Die passendste Zusammenfassung der gestrigen Fernsehdebatte in Ohio stammt von BuzzFeed: „The Great American Shitshow!“
Es war eine Aneinanderreihung von Tiefpunkten. Der staubtrockene aus Deutschland stammende CNN-Nachrichtenmann Wolf Blitzer, 72, befand direkt nach dem Ende des Kandidaten-Clashs:
"Embarrassment for the United States."
CNN-Staranalystin Dana Bash nannte es “a shit show” und ihr berühmter Kollege Jake Tapper sagte “hot mess, inside a dumpster fire, inside a train wreck. That was the worst debate I have ever seen.”
Den Faktenprüfern rauchten wieder einmal die Köpfe, weil fast alles, das Trump hinausposaunte gelogen war.
CNN-factchecker Daniel Dale belegte eindrücklich….
[……] Joe Biden was "largely accurate" during tonight's presidential debate, "we had an avalanche of lying from President Trump." He says at points during the debate, "almost every single thing (Trump) said ... was inaccurate" […..]
Soweit die Stellungnahmen der „neutralen Berichterstatter“. Im Meinungsteil der amerikanischen großen Newssender ging es hoch her.
Auf FOX feierten die Ultrakonservativen den Sieg ihres Idols Trump, der wie ein Bulldozer über Biden gerauscht wäre.
Don Trump Jr., führte einmal mehr vor, daß er ein ernstes Drogenproblem hat, das sich nicht mehr verbergen lässt, offenbar in Vaters Adderall-Schublade gegriffen hatte, während sein Vater aber Bidens Sohn für dessen frühere Drogenprobleme attackierte und vorher immer wieder behauptete auch Joe Biden werde unter Drogen gesetzt für die Debatte.
Auf CNN hingegen gab es ehrliche und engagierte Empörung darüber wie Trump wieder einmal seine faschistische Rassisten-Basis elektrisierte, sich nicht nur nicht von ihnen distanzieren wollte, sondern der faschistoiden hate-group „proud boys“ gleich noch ein neues Kampagnenmotto ersann, welches sie sofort begeistert aufgriffen und in den sozialen Medien als neues Logo – made by Trump – verbreiteten: „PB – Stand back and stand by!"
Diese Shitshow hatte also immerhin einen klaren Sieger – die gewalttätigen paramilitärischen Nazigruppen – und einen klaren Verlierer; nämlich das amerikanische Volk, welches sich wieder einmal in Grund und Boden schämen muss für den peinliches Rüpel an der Staatsspitze.
Gewinner sind aber natürlich auch die politischen Satireformate, denen IQ45 mal wieder Steilvorlagen kostenlos zur Verfügung stellte.
Was ist nun der Einfluss der
Debatte auf die Wahlen?
[…..] Die meisten Wähler haben sich
längst entschieden. Sie sind entweder für Trump, weil sie Trump großartig
finden, oder für Biden, weil sie Trump fürchterlich finden. Insofern ist es
wahrscheinlicher, dass die Debatte die Gräben zwischen den Lagern vertieft, als
dass sie Wähler dazu verleitet, die Seiten zu wechseln. Der Washingtoner Journalist Mike Allen jedenfalls, einer der Besten
seiner Zunft, zog nach dem Schlagabtausch eine eher hilflose, aber vielleicht
deswegen sehr ehrliche Bilanz. "Was das alles bedeutet? Wer zu Hölle weiß
das schon", schrieb er in einer E-Mail. "Diese Debatte war so wie das
ganze Land: Alle reden. Niemand hört zu. Nichts wird gelernt. Es ist ein
Schlamassel." […..]
Es lohnt sich fast gar nicht auf die inhaltlichen Punkte der
Debatte einzugehen; Die Debatte wurde selbst zur Debatte. Braucht man so etwas
überhaupt noch?
Ein überforderter Moderator, ein Präsident, der lügt, wenn er den Mund aufmacht
und keine Beleidigung auslässt, so daß der Herausforderer ohnehin nicht zu Wort
kommt?
Blitzer befand, es wäre möglich, wenn man nach diesem New Low der amerikanischen Wahlkampfgeschichte die nächsten TV-Debatten absagt.
Das wird natürlich nicht geschehen, weil beide Kandidaten wissen, daß sich in einer Blase aus ihnen freundlich gesinnten Menschen leben. Die stimmen ihnen alle zu, aber so lassen sich keine zusätzlichen Wähler gewinnen.
Nur beim Aufeinandertreffen beider Blasen in den großen TV-Debatten gibt es die Möglichkeit ausführlich auf die Anhänger des anderen einzuwirken. Das ist eine große Gelegenheit – sofern man selbst nicht so versagt, daß die eigenen Leute abgeschreckt werden.
Das ist in diesem Fall aber nicht geschehen.
Trump hatte einen seiner Adderall-Tage erwischt, wirkte nicht so müde und fahrig, wie es ihm gelegentlich passiert, wenn er sinnlose Satzungetüme aufbaut, laut durch die Nase schnauft und die Aussprache einfacher Worte verballhornt.
Biden wirkt auf mich sehr alt für einen 77-Jährigen. So könnte auch ein 87-Jähriger aussehen. Sich zu verhaspeln, gehört aber schon immer zu ihm. Obwohl er streckenweise abwesend den Blick auf sein Pult richtete, leistete er sich keine gewaltigen Patzer.
Ich mutmaße, daß in dieser Form keiner von beiden Wähler verloren oder hinzugewonnen hat.
Das ist eine gute Nachricht für Biden, denn er führt in allen Umfragen.
Für Trump wäre es wichtiger gewesen außerhalb seiner Hardcore-Basis um zusätzliche Stimmen zu werben.
Das wäre aber nur möglich gewesen, wenn er sich anders als üblich präsentiert hätte. Anständig, höflich, mitfühlend, informiert, kurz: Präsidentiell.
Damit hätte er möglicherweise die Gruppen bei denen er schwächelt, also Frauen, durchschnittliche Vorstadtfamilien, Latinos; anzapfen können und die ein oder andere zaudernde Wählerin auf seine Seite ziehen können.
Das scheint er aber nicht zu können oder nicht zu begreifen.
Biden hat nicht gewonnen, aber Trump hat verloren.
Die Rechtsextremen, Nazis und hate-groups feiern ihn jetzt. Das missversteht der orange Clown als Sieg.
Das ist aber für den Wahlausgang irrelevant, weil die ungebildeten Weißen, die Erzkonservativen, die Rassisten, die weißen Männer, die Superreichen, die Evangelikalen ihn ohnehin wählen. Dadurch gewinnt er keine einzige weitere Stimme.
Biden brauchte nur anwesend sein und keinen blamablen Blackout erleiden, um seinen Vorsprung zu halten.
Das dürfte geklappt haben.
Ich halte Biden immer noch für den falschen Kandidaten, aber immerhin wirkt er offensichtlich weniger abschreckend auf Linke als Hillary Clinton, weil er aufgrund seiner bekannten Geschichte von den meisten gemocht wird.
Clinton ist mit Sicherheit viel intelligenter und qualifizierter für das Präsidentenamt als Biden, aber darum geht es nicht, sondern um die Wahlchancen.
Auch um Biden geht es kaum bei der Wahl, sondern nur um Pro oder Contra Trump. Das Contra-Lager ist offenbar größer.
Ich habe letzte Woche schon per Absentee Ballot gewählt. Das ist als Amerikaner so einfach. Genau wie 2016 ist es für mich irrelevant, welche Namen bei der demokratischen Partei stehen, wenn der Gegenkandidat Trump lautet.
Selbstverständlich bekam Joe Biden meine Stimme und ich fordere alle Amerikaner auf es mir gleich zu tun.
Trump scheint mir immerhin noch so weit rational, daß er auch annimmt nach 2016 erneut die absolute Stimmenmehrheit klar zu verpassen.
Er ist aber so kriminell, skrupellos, amoralisch und schamlos, daß er plant die Verfassung mit Hilfe seiner erbärmlichen Epigonen im SCOTUS und DOJ und Senat einfach niederzutrampeln.
Er wird im Amt bleiben und jedes anderslautende Ergebnis als Betrug diffamieren – stets mit den 65 Millionen bis an die Zähne bewaffneten weißen fanatischen Fans im Rücken.