So weit sind wir ja schon seit einigen Monaten: Man hofft, Merz möge im Sauerland urlauben, in seinem Tegernseer Ferienhaus ausschlafen, oder wenigstens in Berlin still sitzen, wenn er schon Kanzler sein muss. Er kann doch auch im 7. Stock des Kanzleramts arbeiten oder in seinem Büro des Konrad Adenauer-Hauses rumdödeln.
Lasst ihn, wenn es unbedingt sein muss, auch im Bundestag auf der Regierungsbank hocken. Da wird ihm schließlich auch widersprochen, so daß andere Redner die schlimmsten Entgleisungen des Fritzekanzlers richtigstellen können.
Merz kann aber schon mit Opionpieces in ausländischen Medien schweren Schaden anrichten, obwohl er da gar nicht live spricht, sondern Texte liefert, die man im Kanzleramt redigieren könnte. So ruiniert er beispielsweise die gemeinsame EU-Politik gegenüber Russland. Als Oppositionsführer war Merz strikt dagegen, die rund 200 Milliarden in Belgien eingefrorenen russischen Euros für ukrainische Waffen zu verwenden. Erst vor zwei Monaten schwenkte Zickzack-Fritze um und fordert nun das Gegenteil. Selbstverständlich in einem für ihn typischen Tölpel-Move.
[….] Merz, der den Plan vor einigen Monaten in einem Gastbeitrag für die »Financial Times« vorstellte, hatte es offenbar nicht für nötig befunden, bei den Belgiern nachzufragen, ob sie mit seinen Ideen einverstanden sind. Es ist ein Muster im europapolitischen Handeln des Bundeskanzlers: Er will in der EU führen, doch wenn er vorprescht, folgen ihm die anderen nicht. Seiner Vorvorgängerin Angela Merkel wurde immer wieder vorgeworfen, sich erst spät zu positionieren. Doch sie schaffte es dann meist, sich in der EU am Ende durchzusetzen.
Den anderen Europäern fällt es auch deshalb leicht, den belgischen Wunsch nach gemeinsamer Haftung abzulehnen, weil Deutschland dies bei anderen Optionen tut. Falls die Belgier bei ihrer Blockade bleiben, wären gemeinsame EU-Schulden ein Ausweg. Doch die hat Merz im Wahlkampf ausgeschlossen. Er müsste seiner ohnehin schon aufgebrachten CDU erklären, warum er ein weiteres Wahlversprechen brechen will. [….]
(Timo Lehmann, SPIEGEL Leitartikel, 04.12.2025)
Sehr bedenklich wird es aber, wenn der Sauerland-Simpel in TV-Formaten auftaucht, weil ihm die Strobl-Epigonen dort bloß servil angrinsen. Pressekonferenzen sind ebenfalls ganz böse Fallen für den deutschen Regierungschef, weil er dort ungebremst seine Perfidie, gepaart mit fundamentaler Ahnungslosigkeit hinausposaunt.
Aber die grausigste Form des Merzismus tritt bei Reisen auf.
Er ist die Lose Canon auf internationaler Bühne. Die gemeinsame EU-Linie zu talibanisieren, kann der Fritzekanzler richtig gut.
[….] Wer rettet Friedrich Merz?
Stadtbild, Brasilien, Junge Union: Der Kanzler redet sich immer wieder um Kopf und Kragen. Den Schaden müssen dann andere beheben. [….] [….] Es ist ein wiederkehrendes Muster: Merz haut einen raus und sein Kommunikationsteam um Regierungssprecher Stefan Kornelius muss ihn richtigstellen, interpretieren, einordnen. Beim letzten Koalitionsausschuss bestätigte Merz bei der Präsentation der Beschlüsse auf Nachfrage zweimal, die Runde werde sich in der weiteren Sitzung auf eine gemeinsame Position zum Verbrenner-Aus einigen. Huch? Verwunderte Mienen bei den Partnern von SPD und CSU, aus dem Umfeld des Kanzlers wird die Aussage umgehend eingeordnet. War nicht so gemeint.
Im Oktober irritierte Merz auf europäischer Bühne, als er nach einem EU-Gipfel freie Bahn für das umstrittene Mercosur-Freihandelsabkommen verkündete. Ratspräsident António Costa kassierte das umgehend: „Wir haben darüber nicht diskutiert.“ [….]
(Jan Dörner und Thorsten Knuf, 21.11.2025)
Merz abseits der deutschen Scholle, ist ein Rezept des Scheiterns, weil er dort kontinuierlich im Zenit der Aufmerksamkeit steht, während er gleichzeitig von allem getriggert wird, das nicht so wie im Sauerland ist. Das Brot in Angola, die Menschen in Belém, die Ossis in Thüringen. Da kann er sich einfach nicht helfen und schaltet auf maximalen Beleidigungsmodus. Es ist schlimmer, als zu Helmut Kohls Zeiten: Fliegt der Kanzler ins Ausland, zittert man schon Tage vorher mit. Was wird er diesmal wieder Dummes anstellen? Welche Mitschäm-Momente wird er erzeugen? Wird er es wieder nicht merken, wenn er als Tölpel vorgeführt wird?
Im günstigsten Fall, wird Merz bloß als gerontisch-germanische Lachnummer in blamabler Erinnerung bleiben. Im schlechteren Fall, wird er wieder aufgrund seiner rhetorischen Unterbelichtung Land, Leute oder Regierung beleidigen und damit zu internationalen Spannungen beitragen.
[….] Das Meinungsforschungsinstitut Insa misst so schlechte Umfragewerte für Schwarz-Rot und Kanzler Merz wie nie.
Die schwarz-rote Bundesregierung verliert weiter an Rückhalt in der Bevölkerung. Laut einer repräsentativen Insa-Umfrage für „Bild am Sonntag” sind aktuell 70 Prozent der Befragten mit der Arbeit der Koalition unzufrieden. Das ist der schlechteste Wert, den das Institut seit Amtsantritt der Regierung im Mai gemessen hat. Damals fand nicht einmal die Hälfte der Befragten (46 Prozent) die Koalition schlecht. Aktuell zeigen sich demnach nur 21 Prozent zufrieden.
Auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) erzielt schlechte Werte. Mehr als zwei Drittel der Befragten (68 Prozent) sind mit seiner Arbeit unzufrieden. Lediglich 23 Prozent bewerten sie positiv. [….]
Es wäre wirklich, wirklich besser, Merz bliebe einfach zu Hause.
Der Antrittsbesuch in Israel ist für jeden deutschen Kanzler heikel. Nach den 100.000 Toten von Gaza, die der international gesuchte mutmaßliche Kriegsverbrecher Bibi Netanjahu zu verantworten hat, erst Recht.
Das konnte einfach nicht gut gehen. Und es ging auch nicht gut.
[….] „Statt die Eskalation weiter anzuheizen, muss die deutsche Regierung endlich ein umfassendes Waffenembargo gegen Israel verhängen“, verlangt Amnesty International. „Ich komme als ein Freund Israels“, verkündet Merz dann zu Beginn einer Pressekonferenz mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. [….] Deutschland müsse „für Israels Sicherheit einstehen und Deutschland muss für Menschenwürde und Recht einstehen“.
Netanjahu übergeht diese Bemerkung erst einmal [….] Danach aber widerspricht er Merz in praktisch jedem Punkt. [….]
Während Netanjahu bester Dinge zu sein scheint, entwickelt sich die Pressekonferenz für den Kanzler zur Qual. Fast schon resigniert spricht Merz von einer Hoffnung, die „sich vielleicht erfüllt, vielleicht aber auch nicht“.
[….] Am Ende wird der Kanzler gefragt, ob er denn Netanjahu zu einem Gegenbesuch einladen werde. Im Wahlkampf hatte Merz noch laut über so eine Einladung nachgedacht, obwohl wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Netanjahu vorliegt. Nun wiegelt der Kanzler ab, das stehe gerade nicht an. „Das ist für uns beide kein Thema“, behauptet Merz. Natürlich wäre er „sehr erfreut“, Deutschland zu besuchen, stellt Netanjahu daraufhin sehr ausführlich richtig. Dem stehe aber der „unerhörte“ Haftbefehl eines „korrupten Anklägers“ entgegen. [….]
Es war so klar. Politveteran Bibi manövriert den Sauerländer Provinzler nach Belieben aus. Mit dem unbeholfenen 70-Jährigen Schuljungen aus Berlin, hat Jerusalem ganz leichtes Spiel. Für die mitreisenden deutschen Journalisten, wird es wieder einmal eine einzige Qual.
[….] Ein Merz für mutmaßlichen Kriegsverbrecher
Bei seinem Antrittsbesuch versucht Merz, das angeschlagene Verhältnis zu Israel zu kitten. Dafür lässt er sich vom israelischen Premier vorführen. [….]
Nach dem Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 reagierte Israel mit einer immer brutaleren Offensive in Gaza, die Zehntausende palästinensische Zivilisten das Leben kostete. Als Israel die Angriffe ausweitete, Hilfslieferungen blockierte und die internationale Kritik wuchs, ordnete Merz im August einen Teilstopp von Rüstungsgütern an.
Die Beziehungen zum israelischen Regierungslager sanken erstmal unter den Gefrierpunkt. Auch aus den eigenen Reihen musste sich Merz viel Kritik anhören. Mit dem Waffenstillstandsabkommen zwischen Israel und der Hamas vom Oktober sieht Merz nun keinen Grund mehr, Israel Waffen vorzuenthalten. Mitte November beendete die Bundesregierung das Teilembargo – obwohl Israel weiterhin Luftangriffe fliegt und weiterhin Menschen sterben.
Bei der Pressekonferenz mit Netanjahu nach einem fast einstündigen Gespräch erwähnt Merz weder die Angriffe noch die Opfer. Er [….] widerspricht dem „lieben Bibi“ aber kaum, als dieser lächelnd sagt: Der Zweck eines palästinensischen Staates sei es, Israel zu vernichten. [….] Merz steht daneben, mahlt mit den Kiefern und sieht aus, als hätte ihm Netanjahu Salz in den Kaffee geschüttet. [….] Auch um die heikle Frage des Gegenbesuchs laviert sich Merz herum. Gegen Netanjahu liegt ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs vor, unter anderem wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen. Deutschland müsste ihn bei einem Besuch festnehmen. [….] Sein sanfter Ton stößt auf Kritik. „Der Bundeskanzler darf nicht als Zuschauer auftreten und Plattitüden verbreiten“, sagt Tsafrir Cohen von der Menschenrechtsorganisation medico international gegenüber der taz. „Es braucht realen Druck, insbesondere was die Sicherstellung humanitärer Hilfe für Gaza und die Bekämpfung der staatlich geduldeten Siedlergewalt im Westjordanland betrifft.“ Andernfalls mache sich Deutschland zum Komplizen der rechtsextremen Regierung. [….]
Es wird nur erneut bestätigt, was wir längst wissen: Merz kann es einfach nicht. Er ist sowohl hoffnungslos überfordert von seinem Amt, als auch völlig lernunfähig. Im Gegenteil, es wird täglich schlimmer. Merz ist ein Glückfall für die Bösen und Autokraten dieser Welt: Putin, Trump, Netanjahu, Erdoğan und Orbán sind begeistert.
[….] Von Merz hat Netanjahu nur Appelle zu befürchten
[….] Israel muss auch erklären, warum es trotz der vereinbarten Waffenruhe weiterhin Wohnhäuser zerstört und damit die Lebensgrundlage für Tausende Menschen weiter schwinden lässt. Warum Soldaten auf Zivilisten schießen.
Im Westjordanland, wo Israel kontinuierlich seinen Einfluss ausbaut und mit neuen Siedlungen, Straßensperren und Regelungen dem palästinensischen Volk Stück für Stück seine Autonomie nimmt, treibt Netanjahus Regierung etwas voran, was man als „stille Annexion“ bezeichnen kann. Und in Israel selbst versucht sie, mit Gesetzesinitiativen und populistischer Rhetorik wichtige Säulen der Demokratie auszuhöhlen. Justiz, Zivilgesellschaft und Presse stehen unter ihrem Druck. [….]
Den Stopp der Waffenlieferungen, den er im Sommer erlassen hatte, hat Merz aber längst wieder aufgehoben – es sei nur eine einmalige Maßnahme in einer besonderen Situation gewesen, sagte er. Auch eine Notwendigkeit für Wirtschaftssanktionen sehe er nicht. Doch Deutschlands Unterstützung für Israel kann nicht bedingungslos sein.
Wenn der Kanzler von der historischen Verantwortung Deutschlands spricht, sollte er diese nicht nur gegenüber Jüdinnen und Juden spüren, sondern auch gegenüber dem humanitären Völkerrecht. Merz hat sich aber entschieden, Netanjahu mit einem Besuch zu beehren, obwohl der Internationale Strafgerichtshof wegen dessen Kriegsführung in Gaza einen Haftbefehl erlassen hat. Er hat also überwiegend positive Signale an die zudem in Teilen rechtsextreme Regierung gesandt. [….]
(Kristiana Ludwig, 07.12.2025)
Den Deutschen, den Anständigen, den Demokraten, den Rechtstreuen, den Humanisten bleibt während dieser Kanzlerschaft nur eins übrig: Sich solange selbst mit einem Nudelholz auf die Stirn zu schlagen, bis man Merz vergisst.
[….] Friedrich Merz trifft Benjamin Netanjahu, redet von Freundschaft und lächelt. Als wäre nichts gewesen. Als gebe es keinen Haftbefehl gegen den israelischen Premier. Als sei Israel nicht wegen eines Genozids in Gaza vor dem Internationalen Gerichtshof angeklagt. Als wäre Israels Armee nicht für zehntausende zermetzelte palästinensische Körper verantwortlich. Die israelische Kriegsführung habe Deutschland zwar vor „Dilemmata gestellt“, sagt Merz in Jerusalem – als seien er und das Land Opfer der ganzen Sache. Aber bis heute gebe es „im Grundsatz keinerlei Differenzen mit Israel“.
Eigentlich möchte man schreien – und all die Momente deutscher Heuchelei noch einmal vollumfänglich aufzählen. Noch einmal darauf hinweisen, dass es ein rechtsextrem regiertes Israel ist, an das sich Merz anbiedert. Und dass Israels genozidale Kriegsführung nicht vorbei ist. 360 Palästinenser wurden seit Beginn des sogenannten Waffenstillstands getötet; nun drängt Israel auf eine einseitige Grenzöffnung nach Ägypten – faktisch ein Zurück zum Plan der Zwangsumsiedlung.
Wenn sich Merz für eine Zweistaatenlösung einsetzen wollte, wie er erneut behauptete, müsste er gegen den unwilligen Netanjahu den einen Hebel bedienen, den er in der Hand hat. Deutschland müsste aufhören, die Aufhebung des EU-Assoziierungsabkommens mit Israel zu blockieren. Aber es brächte nichts, all das zu wiederholen, es bringt zwei Jahre lang nichts. Der Kanzler weiß all das. Und es ist ihm egal – oder zumindest nicht wichtig genug, um die deutsch-israelischen Beziehungen weiter zu strapazieren. [….] (Pauline Jäckels, 07.12.2025)


