Wenn man
sich das ständige Lavieren, Nichtentscheiden, Abtauchen, wolkig Reden,
Allgemeinplätzchen von sich geben der Kanzlerin vergegenwärtigt, wünscht man
sich in der Tat gelegentlich einen richtigen Entscheider zurück.
Somebody, who gets things done.
Einen,
der weiß was los ist und zeigt wie es gemacht wird.
Basta-Schröder
wird vermisst.
Sigmar
Gabriel ist nicht doof und hat in dem Entscheidungsvakuum seine Chance erkannt
sich gegen die übermächtige Merkel zu profilieren.
Er
beklagt öffentlich, daß es wegen der zerrissenen Union und der abwesenden
Merkel nicht voran geht. Gabriel schlägt immer mal wieder selbst ordentlich auf
den Tisch. Man merkt das auch habituell an seinem berühmten Stinkefinger gegenüber
des rechten Ost-Pöbels und der Bezeichnung „Pack“ für krakeelenden Peginesen.
Er wirft
sein politisches Gewicht in die Waagschale, geht Risiken ein.
Gabriel
war mutig, als er der Basis 2013 die Entscheidung zur GroKo vorlegte, als er
gegen den überwältigenden Widerstand der Partei letztes Jahr plötzlich die
Vorratsdatenspeicherung guthieß, als er vor ein paar Wochen seinen Verbleib im
Amt de facto von der Zustimmung des SPD-Konvents zu CETA abhängig machte.
Nun
stellt sich nur die Frage wieso ein mutiger und durchsetzungsstarker
SPD-Parteichef, Vizekanzler und Superminister in seiner eigenen Partei
unbeliebt ist und bei der Gesamtbevölkerungszustimmung meilenweit hinter Angela
Merkel zurückliegt.
Die
Ursache für die miesen Zustimmungswerte liegt in der mangelnden Kongruenz von
Basta-Entscheidungen und Autorität.
Autorität
kann aus verschiedenen Quellen generiert werden.
1.
Putin
und Erdogan schöpfen Autorität aus der enormen Macht ihres Amtes in einer
Autokratie.
2.
Helmut
Schmidt schöpfte seine Autorität aus der fast allen anderen Menschen
überlegenen Intelligenz und Bildung.
3.
Gerhard
Schröder hingegen war ein begnadeter Wahlkämpfer, der das 6-Stimmen-Bundesland
Niedersachen der CDU abgejagt und zweimal die absolute Mehrheit für die SPD
geholt hatte, anschließend sogar - einmalig in der bundesrepublikanischen
Geschichte – 1998 alle drei die Bundesregierung tragenden Parteien auf einmal
aus dem Amt fegte und die SPD mit 41% zur größten Fraktion machte und die
Regierung übernahm. Wer solche überwältigen parteipolitischen Erfolge vorlegt
muß in der SPD Autorität gewinnen.
4.
Autorität
kann schließlich auch noch aus Zuneigung generiert werden. Da sind Namen wie
Willy Brandt, Olof Palme oder Nelson Mandela zu nennen, die von ihrer Basis so verehrt
wurden, daß man ihnen in jede politische Richtung gefolgt wäre.
Unglücklicherweise
mangelt es Sigmar Gabriel an allen vier genannten Autoritätsquellen.
Gabriel
ist schlau, aber so unstet, daß er so oft die Richtung wechselt, daß ihm dabei
auch sehr unschlaue Gedanken unterlaufen.
Ich bin
ausdrücklich nicht der Meinung, daß die Basis und die Mehrheit immer Recht
haben, lehne daher die direkte Demokratie ab.
Aber
wenn man wie Gabriel über mangelnde Autorität verfügt und trotzdem bei der
Basis so unbeliebte Dinge wie Rüstungsexporte, CETA, VDS und TTIP
durchdrückt, macht man sich selbst unbeliebt.
(Der
Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß ich bei den Themen Rüstungsexporte, CETA,
VDS und TTIP zufälligerweise auch auf Seiten der Basis bin.)
Ein
unbeliebter Parteichef, der auch noch bei den Wahlen 2003 (als er als Niedersächsischer
MP krachend die von Schröder geholte absolute Mehrheit und auch gleich die
gesamte Regierung an Christian Wulff verlor), sowie den Bundestagswahlen 2009
und 2013 unterging, kann schlecht zum Hoffnungsträger zur Bundestagswahl 2017
aufsteigen.
Gabriel
weiß das und wird aus Verzweiflung immer mehr zum Zickzack-Sigi, der seiner
eigenen Partei auch noch durch seine Zögerlichkeit auf die Nerven geht.
Ja, der
Vorsitzende hat das erste Zugriffsrecht auf die Kanzlerkandidatur, aber wird er
wie schon 2013 darauf verzichten, als durch die sagenhafte Underperformance der
Generalsekretärin Nahles auf einmal völlig unvorbereitet Steinbrück gekürt
wurde, indem er einfach übrig blieb?
Wer
würde den Job überhaupt noch machen wollen außer vielleicht Martin Schulz?
Da müßte
man mal etwas strategisch planen und festlegen; aber das ist mir Zauder-Sigi
nicht zu machen. Gabriel nervt.
Es muß ab und
zu gesagt werden, weil es sonst ganz in Vergessenheit gerät:
Sigmar Gabriel ist eigentlich ein Guter, der zuhören kann und sehr klug abwägt.
Sigmar Gabriel ist eigentlich ein Guter, der zuhören kann und sehr klug abwägt.
Er ist ein
Engagierter, der im Kabinett Merkel I als einziger mutig SPD-Politik
durchsetzte.
Man soll nicht
den Stab über den Vizekanzler brechen.
Nach der
Mega-Niederlage von 2009 brauchte die psychologisch niedergeschmetterte Partei,
deren baldige Auflösung schon von vielen Zeitungen kolportiert wurde, jemand,
der sie wieder aufrichtet. Jemanden, der Mut machen kann.
Sigmar Gabriel
hat viele Talente und dazu gehört, daß er gelegentlich sehr gute bis brillante
Reden hält. Darin ist er Merkel weit überlegen.
Zudem ist
Gabriel intelligent und in der Lage in kleineren Kreisen extrem sensibel und
tiefgründig zu argumentieren.
Er kann
beeindrucken; beispielsweise so geschehen auf der ZEIT-Matinee im Juni 2011,
als er so brillierte, daß die gesamte feine Gesellschaft Hamburgs schwor bei
der nächsten Bundestagswahl SPD zu wählen.
Ich habe ihn
gelegentlich in Talkshows zu Randthemen gesehen, bei denen er mich absolut
überzeugte.
Der
SPD-Vorsitzende ist allerdings nicht nur wankelmütig bezüglich der vertretenen
politischen Inhalte, sondern weist auch charakterlich enorme Schwankungen auf.
Er kann die
leisen, behutsamen Zwischentöne und poltert im nächsten Moment wie eine
Dampfwalze los.
Er bohrt
einerseits mit Engelsgeduld dicke Bretter, bereitet Jahre lang vor und dann reißt
ihm abrupt doch die Hutschnur.
Er argumentiert
manchmal hochseriös und überzeugend, um dann im nächsten Moment seine Gegner
für dumm zu verkaufen.
Er war seit
Jahrzehnten durch seinen Vater extrem für Rechtsradikalismus sensibilisiert,
engagierte sich persönlich für den Erhalt von KZ-Gedenkstellen, leistete
Aufklärungsarbeit gegen Neonazis. Plötzlich aber lässt er seinen vorbildlich
gegen rechts engagierten Justizminister Maas im Regen stehen und besucht als
Vizekanzler den menschlichen PEGIDA-Abschaum.
Gabriels 2016er
Performance fällt bisher dumpf und dunkel aus.
Das erbärmliche
Hickhack um das sogenannte Asylpaket II, mit dem die SPD Kinder zu Waisen macht
und noch mehr Menschen in die seeuntüchtigen Schlepperschlauchboote auf die
ungewisse Reise durch die Ägäis schickt, lobt der Superminister a posteriori als stringente
SPD-Regierungspolitik.
Ähnlich absurd
entwickelte sich Gabriels Versprechen für Transparenz bei den
TTIP-Verhandlungen zu sorgen.
Nachdem er den
berüchtigten „TTIP-Leseraum“ eingerichtet hatte, erstarb das letzte bißchen
Offenheit, weil die kritischen Bundestagsabgeordneten nun mit einem Maulkorb
versehen sind.
Was ist los mit
Gabriel?
Dazu zitiere
ich mal eine dezidiert linke Stimme, nämlich Ulrich Schulte, den Leiter des
Parlamentsbüros der taz.
[….] Besser
als sein Ruf
Das Image von Sigmar Gabriel ist mies. Die SPD leidet
unter ihrem Chef, bei den Deutschen ist er nur mäßig beliebt. Warum eigentlich?
[….] Gabriel und die Deutschen, das ist keine Liebesgeschichte.
Die Sprunghaftigkeit des SPD-Vorsitzenden und Wirtschaftsministers ist
legendär, seine Neigung zu Ungeduld und schlechter Laune auch. Die SPD leidet,
oft still und immer öfter laut. (……)
Gabriel, der
Gute. [….]
Ein
großes Problem teilt Sigmar Gabriel mit der Kanzlerin.
Er hat
kein Händchen für Personal.
Den
einzigen Minister mit Star-Potential, nämlich Heiko Maas, stutzte er eigenhändig zurecht,
in seine Umgebung holt er höchst umstrittene CDU-Leute, setzte eine blasse und erfolglose Jasmin Fahimi als Generalsekretärin
ein und vertraut in der Parteizentrale den Wahlkampf einem CDU-Mann
an.
Merkel
steht gerade vor einem großen Personalproblem. Zur Unzeit muß sie bei unklaren
Mehrheitsverhältnissen einen Nachfolger für Joachim Gauck benennen.
Ein
enormes Risiko für die Frau, die es vermocht hat zweimal einen Mann zum
Präsidenten zu machen, der sich als so eine Fehlbesetzung erwies, daß er
zurücktreten mußte.
Nach dem
Köhler- und Wulff-Debakel und der Gauck-Überrumpelung muß Merkel unbedingt das
Heft des Handelns in der Hand behalten.
Allein,
sie hat keinen Plan, weiß keinen Kandidaten.
Das
könnte Gabriels Stunde sein, um sich zu profilieren.
Er
könnte zu dem Macher werden, der das erreicht, was die Kanzlerin offensichtlich
nicht schafft.
Könnte.
In einer
sagenhaften Doppeldoofheit, griff der Vizekanzler gleich zweimal ins Klo.
Zunächst
einmal nominierte er die so ziemlich unfähigste und dämlichste Person, die man
sich in Deutschland vorstellen kann.
Die
BILD-Zeitungs-Schreiberin und selbstverliebte Plapperella Margot Käßmann,
die das Feuilleton immer wieder mit Kostproben ihrer Unkenntnis und geistigen Schlichtheit
verblüfft.
Der SPD-Vorsitzende
Gabriel will die evangelische Theologin Käßmann als Kandidatin für das Amt des
Bundespräsidenten gewinnen.
(Deutschlandfunk
12.10.16)
Käßmann
ist aber nicht nur dumm wie Bohnenstroh; das wäre ja noch
kein Hindernis für das Bundespräsidentenamt; sondern inzwischen bei großen Teilen der Bevölkerung extrem unbeliebt.
Zudem
sollte nicht gerade in Deutschland eine Staatschefin gewählt werden, die für Hitlers größte Inspiration, den
zweitgrößten Antisemiten der Geschichte Martin Luther als Botschafterin
fungiert.
Frau Käßmann zeichnet
sich für diesen Posten besonders durch ihre profunden Kenntnisse der jüngeren
Geschichte aus: Ihrer Auffassung nach wurde der Fall der Mauer durch Gebete
erreicht und gegen den Terror des "Islamischen Staates" helfen ebenfalls
Gebete besser als Waffen.
Mit diesem ihrem
Generalkonzept wird Frau Käßmann vermutlich auch soziale Ungerechtigkeiten,
jedes außenpolitische Problem sowie ihre Kritiker wegzubeten versuchen. […]
Die
Personalie Käßmann könnte sogar mich aus der SPD treiben; genug ist genug.
Unfassbar,
was sich Sigmar Gabriel dabei denkt.
Gabriels
Dämlichkeit wird aber noch dadurch getoppt, daß er hier öffentlich eine
Kandidatin ins Spiel bringt, ohne sie vorher gefragt zu haben.
Nachdem
Käßmanns Grinsebilder heute auf den Titelseiten der FUNKE-Medien erschienen,
sagte die Frau auch noch ab.
(Meine
erste inhaltliche Gemeinsamkeit mit ihr. Wir wollen also beide nicht, daß sie
Bundespräsidentin wird.)
Die evangelische
Theologin Margot Käßmann hat Spekulationen über eine Kandidatur als
Nachfolgerin von Bundespräsident Joachim Gauck zurückgewiesen. "Es ehrt
mich, dass mein Name im Zusammenhang mit dem höchsten Amt im Staat genannt
wird. Allerdings stehe ich für dieses Amt nicht zur Verfügung", sagte sie
nach Angaben ihres Büros.
[….]
(Spon
12.10.16)
Gabriel
hat sich nun gleich mehrfach blamiert:
Mit der Auswahl einer völlig falschen Person, mit dem Lancieren an die Presse und auch noch mit Käßmanns prompten Absage.
Mit der Auswahl einer völlig falschen Person, mit dem Lancieren an die Presse und auch noch mit Käßmanns prompten Absage.
Diesen
personalpolitischen Meisterstrategen muß Merkel nicht fürchten.
Zum
Glück habe ich Gabriels Probleme nicht und bleibe bei meiner Bundespräsidenten-Favoritin, von der ich nach wie vor
zu 100% überzeugt bin.