Sonntag, 7. Februar 2021

Bräsige Typen

Nach anderthalb Jahren mit Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer steht die Bundeswehr vor dem Offenbarungseid.

Den Laden kann man zumachen.

[…..] Was also tun? Man müs­se un­ter­su­chen, heißt es in der Ge­heim­ana­ly­se, ob es nicht bei ei­nem zeit­lich be­grenz­ten »Ver­zicht auf Fä­hig­kei­ten« mög­lich sei, die »Rea­li­sie­rung der Be­dar­fe wie­der be­herrsch­bar zu ma­chen«. Ein­fach ge­sagt: Die Bun­des­wehr soll­te den Of­fen­ba­rungs­eid leis­ten.

Die in­ter­nen Be­rech­nun­gen zei­gen, wie dra­ma­tisch die Lage der Streit­kräf­te in­zwi­schen ist. Chro­nisch un­ter­fi­nan­ziert, wird die Bun­des­wehr auch die deut­schen Zu­sa­gen an die Nato kaum er­fül­len kön­nen. Un­ter Punkt 5.4 (»Er­rei­chen Nato-Pla­nungs­zie­le und EU-Vor­ga­ben«) heißt es nüch­tern, »zahl­rei­che zur Er­fül­lung der Nato-Pla­nungs­zie­le er­for­der­li­che Rüs­tungs­pro­jek­te« lie­ßen sich mit der der­zei­ti­gen Fi­nanz­pla­nung »nicht oder nicht mehr zeit­ge­recht rea­li­sie­ren be­zie­hungs­wei­se in­iti­ie­ren«.  [….]

(DER SPIEGEL, 06.02.2021, s.35)

Die beiden Hauptschuldigen für das katastrophale Versagen beim deutschen Corona-Management sind Bildungsministerin Karliczek, die seit einem Jahr die Probleme Schule und Universität mit Corona nicht anrührt und Gesundheitsminister Spahn, der sowohl das Masken- als auch das Impfdesaster durch Arbeitsverweigerung verursacht hat.

(….) Olaf Scholz ist derjenige, der in der Pandemie-Megakrise die Dinge am Laufen hält, während auf Unionsseite radikale Arbeitsverweigerung (Seehofer, Karliczek), totale Überforderung (Klöckner, AKK, Altmaier) oder absolutes Chaos (Scheuer, Spahn) herrschen. (…..)

(Im Wahljahr, 31.01.2021)

Der Kopf stinkt natürlich vom Kopfe her; so viel ist klar: Unter einem Bundeskanzler Schröder wäre Deutschlands Pandemie-Performance garantiert nicht international so mies bewertet worden, weil er längst den Zuständigen in den Arsch getreten hätte und das Krisenmanagement zur Chefsache erklärt hätte.

Angela Merkel hingegen zeichnet sich durch generelle Initiativlosigkeit, abwarten, zögern und zaudern aus. Das färbt auf ihre Minister ab.

[…..] Fast nichts, was den Verlauf der zweiten Welle rechtzeitig hätte abmildern oder sie gar verhindern können, wurde in Deutschland früh und entschlossen eingesetzt. Die Corona-Warn-App ist und bleibt, so wie sie konzipiert ist, ein Witz. Bis heute sind die Bürger nicht ausreichend mit medizinischen Masken versorgt, von besser schützenden FFP2-Masken ganz zu schweigen. Dass Alten- und Pflegeheime mit allem erdenklichen Engagement geschützt werden müssten, ist schon seit dem Frühjahr Allgemeinwissen. Um die dafür notwendigen Mittel wird bis heute gerungen. Schnelltests sind bereits seit dem Frühsommer auf dem Markt. Doch statt sie von staatlicher Seite zu erwerben, und zwar milliardenfach, um sie dann unters Volk zu bringen, wurden bei den Herstellern nur gewisse Kontingente für Pflegeheime reserviert – und der Rest dem freien Markt überlassen.

Die Gesundheitsämter, deren Nachverfolgungskapazität zum zentralen Faktor für Schließungen und Lockerungen erkoren wurde, sind noch immer personell und digital so mies ausgestattet wie eine herkömmliche Amtsstube der Neunzigerjahre. Und wo blieb der Auftrag für Studien, um präziser herauszufinden, in welchen Bereichen der Gesellschaft viele Ansteckungen erfolgen und wo eher nicht? Ohne sie tappt die Politik weiter im Dunkeln und muss das Virus mit dem Hammer bekämpfen statt mit gezielten Stichen.  […..]

(Markus Feldenkirchen, 05.02.2021)

Merkel und die Nichtstuer der CDUCSU kommen mit dieser Underperformance durch, weil der deutsche Urnenpöbel sich vor nichts so sehr fürchtet wie vor Veränderungen. Bräsige Politiker, beruhigende Typen, Abwiegler, wolkige Schwafler, Satus-Quo-Bewahrer, schlafmützige Planer, konservative Knochen, Zukunftsverweigerer, Ewig-Gestrige werden stets mit hervorragenden Wahlergebnissen belohnt. So konnte Helmut Kohl 16 Jahre lang Deutschland aussitzen und so wird auch Angela Merkel ihr Land in einem gewaltigen Reformstau hinterlassen – technisch und ökonomisch von den anderen Industrienationen überholt.

Dieses Mikado-Prinzip funktioniert nicht nur für C-Politiker, sondern inzwischen auch sehr gut für die Grünen, die alle ihre reformerischen Anfänge abgewickelt haben, dem Wähler keinerlei Neuerungen mehr zumuten mögen, sich als Partei der wohlsituierten Vorstädter etabliert haben.

Der mächtigste Grüne ist daher wenig überraschend auch der Konservativste von ihnen: Der 72-Jährige konservative Winfried Kretschmann ist Mitglied des Zentralrates der Katholiken, hat ihn zehn Jahren Regentschaft alle ökologischen Projekte auf Eis gelegt und fährt ungenierte Lobbypolitik für die Stuttgarter Klimakiller-Industrien. Er residiert wie ein König in der Villa Reizenstein, liebt seinen CDU-Juniorpartner, beharrt darauf seinen fetten Daimler zu fahren und kann mit Kosmopolitismus, Genderpolitik oder Atheismus gar nichts anfangen.

[…..] Der Wahl­kampf ist des­halb kom­plett auf ihn zu­ge­schnit­ten. »Grün wäh­len für Kret­sch­mann« steht auf al­len Pla­ka­ten. Vom po­li­ti­schen Geg­ner wer­den die Lan­des­grü­nen als »Kret­sch­mann-Wahl­ver­ein« ver­höhnt.

Par­tei­in­ter­ne Kri­tik am all­mäch­ti­gen Lan­des­va­ter wird nur zag­haft ge­äu­ßert. Da­bei gibt es da­für durch­aus An­lass. Mal be­zeich­ne­te Kret­sch­mann straf­fäl­li­ge Flücht­lin­ge als »Tu­nicht­gu­te«, die man »in die Pam­pa« schi­cken müs­se, mal wet­ter­te er beim The­ma gen­der­ge­rech­te Spra­che ge­gen »Sprach­po­li­zis­ten«. An den Stamm­ti­schen des Lan­des kommt das gut an. Kon­ser­va­ti­ve, die frü­her CDU ge­wählt hät­ten, wäh­len jetzt Kret­sch­mann – nicht we­gen, son­dern trotz sei­ner Par­tei.

Kretschmanns Image als souverän-präsidialer Regierungschef soll keine Dellen bekommen.

Für die Grü­nen gleicht die Dau­er­af­fä­re mit dem Kon­ser­va­tis­mus ei­nem schma­len Grat zwi­schen Macht­er­halt und Selbst­auf­ga­be. […..] Kret­sch­mann da­ge­gen hat­te mit den Schwar­zen weit we­ni­ger Pro­ble­me, schließ­lich ist er selbst be­ken­nend kon­ser­va­tiv. [……]

(DER SPIEGEL, 06.02.2021, s.35)

Warum sollte sich der Grüne Kretschmann auch nicht als konservativer Katholik verstehen? Die Grünen-Wähler lieben es. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden die Grünen bei der Landtagswahl am 14.03.2021 wieder deutlich stärkste Partei werden.

Vereinzelte Rufe nach einer Grünroten, oder Grünrotgelben Regierungskoalition lehnen die Stuttgarter Ex-Ökos ab. Sie lieben ihren schwarzen Partner und wollen bei der Baden-württembergischen Stahlhelm-CDU bleiben.

Die Grünen sind inzwischen so rechts, daß sich links von ihnen eine Klimaschutzpartei gegründet hat. Das ist nur folgerichtig, den Habeck und Kretschmann haben die Themen Klima- und Umweltschutz längst geopfert und kriechen beherzt und erfreut in die Mastdärme der Verbrennungsmotor-Lobbyisten von BMW und Daimler.

Sandra Overlack aus Karlsruhe, Alexander Grevel aus Freiburg, Sebastian Olejek und Ludwigsburg sind die drei Vorsitzenden der Klimaliste BW, die ebenfalls bei den Landtagswahlen antreten wird.

[……] Die Kli­ma­lis­te Ba­den-Würt­tem­berg wur­de erst im Sep­tem­ber ge­grün­det. In­zwi­schen zählt sie rund 400 Mit­glie­der, dar­un­ter vie­le Fri­days-for-Fu­ture-Ak­ti­vis­ten. In den ver­gan­ge­nen vier Mo­na­ten ist es der jun­gen Par­tei ge­lun­gen, in 67 von 70 ba­den-würt­tem­ber­gi­schen Wahl­krei­sen eine Kan­di­da­tin oder ei­nen Kan­di­da­ten für die Land­tags­wahl auf­zu­stel­len.

Leg­nar und ihre Mit­strei­ter wol­len Druck auf die eta­blier­ten Par­tei­en aus­üben. […..]

(DER SPIEGEL, 06.02.2021, s.35)

Sozialpolitik und Klimapolitik findet inzwischen nur noch bei der SPD statt. Olaf Scholz treibt die ökologischen und sozialen Themen voran. Da der demoskopische Erfolg aber noch ausbleibt, die Grünen fest an der Seite der konservativen Christen stehen, bleibt für echte Klimaaktivisten genügend Platz im Parteienspektrum, um mit einer neuen Partei das Klima wieder mehr auf die politische Agenda zu heben.

Die „Klimaliste Deutschland“ konnte sich schnell auf einen ökologischen Grundkonsens einigen und führt darin Punkte auf, die sich nur als Frontalangriff auf die SUV-Partei der Grünen verstehen lassen. Sie sind der diametrale Gegensatz zur Kretschmann-Habeckschen Führerpartei.

[……] 5. Innerhalb unserer Organisation streben wir flache Hierarchien an.  Macht- und Herrschaftsausübung müssen sich immer legitimieren können. Menschen, die Macht ausüben, müssen dies zu jeder Zeit rechtfertigen können.

6. Wir pflegen einen achtsamen und wertschätzenden Umgang miteinander und mit den Menschen mit denen wir in Kontakt treten. Das Wohlbefinden aller ist uns wichtig. [……]

8. Wir lehnen jede durch wirtschaftliche oder politische Interessen bedingte Einflussnahme auf uns und unsere Organisation ab.

9. Wir sind lernfähig und orientieren uns an wissenschaftlichen Erkenntnissen. Wissenschaftler*innen in unserer Organisation tragen eine besondere Verantwortung dafür, uns bei wichtigen Entscheidungen objektiv nach bestem Wissen und Gewissen zu beraten ohne uns zu bevormunden. [……]

(Klimaliste Deutschland)