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Samstag, 23. August 2025

Wenn die Richtigen sterben – Teil II

Na schön, besonders freundlich ist es nicht. Aber es gibt Menschen, die durch ihre Bösartigkeit so einen extrem zerstörerischen Einfluss auf den Rest der Bevölkerung haben, daß ihr Tod zum Wohle aller, eine Erleichterung darstellt.

Ich will keine Namen nennen, aber ich denke da beispielsweise an eine bekannten Politiker von Übersee. Ich meine, der golft gern und hat einen gewissen Faible für Herren-Makeup.

(….) Aber möglicherweise setzt ja selbst bei Gott derzeit ein kleiner Erkenntnisprozess ein. Es werden doch auffällig viele prominenten Rassisten und Nazis einkassiert.

Jean-Marie Le Pen starb im Januar 2025.

Der ultrakonservative britische Thatcher-Helfer Norman Tebbit gab am 08.07.2025 den Löffel ab.

Am 16.07.2025 folgte der ultrakonservative Wirtschaftsweise und langjähre IW-Chef Gerhard Fels Tebbit ins Grab.

Felix Baumgartner krachte am 17.07.2025 final auf den Boden, am selben Tag tat auch Udo Voigt, langjähriger NPD-Chef seinen letzten braunen Atemzug

Nur einen Tag später sattelte der erzreaktionäre schwulenhassende Pariser Kardinal Vingt-Trois die Hühner.

Am 19.07.2025 fuhr Edwin Feulner, der rechtsextreme langjährige Chef und Gründer der Heritage Foundation, in die Hölle hinab.

Hulk Hogan starb am 24.07.2025.

Heute kratzte der Neonazi und Holocaustleugner Horst Mahler ab.

So kann es weitergehen. (…..)

(Wenn die Richtigen sterben, 27.07.2025)

Nun kann ich fröhlich den Namen des evangelikalen James Dobson dieser Liste hinzufügen, ein ultrafanatischer, rechtsradikaler, heuchlerischer Schwulenhasser, der in diesem Blog schon ewig bekannt ist. Seit Jahrzehnten bespielt er zusammen mit seinem homosexuellen Kumpel George Rekers die radikal homophobe Szene.

(…..) Ein schönes Beispiel für so einen Megaheuchler ist mein Christ des Tages XXII.
Es handelt sich um Prof. George Alan Rekers.
In den USA ist er bekannt als Mitbegründer des schwulenfeindlichen 'Family Research Council', sowie als Mitbegründer der 'National Association for Research and Therapy of Homosexuality' (Narth), die sich der 'Heilung' Homosexueller verschrieben hat.


Seit Jahrzehnten ist George Alan Rekers ein General im Kulturkrieg, auch wenn seine Arbeit meist hinter den Kulissen stattfand. 1983 gründet er mit James Dobson, dem bekanntesten Homophoben Amerikas, den Familienforschungsrat, eine in Washington D.C. situierte, fanatisch christliche und vehement antischwule Lobbygrupe, die zum Bannerträger der extremen Rechten der Nation wurde. Ihr jährlich stattfindendes Werte-Gipfeltreffen wird als Bewährungsprobe für Hoffnungsträger der republikanischen Präsidentschaftsanwärter angesehen.
Er beeinflusste auch die US-Regierung, indem er eine Beraterrolle beim Kongress, dem Weißen Haus und dem Bundesministerium für Gesundheit einnahm und sich als Kronzeuge für das Adoptionsverbot für Homosexuelle in Florida aussprach. Als ehemaliger Forscher der Harvard University und angesehener Professor für Neuropsychiatrie an der University of South Carolina, hat Rekers Hunderte von Papieren und Büchern publiziert, die Titel tragen wie „Wer bin ich? Der Herr und heterosexuell aufwachsen: Was Familien über Homosexualität wissen sollten.“
(hpd)


Ihm ging es wie so vielen, homophoben GOP-Politikern („Gay Old Party“) und prominenten evangelikalen Moral-Aposteln: Er flog damit auf, daß er genau das, was er am meisten bekämpfte selbst am eifrigsten betrieb.  (….)

(Der Christ des Tages XXII, 18.11.2010)

Man kann es nicht anders sagen; Dobson war schon ein besonders perfides mieses Arschloch, das bedauerlicherweise 89 Jahre Zeit hatte, sein Gift auf der Erde zu versprühen. Das tat er leider nicht im stillen Kämmerlein, sondern war extrem einflussreich.

[….] Dobson was a fixture in conservative US politics for decades and most recently served on Donald Trump's advisory board for evangelical affairs.

The ministry he founded, Focus on the Family, is one of the largest in the world, with a presence in nearly 100 countries.  As well as Trump, Dobson advised three other Republican presidents: Ronald Reagan, George H W Bush, and George W Bush.

Born in Louisiana in 1936, Dobson founded Focus on the Family in 1977, with the stated mission of affirming "the God-ordained institution of the family".

His radio program was eventually broadcast by 4,000 radio stations across North America.  He published his first of more than 70 books - Dare To Discipline, which advocated for strict parental authority and corporal punishment - while working as an associate clinical professor of paediatrics at the University of California School of Medicine.

Gary Bauer of the Dr James Dobson Family Institute described the organisation's founder as a "pioneer" and "a man of deep conviction whose voice shaped the way generations view faith, family and culture".

While he never ran for public office, Dobson was considered extremely influential in conservative political circles in the US.

He founded the Family Research Council in 1981, a think-tank that advocates for socially conservative causes, and coordinated state-level lobbying organisations across the country.  Following news of his death, Family Research Council president Tony Perkins said that Dobson's "legacy will be lasting".   [……]

(BBC, 21.08.2025)

Man kann gar nicht ermessen, wie viel Leid und Unglück der Christ Dobson über die Welt brachte, wie viele Familien er zerstörte. Vermutlich hat er Myriaden queere Menschen in Depressionen und Suizid gestürzt.

[….] Queer­feindlicher Aktivist James Dobson gestorben.

Trump-Berater James Dobson machte jahrzehntelang Stimmung gegen queere Menschen. Er warf ihnen etwa vor, Kinder zu missbrauchen und für Massenschießereien verantwortlich zu sein. [….] Der einflussreiche evangelikale US-Aktivist James Dobson stellte queere Menschen jahrzehntelang als moralisch minderwertig sowie als Gefahr für die Gesellschaft und das Wohlergehen von Kindern dar. [….] Dobson bezeichnete Homosexualität regelmäßig als "unnatürlich", "abnormal" und "Sünde". In seinen Büchern und Radiobeiträgen warnte er Eltern, dass Kinder durch "falsche Erziehung" oder "verwirrte Geschlechterrollen" homosexuell werden könnten. Er warnte auch davor, dass die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtlicher Paare "die Familie vernichten" und "die Gesellschaft ins Chaos stürzen" würde. [….] Dobson machte Homosexuelle für viele negative gesellschaftliche Entwicklungen verantwortlich.  So behauptete er mehrfach, dass Massenschießereien in den USA eine Folge der Akzeptanz queerer Menschen seien. Der Grund: Schwule und Lesben würden erstens die Familie "vernichten" und zweitens den christlichen Gott erzürnen. 2012 sagte er etwa, dass eine Schießerei an der Sandy-Hook-Grundschule in Connecticut eine göttliche Strafe seien, weil Homosexuelle heiraten dürften. Beim dem Amoklauf starben 28 Menschen, darunter 20 Kinder. [….]

(Queer.de, 22.08.2025)

„Queer-feindlicher Aktivist“ erscheint mir als erheblich zu euphemistische Beschreibung für so einen destruktiven Sadisten.

Freitag, 8. August 2025

Undenkbar, unerklärbar, unfassbar

Seit Jahren denke ich immer öfter; schreibe es auch gelegentlich in diesem Blog: Wenn meine Mutter, Polit-Junkie, Außenpolitik-Spezialistin, die ihre USA so sehr liebte, daß sie körperliche Qualen litt, als George W. Bush durch seine sagenhafte Borniertheit das Land in den außenpolitischen Abgrund führte und die überglücklich war, als „ihr Amerika“ im Herbst 2008 gewann, indem es das Traumpaar Michelle und Barack Obama ins Weiße Haus schickte, heute plötzlich wieder zum Leben erweckt würde.

Wenn der liebe Gott sie zurück zu mir schickte.

Wenn ihr Tod während der Obama-Präsidentschaft, wie bei Bobby Ewing damals, nur ein blöder Traum war.

Dann würde sie mich sicher als erstes fragen, was außenpolitisch so los war, wie sich Obama noch so gemacht hätte und wer jetzt US-Präsident ist.

Wie soll ich dann die Wahl von 2016 erklären? Die Impeachments? Die Insurrection und die Wiederwahl des orangen Zerstörers 2024?

Michael J. Fox reiste in „Zurück in die Zukunft“ von 1985 ins Jahr 1955, wo man ihn interessiert fragte, wer in 30 Jahren Präsident sei. „Ronald Reagan? Der Western-Schauspieler?“ Das klang dann aber doch zu unglaubwürdig, um wahr zu sein.

Aber den stammelnden Wortsalat-Lügenbaron mit den vollgeschissenen Windeln, der in seinen vielen Vergewaltigungsprozessen einschläft, sich die Fratze mit oranger Clownsschminke vollschmiert, ein totes Frettchen auf seinen Kopf klebt und damit prahlt, wie er Mädchen an die Muschi grabscht? Wie soll ich meiner Mutter das erklären, ohne daß sie die Männer im Weißen Kittel ruft, um mich einweisen zu lassen?

Ihr „Du willst mich wohl auf den Arm nehmen?!“ kann ich förmlich hören.

Wir könnte sie mir auch glauben, wenn ich erzähle, daß Trumps wichtigster Berater ein südafrikanischer Drogensüchtiger war, der 14 Kinder in vitro zeugte und in Washington zackig „Sig Heil“-gestikulierend den Hitlergruß zeigt? Daß Trumpmerica aus nahezu allen wichtigen internationalen Abkommen und Organisationen aussteigt; die WHO, genau wie USAid oder das Pariser Klimaschutzabkommen in die Tonne tritt.

Aber auch die Schulbehörde einstampfen lässt, Abtreibung kriminalisiert und einen erbitterten Kampf gegen die US-Universitäten führt?

Wie meine Mutter glotzen würde, wenn ich ihr sage, der US-Gesundheitsminister ist ein irrer Heroin-Junkie, der seine erheblichen kognitiven Probleme mit den verkalkten Überresten eines abgestorbenen Schweinebandwurms in seinem Gehirn erklärt und alles dafür tut, um Kinderlähmung und Masern in den USA zu verbreiten.

[….] Die Entwicklung von mRNA-Impfstoffen gegen Atemwegserkrankungen soll in den USA künftig keine öffentliche Förderung mehr erhalten. Das kündigte das Gesundheitsministerium von Minister Robert F. Kennedy Jr. am Dienstag an. Der als Impfskeptiker bekannte Politiker will demnach knapp 500 Millionen US-Dollar an bereits zugesagten Bundesmitteln für die Entwicklung neuer mRNA-Impfstoffe gegen Krankheiten wie Covid-19 und Grippe streichen. In einem am Dienstag in sozialen Medien veröffentlichten Video begründete Kennedy seine Entscheidung mit mehreren Falschaussagen. So behauptete er fälschlicherweise, dass mRNA-Impfstoffe nicht gegen Atemwegserkrankungen schützen würden, dass sie Viren zur Evolution trieben und eine einzige Mutation eines Virus dazu führen würde, dass die Impfstoffe ineffektiv würden. Nichts davon trifft zu.

Kennedy agiert seit Längerem gegen mRNA-Impfstoffe. Erst im Mai machte er einen Vertrag über 600 Millionen US-Dollar mit der Firma Moderna rückgängig, die mit dem Geld einen mRNA-Impfstoff gegen die in den USA grassierende Vogelgrippe entwickeln sollte.   […..]

(Christina Berndt, 06.08.2025)

Sie würde mir doch kein Wort glauben, wenn ich erzähle, daß tausende Bücher aus den US-Schulen, sowie über hundert Wörter von den Regierungswebsites verbannt wurden; darunter:

·        advocate

·        anti-racism

·        bias

·        biased

·        Black

·        breastfeed + people

·        clean energy

·        climate crisis

·        climate science

·        disabilities

·        disability

·        discriminated

·        ethnicity

·        female

·        females

·        feminism

·        gender

·        Gulf of Mexico

·        hate speech

·        immigrants

·        inclusion

·        injustice

·        LGBT

·        mental health

·        minorities

·        pronoun

·        sexual preferences

·        transgender

·        transsexual

·        trauma

·        traumatic

·        victim

·        women

·        women and underrepresented

Ich kann doch nicht ansatzweise glaubhaft machen, daß die US-Umweltbehörde EPA Treibhausgase nicht mehr als gesundheitsschädlich eingestuft.

Wie lächerlich mache ich mich, wenn ich das Folgende referiere?

[….] Bloß weg mit den unbequemen Wahrheiten

US-Präsident Trump versucht, den Klimawandel mit aller Macht zu ignorieren. Dafür lässt seine Regierung nun wohl sogar einen Nasa-Satelliten zerstören. Ein deutsches Projekt will wichtige Daten retten.   [….] Nun hat Washington die Weltraumbehörde Nasa angewiesen, ihre zwei großen Satellitenmissionen zum Überwachen klimaschädlicher Treibhausgase abzubrechen.

Die beiden sogenannten »Orbiting Carbon Observatories« messen aus dem All die Konzentration von Kohlendioxid (CO₂) und das Pflanzenwachstum rund um den Globus. Ihre Messgeräte sind teils an der Internationalen Raumstation angebracht, teils an einem eigenen Satelliten, der zerstört würde, wenn die Nasa die Mission aufgäbe.

Die Technik beider Missionen ist laut den Berichten auf dem neuesten Stand und würde den beteiligten Wissenschaftlern zufolge voraussichtlich noch viele Jahre lang funktionieren. Eine Prüfung der Nasa im Jahr 2023 ergab, dass die Messdaten von außergewöhnlich hoher Qualität waren und empfahl, die Missionen für mindestens drei Jahre fortzusetzen.

Dass die Trump-Regierung sie trotzdem plötzlich aufgeben will, legt den Schluss nahe: Washington will verhindern, dass die Informationen zur CO₂-Konzentration und dem Wachstum von Pflanzen weiter erhoben und veröffentlicht werden. [….]

(SPON, 08.08.2025)

Könnte sie mir glauben, daß Trump die US-Chefstatistikerin Erika McEntarferfeuern lässt, weil sie kompetent ist und die Wahrheit über die Arbeitslosenzahlen ausspricht? Töte den Boten – ernsthaft in den USA 2025?

Natürlich müsste ich meiner Mutter auch irgendwie verklickern, daß der oberste Verfassungshüter der USA aktiv die Verfassung, Gewaltenteilung und das Recht abschafft.

[….] Die US-Verfassung gilt als eines der wichtigsten Dokumente der Demokratiegeschichte. Als erste moderne Demokratieverfassung prägt sie bis heute das Verständnis von Gewaltenteilung, Grundrechten und Rechtsstaatlichkeit. Sie ist nahezu unantastbar: Änderungen erfordern eine Zweidrittelmehrheit im Kongress und die Zustimmung von drei Vierteln der Bundesstaaten.

Doch was, wenn dieses Dokument plötzlich manipuliert erscheint – und das unter einem Präsidenten, der den Rechtsstaat regelmäßig offen infrage stellt?

Genau das ist nun geschehen. Die US-Verfassung wurde digital verändert. Ausgerechnet in einer politischen Phase, in der Trump und seine Vertrauten offen gegen eben dieses Grundrecht Stimmung machen.

Anfang August fehlte auf der offiziellen Website der Library of Congress plötzlich der Absatz der US-Verfassung, der das Recht auf gerichtliche Überprüfung einer Inhaftierung garantiert: das sogenannte Habeas-Corpus-Prinzip. Der Passus schützt vor willkürlicher Inhaftierung und zählt zu den ältesten rechtsstaatlichen Prinzipien der USA.

Konkret fehlte laut "Rolling Stone" folgender Satz aus Artikel 1, Abschnitt 9: "Das Privileg des Habeas-Corpus-Befehls darf nicht aufgehoben werden, außer in Fällen von Rebellion oder Invasion, wenn die öffentliche Sicherheit dies erforderlich macht."  [….]

(Watson, 07.08.2025)

Das ist so komplett irre, daß ich es selbst nicht glauben kann.

Wie soll meine Mutter mir den US-Präsidenten glauben, der voller Stolz Recht und höchste Richter missachtet? Missliebige Richter verhaften lässt und einen Lynch-affinen Mordmob gegen Staatsanwälte losjagt?

[…] Elena Kagan ist bekannt dafür, dass sie mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg hält. […] Jetzt hat sich die streitbare Oberste Richterin zum politischen Geschehen im Land geäußert, und zwar überraschend deutlich. Auch wenn sie keine Namen nannte, war doch klar, dass sie den Präsidenten und seine Helfer in Regierung und rechten Internetforen meinte.

Bei einer Juristenkonferenz im kalifornischen Monterey beklagte Kagan vor zwei Wochen, dass nichts weniger als die Unabhängigkeit der Justiz in den USA in Gefahr sei. Durch hasserfüllte Kommentare im Internet zu unliebsamen Gerichtsentscheidungen, durch handfeste Gewaltdrohungen gegen Richter und durch die Missachtung von Urteilen durch die Regierung. Tatsächlich wurden einem Bericht der Washington Post zufolge zwischen März und Mai nicht weniger als 197 Richter in den Vereinigten Staaten persönlich bedroht – mehr als doppelt so viele wie im gesamten halben Jahr davor.

Wenn Richter sich nicht mehr sicher fühlen

Im Land geschähen „beängstigende Dinge“, sagte Richterin Kagan. „Richter müssen aber in der Lage sein, das zu tun, was ihre Pflicht ist: Recht zu sprechen nach bestem Wissen und Gewissen“ – ohne Angst um Leib und Leben. Kagans mahnende Worte waren nicht die ersten vom Obersten Gericht. Auch der Chef des Supreme Court, der konservative Oberste Richter John Roberts, hat bereits vor zunehmenden Nachstellungen gegenüber Richtern gewarnt. Doch war es der bisher deutlichste Verweis für die Trump-Regierung. Der ranghöchste Demokrat im Justizausschuss des US-Repräsentantenhauses, Jamie Raskin, griff Kagans Warnungen jetzt auf: „Die richterliche Unabhängigkeit ist in Gefahr, wenn Richter sich nicht mehr sicher fühlen.

Tatsächlich sind es nicht nur Drohungen – so beängstigend und in manchen Fällen auch gefährlich sie sind –, die die Arbeit von Richtern in den USA behindern. Fast sofort nach ihrem Amtsantritt hat die Trump-Regierung eine beispiellose Einschüchterungskampagne gegen die unabhängige Justiz des Landes begonnen, angefangen mit Posts des Präsidenten in seinem eigenen Social-Media-Kanal gegenüber Richtern, über offizielle Beschwerdeschriften des Justizministeriums gegen einzelne US-Richter, bis hin zu Klagen gegen ganze Gerichte.

Im Mai sprach Trumps enger Berater Stephen Miller sogar von „juristischer Tyrannei“ nach einem für die Regierung negativen Gerichtsurteil. Laurie Levenson, Rechtsethikerin an der eher konservativen Loyola Law School in Los Angeles, nennt das Vorgehen der Regierung einen „Blitzkrieg gegen das Justizsystem und die Richter“.

Tatsächlich laufen wegen der zahlreichen umstrittenen Anordnungen des Präsidenten mehr als 300 Klagen. Und in den meisten Fällen, so eine Übersicht der Stanford University, ergehen richterliche Entscheidungen bisher gegen die Regierung. Doch das alles ficht Donald Trump und seine Administration nicht an. Im Gegenteil.

Die Regierung missachtet Urteile – und das wohl kalkuliert

Erst vergangene Woche hat Justizministerin Pam Bondi offiziell Untersuchungen wegen angeblichen Fehlverhaltens des Bundesrichters James Boasberg eingeleitet. Das ist der Richter, der im März die Massenausweisung von 261 Venezolanern und Salvadorianern aus den USA und deren Verlegung in ein berüchtigtes Gefängnis in El Salvador per einstweiliger Verfügung verhindern wollte. […] Im Gegensatz zu ihren Vorgängern, die stets auf die Unabhängigkeit des Justizministeriums vom Weißen Haus geachtet haben, erweist sich die Republikanerin Bondi als willfährige Helferin Trumps bei seinem Feldzug gegen die US-Justiz, von der er sich stets – aber besonders nach seiner ersten Amtszeit – zu Unrecht verfolgt sieht. […]

(Reymer Klüver, 06.08.2025)

Donnerstag, 20. Februar 2025

Von der Autokratie in die Religion.

Schon in seiner ersten Amtszeit, Januar 2017 – Januar 2021, begann die Metamorphose des politischen Trumpismus zu einem messianischen Kult, welcher der Realität immer mehr entrückte. Je mehr man sich den Absurditäten des Mar A Lago-Palastes unterwarf, je mehr man bereit war, seine Ratio zu opfern, desto angesehener wurde man in den Augen des golfenden orangen Abgottes. Seine Jünger lassen es sich durch ihr Opfer (Aufgabe ihrer Aufrichtigkeit) etwas kosten, ihm zu gefallen.

(…..) Ich war noch nie Pfau oder unechte Korallenschlange, aber das Prinzip der „kostspieligen Signale“ ist mir aus der jahrzehntelangen Betrachtung von Religionen und Kulten wohl bekannt.

Man unterstreicht seine Zugehörigkeit zu einer Sekte, indem man etwas sehr „kostspieliges“ opfert. Das kann mit großem Aufwand, Schmerzen, Enthaltsamkeit oder aber auch ganz profan finanziellen Opfern verbunden sein.

Ein Guru/Priester/Cult-Leader wäre für seine Jünger weniger überzeugend, wenn er seine Lehre anstrengungslos verträte.

Es wäre schließlich nichts Besonderes Katholik zu sein, wenn man masturbieren, verhüten und sonntags ausschlafen könnte wie alle anderen auch.
Man muss dem Kult diese Anstrengung opfern, um die anderen Gläubigen zu signalisieren dazu zu gehören. Nur so stellt sich das Gefühl der Exklusivität ein.

Und das ist schließlich der Kern eines jeden religiösen Kultes: Wir sind besser als die.

Daraus speist sich das wohlige Gefühl mehr als die anderen zu dürfen, mehr wert zu sein, im Recht zu sein, nicht zweifeln zu müssen.

Die religiösen Führer müssen noch mehr als gewöhnliche Mitglieder opfern, um glaubhaft zu sein.  Daher gibt es den katholischen Zölibat, daher sitzen Gurus auf Nadelbrettern, fasten Imame  - ganz zu schweigen von den 613 Mizwot-Regeln der Juden.

[…..] Heute  gibt  es  keine  Menschenpopulation,  in  deren  Mitte  nicht  kostspieliges, religiöses Verhalten auftritt. Neuere interdisziplinäre   Forschungen, beispielsweise im Rahmen des Netzwerks der Evolutionary Religious Studies, haben in den letzten Jahren ein völlig neues Bild der   konvergenten und „biologischen“ Emergenz  von  Religiosität  entstehen  lassen. Der gemeinsame Glaube an übernatürliche  Akteure, die soziales  und insbesondere sexuelles Verhalten beobachtend, belohnend und bestrafend geglaubt werden, stiftet unter den Glaubenden Vertrauen und  damit  Kooperationschancen. Die Einforderung kostspieliger Signale (wie  Rituale, Ge- und Verbote) wehrt  Trittbrettfahrer ab. […..] Im Zentrum der  religiösen Vergemeinschaftung steht dabei neben dem Überleben  insbesondere die Reproduktion. […..]

(Michael Blume 2008)

Es ging ursprünglich um biologische Grundtriebe wie Fortpflanzung und Fressen, bei denen die Zugehörig zu einem Kult helfen kann.

Heutige Gläubige wählen gern für Außenstehende besonders absurd und anstrengende, jedenfalls aber sinnlose Beweise für ihre Treue zum Kult. Pilgerfahrten, die Hadsch, Geißelungen, Bußgürtel und Fasten sind Beispiele für kostspielige Signale.

Schon seit Beginn seiner Amtszeit sehe ich Trump-Anhänger weniger als politische Gruppe, denn als Kult an. (….)

(Kostspielige Signale, 23.07.2020)

Die Republikaner waren unter GWB eine ideologische, interventionistische Neocon-Partei, die neben ihren absurden steuerpolitischen Trickle-Down-Prinzipien, durchaus auch außenpolitischen Wertvorstellungen frönte. Wertvorstellungen, die ich rundherum ablehnte und für gefährlich hielt. Wertvorstellungen, die im Nahen Osten und am Hindukusch massiven Schaden anrichteten; die das Ansehen der USA international schwer beschädigten. Wertvorstellungen, die aber berechenbar waren. Wäre GWB im Januar 2002 wirklich an seiner „deadly pretzel“ erstickt, hätte es unter seinem Nachfolger Dick Cheney keine außenpolitischen Veränderungen gegeben. Die Top-Republikaner von damals (Cheney, Rumsfeld, Gates, Rice, Powell, Hastert, Frist) hätten den Irak oder die EU genauso behandelt, wie GWB, weil sie von der (falschen) Politik überzeugt waren. Mehr noch; hätte GWB über Nacht seine Meinung geändert und Saddam Hussein plötzlich als engsten Freund begrüßt oder wäre nach Nordkorea geflogen, um vor Kim Jong Il zu salutieren, hätten die anderen Republikaner laut aufgejault, ihren Chef heftig kritisiert, womöglich zu stürzen versucht.

20 Jahre später sieht das ganz anders aus. Für die GOP gibt es weder fiskalische, noch ökonomische, oder gar außenpolitische Überzeugungen. Das gesamte politische Grundgerüst wurde von der orangen Qualle und seiner 77 Millionen Airbrain-Fußtruppe weggeätzt. Nun warten Trumpanzees lediglich auf den neuesten irren Hirnfurz ihres golfenden Messias, um ihn Papagei-artig nachzuplappern. Je absurder, desto besser. Denn indem man bereit ist, sich für den orangen Cult-leader lächerlich zu machen, zeigt man seine Opferbereitschaft.

Der Trumpismus ist keine politische, sondern eine religiöse Ideologie. Das war schon 2017-2021 mehr als offensichtlich:

[…..] Es macht keinen Sinn sich wie die Anhänger des Opus Dei selbst zu geißeln, sich die Neunschwänzige zum Gefallen Gottes auf den Rücken zu knallen, einen Bußgürtel mit nach innen gerichteten rostigen Stacheln zu tragen, auf Knien tagelang zur Fatima in Portugal zu rutschen, oder auf Knien die unzähligen Stufen zur Schwarzen Madonna von Częstochowa (Tschenstochau) hochzukraxeln. Vier Millionen Katholiken tun es aber dennoch jedes Jahr, weil sie damit in ihrer Gemeinschaft beweisen welche Strapazen sie für den Glauben auf sich nehmen.

In Manila lassen sich Katholiken sogar mit echten Nägeln zu Ostern an ein Kreuz nageln, um Jesus zu ehren.

Derlei Leidensbeweise gibt es in allen Religionen.

Schiiten fügen sich blutige Verletzungen durch Peitschen und Säbel zu, um ihre Zugehörigkeit zum Kult zu demonstrieren. Erst wenn alle blutig sind hören sie auf.

Trumps aberwitzige Lügen zu glauben, ihn kollektiv anzufeuern, auf seinen Rallys in einen Massenwahn zu geraten folgt dem gleichen psychologischen Prinzip.

[…..] Das Si­gnal der kost­spie­li­gen Hin­ga­be schafft ei­nen star­ken Zu­sam­men­halt. Es er­mög­licht Frem­den der glei­chen Fik­ti­ons­ge­mein­schaft, ein­an­der mit Ver­trau­en zu be­geg­nen; und es hält Tritt­brett­fah­rer fern, die nichts bei­tra­gen und im Zwei­fels­fall schnell wie­der weg sind. Un­ter güns­ti­gen Um­stän­den kön­nen auf die­se Wei­se gro­ße ver­schwo­re­ne Grup­pen her­an­wach­sen – und die ge­teil­te Fik­ti­on wird zur his­to­ri­schen Macht.
Da­von pro­fi­tie­ren nicht nur Re­li­gio­nen, son­dern in glei­chem Maß po­li­ti­sche Sek­ten. Denn auch die Be­reit­schaft, ge­gen jede Evi­denz zu lü­gen, ist ein fäl­schungs­si­che­res Si­gnal der Hin­ga­be – je kras­ser, des­to bes­ser.
Ab­sur­de Ge­schich­ten sind in der An­hän­ger­schaft im­mer ge­fragt, und sie ver­brei­ten sich auch noch be­son­ders gut. Das ist kein Zu­fall. Das Un­glaub­li­che er­staunt, es bleibt leicht hän­gen – bes­ter Er­zähl­stoff, so­lan­ge es noch ir­gend­wie stim­mig scheint.
[…..]

(SPIEGEL Nr. 50, 08.12.2018, s.108 ff)

So wenig man einen überzeugten Christen/Juden/Muslimen mit wissenschaftlichen Fakten und klaren Beweisen dazu bringen kann sich aus seiner andere extrem exkludierenden Fiktionsgemeinschaft zu lösen, so sehr ist es auch zum Scheitern verurteilt Impfgegner, Homöopathie-Anhänger, Aldebaraner-Jünger, Soros-Verteuflern, Gauland-Fans oder Trump-Wählern von ihrem offensichtlichen Irrsinn abzubringen. Wer sich die „Beweise“ für eine gefakte Mondlandung oder eine Unterwanderung durch extra-terrestrische Reptilien einmal als Beitrittsgeschenk zu einer Hassgruppe verinnerlicht hat, bleibt auch dabei, weil er die Sphäre des Realen für seinen Glauben verlassen hat. [….]

(Die Trump-Sekte, 26.12.2018)

Im Jahr 2025 wurde Trumps kontrafaktischer Irrsinn zu dem Herrschaftsinstrument schlechthin.

[….] Die Lüge im Autoritarismus hingegen folgt einem anderen, ungleich schädlicheren Muster. Sie zielt einerseits auf die Erschaffung einer Fakerealität ab, die jedes eigene Vorgehen zu rechtfertigen scheint. Gleichzeitig aber ist die Lüge eines der wirkmächtigsten Loyalitätsinstrumente. Und Loyalität ist aus Sicht der Führung im Autoritarismus wichtiger als buchstäblich alles andere.

In dieser Hinsicht ergibt sich besonders aus Donald Trumps offensichtlichen Lügen eine interessante Erkenntnis. Je offensichtlicher die Lüge ist, desto besser eignet sie sich zur Loyalitätsbestimmung. Bei ihm war es in Vorwahlkampfzeiten perfekt nachvollziehbar anhand der großen Lüge der gestohlenen Wahl 2020. Wer bei Trump irgendetwas werden wollte, wer nicht in seinen destruktiven Bannstrahl geraten wollte, musste sich diese Lüge zu eigen machen. Wenn das Publikum sieht, dass jemand eine offenkundige Lüge stützt, ist die implizite Botschaft: Auch ich stelle die Loyalität über die Realität, auch für mich ist die Wahrheit Macht- und Verhandlungssache. »Der Himmel ist grün«, sagt Trump, »der Himmel ist grün«, beten seine Untergebenen (und solche, die es werden wollen) nach. Eine offene, gut erkennbare Lüge in der Öffentlichkeit zu wiederholen, ist die maximale Unterwerfung. Für Außenstehende, Unbedarfte und Radikalisierte ist es zugleich ein weiterer Baustein einer Fakerealität.  [….]

(Sascha Lobo, 19.02.2025)

Wir Linksgrünversifften hängen der politischen Realität weit hinterher, wenn wir immer noch glauben, mit dem Entlarven der Merz-, Söder-, Lindner-, Weidel-, Spahn-Lügen automatisch zu punkten.

Durch den Trumpismus wurde die Lüge an sich, sowohl zu einem Herrschaftsinstrument, als auch Wahlwerbung. Ratio und Faktentreue haben dagegen keine Chance.

Sonntag, 29. Dezember 2024

Gerade noch rechtzeitig.

Seine beiden Amtsnachfolger Ronald Reagan (1911–2004) und George H. Bush (1924–2018) wurden ebenfalls sehr alt, starben aber lange vor ihm – dem ältesten Ex-US-Präsidenten aller Zeiten: James Earl „Jimmy“ Carter Jr. (* 1. Oktober 1924 in Plains, Georgia; † 29. Dezember 2024 ebenda).

Der sehr fromme, liberale und zutiefst bescheidene 39. Präsident der USA war ganz sicher sympathisch und in jeder charakterlichen Hinsicht das diametrale Gegenteil des 45. und 47. Potus. Er setzte auf friedliche Mittel, Ehrlichkeit und Konsens. Möglicherweise fehlte es ihm am Härte. Bekanntlich war der zeitgleich amtierende Bundeskanzler Helmut Schmidt gar kein Fan der Carter-Administration, weil er sich energischeres Handeln und weniger Zweifel aus Washington gewünscht hätte.

Weltweit sind die Redaktionen auf die Todesnachricht vorbereitet, wenn der einst mächtigste Mann der Welt 100 Jahre alt ist. Sie müssen die Nachrufe und Würdigungen nun nur aus den Schubladen holen; dem will ich jetzt angesichts der ultraaktuellen Todesnachricht nicht vorgreifen.

Aber der allgemeine Tenor dürfte klar sein und aus drei Bausteinen bestehen:

 1.) Über die Maßen sympathische Persönlichkeit mit Bilderbuchfamilie und Vorbild-Ehe.

2.) Schwache Präsidentschaft; nicht wiedergewählt.

3.) Bester Ex-Präsident.

Nun ja. Ob es wirklich so schlecht ist, wenn ein US-Präsident vier Jahre lang auf friedliche Mittel, Konsens, sozialen Ausgleich und Verhandlungen setzt? Carters Nachfolger Reagan gilt als größter US-Präsident seit dem Weltkrieg. Viele

halten ihn sogar für den besten US-Präsidenten aller Zeiten.  Er griff durch und wurde mit überwältigen Ergebnis wiedergewählt. Sein Erbe sind die Reaganomics, die bis heute den Zerfall der US-Infrastruktur, die Verarmung und Verdummung der unteren Einkommenshälfte der Amerikaner bedingen. Er führte den Trickle-Down-Wahnsinn ein, der die Superreichen grotesk superreicher werden ließ. Er grenzte aus – insbesondere Schwule und HIV-Positive. Vor allem aber, setzt Reagan auf das Militär, griff immer wieder andere Länder an, bombardierte, mordete und unterstützte massiv antikommunistische Militärdiktaturen, wie El Salvador, die Myriaden ihrer eigenen Bürger abschlachteten. Reagan ließ das US-Militär im Nicaragua auf Seiten der Contras mitmischen, griff Grenada an, ließ im Libanon, Libyen und dem Iran bombardieren, rüstete den Irak massiv auf und förderte den Iran-Irak-Krieg, der allein auf Seiten der von Reagan so gehassten Iraner, eine Millionen Tote verursachte.

Das ist also das, was die Amerikaner und Historiker als den besten Präsidenten ansehen, während Carter, der es zur Abwechslung mal mit friedlichen Mitteln und Mitgefühl versuchte, als „total gescheitert“ gilt.

Als internationaler Diplomat lief Carter aber, nach seinem Amtsausscheiden, zur Höchstform auf, wurde zum bedeutendsten Friedensaktivisten und schließlich 2002 für sein humanitäres Engagement mit dem Friedensnobelpreis geehrt.

Anders als die meisten First Ladys, war seine Frau Rosalynn Carter (* 18. August 1927; † 19. November 2023), mit der er 77 Jahre lang verheiratet war, kein hübsches Modepüppchen, das politisch nichts zu melden hatte, sondern im besten Sinne intellektuell auf Augenhöhe. Er verehrte seine Rosalyn über alle Maßen und nahm sie politisch sehr ernst. Ich habe Jimmy Carter im letzten Jahr nicht persönlich sprechen können, mutmaße aber, daß ihm das Witwer-Dasein nicht gefiel. Seine Familie ließ mitteilen, das Erreichen seines 100. Geburtstages am 01.10.2024 sei ihm weniger wichtiger, aber er wolle unbedingt seine Stimme zur US-Wahl am 05.11.2024 abgeben und dazu beitragen, die erste Frau zur US-Präsidentin zu wählen. Er hielt tatsächlich lange genug durch, um Kamala Harris zu wählen, aber sein Wunsch, sie als Präsidentin gewählt zu sehen, erfüllte sich nicht.

Nicht Präsidentin Harris wird seine Grabrede halten. Stattdessen bricht am 20.01.2025 das absolute Grauen an.

Gerade noch rechtzeitig, bevor Trump als amtierender US-Präsident Einfluss auf die Beerdigung Carters nehmen könnte, reiste Carter heute ab.

Noch mal davon gekommen.

Die lebenden Ex-Präsidenten Clinton, Bush, Obama, sowie der noch amtierende Joe Biden, werden mit Sicherheit zu Carters Ehren erscheinen. Möge der Familie Carter erspart bleiben, daß auch die orange Pest erscheint. Die Hoffnung besteht immerhin, denn Trump kann es nicht ertragen, nicht selbst im Mittelpunkt zu stehen.

Montag, 14. Oktober 2024

Die Guten gibt es nicht

Wie ich vorgestern bereits andeutete, war der vorletzte Pressclub zum Thema Pulverfass Nahost, sehr sehenswert.

Sebastian Engelbrecht vom Deutschlandfunk und Kristin Helberg von der ARD, beide zweifellos kenntnisreiche und seriöse Journalisten, vertraten drastisch unterschiedliche Ansichten zum Thema, was Israel darf und sollte und muss.

Für die einfach gestrickten Geister wird die Diskussion schnell ungemütlich, weil man nicht mehr klar definieren kann, wer Aggressor und wer Verteidiger ist.

In einem Weltkriegsfilm ist das immer so schön einfach: Die Deutschen sind (1939-1945) die Angreifer UND vertreten auch eine extrem toxische Ideologie. Das sind die Bösen. Französische Resistance, polnische Partisanen oder Rote Armee, die sich gegen die genozidal-Christliche DesLoVult-Wehrmacht wehren, sind eindeutig die Guten.

Im amerikanischen Bürgerkrieg 1861-1865 steht man an der Seite der Unionsstaaten gegen die zutiefst rassistischen Konföderierten, die für die Sklaverei stritten.

Im Vietnamkrieg 1955-1975 bezieht man gern Position für die auch von China und der Sowjetunion unterstützte Nationale Front für die Befreiung Südvietnams (NLF, „Vietcong“), weil Amerika mit den Südvietnamesen unfassbare Gräueltaten beging und die USA, ganz anders als zehn Jahre zuvor in Europa, absolut nichts in Vietnam verloren hatten.

Das gilt auch für den Koreakrieg 1950-1953, bei dem sich die USA als koloniale Besatzer gerierten.

Alle Europäischen Kolonialstaaten, christliche Conquistadores und päpstlichen Kreuzfahrer waren Kriegsverbrechermächte; jede regionale Befreiungsarmee hatte Recht und Moral auf ihrer Seite.

Aber die Guten bleiben leider nicht immer die Guten. Außerdem gibt es sehr Böse, die sich einer guten Sache annehmen. Auch Demokratien irren ganz fürchterlich bei der Wahl ihrer Alliierten. So unterstützten USA und CIA massiv von 1980-1988 Saddam Husseins Irak, sowie die Taliban und Mujahedin im Afghanistankrieg 1979-1989. In beiden Fällen marschierten sie einige Jahre nach Ende des Krieges selbst dort ein, um genau diejenigen, die sie aufgerüstet hatten, selbst zu bekriegen.

In beiden Fällen scheitere Washington dramatisch bei der Durchsetzung seiner Kriegsziele – ebenso wie schon zuvor in Korea und Vietnam.

Die ganz simpel gestrickten Geister gönnen George W. Bush die Niederlagen, wegen seiner Hybris und seiner Lügen. Aber die Sieger, die im Land blieben, nachdem die US-Truppen verjagt und die Kämpfe beendet waren – IS, das Kalifat, der Iran, die Taliban zum Beispiel – erwiesen sich als „Frieden in der Hölle“.

 In einem Jahrzehnte währenden Konflikt, wie in Israel und Palästina, haben a) beide Seiten so viel Unmoralisches verbrochen, daß man sie nicht mehr mögen mag. Außerdem sind b) beide Seiten so heterogen, daß eine moralische Parteinahmen ohnehin ausgeschlossen sind.

Bibi Netanyahu, Itamar Ben-Gvir, der Minister für öffentliche Sicherheit, Yitzhak Wasserlauf, der Minister für die Peripherie, Kulturminister Amihai Eliyahu, oder der rechtsextremer Finanzminister Bezalel Smotrich sind echte Verbrecher, die ich nur verachten kann. Das gilt auch für die fanatisch-aggressiven ultraorthodoxen Siedler im Westjordanland, die bis heute das Haupthindernis für den Frieden sind.

Aber den vielen säkularen Israelis in Tel Aviv, die jeden Tag gegen Bibi demonstrieren, den friedensbewegten Kibbuzniks, den jungen Festivalbesucher, die am 07.10.2023 von der Hamas abgeschlachtet wurden, gilt meine ganze Sympathie. Ich wünsche mir nichts mehr, als daß sich ihre Version eines liberalen, demokratischen, queerfreundlichen, technologieaffinen und religionsfernen Staates erfüllt.

Selbstverständlich hasse, verachte und verabscheue ich die Hamas-Kommandeure, die sadistisch, vergewaltigend und ultrabrutal möglichst viele Juden umbringen, weil es ihr religiöses Ziel ist. Diese skrupellose Hamas, die ihre Waffenlager in Schulen und Krankenhäuser legt und sich diebisch über viele tote palästinensische Kinder freut, weil sie damit Propaganda machen. Genauso gilt aber meine Sympathie allen friedlichen palästinensischen Händlern, Bauern und Handwerkern, die von Israelischen Siedlern drangsaliert und vertrieben werden; Myriaden Kindern, die in Gaza von israelischen Bomben zerfetzt werden.

Liebe junge queere Aktivisten und liebe US-Studenten, die nun in Israel die Wurzel allen Übels erkannt haben und ihr Herz für Hamas und Hisbollah entdecken:

Ihr seid echte Vollidioten, die als TikTok-Trottel viel zu verblödet und borniert seid, um irgendetwas beurteilen zu können. Hört Euch bitte genau an, was Bill Maher zu dem Thema Chappell Roan zu sagen hat.

Ich jedenfalls kann nicht pauschal Partei ergreifen für ein Volk oder eine Nation.

So leicht kann ich es mir nicht machen.

[…..] Das deutsche Image in der Welt ist davon geprägt, dass unter der adretten Bach-und-Beethoven-Fassade im 20. Jahrhundert die Bereitschaft von Millionen Bürgern schlummerte, ihre Nachbarn industriell ermorden zu lassen. Das ist der Hintergrund, weshalb manche Deutsche jetzt ganz besonders viel daransetzen, in den Besitz von jüdischen Freunden zu kommen. Zumindest von solchen zum Vorzeigen. Es ist auch der Hintergrund dafür, dass manche Deutsche wie zur Beruhigung eines tief sitzenden – und achtenswerten – Selbstmisstrauens die Entscheidung treffen, „an Israels Seite zu stehen“. Ganz gleich, was geschieht – Augen zu. Im Wissenschaftsministerium von Bettina Stark-Watzinger von der FDP erwog man in diesem Sinne sogar, kritischere Meinungen an Universitäten und Hochschulen zu sanktionieren.

Zugleich bildet diese deutsche Historie den Hintergrund dafür, dass – auf der anderen Seite – viele, sehr viele Landsleute ihre Kritik am Staat der Juden besonders lustvoll üben. In einer Intensität, die nach Obsession aussieht. Subtext: Die da unten in ihrem Judenstaat sind auch nicht besser als unsere Großeltern, also können die ruhig mal aufhören, uns hier mit ihrer vermeintlichen moralischen Überlegenheit zu nerven. „Was der Staat Israel heute mit den Palästinensern macht, ist im Prinzip auch nichts anderes als das, was die Nazis im Dritten Reich mit den Juden gemacht haben“: Dieser dummen, falschen Aussage stimmen in Deutschland 43 Prozent der Befragten zu, wie im vergangenen Jahr eine Befragung der Bertelsmann-Stiftung ergab.

Jüdische Deutsche sind keine Regierungsvertreter Israels. Jüdische Deutsche haften auch nicht für Israels Politik. Dennoch, jüdische Deutsche werden jetzt laufend in Haftung genommen, das haben viele von ihnen in diesem vergangenen Jahr so deutlich gespürt wie noch nie in ihrem Leben. Viele Betroffene halten noch mit Argumenten dagegen. Aber manche sind es allmählich auch leid. Von der deutsch-jüdischen Denkerin Hannah Arendt gibt es den Satz: Wer als Jude angegriffen wird, muss sich als Jude verteidigen. Unter dem Druck der Vorurteile scheinen manche diesen Satz heute für sich abzuwandeln. Etwa so: Wer als Botschafter Israels angegriffen wird, muss sich als Botschafter Israels verteidigen. […..] Einsamer geworden ist es in diesem Jahr dann in dem großen Raum zwischen all diesen zunehmend verhärteten Identitäten. Also unter jenen Menschen, die sich weiterhin zumuten, sich nicht „auf eine Seite“ zu stellen – und zu denen auch viele jüdische und arabischstämmige Menschen gehören, die angesichts ihrer Ratlosigkeit eher noch leiser geworden sind als ohnehin schon. Ein politisches Nachdenken, dessen Ergebnis schon vorab feststeht und das auch auf aktuelle Neuigkeiten nur noch in Nuancen reagiert, wäre natürlich gemütlicher. […..] Wie wenig Applaus es für solche Differenzierung gibt, das heißt: wie wenig dies innenpolitisch gewinnbringend ist, zeigt sich am Beispiel der Bundesaußenministerin Annalena Baerbock von den Grünen. Aus der sogenannten israelsolidarischen Ecke wird sie beschimpft, sie lasse Israel angeblich im Regen stehen – weil Deutschland keine Waffen mehr für Gaza-Bombardements liefert. Aus der sogenannten propalästinensischen Ecke wird sie gleichzeitig für das Gegenteil beschimpft: Sie tanze nach Israels Pfeife – weil sie nicht mit Israel bricht. Es sich in keiner Ecke bequem zu machen, ist heute vielleicht schwieriger denn je. Richtig bleibt es trotzdem.   […..]

(Ronen Steinke, 06.10.2024)

Ich gebe zu, solche Worte gern von einem Journalisten zu lesen, der eine israelische Mutter hat. Denn auch, wenn ich erst ein Jahr einen deutschen Pass habe: Für mich wiegt die deutsche Vergangenheit schwer. Ich gehöre der (schrumpfenden) Fraktion derer an, die der deutschen Außenpolitik äußerste Zurückhaltung bei der moralischen Bewertung der israelischen Sicherheitspolitik empfehlen. Natürlich können und dürfen „wir“ Netanyahu kritisieren, aber wir sollten nicht die ersten und lautesten sein. Und es darf nie in eine Rechtfertigungshaltung hineingleiten; „sieh an, die Israelis sind ja auch nicht viel besser als wir damals im WKII.“ Hier handelt es sich um unvergleichbare Dinge. So schwer es auch einzelnen fallen mag; es gilt immer: Israelkritik Ja! Antisemitismus NEIN!

Nur in einem Aspekt bleibt es einfach: Meine Verachtung gilt voll und ganz dem rechtsradikalen Pascha Friedrich Merz, der das ultrakomplizierte Thema Waffenlieferungen auf primitivste Weise parteipolitisch ausnutzt, um Scholz und Baerbock ans Bein zu pinkeln.

Die Sitzungen des Bundessicherheitsrates sind geheim. Niemand kennt die Bedingungen, die Deutschland an Waffenlieferungen knüpfte. Falls es so sein sollte, wie gemunkelt wird, daß Baerbock und Habeck Garantien dafür verlangten, deutsche Waffen nicht bei völkerrechtswidrigen Aktionen einzusetzen, hatten sie völlig Recht, Herr Merz!

[….] Die Bundesregierung will durch die Zusicherungen, die auch in Lieferverträgen etwa mit der Ukraine enthalten sind, dem Risiko entgegenwirken, dass internationale Gerichte oder deutsche Verwaltungsgerichte im Zuge einer einstweiligen Verfügung Rüstungsexporte nach Israel teilweise oder ganz untersagen. Das Verwaltungsgericht Berlin hatte im Juni in einem Beschluss einen entsprechenden Antrag von Palästinensern aus dem Gazastreifen zwar zurückgewiesen. Diese hatten verlangt, grundsätzlich Lieferungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz zu untersagen. Das Gericht hatte aber ausgeführt, dass die Bundesregierung die „Haltung des Empfängerlandes zu den einschlägigen Grundsätzen der Übereinkünfte des humanitären Völkerrechts“ berücksichtigen und Ausfuhrgenehmigungen verweigern müsse, wenn „eindeutig das Risiko besteht“, dass Rüstungsgüter verwendet werden, um schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht zu begehen. Es hat sich in seiner Argumentation dabei an entsprechende Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs (IGH) in Den Haag angelehnt, wo Nicaragua die Bundesregierung verklagt hatte.

Menschenrechtsanwälte hatten in der vergangenen Woche bereits neue Klagen angekündigt, nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag klargestellt hatte, dass die Bundesregierung Waffen geliefert habe und dies weiter tun werde. „Wir haben Entscheidungen getroffen in der Regierung, die auch sicherstellen, dass es demnächst weitere Lieferungen geben wird“, hatte Scholz auf Kritik von Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) entgegnet. Dieser hatte der Bundesregierung vorgeworfen, seit Monaten nicht die nötigen „Exportgenehmigungen für Munition und Ersatzteile von Panzern“ für die Ausfuhr nach Israel zu erteilen.  [….]

(SZ, 14.10.2024)

Der moralisch verkommene Merz darf niemals Bundeskanzler werden.

Für den islamophoben Egomanen scheint das alles nur ein Spiel zu sein, um die Ampel zu ärgern und um selbst Bundeskanzler zu werden.

Der Mann hat sich – wieder einmal – völlig für das höchste Regierungsamt disqualifiziert. Gerade für Deutschland darf es natürlich nicht völlig egal sein, wie die Lage in Israel ist, Herr Merz!

Wenn eine Regierung wiederholt UN-Blauhelme ermordet, darf schon mal die Frage gestellt werden, ob man sie weiterhin bewaffnen sollte, Herr Merz!

[…..] Mindestens viermal haben israelische Soldaten in der vergangenen Woche UN-Blauhelme angegriffen, sie haben Soldaten aus Sri Lanka von einem Wachturm gebombt und sogar UN-Soldaten beschossen, die in einem Bunker Schutz gesucht haben. Wieder ist eine rote Linie überschritten, wieder werden weltweit „Bedenken“ geäußert. So geht das nun seit einem Jahr: Europa und die USA fordern Israel auf, weniger Zivilisten zu töten, mehr humanitäre Hilfe zu leisten und sich an das Völkerrecht zu halten. Wenig ist passiert, Konsequenzen gibt es keine. Die USA brachten am Wochenende das Kunststück fertig, ihren Sondergesandten Amos Hochstein verkünden zu lassen, dass der Beschuss eines Wohnhauses in der Innenstadt von Beirut „völlig inakzeptabel“ sei – während fast zeitgleich ein Journalist des britischen Guardian die Überreste einer in den USA gefertigten Bombe aus den Trümmern zog, die 22 Menschen tötete.

Man muss wenig Mitleid haben mit den Hisbollah-Kämpfern, die Israel ohne Grund angegriffen haben und nun ihren lang ersehnten Märtyrertod finden. Natürlich darf sich Israel dagegen verteidigen. Doch der Angriff gilt mittlerweile ganz Libanon, die Fehler von Gaza scheinen sich zu wiederholen. Sie werden in Israel gemacht, das offenbar ewigen Krieg sucht, anstatt die berechtigte militärische Selbstverteidigung durch ein Konzept für die Zukunft zu ergänzen. […..] Nun muss auch Israel klargemacht werden, dass Deutschland keine weiteren Waffen in ein Land liefern will, das UN-Blauhelme angreift und kein Konzept vorlegt, wie es diesen Krieg auch wieder beenden wird.  […]

(SZ, 13.10.2024)

Freitag, 2. August 2024

Unprecedented

Ob Kevin Spacey wirklich so übergriffig war, daß es angemessen war, ihn dafür zur Persona Non Grata zu erklären und seine Engagements zu kündigen, weiß ich nicht.

Sicher bin ich mir allerdings über seine Qualitäten als Schauspieler: Der Mann ist überragend gut und daher vermisse ich ihn extrem in der Serie „House Of Cards“.

Das Netflix-Meisterstück mit der verbotenen ikonischen auf dem Kopf stehenden US-Flagge startete im Februar 2013, kurz nachdem Barack Obama wieder gewählt worden war und sich nach den irren George W. Bush-Jahren, die US-Politik zu konsultiert haben schien. Mit dem ersten schwarzen US-Präsidenten waren Moral und Anstand nach Washington zurückgekehrt, das katastrophale Meinungsbild in der Welt verbesserte sich nachhaltig, man schaute wieder zu Amerika auf.

House Of Cards war in vielerlei Hinsicht maßstabsetzend. Aber ein wesentlicher Punkt der Faszination für die Zuschauer lag in dem schockierenden Verhalten der Serienfiguren. Die Spannung entstand unter anderem durch den Widerspruch der Bildsprache und des Inhaltes. Es sah clean und hyperrealistisch aus, fast wie eine Doku aus dem echten Weißen Haus. Der demokratische Abgeordnete Francis „Frank“ Underwood verhielt sich allerdings wesentlich ungeheuerlicher und schockierender, als alles, was man sich vorstellen konnte. Dagegen wirkte GWB wie ein Waisenknabe.

Aber 2013 lag natürlich auch Jahre vor der historischen Zäsur der Trump-Inauguration vom 20. Januar 2017, als alle Gewissheiten zerbröselten und das Undenkbare Realität wurde.

Es war naheliegend, Vergleiche mit „House of Cards“, der bis dahin extremsten Darstellung der USA-Politik, zu ziehen.

[….] Amerikas Politik nähert sich auf unheimliche Weise jenen fiktiven Serien an, die das Land der Welt geschenkt hat. Eine unglaubliche Wendung folgt der nächsten: Gut 100 Tage vor der Wahl entscheidet sich der greise US-Präsident, der kaum noch richtig sprechen kann, für seine Vizepräsidentin Platz zu machen. Nur sie kann jetzt noch einem Mann den Weg zur Macht versperren, der gerade von einem rätselhaften Attentäter angeschossen wurde und der mit einem autoritären Umsturz liebäugelt.   Es sind beängstigende Tage für Amerikas Verbündete. Das Zentrum der westlichen Welt ist im Innern gefährlich instabil. Auf dieses Land ist für seine transatlantischen Partner schon länger kein Verlass mehr, über diese Tatsache täuschte die Präsidentschaft von Joe Biden nur hinweg.  An der tiefen politischen Krise in den USA gibt es nichts zu beschönigen; die mehr als 200 Jahre alten demokratischen Institutionen zeigen große Schwachstellen.  […..]

(Mathieu von Rohr, SPIEGEL-Leitartikel, 27.07.2024)

Tatsächlich ist die Lage wesentlich finsterer als in der genannten Netflix-Serie.

Das schockierende umgekehrte Sternenbanner aus dem Vorspann, wurde tatsächlich zum Erkennungszeichen der hasserfüllten Trumpisten – verwendet von Abgeordneten (Marjorie Taylor Green) bis zu Supreme Court-Richtern (Justice Samuel Alito).

[….] Upside-down American flags emerged outside homes and on social media on Friday in support of Donald Trump after a New York jury returned a historic guilty verdict against the former Republican president.

Republican Representative Marjorie Taylor Greene and country music singer Jason Aldean were among the prominent Americans to display the inverted flag, a symbol of distress or protest in America for over 200 years.

The symbol, popular among some avid Trump supporters since his 2020 election defeat, exploded across pro-Trump social media accounts after he was convicted on Thursday of falsifying documents to cover up a hush money payment to a porn star to illegally influence the 2016 election.

Minutes after the verdict Greene, a Trump loyalist, posted an inverted U.S. flag on her X account. By Friday afternoon more than 8 million people had viewed it.  […..]

(Reuters, 01.06.2024)

Oberste Richter, die aktiv gegen die US-Verfassung agitieren, Grundrechte aushebeln und einen zutiefst kriminellen Rassisten, der die Demokratie abschaffen will, mit Immunität versehen: Das konnte sich selbst Frank Underwood nicht vorstellen.

Europäer verzweifeln daran, zu verstehen, wieso dieser grotesk orange geschminkte Horrorclown überhaupt eine einzige Stimme erhält.

Es lässt sich nicht erklären, wieso eine gesamte staatstragende Partei der 250 Jahre alten Großdemokratie USA, kollektiv Testikel und Rückgrat entfernen ließ, um sich diesem ganz offenkundig unterbelichteten Psychopathen unterzuordnen.

Es lassen sich keine Beispiele in der Geschichte finden, um diesen Irrsinn vor unseren Augen, irgendwie einzuordnen.

Es ist alles beispiellos, also wurde „unprecedented“ zum meistgebrauchten Begriff der Medien, die sich auch nur im entferntesten mit Donald Trump beschäftigen.

Die Wähler reagieren inzwischen nicht mehr Fakten-korreliert, sondern rein gefühlig. Aufgepeitscht von Stimmungen, Polls, Spins, Narrativen, die leider meistens auf Lügen basieren.

Kurioserweise war es ausgerechnet der 101-Jährige Joe Biden, dem es trotz dreieinhalbjähriger verzweifelter Bemühungen nie gelang, die negative Stimmung gegenüber seiner Partei zu verändern, der urplötzlich das junge, internetaffine Amerika in gewaltige Wallungen versetzte.

[….]  Man mag es kaum glauben, aber es sind erst anderthalb Wochen vergangen, seit Joe Biden den Weg für Kamala Harris frei machte. Die USA scheinen sich in dieser Zeit in ein anderes Land verwandelt zu haben, der Wahlkampf 2024 ist jedenfalls nicht mehr wiederzuerkennen. Der designierten demokratischen Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris fliegen auf einmal die Herzen und vor allem die Spendengelder zu. Und Donald Trump steht plötzlich nicht mehr im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, das hat ihn offenbar so verwirrt, dass er zumindest vorübergehend den Faden verlor. Wenn es wirklich so etwas gibt wie ein Momentum, dann darf man festhalten: So schnell hat das Momentum selten die Seiten gewechselt. Und das – so seltsam es klingen mag – haben die Demokraten auch Joe Bidens Sturheit zu verdanken. Noch vor anderthalb Wochen schien einer Rückkehr Trumps ins Weiße Haus nichts mehr im Wege zu stehen, am allerwenigsten die demokratische Kampagne mit ihrem fast schon bemitleidenswerten Protagonisten. Trump hatte gerade ein Attentat überstanden und wurde auf dem Parteitag der Republikaner in Milwaukee wie der Allmächtige höchstpersönlich gefeiert. Präsident Biden saß derweil in seiner Covid-Isolation, und das Letzte, was die Außenwelt von ihm mitbekommen hatte, war die Ansage, dass ihn allenfalls der Allmächtige von seinem Vorhaben abbringen könne, erneut bei der Wahl anzutreten. [……] Indem er sich fast einen Monat lang starrköpfig gegen das Unausweichliche gewehrt hatte, baute er die Spannung erst auf, die sich nun in einer explosionsartigen Zuneigung zu seiner Nachfolgerin entlädt. Das Momentum von Harris ist auch die Erleichterung über die späte Einsicht Bidens. Nur damit ist dieser Raketenstart zu erklären. [……]

(Boris Herrmann, 30.07.2024)

Kurz gesagt: Die Lage war bis vor zwei Wochen derartig deprimierend, daß bereits die Aussicht, überhaupt irgendeinen anderen wählen zu können, das Land elektrisiert.

Kamala Harris wird mit Zustimmung überschüttet und häufte in neun Tagen 310 Millionen Dollar Wahlkampfspenden an.

Statt seniler alter Männer, einfach ein neues Gesicht, welches auch das diverse Amerika anspricht.

Der notorisch undisziplinierte Trump „can‘t help himself“ und ist angesichts der Sympathien, die einer nicht weißen Einwanderertochter zufließen, außer sich vor Wut. Er kann seinen tiefsitzenden Rassismus nicht im Zaum halten.

Die pure Existenz von Kamala Harris, als Frau und Dunkelhäutige – bringt Trump und seine rechtsextreme Partei zur Weißglut. Sie ist die Inkarnation eines GOP-Triggers. Sie muss nur existieren, um Hetze-Eruptionen der QTrumpliKKKans zu generieren.

[…..]  Der Ex-Präsident stellt ungeniert vor einem schwarzen Publikum die Frage, seit wann die Vizepräsidentin eigentlich schwarz sei. Selbst für einen wie ihn sind so offen rassistische Aussagen ungewöhnlich – und lassen tief blicken in einen finsteren Charakter.

Der ehemalige US-Präsident Donald Trump ist ein Rassist. Das mag nach Binse klingen, es ist aber wichtiger denn je, sich das vor Augen zu halten, da Trump sich als Spitzenkandidat der Republikaner anschickt, womöglich an die Spitze des Staates zurückzukehren. Bereits Anfang der Siebzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts hat das Justizministerium gegen ihn ermittelt, weil das damals von ihm und seinem Vater Fred geführte Immobilienimperium potenzielle schwarze Mieterinnen und Mieter benachteiligte. […..]  Der Rassismus von Freds Sohn, Donald Trump, zeigte sich in dieser Woche in selten gesehener Deutlichkeit, als er die Frage in den Raum stellte, seit wann die designierte demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris eigentlich schwarz sei.

Trump fuhr fort, fast im Plauderton: Er habe Harris immer als indischstämmig wahrgenommen. Aber offenbar habe sie eines Tages beschlossen, dass sie nun schwarz sei. Das Ganze gipfelte in der Frage, ob sie nun also indisch oder schwarz sei. Er, Trump, wisse es nicht. Diese auf besonders perfide Art rassistische Äußerung, die Harris einen Teil ihrer Identität absprechen will, wäre zu anderen Zeiten das Ende einer Präsidentschaftskampagne gewesen.

Die irrwitzige Volte ist, dass Trump dies vor einer Versammlung von schwarzen Journalisten und Journalistinnen sagte. Rassismus ist in den USA bis heute allgegenwärtig, doch meist äußert er sich subtiler. Trump hingegen hat offenbar kein Problem mehr damit, diese Karte wirklich überall offen zu spielen.  [….]

(Christian Zaschke, 01.08.2024)

Und so schäumen die Republikaner vor Hetze; ihre niedersten Instinkte brechen sich unkontrolliert Bahn. Damit erfreuen sie sich selbst. Aber offenkundig auch weitgehend nur sich selbst, Orbán, Spahn und den Springer-Verlag.

Der Teil der US-Wählerschaft, der noch mit Rudimenten von Anstand behaftet ist, wendet sich gruselnd ab.

Das dreieinhalb Jahre festgefahrene Meinungsbild dreht sich.

Es sieht immer noch nicht gut aus für die Demokraten. Aber endlich stimmt die Richtung. Die massive Social-Media-Begeisterung für Kamala Harris wirkt sich peu à peu auch in der realen Welt aus.