Nach anderthalb Jahren mit Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer steht die Bundeswehr vor dem Offenbarungseid.
Den Laden kann man zumachen.
[…..] Was also tun? Man müsse untersuchen, heißt es in der Geheimanalyse, ob es nicht bei einem zeitlich begrenzten »Verzicht auf Fähigkeiten« möglich sei, die »Realisierung der Bedarfe wieder beherrschbar zu machen«. Einfach gesagt: Die Bundeswehr sollte den Offenbarungseid leisten.
Die internen Berechnungen zeigen, wie dramatisch die Lage der Streitkräfte inzwischen ist. Chronisch unterfinanziert, wird die Bundeswehr auch die deutschen Zusagen an die Nato kaum erfüllen können. Unter Punkt 5.4 (»Erreichen Nato-Planungsziele und EU-Vorgaben«) heißt es nüchtern, »zahlreiche zur Erfüllung der Nato-Planungsziele erforderliche Rüstungsprojekte« ließen sich mit der derzeitigen Finanzplanung »nicht oder nicht mehr zeitgerecht realisieren beziehungsweise initiieren«. [….]
(DER SPIEGEL, 06.02.2021, s.35)
Die beiden Hauptschuldigen für das katastrophale Versagen beim deutschen Corona-Management sind Bildungsministerin Karliczek, die seit einem Jahr die Probleme Schule und Universität mit Corona nicht anrührt und Gesundheitsminister Spahn, der sowohl das Masken- als auch das Impfdesaster durch Arbeitsverweigerung verursacht hat.
(….) Olaf Scholz ist derjenige, der in der Pandemie-Megakrise die Dinge am Laufen hält, während auf Unionsseite radikale Arbeitsverweigerung (Seehofer, Karliczek), totale Überforderung (Klöckner, AKK, Altmaier) oder absolutes Chaos (Scheuer, Spahn) herrschen. (…..)
Der Kopf stinkt natürlich vom Kopfe her; so viel ist klar: Unter einem Bundeskanzler Schröder wäre Deutschlands Pandemie-Performance garantiert nicht international so mies bewertet worden, weil er längst den Zuständigen in den Arsch getreten hätte und das Krisenmanagement zur Chefsache erklärt hätte.
Angela Merkel hingegen zeichnet sich durch generelle Initiativlosigkeit, abwarten, zögern und zaudern aus. Das färbt auf ihre Minister ab.
[…..] Fast nichts, was den Verlauf der zweiten Welle rechtzeitig hätte abmildern oder sie gar verhindern können, wurde in Deutschland früh und entschlossen eingesetzt. Die Corona-Warn-App ist und bleibt, so wie sie konzipiert ist, ein Witz. Bis heute sind die Bürger nicht ausreichend mit medizinischen Masken versorgt, von besser schützenden FFP2-Masken ganz zu schweigen. Dass Alten- und Pflegeheime mit allem erdenklichen Engagement geschützt werden müssten, ist schon seit dem Frühjahr Allgemeinwissen. Um die dafür notwendigen Mittel wird bis heute gerungen. Schnelltests sind bereits seit dem Frühsommer auf dem Markt. Doch statt sie von staatlicher Seite zu erwerben, und zwar milliardenfach, um sie dann unters Volk zu bringen, wurden bei den Herstellern nur gewisse Kontingente für Pflegeheime reserviert – und der Rest dem freien Markt überlassen.
Die Gesundheitsämter, deren Nachverfolgungskapazität zum zentralen Faktor für Schließungen und Lockerungen erkoren wurde, sind noch immer personell und digital so mies ausgestattet wie eine herkömmliche Amtsstube der Neunzigerjahre. Und wo blieb der Auftrag für Studien, um präziser herauszufinden, in welchen Bereichen der Gesellschaft viele Ansteckungen erfolgen und wo eher nicht? Ohne sie tappt die Politik weiter im Dunkeln und muss das Virus mit dem Hammer bekämpfen statt mit gezielten Stichen. […..]
(Markus Feldenkirchen, 05.02.2021)
Merkel und die Nichtstuer der CDUCSU kommen mit dieser Underperformance durch, weil der deutsche Urnenpöbel sich vor nichts so sehr fürchtet wie vor Veränderungen. Bräsige Politiker, beruhigende Typen, Abwiegler, wolkige Schwafler, Satus-Quo-Bewahrer, schlafmützige Planer, konservative Knochen, Zukunftsverweigerer, Ewig-Gestrige werden stets mit hervorragenden Wahlergebnissen belohnt. So konnte Helmut Kohl 16 Jahre lang Deutschland aussitzen und so wird auch Angela Merkel ihr Land in einem gewaltigen Reformstau hinterlassen – technisch und ökonomisch von den anderen Industrienationen überholt.
Dieses Mikado-Prinzip funktioniert nicht nur für C-Politiker, sondern inzwischen auch sehr gut für die Grünen, die alle ihre reformerischen Anfänge abgewickelt haben, dem Wähler keinerlei Neuerungen mehr zumuten mögen, sich als Partei der wohlsituierten Vorstädter etabliert haben.
Der mächtigste Grüne ist daher wenig überraschend auch der Konservativste von ihnen: Der 72-Jährige konservative Winfried Kretschmann ist Mitglied des Zentralrates der Katholiken, hat ihn zehn Jahren Regentschaft alle ökologischen Projekte auf Eis gelegt und fährt ungenierte Lobbypolitik für die Stuttgarter Klimakiller-Industrien. Er residiert wie ein König in der Villa Reizenstein, liebt seinen CDU-Juniorpartner, beharrt darauf seinen fetten Daimler zu fahren und kann mit Kosmopolitismus, Genderpolitik oder Atheismus gar nichts anfangen.
[…..] Der Wahlkampf ist deshalb komplett auf ihn zugeschnitten. »Grün wählen für Kretschmann« steht auf allen Plakaten. Vom politischen Gegner werden die Landesgrünen als »Kretschmann-Wahlverein« verhöhnt.
Parteiinterne Kritik am allmächtigen Landesvater wird nur zaghaft geäußert. Dabei gibt es dafür durchaus Anlass. Mal bezeichnete Kretschmann straffällige Flüchtlinge als »Tunichtgute«, die man »in die Pampa« schicken müsse, mal wetterte er beim Thema gendergerechte Sprache gegen »Sprachpolizisten«. An den Stammtischen des Landes kommt das gut an. Konservative, die früher CDU gewählt hätten, wählen jetzt Kretschmann – nicht wegen, sondern trotz seiner Partei.
Kretschmanns Image als souverän-präsidialer Regierungschef soll keine Dellen bekommen.
Für die Grünen gleicht die Daueraffäre mit dem Konservatismus einem schmalen Grat zwischen Machterhalt und Selbstaufgabe. […..] Kretschmann dagegen hatte mit den Schwarzen weit weniger Probleme, schließlich ist er selbst bekennend konservativ. [……]
(DER SPIEGEL, 06.02.2021, s.35)
Warum sollte sich der Grüne Kretschmann auch nicht als konservativer Katholik verstehen? Die Grünen-Wähler lieben es. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden die Grünen bei der Landtagswahl am 14.03.2021 wieder deutlich stärkste Partei werden.
Vereinzelte Rufe nach einer Grünroten, oder Grünrotgelben Regierungskoalition lehnen die Stuttgarter Ex-Ökos ab. Sie lieben ihren schwarzen Partner und wollen bei der Baden-württembergischen Stahlhelm-CDU bleiben.
Die Grünen sind inzwischen so rechts, daß sich links von ihnen eine Klimaschutzpartei gegründet hat. Das ist nur folgerichtig, den Habeck und Kretschmann haben die Themen Klima- und Umweltschutz längst geopfert und kriechen beherzt und erfreut in die Mastdärme der Verbrennungsmotor-Lobbyisten von BMW und Daimler.
Sandra Overlack aus Karlsruhe, Alexander Grevel aus Freiburg, Sebastian Olejek und Ludwigsburg sind die drei Vorsitzenden der Klimaliste BW, die ebenfalls bei den Landtagswahlen antreten wird.
[……] Die Klimaliste Baden-Württemberg wurde erst im September gegründet. Inzwischen zählt sie rund 400 Mitglieder, darunter viele Fridays-for-Future-Aktivisten. In den vergangenen vier Monaten ist es der jungen Partei gelungen, in 67 von 70 baden-württembergischen Wahlkreisen eine Kandidatin oder einen Kandidaten für die Landtagswahl aufzustellen.
Legnar und ihre Mitstreiter wollen Druck auf die etablierten Parteien ausüben. […..]
(DER SPIEGEL, 06.02.2021, s.35)
Sozialpolitik und Klimapolitik findet inzwischen nur noch bei der SPD statt. Olaf Scholz treibt die ökologischen und sozialen Themen voran. Da der demoskopische Erfolg aber noch ausbleibt, die Grünen fest an der Seite der konservativen Christen stehen, bleibt für echte Klimaaktivisten genügend Platz im Parteienspektrum, um mit einer neuen Partei das Klima wieder mehr auf die politische Agenda zu heben.
Die „Klimaliste Deutschland“ konnte sich schnell auf einen ökologischen Grundkonsens einigen und führt darin Punkte auf, die sich nur als Frontalangriff auf die SUV-Partei der Grünen verstehen lassen. Sie sind der diametrale Gegensatz zur Kretschmann-Habeckschen Führerpartei.
[……] 5. Innerhalb unserer Organisation streben wir flache Hierarchien an. Macht- und Herrschaftsausübung müssen sich immer legitimieren können. Menschen, die Macht ausüben, müssen dies zu jeder Zeit rechtfertigen können.
6. Wir pflegen einen achtsamen und wertschätzenden Umgang miteinander und mit den Menschen mit denen wir in Kontakt treten. Das Wohlbefinden aller ist uns wichtig. [……]
8. Wir lehnen jede durch wirtschaftliche oder politische Interessen bedingte Einflussnahme auf uns und unsere Organisation ab.
9. Wir sind lernfähig und orientieren uns an wissenschaftlichen Erkenntnissen. Wissenschaftler*innen in unserer Organisation tragen eine besondere Verantwortung dafür, uns bei wichtigen Entscheidungen objektiv nach bestem Wissen und Gewissen zu beraten ohne uns zu bevormunden. [……]