Als
ich meine erste eigene Wohnung bezog, wollte ich natürlich wie jeder
Teenager (damals zog man üblicherweise gleich mit 18 oder so von zu
Hause aus und klebte nicht bis man grauhaarig wird noch bei Mami und
Papi) alles mögliche ein bißchen anders machen, als ich es von vorher kannte.
Dazu
gehörte sich ein Konto bei einer sympathischeren Bank als den großen
alten Instituten zu suchen.
Dresdner
Bank und Deutsche Bank hatten schließlich eine zweifelhafte
Vergangenheit in der Nazizeit, machten Geschäfte mit dem
Apartheidsregime in Südafrika.
Grundsätzlich
ließ mich meine Mutter alles machen, aber daß ich von der Deutschen
Bank weggehen wollte, versetzte sie regelrecht in Panik.
Ich
mußte mir eine Menge Geschichten über ihre Bekannten anhören, die
auch dachten sie könnten bei einer anderen kleineren Bank besser
fahren und dann bei der Herstatt-Pleite alles verloren.
In
der Tat war das wenig lustig für diejenigen, die dort ihr Geld
hatten.
Die
Kölner Privatbank hatte in den 1970er Jahren fröhlich mit Devisen
spekuliert und war dadurch 1974 spektakulär pleite gegangen.
Sogenannte
„Goldjungs“ umgingen die damaligen Begrenzungen für
Währungsspekulationen durch Strohmänner und setzten ein gewaltiges
Wachstum der Bank in Gang.
Als
sich der Dollar nicht so entwickelte wie die Kölner Goldjungs
dachten, wuchsen die Verluste rasant an; im Juni 74 entzog die
Bankenaufsicht Herstatt die Bankenlizenz; die Schalter wurden
geschlossen.
Letztendlich
erhielten die Privatkunden durch eine Finanzspritze Hans Gerlings,
der dafür seinen halben Versicherungskonzern verkaufte, bis zu 80%
ihrer Sparkonten zurück.
Aber
schön ist so eine Unsicherheit nicht und natürlich würde man auch
lieber 100% seines eigenen Geldes behalten.
Laut
meiner Mutter sollte ich daher mein Sparbuch weiterhin bei der
Deutschen Bank einrichten. Denn die Deutsche Bank könne gar nicht
pleite gehen; dafür wäre sie zu groß.
Der
Begriff „too big to fail“ war wohl noch nicht erfunden, aber es
war in den 1980ern nicht falsch so zu denken.
Die
Deutsche Bank war im Grunde dasselbe wie die „Deutschland AG“.
Sie war gewaltig groß und hatte überall ihre Finger drin.
Deutsche
Bank-Filialen gab es wie Sand am Meer, in jeder Nachbarschaft.
In
den 90er Jahren betrieb die Deutsche Bank AG über 2.000 Filialen im
Inland und betreute über 10 Millionen Privatkunden.
Es
gab sogar Top-Banker wie Alfred Herrhausen, Vorstandssprecher ab
1985, die ganz angenehme Menschen waren.
Herrhausen
engagierte sich stark für einen Schuldenerlass der
Dritte-Welt-Länder, wollte eine moralische Bankenpolitik, setzte
sich für Transparenz ein.
Irgendwie
absurd, daß die RAF 1989 ausgerechnet ihn ermordete.
Mit
Kopper und Breuer kamen anschließend ganz andere Typen an die Macht
der zeitweilig größten Bank der Welt.
Die
zehn Millionen Privatkunden interessierten nicht mehr, weil sie nur
kleine Spareinlagen boten und dafür relativ viel Personal gebraucht
wurde.
Wer
unter 100.000 DM verdiente, wurde in die „Deutsche Bank24“
ausgegliedert.
Breuer,
der immer nicht nur der größte und mächtigste, sondern auch der
schönste deutsche Banker sein wollte, gönnte die alte
prestigeträchtige Bankleitzahl „X0070000“ nur noch den
Investoren.
Seine
Bank wurde zum größten Devisenhändler des Planeten.
Joe
Ackermann ging im Kanzleramt ein und aus, benutze Merkels
Privataufzug, feierte Geburtstagssausen im Kanzleramt, schob seinen
Manager-Kollegen Millionen zu und verordnete das große
Investmentbanking mit jährlich 25% Rendite.
Da
konnten Oma Kalupke von nebenan und der Student mit seinem
dreistelligen Beträgen auf dem Girokonto nur stören.
Wir
als Privatkunden merken das und sollten das merken.
Erst
die Billig-BLZ, dann wurden die Schalter verkleinert und man sollte
seine Angelegenheiten draußen am Automaten selbst erledigen.
Schließlich
die Filialschließungen.
Was
nervte man da überhaupt rum mit seinen paarhundert, paartausend
Euronen?
Soll
sich die Sparkasse um den Billig-Plebs kümmern.
Die
Filialschließungen begannen im großen Maßstab.
Ackermann
verschob lieber 10- und elfstellige Summen über jugendliche
Investmentgenies in London und New York.
Kleinsparer
stören die Deutsche Bank beim Geldverdienen – die 14 Millionen der
Postbank müssen als Erste gehen.
Für
einen Moment gerät Anshu Jain geradezu ins Schwärmen. "Das ist
ein erstklassiges Unternehmen", sagt er. "Es hat ein
hervorragendes Management und eine starke Marke", ergänzt der
Brite mit den indischen Wurzeln. Bloß dass der Co-Chef der Deutschen
Bank nicht über sein eigenes Haus redet, sondern über dessen
Tochter, die Postbank. Die will er nun bis Ende des kommenden Jahres
loswerden. Jain lächelt unbeholfen, er weiß, dass er die Postbank
anpreisen muss, wenn er dafür Käufer finden will, doch jedes
weitere Argument wirft die Frage auf: Wenn die Tochter so hübsch
ist, warum gibt die Mutter sie dann her?
(Arne
Storn 29. April 2015)
Bekanntlich
endete das Großmannsdenken mit Anshu Jain, Jürgen Fitschen und John
Cryan, die 2015 auch die 14 Millionen Postbank-Kunden abstießen mit
Megaverlusten.
Dabei
hatte Ackermann im Jahr 2011 angekündigt die operativen Gewinne
seiner Bank bei
über 10 Milliarden Euro jährlich anzusetzen.
Im
Jahr 2015 „erwirtschaftete“ die Deutsche Bank stattdessen
einen
Rekordverlust von 6,7 Milliarden Euro.
Ausbaden
sollen es, wieder einmal, die Privatkunden.
Es
werden Filialen geschlossen, Kundenbetreuer der untersten
Gehaltsklassen rausgeworfen.
188
der bundesweit 723 Standorte werden geschlossen, 30 ländliche
Standorte werden in "Finanzagenturen" umgewandelt.
Die
Deutsche Bank will sparen und reagiert nach eigenen Angaben außerdem
darauf, dass immer mehr Kunden Online-Banking nutzen.
Im
Zuge ihres Sparkurses will die Deutsche Bank knapp 3000
Vollzeitstellen wegfallen. [….]
Auch
„meine Filiale“ gegenüber wird nun zugemacht.