Timing ist viel wert.
Angela Merkel ergriff
1999 die Chance CDU-Generalsekretärin zu werden als der Rest der Partei noch
in Schockstarre wegen der totalen Wahlniederlage war.
Immerhin ist 1998
immer noch die einzige Bundestagswahl in der Geschichte der Bundesrepublik, bei
der eine komplette Regierung in die Opposition geschickt wurde. Niemals vorher
und auch in den 20 folgenden Jahren wagten die ängstlichen deutschen Wähler so
einen Schritt. Den meisten Deutschen fehlt offensichtlich politische Phantasie,
weil sie immer mindestens eine Partei in die neue Regierung wählen, die sie
schon aus der Alten kennen.
Dementsprechend
schlotterten vielen Anfang 1999 die Knie. Ein grüner Außenminister? Wie sollte
das denn gehen? Würde der etwa in Turnschuhen seine Antrittsbesuche machen? Ein
Sozi als Agrarminister? Den würden die stramm rechten Bauern doch mit Forken
und Mistgabel verjagen.
Und schließlich
Schröder, der Landespolitiker. Der könnte doch international nur versagen ohne
die vielen Kontakte, die Kohl nach 100 Jahren im Amt gesammelt hatte.
Finanzminister Lafontaine wurde gleich zum „gefährlichsten Mann Europas“
ausgerufen, bloß weil er ankündigte den völlig abgehobenen Finanzderivatehandel
möglicherweise einigen Regeln zu unterwerfen.
Aber es kam sogar noch
schlimmer; schon bei ihrer Vereidigung am 28.10.1998 verweigerten sieben
Bundesminister, inklusive des Kanzlers die Eidesformel „so wahr mir Gott helfe!“
Die CDU tobte. Eine
Regierung, die so abgebrüht und überheblich wäre auf den Beistand Gottes zu
verzichten, wäre zumindest der Untergang Deutschlands.
Da war es also, das
rotgrüne Chaos.
Nur wenige Wochen
später, im Januar 1999 beendete der Urnenpöbel die rotgrüne Mehrheit im Bundesrat,
indem er nach der Anti-Ausländerkampagne Merkels den ultrakonservativen Roland
Koch zum hessischen Ministerpräsidenten machte und fürderhin kein einziges
rotgrünes Gesetz mehr erlassen werden konnte, ohne daß der CDU neoliberale Zugeständnisse
gemacht werden mussten.
Aber in dieser
Wirbelzeit griff Merkel nach der Macht in ihrer Partei. Erst als
Generalsekretärin und dann, als Wolfgang Schäuble massiv beim Lügen und
Betrügen erwischt wurde, sogar den Parteivorsitz.
Die CDU war so am
Boden, daß niemand den Job wollte und der Schäuble-Sturz kam so schnell, daß
kein Andenpaktler vorbereitet war.
Die nächste Bundestagswahl
kam regulär im Jahr 2002, der Termin war zu erwarten. Die westdeutschen
Unionsmänner waren vorbereitet und keineswegs gewillt dieser geschiedenen
ostdeutschen Protestantin die Kanzlerkandidatur zu überlassen. Eine Frau als
Kanzlerin? Das würde nicht funktionieren.
Immer noch fürchtete
man sich vor dem Neuen und diese Ossi-Frau, gerade mal acht Jahre Ministerin
unter Helmut Kohl und vier Jahre Parteichefin/Generalsekretärin war noch zu
neu. Nach nur 12 Jahren hatte man sich nicht an sie gewöhnt.
Merkel verstand und
akzeptierte das; sie war noch nicht stark genug und mußte am 11. Januar 2002 demütig
nach Wolfratshausen zum Frühstück ins Haus des damaligen bayerischen
Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber fahren. Karin Stoiber
zeigte dort die Rolle der Frau, die man für angemessen hielt: Kochen, Bedienen,
Abwaschen.
So wurde der Bayer
zweiter CSU-Kanzlerkandidat nach Strauß 1980 und frohlockte am Wahlabend des 22.09.2002
kurz nach 18.00 Uhr „ich werde nun ein Glas Sekt öffnen!“
An dieser Stelle ein kleiner Einschub: Ich habe Stoiber Anfang 2002 bei
einer CDU-Wahlkampfveranstaltung der Hamburger CDU auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz
erlebt und an dem Tag begriffen, daß er nicht Kanzler werden würde.
Als Bayerischer König war der Mann offensichtlich gewöhnt, daß ihm überall
gehuldigt wurde, ihm die Massen zujubelten. In Hamburg aber kamen nur 100 bis
200 „Fans“, die zahlenmäßig den Stoibergegnern von den Jusos deutlich unterlegen
waren.
Das brachte den C-Kanzlerkandidaten völlig aus der Fassung. Er konnte sich
offensichtlich beim besten Willen nicht erklären was ihm da in Norddeutschland
widerfuhr. Menschen, die ihn nicht mochten? Auf die er irgendwie reagieren
musste? Wo war die Begeisterung? Stoiber war dermaßen außerstande die Situation
außerhalb der Grenzen Bayern zu verstehen, daß damit schon seine Kanzlerträume
beendet waren.
Die nächste
Bundestagswahl im Jahr 2005 war wieder nach Merkels Geschmack. Sie hatte mit
ihrer sechsjährigen Dauerblockade-Politik im Bundesrat Rot/Grün und Deutschland
zermürbt. Über sechs Jahre war sie „Mrs Njet“, gönnte Schröder und Fischer
nicht den kleinsten Erfolg. Ihre Prioritäten waren ganz klar; erstens Merkel,
zweitens die CDU und erst an dritter Stelle das Land.
Dieser perfide
Charakterzug wurde besonders deutlich, als sie zu ihrem berühmten
Kriecher-Besuch am Vorabend des Irakkrieges nach Washington reiste,
schleimspurziehend in Bushs Hintern schlüpfte und als lästige Petze in der
Washington Post ihre eigene deutsche Bundesregierung beschimpfte. Mit ihr als
Kanzlerin würde Deutschland an der Seite der USA und Englands nach Bagdad
einmarschieren.
Der destruktive
Politikstil Merkels, den sie später als Kanzlerin mit ihrer inzwischen so
berühmten „asymmetrischen Demobilisierung“ perfektionieren sollte, half ihr
Schröder fertig zu machen bis dieser 2005 das Heft des Handelns an sich riss
und Neuwahlen ausrief.
Wie schon 1998/99/00
waren die anderen C-Parteigrößen völlig überrumpelt. Wer sollte antreten? Das
hatten die Andenpaktler um Koch, Wulff und Co noch nicht ausgewürfelt. Und so
schnappte sich Merkel die Kanzlerkandidatur weg.
Es hätte angesichts
der desaströsen Umfragen für Rotgrün ein einfacher Sieg werden müssen. Bis zu
20 Prozentpunkte lag die Union vor den Sozis, die absolute Mehrheit war
wahrscheinlich. Da forderte Merkel gern die von der INSM soufflierten Dinge ein, radikaler Sozialabbau, Kopfpauschale in der
Gesundheitspolitik, Flattax nach Paul Kirchhof, drastische Steuersenkungen von
Konzerne und Superreiche. Eine große Koalition mit der SPD schloss sie grundsätzlich aus.
Es sollte einer ihrer
letzten parteitaktischen Kardinalfehler werden.
Gerd Schröder zeigte,
daß er eben nicht der Genosse der Bosse oder der Verräter der Arbeitnehmer war,
sondern stemmte sich quasi im Alleingang so vehement gegen den maximalen
Sozialabbau à la Merkel, daß er den 20-Prozentpunkte Rückstand auf die CDUCSU
fast komplett aufholte und schließlich bis auf einen Prozentpunkt an Merkel
herankam.
Ein Desaster für die
CDU-Chefin. Hätte die Wahl nur drei Wochen später stattgefunden, wäre sie
vielleicht nie Kanzlerin geworden und Schröder wäre im Amt geblieben.
Gerd Schröder rettete
der SPD die kurz zuvor noch für unmöglich gehaltene Regierungsbeteiligung,
erkämpfe Sozial- und Finanzministerium für die Sozis.
Bundeskanzler Schröder
ist es zu verdanken, daß die brutale neoliberale Wirtschaftspolitik des
Leipziger CDU-Parteitages à la Merz und Westerwelle nie Realität wurde.
Eine Rolle spielte
aber natürlich auch die stets vorhandene Veränderungsfurcht der Deutschen, die
auch 2005 eben nicht wagten eine ganz andere Regierung zu wählen, sondern
lieber die SPD im Kabinett behalten wollten.
Merkel lernte ihre
Lektion: Nie wieder irgendwelche Festlegungen! Nie wieder Programmatik.
Es folgten bekanntlich
13 Jahre des vagen Mäanderns, des Verdrängens, Verschiebens und Abwartens. 13
Merkel-Jahre, in denen sich die Deutschen
so sehr an die Frau gewöhnt, die 1990 Ministerin wurde und nun seit 28 Jahren ununterbrochen
in der ein oder anderen Spitzenfunktion Deutschlands steht, daß ihr angekündigter
Partialrücktritt Linke wie Rechte ängstigt.
Wie im Jahr 2005 durch
die Neuwahlankündigungen Merkels parteiinterne Rivalen um die Kanzlerkandidatur
überrumpelt wurden, so überrumpelt sie jetzt insbesondere Jens Spahn, der sich
sehr gern noch drei Jahre gegen eine alternde Parteichefin als forscher
Minister profiliert hätte.
Für ihn ist der
Wechsel an der Parteispitze offensichtlich zu früh.
Wie wichtig Timing
ist, hat aber ausgerechnet Merkels einstiger Intim-Gegner Friedrich Merz
begriffen, der nicht eine Minute zögerte und seinen Hut in den Ring warf, bevor
Daniel Günter und Armin Laschet ihre Schnappatmung unter Kontrolle bekamen.
Im Rennen um den
Parteivorsitz sind nach gegenwärtigem Stand also Merz, Spahn und
Kramp-Karrenbauer.
Meines Erachtens sind
das gute Aussichten.
Da wird mir wohlig
eiskalt ums Herz.
Bundesgesundheitsminister
Jens Spahn, der islamophobe Trump- und Kurz-Freund
ist beliebt wie Fußpilz.
AKK, die fromme
Homophobe aus der Provinz kämpft heute noch gegen gleiche Rechte für Alle.
(…..) Marion Dönhoff schrieb schon in den 1990er Jahren ihr bedeutendes Werk „Zivilisiert den Kapitalismus“
und legte damals schon dar, was uns dann richtig offensichtlich 2008 mit der
Weltfinanzkrise ereilte.
Welche Gegenmeinung soll man da noch einnehmen, wenn jemand so
offensichtlich voll ins Schwarze getroffen hat.
Bezweifelt denn noch irgendeiner, daß den internationalen Spekulanten das
Handwerk gelegt werden muß? Ich würde dazu gern eine SERIÖSE Stellungnahme
lesen, die mir erklärt weswegen das Derivatehandeln und Spekulieren mit
Lebensmitteln eigentlich sein muß.
Es gibt auch Menschen, die sich dafür einsetzen.
So schrieb CDU-Darling Friedrich Merz, den heute noch fast die ganze Partei
zurücksehnt, im Jahr 2008 sein Buch „Mehr Kapitalismus wagen“.
Wenn jemand so rechts argumentiert, merkt man allerdings meistens sehr
schnell wieso das so ist. In Merz‘ Fall hängt das offenbar damit zusammen, daß
er für den Hedgefonds „TCI“ arbeitet und persönlich damit sehr reich geworden
ist.
Darauf läuft es fast immer hinaus.
Wenn jemand etwas offensichtlich Unsinniges beschließt, wie zum Beispiel
den Merkel’schen Freifahrtschein für CO2-verschleudernde schwere
Limousinen, dann erfolgte dies natürlich nicht aus Überzeugung, sondern auf
Druck.
Eine Millionenschwere Lobby ist sehr effektiv.
Waffenexporte, AKW-Subventionen, tierquälerische Geflügelzucht – wieso so
etwas erlaubt ist, kann relativ leicht beantwortet werden.
Gier, Geld, Macht. (……)
(Verschiedene Journalisten, 28.10.2013)
(Verschiedene Journalisten, 28.10.2013)
Viele Linke und Linksliberale
beginnen sich nun aber zu fürchten, ganz wie es dem deutschen Wahlverhalten
entspricht.
Merz? Das war doch
der, der die HartzIV-Sätze für viel zu hoch hielt, meinte, man könne auch mit
132 Euro im Monat auskommen.
[…] Friedrich Merz bringt außerdem
noch folgende – im Kampf gegen CumEx und Steuersparmodelle sicherlich ebenfalls
äußerst hilfreiche – Verbindungen mit:
„Merz war bis Februar 2014
Partner der internationalen Rechtsanwaltskanzlei Mayer Brown LLP, seither ist
er nunmehr Senior Counsel; sein Kanzleisitz ist Düsseldorf. Weiterhin gehörte
er den Aufsichtsräten der AXA Konzern AG […] der DBV-Winterthur Holding AG,
der Deutsche Börse AG […] und der IVG Immobilien AG […] an.
Weiterhin gehörte Merz den Beiräten der Borussia Dortmund
Geschäftsführungs-GmbH und der Commerzbank AG […] […] Merz war darüber hinaus Mitglied des Verwaltungsrates der BASF
Antwerpen N. V. […] Heute ist er
Vorsitzender der Aufsichtsräte der WEPA Industrieholding SE und der BlackRock
Asset Management Deutschland AG. Anfang Januar 2010 wurde er in den beratenden
Verwaltungsrat der Bank HSBC Trinkaus & Burkhardt. […] Weiterhin ist Merz Mitglied im
Verwaltungsrat der Stadler Rail AG.
Seit März 2016 ist er als
Aufsichtsratschef (active chairman) und Lobbyist für den deutschen Ableger des
weltweit größten Vermögensverwalters BlackRock tätig. Seit Dezember 2017 ist er
Aufsichtsratsvorsitzender des Köln/Bonner Flughafens. […] (Wikipedia)
Ganz Recht, Chris!
So ein CDU-Chef erscheint mir aus demokratietheoretischen
Gründen äußerst wünschenswert. Da weiß man woran man ist und welches die
Alternativen sind.
Wird Merz Kanzlerkandidat, kann niemand mehr behaupten CDU
und SPD unterschieden sich gar nicht. Dann gibt es eine echte Wahl.
[….] Mehrheit wünscht sich Friedrich Merz als neuen CDU-Chef
Friedrich Merz will Angela Merkel beerben und CDU-Chef werden. Das
kommt in der Bevölkerung gut an. In einer SPIEGEL-ONLINE-Umfrage schneidet der
Konservative unter den gehandelten Kandidaten am besten ab. [….]
So wie ich mir auch keinen sympathischen Papst wünsche,
sondern mich über ultrakonservative, prunksüchtige Typen mit abstoßender Physiognomie
wie Tebartz-van-Elst oder Ratzinger oder Gröer oder Krenn freue, weil die wirkungsvoll
die Anhänger aus ihrem eigenen Verein vertreiben, wären auch Merz oder Spahn
für mich ideale CDU-Chefs.
Sie könnten nämlich nicht als Großstadt-affine Modernisierer
durchkommen.
Politische Physik |