesentlich höher erscheint als die Kosten, die sie verursacht. [….] Wir gehen davon aus, dass wir aufgrund der politischen, wirtschaftlichen und militärischen Machtfülle der USA und der europäischen Staaten immer in der Lage sind, Entwicklungen zu beeinflussen – das ist einer der großen Trugschlüsse der letzten 30 Jahre. [….]

(Spiegel- Interview von Özlem Topçu, 24.02.2022)

Es wäre schön, wenn dieses KnowHow im Bundesverteidigungsministerium existierte und man nicht erst nachdem das Kind in den Brunnen gefallen ist, in der Presse nachlesen müsste.

Putin schätzt seine ökonomischen Möglichkeiten realistisch ein, weiß um die gegenseitigen Abhängigkeiten von Öl und Gas. Aber er zieht seit Jahren die aus seiner Sicht notwendigen Konsequenzen, während Deutschland mit Altmaier-Ministern kontinuierlich seine Lage selbst verschlechterte. Wir überlegen wie brutal es Russland träfe, wenn wir ihm kein Gas mehr abkaufen. Wann ginge dem Kreml das Geld aus?

Aber in Wahrheit verfügt Putin über das größere Druckmittel. Wenn er von eben auf jetzt die Gas- und Öl-Exporte nach Europa stoppt, geht bei uns das Licht aus.

Wieso verlassen wir uns seit 2014 eigentlich auf Wirtschaftssanktionen gegen Russland, die in acht Jahren eben nicht nur keinen Krim-Rückzug gebracht haben, sondern dem Kreml die Möglichkeit gaben, sich dagegen zu schützen? Putin blieb im Gegensatz zu den EU-Trotteln nicht inaktiv, sondern bemühte sich um Alternativen. Gabriel Felbermayr, der Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung sieht schwarz.

[….] Europa sollte sämtliche Gasimporte aus Russland einstellen. Beides wird auch für Deutschland und Europa schmerzhafte Konsequenzen haben, aber damit müssen wir leben. [….] Trotzdem hätten wir spätestens im nächsten Winter ein Versorgungsproblem. Flüssiggas lässt sich nicht beliebig nach Europa umleiten, zudem dürfte die globale Nachfrage massiv steigen. Und Deutschland verfügt ja noch nicht einmal über die notwendigen Terminals für den Transport. Man muss es leider so sagen: Europa hat mit Nord Stream 2 zu lange auf das falsche Pferd gesetzt. Jetzt fehlen die Alternativen. [….]  Die Umstellung auf eine Wasserstoffwirtschaft wird Jahrzehnte dauern. Europa hat gerade erst beschlossen, stärker auf Erdgas als Brückentechnologie zu setzen. Außerdem braucht die Industrie das Gas als wichtigen Rohstoff – vom Düngemittel bis zur Joghurtproduktion. Ein Boykott Russlands würde nicht nur für Preisschübe sorgen, sondern auch Lieferketten zerreißen lassen. [….] Ein Swift-Ausschluss würde auch bedeuten, dass europäische Forderungen gegenüber Russland nicht mehr beglichen werden können. Europäische Banken haben Kredite in Milliardenhöhe gewährt, die dann nicht mehr zurückgezahlt werden können. [….]  Die deutschen Kreditinstitute haben ihr Russlandgeschäft bereits deutlich zurückgefahren. Wir wissen aus Daten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, dass vor allem italienische, französische und österreichische Institute stark in Russland engagiert sind. Gemessen an der Wirtschaftsleistung ist das Risiko bei uns hier in Österreich am größten[….]  Entscheidend wird sein, wie sich China verhält. Präsident Xi Jinping könnte die russische Wirtschaft mit Kapital, Warenlieferungen und Know-how unterstützen, wenn der Westen das Land boykottiert. [….] Wenn China und Russland aber noch enger zusammenrücken, haben wir schlechte Karten. [….]

(Spiegel Interview von Michael Brächer, 24.02.2022)

Selbstverständlich verurteile ich Putins Politik ebenso scharf, wie die EU-Regierungschefs.

Aber ich befürchte, daß der Hass auf Putin, uns zum Teil als Kompensation dient, um nicht über die katastrophalen eigenen strategischen Fehler nachzudenken.

[….]  Wie man es mit einem einzigen Satz zu gewisser Berühmtheit bringen kann, hat vor ein paar Tagen Viktor Tatarinzew, Russlands bis dahin weitgehend unbekannter Botschafter in Schweden, eindrucksvoll bewiesen. In einem Interview mit der Zeitung »Aftonbladet« hatte Tatarinzew, mutmaßlich stellvertretend für das russische Regime, eine gewisse Gleichgültigkeit hinsichtlich möglicher Sanktionen des Westens gegen sein Land zum Ausdruck gebracht: »Entschuldigen Sie meine Ausdrucksweise, aber wir scheißen auf Ihre ganzen Sanktionen.« Das war an Klarheit kaum zu steigern – und inhaltlich durchaus gerechtfertigt. Denn jetzt, kaum zwei Wochen nach Tatarinzews markigem Statement, hat der Westen tatsächlich Russland mit Sanktionen belegt, und fürs Erste lässt sich sagen: Unruhig schlafen wird deswegen im Kreml kaum jemand. [….]

(Tim Bartz, 23.02.2022)

Die EU muss viel besser, klüger, einiger und tatkräftiger werden.

Der Westen ist auch ganzer Linie gescheitert. Putin lacht uns aus.

Mittwoch, 23. Februar 2022

Die moralische christliche Keule.

Anders als es postkommunistische Herrscher, wie zum Beispiel der tschetschenische Machthaber Ramsan Kadyrow behaupten, gab es schon vor dem Mauerfall Schwule in Osteuropa.

[…] In einem Interview mit dem US-Sender HBO, in dem es auch um die Verfolgung Homosexueller in der Republik geht, bezeichnete Tschetscheniens Präsident diese als "Teufel". "Sie stehen zum Verkauf. Sie sind keine Menschen. Gott soll sie für das verdammen, was sie uns vorwerfen. Sie werden sich vor dem Allmächtigen dafür verantworten müssen." Dabei gibt es laut Kadyrow in Tschetschenien eigentlich gar keine Homosexuellen. Auf die Frage des HBO-Reporters, was er zur Verfolgung und Folter schwuler Männer sagte, lachte Kadyrow und sagte dann: "Das ist Schwachsinn. Wir haben hier keine dieser Leute. Wir haben keine Schwulen. Wenn es welche gibt, bringt sie nach Kanada. Gott sei gepriesen. Bringt sie sehr weit weg von uns, sodass wir sie nicht hier zu Hause haben. Um unser Blut zu reinigen: Wenn es hier irgendwelche gibt, nehmt sie." Dabei strich er sich über seinen langen, blonden Bart.  […]

(NTV, 17.08.2017)

Nachdem aber der böse Kommunismus vergangen ist, werden Schwule systematisch gefoltert und umgebracht. Als Gott zwischendurch mal nicht so einen direkten Einfluss auf die Regierungen hatte, weil diese sich zu Warschauer Pakt-Zeiten eher an Marx, Engels und Lenin, als an der Bibel orientierten, verlor sich das Interesse an Männersex. Sich zu lieben, war im gottlosen Kommunismus noch nicht mal ausdrücklich verboten!

In vorkommunistischen, also faschistischen Zeiten, gab es noch einheitlich schwulenfeindliche Regeln, weil sich die christlichen Kirchen traditionell hervorragend mit Nazis, Faschisten und sonstigen rechtsradikalen Diktatoren arrangieren.

[….]  Im Rahmen seiner Dissertation hat der Kieler Historiker Dr. Helge-Fabien Hertz 729 schleswig-holsteinische Pastoren auf ihre Haltung zum Nationalsozialismus untersucht. Ein Ergebnis: Die Mehrzahl der Pastoren sympathisierte mit der NS-Ideologie und unterstützte sie.  Dass Pastoren zwischen 1933 und 1945 dennoch ganz unterschiedlich agiert haben, zeigen drei Beispiele. "Es gibt viele schockierende Beispiele", sagt Helge-Fabien Hertz von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Er berichtet von Pastoren, die schon vor 1933 aktiv an Saalschlachten und blutigen Straßenkämpfen beteiligt waren oder bei NSDAP-Veranstaltungen "Saalschutz" betrieben haben. [….]  Wilhelm Karl Christian Diekow war Deutscher Christ, in der Nazizeit Pastor in Petersdorf und Trittau. [….]  Zum Beispiel in einer Predigt von 1934. Da heißt es unter anderem: "Wenn sich die Hoffnung auf eine bessere Zukunft unseres Volkes erfüllen soll, müssen wir, liebe Gemeinde, unserem völkischen Glauben auch entsprechende Taten folgen lassen." Oder: "Es bleibt der Verantwortung, Aufrichtigkeit und Liebe eines jeden einzelnen überlassen, ob er mit Adolf Hitler den Wiederaufstieg oder durch Verweigerung der Arbeit und passiven Widerstand den Untergang des deutschen Volkes will." Mit solchen Sätzen habe Pastor Diekow seine Gemeinde aus voller Überzeugung aufgefordert, am sogenannten Aufbauwerk Adolfs Hitlers aktiv mitzuarbeiten, so Hertz. Auch predigt Diekow damals eindeutig antijudaistisch und antisemitisch: "Wenn sich ein Volk wie das jüdische entschlossen von Christus, der vollkommenen Liebe, abwendet, spricht es über sich selbst das Todesurteil." [….]  "Dennoch spricht Diekow dem sogenannten jüdischen Volk hier explizit seine Existenzberechtigung ab", sagt Hertz. "Er begründet mit dem althergebrachten Vorwurf des Abfalls von Jesus." [….]  Diekow verbreitete judenfeindliche Stereotypen und schwor seine Gemeinde in Predigt und Konfirmanden-Unterricht explizit auf Adolf Hitler, das NS-Regime und die NS-Volksgemeinschaft ein. [….]

(NDR, 21.02.2022)

Während die Pfaffen nach 1945 in Westeuropa ungeniert weiter Macht und Terror, insbesondere gegen Kinder und Schwule ausübten, hatten sie in Osteuropa erst mal Sendepause.

Gesellschaftlich hoch angesehen waren Partnerschaften und Männern allerdings noch lange nicht, wie man unter anderem in Hertha Müllers großartigen und zu Recht mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Werk „Atemschaukel“ nachlesen kann. Ja, auch im kommunistischen Rumänien gab es Homosexualität.

Ich komme gerade zufällig auf das Thema, weil es auch in Tomasz Jedrowskis "Im Sommer sind wir schwerelos" thematisiert wird. Die Story spielt um 1980 in Breslau, Warschau und an einem masurischen See. Die Auseinandersetzung zwischen dem kommunistischen Regime und der streng katholischen Solidarność-Bewegung bahnt sich an. Das "normale Leben" im damaligen Warschauer Pakt stellt eins meiner Lieblings-Topoi in der Literatur dar.  Dieses Changieren zwischen dem Gefühl der Unfreiheit, daß man auch mal in den Westen reisen will und amerikanische Musik hört einerseits und andererseits waren die Erfahrungen mit "dem Westen Hitlerdeutschland" so abschreckend, daß auch echte Dankbarkeit gegenüber der Sowjetunion bestand. Die soziale Sicherheit ist keine Petitesse. Eine der Romanfiguren von Tomasz Jedrowski stammt aus einfachsten Verhältnissen und kann nur dank des Kommunismus‘ studieren. Als seine Mutter schwer erkrankt,  wird sie für drei Monate auf eine Genesungskur geschickt. Kostenlos. Ohne sich um ihren Arbeitsplatz zu sorgen.

Wir wissen wie die Geschichte weiterging. Alle Warschauer-Pakt-Staaten streiften den Kommunismus ab, weil sie nach Demokratie gierten.  Sie führten eine kapitalistische Wirtschaft ein und im Eiltempo wurden der katholischen, beziehungsweise der orthodoxen Kirche, alle im Kommunismus entzogenen Privilegien wieder zuerkannt.  Es ist weniger paradox, als es für westliche Beobachter klingt, daß gerade die Staaten mit dem stärksten Einfluss der Kirchen  - Polen, Ungarn und Russland – die ab 1990 aufpoppende Demokratie wieder abstreifen. Die drei Nationen haben bereits die unabhängige Justiz und die Pressefreiheit beerdigt, verwandeln sich immer mehr in eine Autokratie.  Der Weg ist in Russland am weitesten fortgeschritten; Putin ist de facto nicht mehr durch Wahlen von der Regierung zu entfernen. Das galt vor 20 Jahren noch nicht, als er durchaus Gegenkandidaten fürchten musste. Aber dann schloß er ein festes Bündnis mit der russischen Kirche, gab den Popen viel Geld und die von ihnen gewünschten homofeindlichen Gesetze, konnte sich aber im Gegenzug darauf verlassen, daß auf allen Kanzeln stets für die Wahl Putins getrommelt wird.

Ich weiß nicht, ob Viktor Orbáns rechtspopulistische Fidesz noch abwählbar ist. Oder ob sich der ehemalige Solidarność-Aktivist und Vorsitzende der rechtspopulistischen katholischen Prawo i Sprawiedliwość (PiS) Jarosław Kaczyński noch demokratisch von der Macht vertreiben ließe.

Beide Herren machen es wie Putin und führen ähnlich wie Trumps stramm christliche Republikaner einen verbissenen Kampf gegen alles, das ihnen „Queer“ erscheint.

Homosexuelle Liebe war in den 1980ern in Osteuropa nicht gern gesehen, aber nicht kriminalisiert wie im Westen.

[….] Die Fidesz-Rhetorik lässt leicht vergessen, dass Ungarn eine grosse Tradition der Toleranz gegenüber sexuellen Minderheiten hat: Bereits 1961 entkriminalisierte das Land homosexuelle Beziehungen unter Erwachsenen, 2009 wurden registrierte Partnerschaften für gleichgeschlechtliche Paare eingeführt. Der religiöse Konservatismus, der etwa das gesellschaftliche Klima in Polen prägt, ist vielen Ungarn fremd. Im Gegensatz etwa zum Nachbarland Serbien verliefen auch die Gay-Pride-Paraden in den letzten Jahren friedlich.   [….]

(NZZ, 18.06.2021)

Dank des Christentums ist homosexuelles Leben in Osteuropa der 2020er Jahre wieder lebensgefährlich. Die Bischöfe reden schließlich wieder entscheidend mit.

[….]  Erzbischof Stanisław Gądecki, seit 2014 Chef der katholischen Bischofskonferenz in Polen, appelliert in einem Brief an seinen deutschen Amtskollegen Georg Bätzing, keine Reformen durchzuführen. Unter anderem warnt der 72-Jährige davor, wissenschaftliche Erkenntnisse anzuerkennen und "die Lehre der Kirche über die Sünde homosexueller Handlungen zu ändern". Das Schreiben wurde am Dienstag unter anderem auf kath.net veröffentlicht.  Gądecki beklagte die "Versuchung, sich zu 'modernisieren'", die "insbesondere den Bereich der sexuellen Identität" betreffe. "Dabei wird jedoch vergessen, dass sich der Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse oft ändert, manchmal sogar dramatisch, z. B. aufgrund von Paradigmenwechseln", so der Erzbischof von Posen weiter. [….]

(Queer.de 22.2.22)

In weiten Teilen Europas geht die katholische Kirche in einem Bündnis mit Rechtsradikalen gegen die Menschenrechte vor.

[….] In Ungarn wurde im letzten Jahr homosexuellen Paaren das Adoptionsrecht entzogen und am 14. Juni wurde ein Gesetz verabschiedet, das die Diskussion über geschlechtliche Vielfalt in Schulen, Medien und öffentlichen Räumen verbietet. Hier werden Menschenrechte eingeschränkt und zentrale Werte der EU, wie Toleranz und Gleichbehandlung, untergraben.  Auch in Georgien kam es am Montag zu Gewaltexzessen gegenüber Homosexuellen und Journalisten, nachdem die Patriarchen der Orthodoxen Kirche und konservative Politiker zu Demonstrationen gegen die erste geplante Pride Parade in Tiflis aufgerufen hatten. Diese wurde daraufhin abgesagt. Wenn aber, wie gerade in Italien, mit einem Anti-Diskriminierungsgesetz Hass gegen Schwule, Lesben, Trans- und Bisexuelle unter Strafe gestellt werden soll, ruft das den Vatikan auf den Plan, der aus lauter „Sorge“ in die italienische Gesetzgebung eingreifen will. Dabei soll das sogenannte Zan-Gesetz (benannt nach seinem sozialdemokratischen Initiator Alessandro Zan) LGBTQ-Menschen nur die gleichen Rechte einräumen, wie sie auch für andere Minderheiten gelten. Aufrufe zur Gewalt aus religiösen oder rassistischen Motiven sind schon heute strafbar, nun soll das auch für diskriminierende Verhaltensweisen gegenüber Menschen gelten, die nicht dem traditionellen Geschlechterrollenbild entsprechen. Für den Vatikan ist das zu viel der Toleranz. Ebenso wie Rechtspopulisten befürchtet er einen „Angriff auf die Meinungsfreiheit“, wenn in Zukunft Homosexuelle als gleichberechtigt angesehen werden.  [….]

(Die Humanisten, 10.07.2021)

Da wünscht man sich dann doch die kommunistische Diktatur zurück.

Dienstag, 22. Februar 2022

Pacta sunt servanda Teil II

Kräftemessen mit Russland gefiel mir nie.

Natürlich wünsche ich mir eine Energieversorgung zu 100% aus erneuerbaren Quellen. Aber so lange das nicht möglich ist, kann ich am besten mit russischem Pipeline-Gas leben.

Das ist ökologisch besser als Fracking-Gas, Flüssiggas-Tanker oder Öltanker aus den fundamentalistischen Golfmonarchien. Schon deshalb lehnte ich US-amerikanische Forderungen nach dem Aus von NordStream II ab. Ich hoffte, daß sich die antirussischen Kräfte nicht mit diesem Wunsch durchsetzen, zumal ich durchaus Verständnis für die Frustration des Kremls ob des egoistischen Handelns der NATO-Staaten habe.

1990 hatten Genscher, die USA und die Briten Moskau versprochen, kein ehemaliges Warschauer Pakt-Land könne in der NATO aufgenommen werden, die NATO werde ich also keinesfalls nach Osten ausdehnen. Seither sind 14 Staaten östlich von Deutschland NATO-Mitglieder geworden. Bei der ersten Osterweiterung drei Staaten 1999, bei der zweiten Osterweiterung sieben Staaten 2004, bei der Westbalkan-Erweiterung zwei Staaten 2009, ein Staat in 2017 und Einer in 2020.

Darunter auch Litauen, Lettland und Estland, deren NATO-Mitgliedschaft als ehemalige Teile der Sowjetunion in den Augen des Kremls eine besonders perfide Provokation darstellt.

Selbstverständlich ist Russland im höchsten Maße verärgert, fürchtet aufgrund der Geschichte die NATO an der Westgrenze und sieht sich als ehemalige Supermacht und heutige Atom-Supermacht, respektlos behandelt.

Zumal die USA sich gelegentlich zum Mobbing greifen. Obamas Hohn und Spott von 2014 war eine sagenhafte Dummheit, ein ganz schwerer Fehler, den Putin ihm nie verziehen hat.

[….] Obama verhöhnt Russland als Regionalmacht

Deeskalation sieht anders aus: In der Krim-Krise verspottet US-Präsident Obama Russland - er nennt das größte Land der Welt eine Regionalmacht. Für Amerika gebe es schlimmere Bedrohungen, Kreml-Chef Putin agiere aus einer Position der Schwäche. [….]

(SPON, 25.03.2014)

Die Ereignisse der letzten 24 Stunden; Putin erklärte de facto einseitig einem souveränen Staat den Krieg und marschierte ein; ließen allerdings der Ampel keine Wahl. Das kann sich die EU nicht gefallen lassen. So tat Vizekanzler Robert Habeck das einzig Richtige und zog die Reißleine; Schluß mit NordStream 2.

[….] Bundesregierung stoppt umstrittene Gaspipeline Nord Stream 2

Angesichts der russischen Aggression in der Ostukraine zieht Deutschland erste Konsequenzen: Das Wirtschaftsministerium hat den Zertifizierungsprozess für Nord Stream 2 auf Eis gelegt.  [….]

(SPON, 22.2.22)

Kontrafaktische Geschichtsbetrachtungen sind sinnlos, aber vermutlich wäre es besser gewesen, wenn Gerhard Schröder nach 2005 noch zwei Amtszeiten länger Kanzler gewesen wäre und die damalige extrem enge Bindung zwischen den vier Staaten Polen, Russland, Deutschland und Frankreich aufrechterhalten und ausgebaut hätte.

Stattdessen kam aber Merkel, schlug sich eindeutig auf die Seite George W Bushs, zeige 16 Jahre lange keine außenpolitische Initiative, ließ das Verhältnis zu Frankreich auskühlen und verließ das Bundeskanzleramt 2021 bei zerrütteten Verhältnissen zu Warschau und Moskau.

Selbstverständlich ist die Erkaltung dieser Beziehungen nicht allein Merkels Schuld, aber sie kümmerte sich eben auch nicht genügend, um das zu ändern. Die Situation in Osteuropa ist aber Resultat eines Versagens der gesamten politischen Führungsklasse der Europas, Russlands und der USA. Aber wer würde auch ernsthaft proaktives, strategisches und langfristiges Handeln von Knalltüten wie Johnson, Trump oder Kaczyński erwarten? Daher sind wir wieder einmal, wie bei den Flüchtlingsströmen und der Klimakrise, sehenden Auges in „diese ganze Scheiße“ (frei nach Helmut Schmidt) gestolpert. Die Ukraine-Megakrise kann nun wirklich niemanden überraschen.

Noch ist das ganze Ausmaß der westlichen antirussischen Sanktionen nicht bekannt, aber nachdem alle Sanktionen im Zuge der Krimbesetzung von 2014 ganz offensichtlich acht Jahre wirkungslos blieben, Putin kein bißchen beeindruckten, werden nun die schweren Geschütze (Gas-Importstopp, SWIFT-Ausschluss, etc) ausgepackt.

Das sind Sanktionen, die uns extrem wehtun werden. Klimapolitik im Krieg funktioniert nicht, die Börsen kollabieren schon und mit Sicherheit wird Energie extrem viel teurer werden. Millionen Menschen in Deutschland werden sich ganz genau überlegen, auf welche Stufe sie ihre Heizung einstellen und beim Tanken tief ins Portemonnaie greifen müssen.

Ob Putin es so beeindruckt, daß er sich denkt ‚na, der Preis ist mir doch zu teuer, ich ziehe alle Truppen wieder ab‘, wage ich sehr zu bezweifeln.

Annalena „ich komme ja vom Völkerrecht“-Baerbock empörte sich schon gestern.

[….] Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nannte die Entscheidung von Russlands Präsidenten Wladimir Putin einen "eklatanten Bruch des Völkerrechts". Die Anerkennung der abtrünnigen Regionen sei zudem "ein schwerer Schlag für alle diplomatischen Bemühungen zur friedlichen Beilegung und politischen Lösung des aktuellen Konflikts", erklärte die Außenministerin und stellte klar: "Wir werden auf diesen Völkerrechtsbruch reagieren. Dazu stimmen wir uns mit unseren Partnern ab."  [….]

(SZ, 21.02.2022)

Viele Journalisten echauffierten sich scheinbar überrascht, über den faktisch einseitigen Ausstieg Russlands aus dem Minsker Abkommen.  Wo kommen wir da hin, wenn Staaten einseitig Verträge aufkündigen, wie es ihnen gerade passt. Pacta sunt servanda. Verträge müssen eingehalten werden.

Die Weltgemeinschaft sollte sich tatsächlich einen automatischen Sanktions-Mechanismus für die Staaten ausdenken, die einseitig Verträge kündigen oder UN-Resolutionen verletzen. Denn Putin fürchtet offensichtlich keine Vertragsstrafen. Warum auch? Denn das Völkerrecht gilt scheinbar nur nach Lust und Laune.

Israel ignoriert fast schon selbstverständlich Resolutionen des UN-Sicherheitsrats und schert sich einen Dreck um den Atomwaffensperrvertrag, ohne Konsequenzen zu fürchten. Der Iran kann sich das gleiche Vergehen hingegen nicht leisten und leidet unter schweren Wirtschaftssanktionen, schon für die mutmaßliche Absicht, das zu wollen, was Israel hat: Atombomben.

König der Vertragsbrecher ist aber die USA.

[….] Die Rüstungskontrollvereinbarung "Open Skies" ist bereits die achte internationale Kooperation, der er den Rücken kehrt - ein Überblick.

Nächste Kündigung, bitte: Die US-Regierung zieht sich aus dem "Open Skies"-Vertrag zwischen der Nato und ehemaligen Mitgliedern des Warschauer Pakts zurück. Grund: Da sich Russland nicht mehr an die Verpflichtungen halte, seien auch die USA nicht mehr an den Vertrag gebunden, sagte US-Präsident Donald Trump. Das Abkommen zum "Offenen Himmel" erlaubt den 34 Unterzeichnerstaaten unter anderem mehrere Beobachtungsflüge pro Jahr im Luftraum der Vertragspartner. Dem deutschen Verteidigungsministerium zufolge diene "Open Skies" der "Rüstungskontrolle und Vertrauensbildung".

Der Ausstieg ist bereits der dritte Rückzug der Vereinigten Staaten aus einem Rüstungskontrollabkommen. Im vergangenen Jahr war Trump aus dem INF-Vertrag über das Verbot landgestützter atomarer Mittelstreckenwaffen ausgestiegen. Letzterer war 1987 zwischen den USA und der damaligen Sowjetunion geschlossen worden und war für Europa der wichtigste Vertrag zur atomaren Abrüstung. Die Kündigung des Atomabkommens mit dem Iran vor zwei Jahren führte bis zur Coronakrise zu erheblichen Spannungen mit dem Regime in Teheran. [….] Daneben sind bereits eine Reihe weiterer internationaler Verpflichtungen der "America-first"-Politik des US-Präsidenten zum Opfer gefallen:

    Unseco. Zum Jahresende 2017 hatten sich die USA von der UN-Kultur- und Bildungsorganisation Unesco zurückgezogen[….]

    UN-Menschenrechtsrat. Im Sommer 2018 haben sich die Vereinigten Staaten aus dem UN-Gremium zurückgezogen, dem 46 Staaten angehören. [….]   UN-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge. Ebenfalls im Sommer 2018 hatten die USA dem UNRWA als größter Geldgeber den Rücken gekehrt. [….]     Pariser Klimaabkommen. Einer der spektakulärsten und folgenreichsten Rückzüge war der aus der globalen Umweltschutzvereinbarung zu Ende vergangenen Jahres. [….]     Transpazifische Partnerschaft. Das umstrittene Handelsabkommen zwischen Pazifikstaaten wie Australien, Chile, Singapur und den USA hat Donald Trump gleichsam als erste Amtshandlung noch im Januar 2017 gekündigt. [….]

(STERN, 22.05.2020)

Es ist nicht gut, wenn sich ausgerechnet der Serienvertragsbrecher USA, der dafür nie eine Sanktion erleiden musste, sich als Hüter der Vertragstreue, als Mr. Pacta sunt servanda aufspielt.

Es ist nicht gut, wenn sich ausgerechnet der Serienkriegseintrittslügner USA, der dafür nie eine Sanktion erleiden musste, sich über Putins vorgeschobene Kriegsgründe echauffiert.

So geht es immer los; als Erstes stirbt die Wahrheit.
Der „Tonking-Zwischenfall“ (US-Lüge, um den Vietnamkriegseintritt zu rechtfertigen), die „Iraker töten Kuwaitische Babies"-Meldung (US-Lüge, um den Irakkriegseintritt 1991 zu rechtfertigen) und die Massenvernichtungswaffen (US-Lüge, um den Irakkriegseintritt 2003 zu rechtfertigen) lassen grüßen. Erst lügen, um Aktionen zu rechtfertigen und wenn Tatsachen geschaffen worden sind, klammheimlich zurück rudern.

Verträge müssen für alle gelten. Versprechen, wie das von 1990 über die nicht stattfindende NATO-Osterweiterung, müssen eingehalten werden.

So lange wir, der Westen, nicht mit gutem Beispiel vorangehen, wird uns Putin nicht ernst nehmen.