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Freitag, 17. Januar 2025

Die Bedeutung von Äußerlichkeiten.

Heute bin ich öde. Aber als Teenager und Twen war ich längere Zeit damit beschäftigt, verschiedene Spielarten des Lebens auszuprobieren. Man muss einige Dinge mal gemacht haben, um zu wissen, daß sie einem nicht gefallen.

Rauchen, Trinken, Drogen kam sehr früh und dann musste ich natürlich auch meinen Kleidungsstil finden.

Wie ich schon mehrfach schrieb gefallen mir a posteriori die 1980er Jahre am besten, weil sie so divers waren.

(….) In meiner Jugend war es ein großer Fauxpas Frisuren von Mitschülern nachzumachen und die gleichen Moonboots zu tragen.

„Wenn all von einer Klippe springen, tust du das dann etwa auch?“

Individualität war gefragt.

In der Abi-Zeitung gab es Bilder von Individuen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Mods, Popper, Punks, Ökos, Langhaarige, Grufties, Edel-Punks, Goths, Müslis und auch die zwei, drei Anzugsträger aus der JU.

Heute sind die Abi-Zeitungen meiner ehemaligen Schule online. Sie haben sich alle hübsch zusammen zu einem Gruppenfoto vor der Aula aufgestellt. (Schon das wäre vor 30 Jahren unmöglich gewesen, weil sich die meisten so einem Massenbild verweigert hätten).

Der nivellierende Effekt der sozialen Medien ist sagenhaft: Alle Mädchen tragen die gleiche Jennifer Aniston-Frisur und alle Jungs tragen streng einheitlichen Dreitage-Bart und Anzug.

Die Jugend wurde sanft gehirngewaschen und vermutlich ohne es selbst zu bemerken optisch in eine Lemming-Armee verwandelt. (….)

(Pimmel-Problematik 10.02.2019)

Die männlichen Twens der Gegenwart sehen hingegen alle gleich aus.   Und alle eint der Wahn rund um die Uhr am Klugtelefon kleben zu müssen. (….)

(Veränderungen, 07.09.2019)

Ich konnte, anders als die Jugend von heute, weder Internet, noch Klugtelefon vermissen, weil sie nicht erfunden waren und bei niemanden die Vorstellung existierte, man könne so etwas benötigen. Auf der Suche nach „abgefahrenen Klamotten“ stöberte man also zunächst einmal im elterlichen Kleiderschrank – in meinem Fall dem Mütterlichen, da ich ohne Vater aufwuchs. Zum Glück mochte sie schwarze Unisex-Mode, so daß ich mit etwa 15 Jahren einen ihrer Blazer klaute. Ein ganz gerade und schmal geschnittenes Ding ohne Revers. Ich war damals schon einen guten Kopf größer, als meine Mutter, aber extrem schmal. Dadurch passte das Ding perfekt und ich war begeistert, weil so ein Sakko im Gegensatz zu „Jugendmode“ jede Menge Taschen besaß. Ein enormer Vorteil in den Zeiten, als noch kein Junge auf die Idee gekommen wäre, wie heute mit Louis Vuitton-Handtäschchen rumzulaufen, man aber durchaus allerlei Zeug immer „bei der Hand“ haben musste: Portemonnaie, Monatskarte, Labello, Schlüsselbund, Zigaretten, Feuerzeug, ein Döschen mit Gras, noch eine Packung Zigaretten.

Wie praktisch. Der einzige Nachteil war beim Ausgehen, daß meine Freundin mir immer ihr Geld und ihre Zigaretten auch noch in die Hand drückte „du hast doch Taschen“. Ich bemerkte schnell weitere Vorteile: So ein Sakko kann man tagelang anziehen; niemand bemerkt es und spricht einen drauf an, immer dasselbe zu tragen. Ich erinnere mich immer noch an einen Morgen im Deutsch-LK, als mein damaliger bester Freund, der neben mir saß, plötzlich sagte: „das ist eine coole Jacke, hast du die neu?“, obwohl ich das Sakko da schon mindestens ein Jahr fast jeden Tag trug. 1. Praktisch, 2. unauffällig und der dritte Vorteil eines schwarzen Sakkos lautet: Man ist automatisch immer schick, muss sich nicht erst verkleiden, wenn man mal zu einem offizielleren Anlass muss.

Durch puren Zufall hatte ich also schon mit 15 meinen Kleidungsstil gefunden und blieb ihm bis heute treu. Wenn man jung und dünn ist, sieht es natürlich besonders gut aus, wenn solche Dinger eng auf Figur geschnitten sind. Als Twen besaß ich auch Varianten, die zwar uni schwarz waren, aber mit verschiedenen Stoffen, Mustern und Schnitten aufwarteten. Gehröcke liebte ich sehr. Im Alter sind die Dinger wieder unauffälliger, weiter, sollen kaschieren, statt betonen. Aber die schwarzen Sakkos sind meine tägliche Uniform geblieben, weil sie neben all den genannten Vorteilen auch meiner Bequemlichkeit entsprechen. Ich musste in den letzten Jahrzehnten nicht eine Minute Zeit verschenken, um zu überlegen, was ich anziehe, was zusammen passt; sondern kann immer einfach das Erstbeste aus dem Schrank nehmen. Dabei bekleide ich kein öffentliches Amt und treffe beruflich kaum jemals auf Menschen, bei denen ich auf eine bestimmte Weise gekleidet sein müsste. Eine der wenigen Ausnahmen ist mein Schöffenamt. Da gibt es sogar eine Broschüre, die darauf verweist, welche Klamotten ungeeignet sind, wenn man auf der Richterbank sitzt. Aber auch da bin ich selbstverständlich fein raus. Ein schlichtes schwarzes Sakko geht immer.

Das diametrale Gegenteil von mir ist Angela Merkel, die nicht nur einen Job hat(te), bei dem sie immer von der halben Welt gesehen wird, sondern auch noch als Frau der Ungerechtigkeit unterliegt, anhand ihrer Kleidung und äußerlichen Erscheinung bewertet zu werden.

Das kann sicher brutal sein, wie „Kohls Mädel“ Claudia Nolte (ab 1994) und Angela Merkel (ab 1990) erlebten, als Ossi-Frau der CDU ins Bundeskabinett eintraten und ganz offensichtlich noch von niemanden beraten wurden. Noch nach 30 Jahren erinnert man sich an Noltes grausame weiße Rüschenbluse, die sie zur Amtseinführung als Familienministerin trug. Merkel erging es noch schlimmer, weil sich ihr eigener Kabinetts- und Parteichef Kohl gern öffentlich über ihr Erscheinungsbild mokierte.

 Er habe ihr erst mal beibringen müssen, ordentlich mit Messer und Gabel zu essen, erklärte der dicke Pfälzer feixend über Ministerin Merkel.

Ein ungeheuerlich sexistisches und misogynes Verhalten, das natürlich nicht nur die CDU-Frauen aus der DDR über sich ergehen lassen mussten. Insbesondere die Grünen Frauen, die 1980 in die Bundespolitik kamen, wurden mit sexistischer Häme aus den Reihen der CDUCSU überschüttet.

Nolte vertrieb es vollständig aus der Politik. Nach dem Ende der Kohl-Regierung 1998 bekam sie nie wieder ein wichtiges Amt. Bei Merkel verlief es bekanntlich ganz anders. Nach acht Jahren schlechter Witze über ihr Ministerinnen-Outfit, beschloss sie offenbar, sich nicht davon runtermachen zu lassen, sondern nach Kohls Ende umso entschlossener weiter an ihrer Karriere zu arbeiten. Allerdings schleppte sie drei Nachteile in der Andenpakt-CDU von 1998 mit sich herum. Sie ist 1. eine Frau, 2. unfotogen und 3. mit einer kompakt-pyknischen Figur versehen. Für alle drei Punkte kann sie nichts. Es ist grob unanständig, sie für einen dieser Punkte zu kritisieren. Insbesondere wenn man bedenkt, daß häßliche Fettsäcke wie Kohl oder Strauß nie ob dieser Äußerlichkeiten beurteilt wurden.

Merkel war aber klug genug, um zu wissen, daß sie dieses Thema in der ersten Reihe der Politik nie loswerden würde und unternahm mit ihrem Machtzuwachs um 1999 auch ein großes Makeover. Schminke und Frisur wurden ein für alle Mal festgelegt und nie mehr verändert. Sie legte sich die Raute zu, um ihre Haltung vor den Mikrofonen zu stabilisieren und fand zu ihren inzwischen so bekannten bunten Hosenanzügen. Ein zugegeben genialer Schachzug. Denn durch die unterschiedlichen Farben konnte sie ihr Outfit täglich verändern, ohne aber der Presse Anlass zu geben, ihre Kleiderwahl zum Thema zu machen, weil es immer die gleiche Kombination war. Es wurde ihre Uniform.

Die Hamburger Schneiderin Bettina Schoenbach aus der ABC-Straße machte ab Anfang der 20zehner Jahre alle Kanzlerinnen-Kostüme. Vorher ließ Merkel bei der Berliner Designerin Anna von Griesheim anfertigen, aber dort gab es offenbar Indiskretionen. Es wurde über ihre berühmteste Kundin getratscht und Merkel kam nie wieder. Schoenbach hingegen verlor nie ein Wort über Merkel.

Ähnlich soll Merkel auch mit Friseuren und Visagisten verfahren. Sie ist eine unkomplizierte Kundin, die selbst den Termin macht, kaum Extrawünsche hat, aber nie wieder kommt, sobald irgendetwas Privates von ihr ausgeplaudert wird.

Als Hamburger ist mir das sympathisch, aber mutmaßlich ist es einfach knallhartes Kalkül Merkels: Sie weiß, daß ihre solche Storys nur schaden und sie unnötig Angriffsfläche böte. Also würgt sie alles im Keim ab, was Boulevard-tauglich sein könnte.

Ich habe selbstverständlich keine Ahnung, welchen Kleidungsstil Merkel rein privat bevorzugt, halte es aber ihre Methode, sich optisch zu präsentieren, für intelligent. Sie akzeptiert die Gegebenheiten und macht das Beste draus. Es ist ihre individuelle Uniformität.

Brigitte Macron ist ein ganz anderer Fall. Sie kann als Französin ohnehin schlecht Modefragen komplett ignorieren. Glücklicherweise hat sie eine phantastische Figur, ist hochgradig fotogen und hat einen legendär guten Modegeschmack. Die Frau sieht immer perfekt aus und kann sich so gut kleiden, daß sie auch in extravagantesten Outfits nicht kritisiert wird. Dieser Stil, diese Klasse, ist offensichtlich vielen Französinnen „angeboren“ und nicht erlernbar, wie das Beispiel Melania Trump zeigt, die als Ex-Model natürlich ebenfalls eine perfekte Figur hat und bei der Wahl ihrer Kleidung über unendliche Mittel verfügt. Anders als Macron, ist sie aber eine im Grunde ihres Wesens eine Proletin, sieht oft verkleidet aus, greift schwer daneben. Ihre Umdekorierungen im Weißen Haus sind allesamt legendär misslungen. Sie ruinierte Jacky Kennedys Rosengarten und ließ grotesk scheußlichen Weihnachtsdekorationen aufstellen.

Melania Trump fehlt es an der Merkelschen Selbsterkenntnis „Mode nicht zu können“ und entsprechend ihre Finger davon zu lassen. Das beweisen auch ihre übertriebenen Plastic Surgerys die inzwischen für alle Frauen des Mar A Lago-Universums Pflicht sind: Aufgespritzte Lippen, kleine Nase, Schlitzaugen, boob-job.

Donald Trump liebt offensichtlich diesen Typ und so lassen sich Laura Loomer, Kristie Noem, Lara Trump, Ronna Romney McDaniel oder Kimberly Guilfoyle alle einheitlich umoperieren. Gut für Merkel, daß sie nie in den OP-Wettkampf einstieg und rational blieb.

So nachvollziehbar ich Merkels äußerliche Entscheidungen finde, so unverständlich bleibt mir, wieso Bettina Schoenbach die Kanzlerinnen-Kostüme nie in der richtigen Größe anfertigt. Immer sind die Oberteile zu kurz und zu eng. Das konterkariert leider Merkels Bemühungen, ihre Mode nicht zum Thema zu machen.

Als dicker Mensch ist es schwierig, Anzüge, bzw Kostüme „von der Stange“ zu finden, die gut sitzen. Das Problem entfällt aber, wenn man über die Mittel verfügt, maßschneidern zu lassen. Dann kann man auch als Moppel ausgezeichnet angezogen sein. Der genau vor 20 Jahren ermordete Rudolf Moshammer bewies es mit seinem enormen Wanst: Trotzdem saßen seine Hemden und Blazer immer absolut perfekt, waren aus schicken hochwertigen Stoffen gefertigt. Andere bekannte Dickerchen, wie Helmut Kohl, der natürlich auch einen privaten Schneider beschäftigte, mangelte es einfach grundsätzlich an Stil. Seine Anzüge saßen immer schlecht und waren peinlich schlabberig. In diese Kategorie fielen auch seine Minister Rühe und Kinkel, die mit sagenhaft zerknitterten und zerlotterten Klamotten auftraten.

Das muss nicht sein! Joschka Fischer (in allen Körperformen), Gerd Schröder, Heiko Maas, von Dohnanyi oder auch, ganz aktuell Felix Banaszak sind stets in auffällig perfekt sitzenden Klamotten zu sehen, auch wenn Letzterer durchaus mal legerer daherkommt, kaum Krawatten trägt und unter dem Sakko nur ein krangenloses Shirt oder einen Rolli anzieht. Es passt aber immer gut zusammen und sitzt richtig.


Gegenbeispiel Donald Trump, der sich sicher auch Schneider und beste Materialien leisten kann, aber in den letzten zehn Jahren noch nie mit passenden Hosen gesehen wurde. Es sind eher viel zu lange Hosenröcke mit grotesk überlangen Krawatten. Der Mann ist eben auch in der Hinsicht geschmacklos.

Generell haben es leptosome Typen wie Merz einfacher. Ein Anzug in seiner Größe findet sich leicht.

Möglicherweise ist die in dem letzten halben Jahr auffällig schlanker werdende Ozempic-Bitch Söder trotz seiner auf Instagram inszenierten Dauerfresserei daher auch erpicht, so dünn wie Merz zu werden. Es nützt nur nichts, da Söder noch geschmackloser als Trump ist und in unfassbar ausgebeulter, teilweise regelrecht schlampiger Rentner-Funktionskleidung auftritt. 

Offenkundig ist das bei dem Kamera-verliebten MP Strategie. Er will sich beim Wahlvolk als einer der ihren einschmeicheln. Einer, der genauso verlumpt und haltungslos in Opas Kord-Janker auf dem Sofa rumlungert. Als Söders Altersgenosse frage ich mich, was bei dem Mann schief gelaufen ist. Ich mag ein Sozi und zwar ein linker Sozi sein, aber ich bin zu konservativ, um zu akzeptieren, daß Spitzenpolitiker so peinlich angezogen öffentlich rumstolpern.



Freitag, 27. Januar 2023

Undiplomatin

Wenn Menschen, deren Beruf es ist, öffentlich zu reden, sich mal verhaspeln, wie Dagmar Berghoff bei ihrem berüchtigten „WC-Turnier“, ist das den Protagonisten in dem Moment sehr peinlich, aber es folgen keine beruflichen Konsequenzen. Der Zuschauer findet es eher sympathisch.

Natürlich gibt es auch verbale Aussetzer, die tieferliegende Charakterlosigkeit offenbaren und ein Nachspiel haben müssen.

Ich erinnere an Trierer Pfarrer, der am 04.08.2013 in der Begeisterung über seine, wie er fand, gelungene Messe von der Kanzel ein beherztes „Sieg Heil“ skandierte.

[…] Bistumssprecher André Uzulis bestätigt auf TV-Anfrage: "Es sind mehrere Beschwerden beim Bistum eingegangen." Nach bisherigen Erkenntnissen habe der emeritierte Professor für Kirchengeschichte die nationalsozialistische Grußformel "Sieg Heil" in einem Vergleich verwendet und nicht als Ausruf.
Was sagt der Zelebrant selbst? "Das ist mir so herausgerutscht, ohne etwas dabei zu denken", erklärt der Priester. "Ich war so begeistert bei dieser Messe, da ist mir diese Formulierung so blöd über die Lippen gekommen." Er betont: "Meine Eltern waren keine Nazis, im Gegenteil. Und ich entschuldige mich für diesen dummen Ausrutscher."
[….]

(Trierer Volksfreund, 13.08.2013)

Politiker reden besonders viel öffentlich und die bekannten Bundespolitiker stehen dabei unter enormen Stress, kämpfen mit Schlafmangel und an ihn zerrenden widersprüchlichen Forderungen.

Daher bin ich gern bereit, ihnen auch mal sinnlose Formulierungen oder Peinlichkeiten wie Annalena Baerbocks „Kobold“ statt „Kobalt“ zu verzeihen.

Anders verhält es sich natürlich, wenn man wie Boris Palmer, Rechtsblinker Friedrich Merz oder der schwer ins antisemitische Verschwörungstheoretiker-Milieu abgerutschte Hans-Georg Maaßen, im Wochentakt extremistische Hetze betreibt.

Dann handelt es sich offenkundig nicht um „Missverständnisse“ und „unglückliche Formulierungen“, sondern verdammenswerte Absicht.

Ein Sonderfall sind Diplomaten. In ihrer Welt ist Sprache kein allgemeines Werkzeug, welches 24/7 ganz selbstverständlich dahinplätschert, sondern ein Präzisions-Skalpell, mit dem äußerst umsichtig gearbeitet werden muss. Schon Nuancen in den Formulierungen können Krisen auslösen.

Diplomaten dürfen als einzige Menschen nicht achtlos dahin plappern und das gilt selbstverständlich erst Recht für die Chefdiplomatin, Außenministerin Baerbock.

Sie ist sicherlich eine der sympathischeren Amtsinhaberinnen der deutschen Geschichte, aber als Fachfremde und Berufsanfängerin bedauerlicherweise immer mal wieder zu vorlaut auf der Weltbühne. Anders als ihr folgenloses „Kobold“ im Wahlkampf, als sie bloß die Abgeordnete und Spitzenkandidatin war, hat dies nun allerdings meistens ein böses Nachspiel. Nach Heiko Maas zog eine gewisse Schludrigkeit ins Außenamt ein.

[…] Afrika: Warum der Kontinent genug von europäischer Arroganz hat

[…]  Das Twitter-Team des Auswärtigen Amts hat einen kleinen Scoop gelandet, zumindest was die Reichweite betrifft. Fast zwei Millionen Mal ist dieser Tweet schon angezeigt worden:  Der russische Außenminister sei diese Woche nach Afrika gereist, nicht um Leoparden zu sehen, sondern um seine Propaganda zu verbreiten, heißt es darin. Der Leopard ist als Tier-Emoji dargestellt, die Social-Media-Verantwortlichen des Ministeriums fanden das wohl witzig.

Doch quer über den afrikanischen Kontinent wundert man sich mal wieder: Welches Bild hat »der Westen« eigentlich von uns? Eine Sprecherin der Afrikanischen Union fragte auf Twitter, ob Annalena Baerbock wohl auch nur nach Afrika reise, um Tiere zu besichtigen. »Ist der afrikanische Kontinent (…) ein Witz für Sie?«

Als ein deutscher Diplomat ihr antwortet, es handle sich möglicherweise um ein Missverständnis – das Leoparden-Emoji meine den Panzer und nicht das afrikanische Tierleben, keilt sie zurück: »Ich habe es schon richtig verstanden. Ein Außenministerium, das widerliche koloniale Klischees bedient, um geopolitische Punkte zu machen.« Autsch. […]  

(SPIEGEL, 27.01.2023)

Der Brüsseler taz-Korrespondent Journalist Eric Bonse wurde im letzten Presseclub gefragt, wieso es beim Ukrainekrieg eigentlich gar keine diplomatischen Initiativen gäbe. Müsste das nicht eigentlich aus Deutschland kommen, wenn wir schon die neue Führungsmacht Europas sein sollen, an Putins Gas hängen und schwere Waffen liefern?

Das könne er sich auch nicht erklären, wieso Baerbock da so gar nicht aktiv wird, sprach er.

Offenbar ist die Grüne mit dem Megakonflikt überfordert und sieht sich selbst schlicht und ergreifend als Opfer Putins. Daher auch ihr absolut fataler Satz, „wir befinden uns im Krieg mit Russland.“ Das ist viel mehr als ein Faux pas. Fast ein Rücktrittsgrund.

[….]  Außenministerin Baerbock steht für ihre Aussage, Deutschland kämpfe einen Krieg gegen Russland, in der Kritik. Nun verlangt Sachsens Ministerpräsident Kretschmer eine Klarstellung.  […..]

(Spon, 27.01.2023)

Einen größeren Propagandaerfolg hätte die deutsche Außenministerin Putin zusammen mit der Leopard-Lieferung gar nicht bereiten können.

[….] Baerbocks Steilvorlage für Putin […]  Dummerweise hat Baerbock aber, auf Englisch, gesagt, die Europäer sollten die Ukraine zusammen unterstützen und sich nicht mit gegenseitigen Schuldzuweisungen überziehen, weil "wir einen Krieg gegen Russland führen und nicht gegeneinander". Angesichts der aufgeheizten Debatte ist das nicht nur ein blöder Versprecher, sondern eine grob fahrlässige und gefährliche Steilvorlage für die russische Propaganda, die sich sofort auf die Äußerung gestürzt hat. […]  ber Medien und Politiker in Deutschland sollten auch Sorgfalt walten lassen und nicht Videoschnipsel weiterverbreiten, die nur den einen Satz enthielten, ohne jeden Kontext. Eine Sorgfaltspflicht trifft aber auch die Außenministerin in der Wahl ihrer Worte, und der ist sie hier leider zum wiederholten Male nicht gerecht geworden. [….]

(Paul-Anton Krüger, 27.01.2023)

Leider sind dies nicht die ersten Totalaussetzer Baerbocks.

Da ist schon ihr erbärmliches Verhalten gegenüber den von Frontex Gequälten.

So langsam fragt man sich, ob ihre kleinen Schummeleien beim Lebenslauf, ihr plagiiertes Buch und ähnliche Wahlkampf-Schludereien ein grundsätzliches Problem einer nicht genügend ernsthaften Politikerin waren und nun auf die Amtsführung in der Weltpolitik durchschlagen. Es häuft sich.

Auch zu den katastrophalen Zuständen im Iran versagte Baerbock, fand keine Worte.

[….]  Bei "Maischberger" kritisierte Natalie Amiri die Reaktion der Bundesregierung und auch speziell Annalena Baerbocks auf die Proteste im Iran sowie auf das Agieren des Mullah-Regimes. Annalena Baerbock hatte vor ihrem Antritt als Außenministerin explizit eine feministische Außenpolitik gefordert.  Dass die Grünen-Ministerin bereits mehrmals den iranischen Botschafter einbestellte, bringt laut Amini "überhaupt nichts". "Wenn Annalena Baerbock möchte, dass die Frauen gleichberechtigt sind im Iran, wenn sie wirklich umsetzen möchte, was sie verspricht, dann darf man dieses Regime nicht stärken", so Amini. Die Reaktion auf das Mullah-Regime sei eine "Haltungsfrage", die jede Politikerin und jeder Politiker stellen müsse. [….]

(Watson, 19.01.2023)

Baerbock ist sicher kein Totalausfall wie Wissing oder Buschmann und Stark-Watzinger, aber unter den Roten und Grünen ist sie die schwächste Ministerin.

[…..]  Im russischen Staatsfernsehen läuft allabendlich eine unsäglich niveauarme Polittalkshow namens „Wetscher“ des Moskauer Chefpropagandisten Wladimir Solowjow. Dieser präsentierte in einer aktuellen Ausgabe die deutsche Außenministerin Baerbock mit einem in diesem Fall nicht verfremdeten Originalzitat, in dem sie einen Journalisten öffentlich belehrt, dass „wir einen Krieg gegen Russland führen und nicht gegeneinander“. Solowjows bezeichnete Baerbock daraufhin als „Miss Ribbentropp“, in Erinnerung an den NS-Außenminister, im Amt als Deutschland zuletzt einen Krieg gegen Russland führte. Baerbocks Ausspruch war die perfekte Bestätigung für Solowjows lange gepredigtes Bild, nicht etwa Russland habe heimtückisch die Ukraine überfallen. Nein, es wehre sich nur gegen einen aggressiv von dort erklärten Krieg des Westens gegen Moskau. [….]   Man kann es nur als geistiges Schlafwandeln bezeichnen, wenn die deutsche Chefdiplomatin just in diesem Moment auf einer öffentlichen Veranstaltung in ein Pressemikro von einem eigenen Krieg gegen Russland redet und damit zentralen Worten ihres Chefs Olaf Scholz widerspricht: „Wir müssen immer ganz klarstellen, dass wir das Nötige und das Mögliche machen, um die Ukraine zu unterstützen, dass wir aber gleichzeitig eine Eskalation des Krieges zu einem Krieg zwischen Nato und Russland verhindern, und dieses Prinzip werden wir weiter immer beachten.“ Nein, Annalena Baerbock hat es hier nicht beachtet und damit eine Eskalation des Krieges zu einem zwischen der NATO und Russland befördert.  […]

(Der Freitag, 26.01.2023)

Die Außenminister-Schuhe sind zu groß für Baerbock.

Samstag, 23. Oktober 2021

Wer wird der neue Fischer?

In den vielen Ampel-Geschichten der Wochenend-Zeitungen, wird heute zu Recht darauf hingewiesen, wie dreist es von Christian Lindner ist, sich als kleinster von drei Koalitionspartnern, das übermächtige Finanzministerium sichern zu wollen.

„Jeder der drei Partner muss wirken können, muss Einfluss nehmen können. Es gibt das Bundeskanzleramt, es gibt das Finanzministerium, es gibt ein neues Klimaministerium.“

(C.L., Bericht aus Berlin, 17.10.2021)

Die klassischen Ministerien haben ihr Gewicht sehr stark verändert. Das Gesundheitsministerium – einst stiefmütterlich behandelt, wie die Gedöns-Häuser „Familie“ oder „Umwelt“, legte schon vor Corona gewaltig zu. Dort geht es um sehr viel Geld, sehr viel Einfluss und hohe Ministerkompetenz. Es dürfte neben dem Verteidigungsministerium, den undankbarsten Posten der neuen Regierung stellen.

Auf die Hardthöhe möchte auch niemand mehr, weil nach der Abschaffung der Wehrpflicht überwiegend die Menschen freiwillig „zum Bund“ gehen, die man dort nicht haben will. Die letzten fünf Verteidigungsminister haben allesamt das Beschaffungschaos noch verschlimmbessert, waren nicht in der Lage rechtsradikale Sümpfe auszutrocknen. Kramp-Karrenbauer kann nach dem Afghanistan-Rückzug schlechter denn je erklären, wozu die, offensichtlich anderen Armeen so hoffnungslos unterlegene, Bundeswehr eigentlich gut sein soll, wenn Briten, Franzosen, Israelis, Russen und erst Recht die US-Amerikaner, die deutsche Trümmertruppe doch nur auslachen.

Das Wirtschaftsministerium, einst Star des Kabinetts, wurde von einer endlosen Folge FDP-Pappnasen zu Grunde gerichtet, gilt nun als Endlagerstelle für einen Grüß-August, der gern auf Messen und Jubiläen kurze Ansprachen hält. Nur mit erheblichen zusätzlichen Kompetenzen, wie unter Clement (Wirtschaft und Arbeit/Soziales) und Gabriel (Wirtschaft und Energie), bringt man überhaupt ein politisches Schwergewicht dazu, das Amt zu übernehmen.

Einige Ministerien sollten wichtig sein, wurden aber von Merkel und Seehofer bis zur Lächerlichkeit geschrumpft. Ein Digitalstaatsministerium gibt es überhaupt nur, weil die CSU nur männliche Minister stellt und pro forma mit Dorothee Bär wenigstens einer Frau auch einen Job geben wollte. Sie bekam aber nicht nur, kein eigenständiges Haus und wurde im Kanzleramt angesiedelt, sondern kann neben ihrem Staatsministerinnen-Titel lediglich auf eine Sekretärin und eine Vorzimmerdame als Ressourcen zugreifen.

Ebenso verlor das Bauministerium seinen Einfluss, wurde einfach dem Multiminister Seehofer zugeschlagen, der sich um den Wohnungsbau genauso wenig kümmerte, wie um alle anderen Aufgaben.

Die Folgen sind bekannt: Deutschland fehlen eine Million Wohnungen und bei der digitalen Infrastruktur kann es sich hinter Albanien und Rumänien eingliedern.

Ganz anders sieht es im Finanzministerium aus. Einst Heim des braven Kanzler-untergebenen Kassenwarts, wurde der Herr des Geldes immer mächtiger. Er ist einerseits ein internationaler Player, der im Idealfall wie Olaf Scholz auf der Weltbühne Strippen zieht und zusammen mit den Kollegen Freeland und Yellen globale Mindeststeuern auf den Weg bringt. Er spielt auf dem Weltfinanzmarkt eine führende Rolle, beeinflusst Weltbank und IWF, jagt Steuerhinterzieher und Tech-Giganten. Anderseits werden alle Bundesministerien in den Abteilungen des Finanzamts gespiegelt, so daß Amtsinhaber Olaf Scholz de facto jeden einzelnen Minister an der Kandare führt, indem er Gelder verweigert oder gezielt vergibt.

Joschka Fischer war der letzte wirklich starke Außenminister Deutschlands. Er verfügt 16 Jahre nach seinem Ausscheiden aus der Politik immer noch über mehr Einfluss als alle seine Nachfolger. Er führte international maßgeblich die Koalition gegen den Golfkrieg an, schmiedete Allianzen mit Polen, Frankreich und Russland, verzahnte Deutschland in der EU und war einer der ganz wenigen Außenminister, der sowohl in Israel als auch in der arabischen Welt hochgeschätzt wurde.

Möglich machte es die enge Zusammenarbeit mit Gerd Schröder. Kanzler und Vizekanzler verflochten ihre Strategien; Fischer trat oft mit der ausdrückliche Autorität des Bundeskanzlers auf.

Im Bundeskanzleramt gibt es auch „Spiegelabteilungen“ des Außenamts, so daß sich im Idealfall Kanzler und Außenminister gegenseitig verstärken, stets an einem Strang ziehen. Angela Merkel stellte allerdings die strategische Außenpolitik im Kanzleramt ein, stimmte sich nicht mehr ab und ging nach ihrer typischen „Auf Sicht“-Methode vor, ohne den Außenminister einzubeziehen. So verkümmerte es zusehends; natürlich auch durch intellektuell überforderte und unvorbereitete Außenminister wie Westerwelle.

Als großer Fan des Justizministers Heiko Maas (2013-2018), der als einziger Bundesminister vollen Einsatz gegen Pegida und AfD zeigte, sich wie keiner seiner Kollegen im Kampf gegen Rechtspopulismus einsetzte und aus dieser Zeit immer noch als Hassfigur der Aluhüte und Neonazis gilt, freute ich mich sehr über seine „Beförderung“ zum Außenminister. Ein integrer Mann, der zweifellos bella figura machen kann.

Maas ist mir dreieinhalb Jahre später immer noch sehr sympathisch; allerdings konnte er meine Erwartungen nicht erfüllen. Vielleicht ist das Außenamt doch eine Nummer zu groß für ihn, vielleicht fehlen ihm einfach der Ehrgeiz und die Eitelkeit, um international Duftmarken zu setzen.

Zudem wurde der Einfluss der Kanzlerin immer übermächtiger. In den Hauptstädten der Welt wartete man auf die (oft nicht erfolgenden) Machtworte aus dem Kanzleramt; es war kaum möglich für Maas daneben zu bestehen. Abgesehen davon erwischte der Saarländer die womöglich schwierigste Amtszeit seit 1949. Zusammenarbeit mit egomanen Rechtsradikalen wie Trump, die gleichermaßen ungebildet, gefährlich und sprunghaft sind, ist kaum möglich. Wie soll man Diplomatie betreiben, wenn die klassischen diplomatischen Mittel wie das Pariser Klimaabkommen oder der Iran-Atomvertrag von einem orangehaarigen Golfspieler pulverisiert werden? Außenpolitik mit Machos wie Trump, Putin, Erdogan, Bolsonaro, Johnson oder Duterte ist kaum möglich, weil sie Fakten nicht anerkennen, sich nicht an Vereinbarungen halten und öffentlich ungeniert lügen. In Tschechien, Polen und Ungarn ist die Zeit der klassischen Diplomatie ebenfalls vorbei.

Dazu kommen Corona, Klima, dem Afghanistan-Desaster und Chinas zunehmender imperialer Anspruch.

Bei aller Liebe, aber Annalena Baerbock verfügt nicht über die allergeringste Regierungserfahrung, sie war noch nicht mal Stadträtin in einer kleinen Gemeinde. Sie war noch keine Minute in ihrem Leben mit diplomatischen Angelegenheiten befasst, spielt in der Szene der außenpolitischen Kenner keine Rolle. Die 40-Jährige Ex-Trampolinspringerin mit dem Hang zur Schlampigkeit und Aufhübschung ihrer eigenen kleinen Taten, wäre schon als Abteilungsleiterin im hochkomplizierten AA-Organigramm dramatisch unterqualifiziert. Die höheren Dienstgrade im AA, Ministerialdirektoren, Ministerialdirigenten, Ministerialräte, Leitende Regierungsdirektoren, Regierungsdirektoren, Oberregierungsräte, Regierungsräte sind hochspezialisierte Funktionen. Ganz zu schweigen von den koordinierenden Positionen der Staatsminister und Staatssekretäre im AA. Die Schuhe von Heiko Maas wären viel zu groß für Annalena Baerbock (und die meisten anderen in Frage kommenden Abgeordneten). Ganz zu schweigen von den Schuhen Joschka Fischers, die es im Jahre 2021 braucht.

Der Türkische Präsident, der nicht nur unser NATO-Partner ist, sondern der Mann, der maßgeblich die Ditib und Millionen Bürger in Deutschland beeinflusst, der zudem durch die katastrophale falsche Flüchtlingspolitik von der Leyens und Merkels die wichtigste Schwachfigur in der europäischen Migrationsfrage ist, wirft mal eben NATO-Botschafter aus dem Land.

[…..] Erdoğans diplomatischer Eklat: Ein Autokrat kämpft ums Überleben

[…..] Es war wieder einer jener Tage, von denen die Menschen in der Türkei in den vergangenen Jahren viel zu viele erlebt haben: Zunächst wurde am vergangenen Donnerstag offiziell bekannt, dass die internationale Taskforce gegen Geldwäsche (FATF) die Türkei unter verschärfte Beobachtung stellt. Dann senkte die türkische Zentralbank ein weiteres Mal überraschend den Leitzins.  Was folgte, war eine erneute Kernschmelze der Türkischen Lira, die in den vergangenen Jahren ohnehin dramatisch an Wert verloren hat. Die Lira steht nun bei 11,2:1 im Vergleich zum Euro. Ein neuer historischer Tiefpunkt. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan reagierte auf diese Entwicklung exakt so, wie er in den vergangenen Jahren auf sämtliche Krisen reagiert hat: Er sucht die Schuld bei anderen. Statt sich der traurigen, ökonomischen Realität im Land zu stellen, drohte Erdoğan am Donnerstag damit, zehn westliche Botschafter, darunter auch der deutsche Botschafter in Ankara, Jürgen Schulz. Die Diplomaten hatten sich zuvor für den inhaftierten, türkischen Philanthropen Osman Kavala eingesetzt. An diesem Samstag ging Erdoğan noch einen Schritt weiter: Er erklärte die Botschafter zu »unerwünschten Personen«. In der Regel folgt auf diesen Schritt tatsächlich der Rauswurf. So drastisch und beispiellos dieser Vorgang ist, Erdoğan folgt damit einer bewährten Strategie: Je stärker er innenpolitisch unter Druck steht, desto heftiger provoziert er den Westen. […..]

(Maximilian Popp, 23.10.2021)

Die Ampel braucht einen hochqualifizierten integren Finanzminister, der hoffentlich nicht Christian Lindner heißt. Aber sie braucht auch ein absolutes Schwergewicht als Außenminister, damit das deutsche Außenministerium nicht weiter kontinuierlich an Gewicht verliert und international so abgehängt wird, wie die deutsche Digitalisierung in Europa.

Ich plädiere dafür, bei Joschka Fischer anzurufen, um zu fragen, ob er noch mal ran will.

Dienstag, 17. August 2021

Schuldzuweisungen

Wie es jetzt wohl in den Social-Media-Blasen der AfDler, Werteunionisten und Aluhüte angesichts des NATO-Megadesasters in Afghanistan aussieht?

Die schaffen sich vermutlich ihre eigene irreale Realität, erquicken sich an dem Elend anderer.

In meiner deutschamerikanisch, linksgrün-demokratisch-versifften Internetblase ist das Meinungsbild extrem einheitlich. Alle sind stinksauer auf das Versagen der Bundesregierung und des Westens, beschimpfen Joe Biden und Heiko Maas, sowie die afghanische Armee. Die Bilder sind entsetzlich.

Der Groll ist berechtigt.  Maas hatte noch im Juni erklärt, er rechne nicht mit einem schnellen Durchmaß der Taliban nach Kabul. Die NATO-Führung, die USA, Berlin, Paris, London – niemand hatte das derart schnell kommen sehen und so grollte Biden gestern auch, US-Soldaten kämpften nicht für ein Volk, das selbst zu feige sei zu kämpfen.

Ich halte diese Überraschung der zuständigen Regierungen sogar für glaubwürdig. Wieso hätte Maas solche Prognosen abgeben sollen, wenn er damit gerechnet hätte, so schnell von der Realität widerlegt zu werden?    Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß sich allesamt grundlegend irrten.

Dieses totale Regierungsversagen des Westens ist umso erstaunlicher, da eben dieses Ende des Afghanistan-Einsatzes seit 20 Jahren prognostiziert wurde.

Schon vor Wochen postete ich Erinnerungen an die TV-Auftritte Peter Scholl-Latours (gestorben 2014), der EXAKT das prophezeite. Sobald die afghanischen Soldaten den Taliban gegenüberstehen, werfen die ihre Waffen weg und kapitulieren. Der Kollaps der Armee ist eben keine Überraschung.

Und das ist alles andere als ein aufregendes Geheimwissen, sondern der Mann war über Jahre Dauergast in allen Talkshows, schrieb Dutzende Bücher und unzählige Artikel, produzierte TV-Dokumentationen.

[…..] "Die Journalistenlegende Peter Scholl-Latour prognostizierte genau das vor 20 Jahren. Schon damals legte er die Finger in die Wunde. Die Regierung: vom Westen geschmiert, kaum im Volk anerkannt. Die Freundlichkeit gegenüber den Befreiern: Gespielt. Die Armee: desertiert, sobald der Sold ausbleibt. 2014 erklärte der Franko-Deutsche im Außenausschuss des Bundestages den Einsatz für gescheitert. Konsequenzen? Keine.  Der alte, unbequeme Grantler hat wieder einmal Recht behalten. Heute, am 16. August, jährt sich sein Tod zum siebten Mal. Sein langer Schatten ruht auf dem gescheiterten Außenminister: hätte man auf ihn statt auf Ideologen gehört, säßen jetzt keine deutschen Mitarbeiter im Taliban-Staat fest." […..]

(Katholische Tagespost, 16.08.2021)

Die hier zitierte Laschet-affine und SPD-kritische Katholiban-Presse schiebt natürlich die Schuld dem Sozi-Außenminister zu. Auch ich kann meinen Parteifreund nicht davon freisprechen. Das war eine ganz schlechte Leistung, Heiko Maas.

Immerhin, im Shitstorm der letzten beiden Tage stellt sich der Außenminister tapfer der Presse, beschönigt seine Fehler nicht und tut alles in seiner Macht Stehende, um nun so viele Menschen wie möglich zu retten.

Allein schuld ist Maas ganz sicher nicht.

Größere Schuld haben George W. Bush und seine Administration auf sich geladen.

Hauptverantwortlich für den deutschen Afghanistan-Einsatz ist die längste Zeit, nämlich 16 von 20 Jahren, Angela Merkel.

Die Entscheidung, hoppladihopp Afghanistan zu verlassen, mehrere Tausend Taliban freizulassen und ihnen freie Hand zu lassen, stammt vom schlimmsten Regierungschef seit Adolf Hitler; nämlich Donald Trump.

[….] Als die USA unter Donald Trump, ohne jedes Interesse am Schicksal der Afghanen, den Taliban im Abkommen von Doha 2020 noch nicht einmal einen Waffenstillstand mit den ANSF auferlegten, solange die Islamisten nur den Abzug der US-Truppen nicht störten, verschlechterte sich die militärische Lage im Land beängstigend rasch. [….]

(Joachim Käppner, 17.08.2021)

Die völlig verblödete Trump-Pompeo-Administration war, wie so oft, eine extrem schlechte Verhandlerin. Der Dealmaker, der Autor von „The Art Of The Deal“, der alle anderen Regierung beschuldigte, keine Deals machen zu können, konnte eins eben nie: Deals! Trump wurde wie ein Kleinkind von den Taliban über den Tisch gezogen.

[….] Haben sich die Taliban geändert? Ja und nein. Sie haben in den vergangenen Jahren nicht nur militärische Zähigkeit bewiesen und mit ihrer zermürbenden, aus dem Hinterhalt geführten Kriegstaktik die Staaten der hochgerüsteten westlichen Armeen dazu getrieben, den Einsatz endlich beenden zu wollen. Sie haben vor allem auf diplomatischem Parkett dazugelernt, sie werden etwa in Peking bereits mit höchsten Ehren empfangen. Am Verhandlungstisch übertrumpft haben sie im vergangenen Jahr die dilettantische Trump-Administration, weil sie die Kriegsmüdigkeit der USA erkannten und tatsächlich einen Abzug der ausländischen Truppen ohne große Gegenleistung aushandelten. Kaum waren diese fort, hat es nur kurz gedauert, bis die Islamisten in Kabul den Palast übernehmen konnten.  [….]

(Tobias Martern, 17.08.2021)

Was für ein Totalschaden der angeblich so erfahrenen Kanzlerin!

Die Geheimdienste werden in ihrem Kanzleramt koordiniert. Zuständig sind ihr Kanzleramtsminister Braun (CDU) und sein Staatssekretär Geismann (CDU).

[….] Das Bundeskanzleramt ist für die Angelegenheiten des Bundesnachrichtendienstes (BND)  zuständig. Der BND ist dem ChefBK unterstellt. Sein Vertreter ist Staatssekretär Johannes Geismann. Dieser nimmt gleichzeitig die Aufgabe des Beauftragten der Bundesregierung für die Nachrichtendienste wahr.  In dieser Funktion koordiniert und intensiviert Staatssekretär Geismann die Zusammenarbeit der drei Nachrichtendienste des Bundes untereinander und ihre ressortübergreifende Zusammenarbeit mit anderen Behörden und Dienststellen.  Die Nachrichtendienste sind verschiedenen Ressorts zugeordnet. Der Bundesnachrichtendienst ist dem Bundeskanzleramt zugeordnet, das Bundesamt für Verfassungsschutz dem Bundesministerium des Innern und der Militärische Abschirmdienst dem Bundesministerium der Verteidigung. [….]

(Bundesregierung)

BND und MAD waren aber entweder selbst total ahnungslos oder ihre Bedenken fanden keinen Anklang bei Braun und Merkel.

Schuldig und verantwortlich ist ferner die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, da die „Ortskräfte“, von denen nun alle reden, Angestellte ihrer Bundeswehr waren. Es war AKKs ureigene Zuständigkeit, sich um ihre Mitarbeiter zu kümmern. Sie zog aber die Soldaten ab, ohne das zu tun und steht heute hilflos an der Seite von Haiko Maas, während sie betont ihre zwei Militär-Airbusse hingen vom US-amerikanischen Schutz des Kabuler Flughafens ab.

Während die erste US-Maschine 640 Flüchtlinge auf einmal ausflog, startete AKKs Bundeswehrjet mit gerade sieben (!) Flüchtlingen an Bord in Richtung Tadschikistan.

80% der Bundeswehr-Ortskräfte sind immer noch in Afghanistan. Kramp-Karrenbauer hat weder einen Plan, noch auch nur eine vage Vorstellung davon, wie all diejenigen, die sich nicht in Kabul befinden, während der totalen Taliban-Kontrolle zum Flughafen kommen könnten. Viele Tote werden auf AKKs Konto gehen.

Weiterhin sind zwei CSU-Bundesminister zuständig. Der eine, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Gerd Müller, ist seit Wochen völlig untergetaucht. Er versucht sich mit allen Mitteln einen schlanken Fuß zu machen.

 […..] Noch vor einer Woche wollte die Bundesregierung straffällig gewordene Afghanen abschieben, angeblich gab es da noch sichere Gegenden im Land. Noch vor einer Woche hat die im Auftrag der Bundesregierung tätige Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) betont, die Entwicklungsprojekte im Norden des Landes liefen weiter, obwohl ihre afghanischen Mitarbeiter das ganz anders erzählen.  […..]

(SZ, 17.08.2021)

Der andere trägt noch schlimmere persönliche Verantwortung: Integrationsminister Horst Seehofer, der dafür zuständig ist, die Ausreisepapiere für die Ortskräfte zu erteilen. Seehofer blockierte bis vor wenigen Tagen vollständig das Ausfliegen der von den Taliban tödlich bedrohten Menschen.

[….] Am Donnerstag, unter dem Eindruck immer dramatischerer Bilder der Bedrohung, setzte Innenminister Horst Seehofer (CSU) nahezu alle Formalien für die Einreise nach Deutschland aus. Bis dahin war von fliehenden afghanischen Ortskräften erwartet worden, zumindest einen Visumsantrag in der Region zu stellen - was schon seit Wochen faktisch kaum mehr möglich ist. Nun sollten alle Formalitäten nach dem Eintreffen in Deutschland erledigt werden können. [….]

(Stefan Braun, SZ, 17.08.2021)

Auch nachdem es gestern beginnend mit Hamburgs Regierungschef Peter Tschentscher mehrere Bundesländer gibt, die sich bereit erklären Flüchtlinge aus Afghanistan aufzunehmen, beklagt heute Berlins Bürgermeister Müller, die vollständig ausbleibende Planung des Bundesinnenministeriums. Seehofer blockiert also auch die Koordinierung der Flüchtlingsunterbringung, während die CDU-Größen – auch die von den Deutschen so geliebte Merkel – davon schwafeln, nun sollten erst einmal die Afghanischen Nachbarstaaten Flüchtlinge aufnehmen. Als ob Pakistan oder der Iran die Mitarbeiter der Bundeswehr in tödliche Gefahr gebracht hätten.

Was für eine erbärmliche Schande der EU! Mal wieder!

[…..]  Als wäre die Entwicklung der vergangenen Tage nicht schon Schande genug für den Westen: Die einzigen europäischen Länder, die spontan afghanische Flüchtlinge aufnehmen wollen, heißen Kosovo, Albanien und Nordmazedonien. […..]

(SZ, 17.08.2021)

Die Grünen verweisen auf einen im Juni von der Groko und der AfD gemeinsam abgelehnten Bundestagsantrag zur Aufnahme afghanischer Flüchtlinge. Die FDP enthielt sich; nur die Linke stimmte zu.   Das sieht in der Tat heute nicht gut aus für die Koalitionsparteien, also auch die SPD.

Allerdings wußten die Grünen natürlich, daß die Groko keinesfalls in der Frage mit den Linken stimmen würde. Sie waren sicher, daß der Antrag nicht durchkommt. Die nächsten beiden Monate verschwiegen sie das Thema auch tunlichst, weil sie ebenso wie alle anderen Parteien die Hosen voll hatten, fürchteten Stimmen an die AfD zu verlieren. Keine Bundestagspartei wagte es, im immer heißer werdenden Bundestagswahlkampf öffentlich zu fordern Zehntausende Afghanen nach Deutschland zu holen.

Insofern ist die jetzige Empörung der Grünen reine Heuchelei.

Betrachtet man das deutsche totale moralische und politische Versagen, ist aber sicherlich Kanzlerkandidat Armin Laschet der Widerlichste.


Er schwurbelt, schwankt und lügt auch bei diesem Thema. Wirft nun Heiko Maas Dreck an den Kopf, obwohl er selbst ausdrücklich noch bis vor zwei Wochen sogar Abschiebungen nach Afghanistan durchführen wollte und seine Partei der Evakuierung von Ortskräften im Bundestag widersprach.

Nun tut er so, als gehöre er gar nicht zur CDU.

 [….] Bereits am Sonntagabend hatte Laschet einen Forderungskatalog präsentiert. "Handeln jetzt, ohne Zögern!", verlangte der CDU-Chef. Wobei man sich fragte, warum Laschet seine Forderungen twitterte - und nicht direkt bei der Kanzlerin, der Verteidigungsministerin, der EU-Kommissionschefin oder dem Vorsitzenden der Unionsfraktion anrief. Die Damen und Herren sind alle Mitglieder seiner Partei und hätten es schon seit Wochen in der Hand gehabt, ohne Zögern zu handeln. [….][….] Laschet [blieb] eine Antwort darauf schuldig, wie die besonders gefährdeten afghanischen Frauen überhaupt nach Deutschland gebracht werden können. Am Montag war noch nicht einmal klar, ob die Luftbrücke nach Kabul lange genug offenbleibt, um alle Deutschen und wenigstens einen Teil der verbliebenen afghanischen Ortskräfte aus dem Land zu bringen. […..]

(Robert Rossmann, 17.08.2021)

Laschet ist moralisch völlig verkommen, erklärte gestern noch, den afghanischen Frauen solle vor Ort (und nicht in Deutschland) geholfen werden.  Wohlwissend, daß das unmöglich ist, verwendet der fromme Katholik reine AfD-Sprache.


Statt Menschen zu helfen, kumpelt Laschet lieber mit den Faschisten und zeigt als engagierter Katholik was ihm Nächstenliebe und Mitleid wert sind: REIN GAR NICHTS!

Im widerlichen Gleichklang mit der AfD sagt Laschet ebenso wie die anderen C-Minister das braune menschenverachtende Mantra „2015 darf sich nicht wiederholen“ auf. Laschet, Söder, Lindner, Klöckner, Strobl, Ziemiak sprechen allesamt brav der AfD nach.

Warum eigentlich? Die Stimmung 2015 war großartig. Das Land kam zusammen, es herrschte eine Welle der Hilfsbereitschaft, die Mühen zur Unterbringung der Flüchtlinge waren eine großes Konjunkturprogramm, das deutschen einen ökonomischen Aufschwung verschaffte und zweifellos braucht Deutschland dringend Zuwanderung. Der Fachkräftemangel im Bau, im Handwerk, in der Pflege ist dramatisch im Jahr 2021.

[….] Es geht schon damit los, dass die Situation von 2015 kaum mit jener von 2021 vergleichbar ist. Eine bis nach Europa reichende "große Fluchtbewegung", wie Laschet es ausdrückte, ist kaum zu erwarten. Während die Syrerinnen und Syrer, die damals um ihr Leben fürchteten, 2015 offene Grenzen bis nach Deutschland überqueren konnten, kommen die afghanischen Schutzsuchenden 2021 gar nicht aus ihrem Land. Und selbst wenn ihnen dies gelänge: Spätestens an der iranisch-türkischen, allerspätestens an der türkisch-griechischen Grenze wäre Schluss. Das weiß Laschet. 


Das Problem greift aber tiefer. Der Satz, den nicht nur Laschet und andere Unionspolitiker, sondern auch AfD-Politiker gern unermüdlich wiederholen, bricht nicht nur die unvergessenen und in der Entstehung hochkomplexen Vorgänge von 2015 auf diesen einen Slogan herunter. Unterschwellig stellt er überdies das tatsächlich Geschehene - die Zuwanderung von Menschen in Not und Todesangst - als rein negatives Ereignis dar. Denn etwas, das sich nicht wiederholen darf, ist eine Gefahr, die es abzuwehren gilt. Wie sehr die von den Rechten betriebene Diskursverschiebung schon fortgeschritten ist, zeigt auch die Wissenschaft. Soziologen aus Bielefeld haben soeben festgestellt, dass die integrationsfeindlichen Einstellungen in der Gesellschaft zugenommen haben. Man habe eine "Kultur der Abwehr" ausgemacht - und zunehmende Abwertung von Geflüchteten.

Nun also Laschet, der angesichts der Bilder vom Kabuler Flughafen zu einer Aussage greift, die vermutlich von Angst getrieben ist: Bloß den Rechten kein Wahlkampfthema bieten! Aber was genau soll sich eigentlich nicht wiederholen? Der humanitäre Kraftakt der Bundesregierung, die Grenzen offen zu halten und Menschen zu helfen, die aus Todesangst ihre Heimat verlassen hatten? Die mehrheitlich positive Reaktion und die spürbare Solidarität in der Gesellschaft? [….]

(Gökalp Babayiğit, 18.08.2021)