Samstag, 3. Juni 2017

Stolz und Protz.



Als was könnte ich mich fühlen?
Hamburger, Deutscher, Europäer, Amerikaner?
Den Großteil meines Lebens habe ich in den ersten drei Gruppen verbracht; zur vierten Gruppe gehöre ich laut meines Reisepasses.

Ich fühle aber keinerlei Veranlassung so eine Zuschreibung überhaupt vorzunehmen. Es ist nicht relevant für mich einer Gruppe zugehörig zu fühlen, in die mich der pure Zufall führt.
Ausgesucht habe ich mir in die DGHS, die GBS, Greenpeace und die SPD beizutreten, weil meine Ansichten eine ausreichend große Schnittmenge mit den Zielen dieser Vereine bilden und ich sie daher unterstütze. Stolz empfinde ich dafür nicht und die Zugehörigkeit ist auch nur ein abstraktes Kriterium für mich, das nichts mit meiner Gefühlswelt zu tun hat.
Hamburger, Deutscher, Europäer, Amerikaner?
Am sympathischsten ist mir das Hamburger-sein, aber ich bin mir bewußt darüber, daß so ein Gefühl vermutlich nur daraus resultiert, daß ich Hamburg am besten kenne. Der Zufallsaspekt ist für mich offensichtlich.
Lebte ich ebenso lange in Wien, Barcelona, Montreal, Vancouver oder Rotterdam, hegte ich sicher ganz ähnliche emotionale Bindungen an die Städte.

Die nationale Ebene hingegen ist für mich viel zu groß, um mich da noch zugehörig zu fühlen.
Eine noch stärkere emotionale Bindung wäre nach der Zugehörigkeit der Stolz.
Hier wird es dann auch schon vollends absurd und droht gefährlich zu werden.

„Die wohlfeilste Art des Stolzes hingegen ist der Nationalstolz. Denn er verrät in dem damit Behafteten den Mangel an individuellen Eigenschaften, auf die er stolz sein könnte, indem er sonst nicht zu dem greifen würde, was er mit so vielen Millionen teilt. Wer bedeutende persönliche Vorzüge besitzt, wird vielmehr die Fehler seiner eigenen Nation, da er sie beständig vor Augen hat, am deutlichsten erkennen. Aber jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er stolz sein könnte, ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er gerade angehört, stolz zu sein. Hieran erholt er sich und ist nun dankbarlich bereit, alle Fehler und Torheiten, die ihr eigen sind, mit Händen und Füßen zu verteidigen.
(Arthur Schopenhauer)

Vorhin grübelte ich wie eigentlich das Antonym zu „Patriotismus“ lautet.
Ich bin nämlich so gar kein Patriot und kann für patriotische oder gar nationale Gefühle (gegenüber Deutschland ODER Amerika) einfach kein Verständnis aufbringen.
Auch das Wort „Stolz“ liegt mir nicht. Insbesondere könnte ich keinen Stolz auf eine Nation empfinden, da ich Stolz immer mit einer eigenen Leistung verbinde.
Was aber ist weniger ein eigener Verdienst als der Zufall wo man geboren wurde?
Wie nennt man aber nun Menschen, die keine Patrioten sind?
Im Zweifelsfall googlen. Eine Internetsuche spuckt folgende Begriffe aus:

Vaterlandsverräter, Fahnenflucht, Verrat, Unzufriedenheit, Untreue, Falschheit, Wankelmut, Unbeständigkeit, Perfidie, Nestbeschmutzer, „Jemand der sich ganz schnell verpissen sollte. Er mag sein Land nämlich nicht“, Landesverräter, Idiot, Zecke,..

Nun bin ich noch unpatriotischer, nachdem ich sehe welche Konnotationen aktiviert  werden, wenn man Menschen nach dem Gegenteil von Patriotismus fragt.
Das Abstoßende am Patriotismus ist also nicht nur das penetrante Sich-mit-fremden-Federn-schmücken, sondern die mehr oder weniger latent damit einhergehende Abwertung anderer Nationen, bzw der Nicht-Patrioten im eigenen Land.
Es stimmt eben, daß die Grenzen vom Patriotismus zum Nationalismus fließend sind und Letzterer ist einer der destruktivsten Ismen, den die Menschheit hervorgebracht hat.

Immer wenn die Patriotismuskarte gespielt wird, folgt etwas Ekelhaftes. (…….)

Stolz kann klammheimlich gefühlt werden und befindet sich damit auf der irrationalen Ebene, wo er hingehört.

Wäre ich beispielsweise während des zweiten Weltkrieges in irgendeiner Form für eine deutsche Rüstungsfabrik tätig und wüßte von heimlichen Widerständlern, die Brot statt Schwarzpulver in die Munitionskapseln stopfen und müßte anschließend Speers Rüstungsministerium von erneuten Produktionsfehlern berichten, empfände ich „klammheimlichen Stolz“.
Es ginge schließlich in mehrfacher Hinsicht um Leben und Tod. Da gäbe es echte Gründe für das „Gefühl“ des Stolzes.

Stolz wird üblicherweise positiv konnotiert.
In Naturdokumentationen fällt mir der Gebrauch des Adjektivs auf; da verkündet die Stimme aus dem Off, der Löwe oder der alte Elefantenbulle wäre ein “stolzes Tier“. Natürlich ist auch der amerikanische Wappenvogel, der Weißkopfseeadler „ein stolzes Tier“.
Man sagt das voller Bewunderung. Eine Ringelnatter oder ein Manati würde nicht als „stolz“ bezeichnet werden.
Das zeigt auch schon die ganze Idiotie dieser vermenschlichten Sicht auf die Fauna. Ein Familienhund, der sich möglichst menschlich benimmt, wird genau dafür gemocht.
So eine Tierliebe enthält aber eine gehörige Portion Selbstbeweihräucherung; man schätzt das was einem ähnlich ist. Daher identifiziert man sich auch eher mit dem jagenden Löwen an der Spitze der Nahrungskette als mit einem Wattwurm.

Stolz ist meistens schädlich oder zumindest blöd. Gelegentlich ist er aber auch eine harmlose Angelegenheit. Papa ist stolz auf seinen Filius, wenn dieser in der Schule eine „1“ bekommt. Dahinter steckt letztendlich die emotionale Zuneigung eines Elternteils für seinen Nachwuchs. Harmlos, aber biologisch wichtig.

Noch schlimmer als der bloße Stolz ist der Protz.
Hier wird es endgültig gaga.
Durch Protz bringt man nicht nur den ungerechtfertigten Stolz auf irgendetwas zum Ausdruck, sondern versucht daraus auch noch Anerkennung zu generieren, sowie andere abzuwerten.

Im Ausland mit deutschen Nationalfahnen rumzulaufen, ist für mich Protz und somit abscheulich.
Dicke, schlaffe Männer, die in schwarzrotgold gehüllt eine deutsche Sportmannschaft bei internationalen Meisterschaften begleiten, sind solche Nationalprotzer.
Sie sind stolz auf eine Leistung, die keineswegs ihre eigene ist und wollen dies auch noch möglichst auffällig anderen unter die Nase reiben. Gaga.

Noch widerlicher ist der Protz mit Reichtum, wie ihn der Millionenerben Donald Trump in seinem goldenen Turm zelebriert.

Nein, ich bin nicht so links, daß ich grundsätzlich etwas gegen Reichtum habe. Wer reich ist, insbesondere derjenige, der sich das selbst erarbeitet hat, darf sich natürlich auch etwas Schönes kaufen und es genießen. Immerhin bringt er das Geld auf diese Weise in den ökonomischen Kreislauf und tut auch etwas Gutes.

Mir persönlich läge aber eine teure mechanische Stahl-Armbanduhr viel mehr als ein zu offensichtlich wertvolles Ding mit Edelsteinbesatz aus Gold.
Ich hätte lieber einen Anzug in hervorragender Qualität als den mit dem  ersichtlichen Marken-Emblem.

Noch abstoßender ist Protz, wenn er wie beim Nationalstolz durch reinen Zufall entsteht.
Reiche Kinder, die mit der Kohle ihrer Eltern angeben.


So etwas gibt es nicht nur in Amerika, sondern auch in Deutschland.
„Rich Kids Of Germany“ nennt sich ein Instagram-Account, auf dem die kleinen Krösus-Bratzen mit ihren teuren Luxusartikeln rumprahlen.

 [….] Champagner zum Frühstück, mit dem Privatjet zum Shoppen, die Rolex am Arm – so  protzte bisher vor allem der Millionärsnachwuchs in Amerika. Doch jetzt  ziehen auch in Deutschland die Kinder der Superreichen nach.
Auf dem  Instagram-Profil „Rich Kids Of Germany“ wird gezeigt, wie sie die Kreditkarte ihrer Eltern zum Glühen bringen. [….]  auf dem Instagram-Account „The Rich Kids of Germany“  wird  das  Luxusleben zwischen Sylt und München genauso dekadent wie in Amerika gezeigt.   [….]

Das ist nicht nur zum Mitschämen, sondern in einem Ausmaß unsympathisch, wie man es sonst nur von Trump kennt.

Zum Glück – DANKE LIEBER DARWIN – bin ich gegen so etwas doppelt abgesichert, indem ich weder reich bin, noch Kinder habe.