Donnerstag, 21. Juni 2018

Es rächt sich


Wie sich das Koordinatensystem nach rechts verschiebt!
Es ist ja keine kleine Leistung George W. Bush nun schon halbwegs erträglich zu finden.
Dabei war der Mann politisch inkompetent und ruchlos.
Er unterschrieb in den fünf Jahren als texanischer Gouverneur 152 Todesurteile; natürlich hauptschlich gegen Schwarze.
Er überzog das Land und die UN mit hunderten Lügen, um einen illegalen und einen halblegalen Angriffskrieg zu beginnen, die zu mindestens 500.000 Todesopfern und zwei zerstörten, von Terror überzogenen Ländern führten.
Ganz nebenbei riss er noch die Weltwirtschaft in den Abgrund, stapelte Rekordschulden auf und trieb die Arbeitslosigkeit in die Höhe.
Völlig ungebildet war er auch; das konnte man an seinen ständigen Versprechern und dem offensichtlichen Unverständnis für die Worte, die er vom Teleprompter ablesen sollte, erkennen.

Aber im Jahr 2018 wirkt das alles a posteriori noch wie Gold.
GWB war immerhin kein Rassist, war in der Lage gelegentlich Alliierte nicht zu beleidigen, er verfügte über Selbstironie und war nach allem was man weiß, auch persönlich nicht annähernd so ein Arschloch wie Trump. Es ist nicht bekannt, daß GWB mit sadistischer Freude die Menschen seiner Umgebung quälte, das demokratische System umstürzen wollte oder geradezu manisch danach trachtete sich die Taschen vollzustopfen.

Verklären sollte man die schlimmen Jahre 2001 bis 2009 aber auch nicht.
Sie haben fast die ganze internationale Reputation Amerikas aufgebraucht, die Initialzündung für den islamistischen Terror gegeben, die einmalige Chance auf Versöhnung mit dem Iran ausgeschlagen, den Hass hunderter Millionen Muslime auf die USA genährt, den Umweltschutz blockiert und schließlich auch mit der absurden Trickle-Down-Wirtschaftspolitik große Teile des White-Trash-Amerikas zu Teebeutlern gemacht, die letztendlich Trump an die Macht brachten.

Ja, klar, Obama war in den ersten zwei Jahren seiner Amtszeit viel zu schwach und zu vorsichtig, traute sich nicht seine Parlamentsmehrheit zu nutzen, weil er erst mal als Schwarzer in den USA anerkannt werden wollte und versuchte das außenpolitische Desaster seines Vorgängers aufzuräumen.
Letzteres hat einigermaßen funktioniert; Obama wird in vielen Ländern sehr gemocht. Ersteres hat dafür nicht nur nicht funktioniert – Trumpmerica hasst ihn immer noch wie die Pest – sondern ihn auch noch alle Sympathien der Linken gekostet.
Die völlig am Boden liegende US-Wirtschaft und den dramatischen monatlichen Jobverlust konnte Obama wieder in Gang bringen, aber zu spät und zu wenig.
Da hatten sich weite Teile der amerikanischen Gesellschaft schon so der Realität entkoppelt, daß sie im Wahljahr 2016 nicht mehr argumentativ zu erreichen war.

Auch Obama habe ich von Anfang an für seine Zögerlichkeit kritisiert und die militaristische Außenpolitik beklagt. Aber wenn schon GWB angesichts des nun täglichen Grauens irgendwie „ganz nett“ wirkt, ist Obama geradezu eine Lichtgestalt. Gutaussehend, intelligent, belesen, diplomatisch, aufgeschlossen für gesellschaftliche Liberalisierungen in jeder Hinsicht.
Er ist nicht zufällig das diametrale Gegenteil Trumps, sondern Trump ist aufgrund seines obsessiven Hasses auf den dunkelhäutigen Vorgänger immer darauf bedacht möglichst radikal und dramatisch alles abzulehnen/zu zerstören/zu unterminieren, das auch nur entfernt an Obama erinnern könnte.


Trumps einzige echte Fähigkeit ist das „doubling down“. Das immerhin, kann er richtig gut. Wann immer man denkt, nun könne er nun wirklich nicht mehr tiefer sinken, unterschreitet er sein eigenes Niveau noch einmal mühelos.

[…..] “Trump’s only political skill is his total and complete lack of shame. His malignant narcissism allows him to confidently and brazenly lie in a way that most other politicians would be too embarrassed to even try.” […..]


Wenn man die radikal demokratiefeindliche, nationalistische, antihumanistische Politik der CSU beobachtet, die voller Stolz eine Achse mit den Rechtsradikalen in Budapest, Wien und Rom bildet, entwickelt man Sympathien für Angela Merkel, die von der Bajuwarischen Bande gehasst wird wie die Pest.
Wer so sehr von Söder und Seehofer verachtet wird, kann ja nicht ganz verkehrt liegen.

[….] Die CSU schrumpelt zum Merkel-weg-Projekt
[….] Wäre das Getöse ein Garant für den Wahlerfolg - die CSU stünde nicht nur vor der absoluten, sondern vor der Zweidrittelmehrheit. Seehofer, Söder und Dobrindt dominieren die öffentliche Debatte. Die drei mögen einander nicht besonders, aber noch weniger mögen sie die Kanzlerin. Das ist der kleine gemeinsame christsoziale Nenner. Auf dieser Basis fällt jedem der drei jeden Tag etwas Neues ein, um die Kanzlerin zu sekkieren. Das kann man für großes Theater halten; es ist aber kleine Politik. Zum Theater gehört auch das Treffen des bayerischen mit dem österreichischen Kabinett in Linz, das staatspolitische Bedeutung suggeriert, aber keine hat.
Wer die bisherigen Darbietungen betrachtet, kann aber auch an der Bewertung zweifeln, dass es sich immerhin um großes Theater handle. Es fehlt nämlich der Publikumserfolg. Nach den Umfragen schadet der Großstreit um die Flüchtlingspolitik sowohl der CSU und Seehofer als auch der CDU und Angela Merkel. Das Ansehen von beiden hat gelitten, die Umfragewerte sinken. Die Werte für die AfD aber, deretwegen das Theater aufgeführt wird, sind so stabil wie eh und je. Die CSU besorgt das AfD-Geschäft. [….] Es ist ein Profi-Fehler der CSU, sich von der "Merkel muss weg"-Agitation von rechts außen infizieren zu lassen. Die CSU verschreckt damit ihr bürgerlich-liberalkonservatives Milieu, das für sie lebensnotwendig ist. Die CSU hat bei der Bundestagswahl Wähler nicht nur an die AfD, sie hat auch ganz massiv an die FDP verloren. Um die einen kümmert sie sich lautstark; für die anderen hat sie nichts übrig. Es ist töricht, wenn sich die CSU zu einer stramm rechtskonservativen, nationalfixierten Partei schrumpelt. Eine große Volkspartei bleibt man so nicht.
Die Schrumpelei ist das Projekt von Alexander Dobrindt, der von der konservativen Revolution schwadroniert und sich dabei an Armin Mohler orientiert, der eine Zeit lang für Strauß gearbeitet hat, aber dann bei den Republikanern landete, den Vorläufern der AfD, und für diese das Programm schrieb. [….]

Immerhin versucht sich Angela Merkel nun an einer Europäischen Lösung, setzt sich dafür ein, daß die EU nicht zerbricht und weigert sich (bisher) einfach alle Probleme mit der Migration kleineren und schwächeren und ärmeren Ländern in die Schuhe zu schieben.

Das ist nett von ihr und darin möchte ich sie auch unterstützen.

Aber es sei auch noch mal daran erinnert, daß Merkel ja tatsächlich viele dieser Probleme erst verursacht hat.
Damit meine ich nicht die von CSU und AfD täglich aufgetischte Lüge von der „2015ner Grenzöffnung.“
Merkel hat gar nichts geöffnet. Die Grenzen permanent offen zu halten, wurde im ersten Schengener Abkommen von 1985 von einer CDU/CSU/FDP-Regierung vereinbart, als Angela Merkel noch hinterm Eisernen Vorhang hockte.
Das ist ja gerade der große und bedeutende Fortschritt Europas, daß man zwischen

    Belgien
    Dänemark
    Deutschland
    Estland
    Finnland
    Frankreich
    Griechenland
    Island
    Italien
    Lettland
    Liechtenstein
    Litauen
    Luxemburg
    Malta
    Niederlande
    Norwegen
    Österreich
    Polen
    Portugal
    Schweden
    Schweiz
    Slowakei
    Slowenien
    Spanien
    Tschechien und
    Ungarn

freizügig reisen und sich niederlassen kann.
Island, Norwegen, die Schweiz, die Azoren, Madeira und die Kanarischen Inseln gehören dazu, nicht aber die EU-Länder Irland, das Vereinigte Königreich, Rumänien, Bulgarien, Kroatien und Zypern.
Schengen ist nichts, das vom „bösen Brüssel“ Deutschland aufoktroyiert wurde.

Also noch mal zum Mitschreiben, liebe geistig Benachteiligte von AfD und CSU:
Weder hat Frau Merkel 2015 Grenzen für Flüchtlinge geöffnet, noch ist sie für die Reisefreiheit zwischen den meisten europäischen Staaten verantwortlich.

Ähnlich wie Obamas katastrophale Indolenz in seiner ersten Amtszeit, rächt sich aber auch Merkels 12-jährige europapolitische Untätigkeit.

Sie ist durchaus eine kräftige Verstärkerin der Fluchtursachen, unterließ es über Jahre fahrlässig sich gegen rechtspopulistische Strömungen in Europa zu stemmen, ließ eine Dekade lang EU-Gipfel ungenutzt verstreichen, statt sich um eine gemeinsame Flüchtlingspolitik zu kümmern und insbesondere vergiftete sie nachhaltig das Klima mit ihrer brutalen Austeritätspolitik, die Deutschland die Kassen füllte und die südlichen EU-Staaten ausbluten ließ.

[….] Deutschland macht 2,9 Milliarden Euro Gewinn mit Griechenland-Hilfe
Deutschland gilt als Zahlmeister Europas. An der Rettung Griechenlands hat die Bundesrepublik allerdings ganz gut verdient. [….]

Merkel log öffentlich, die Griechen hätten mehr Urlaub und arbeiteten weniger als Deutsche und verschwieg wie extrem der deutsche Staat und deutsche Banken von der „Rettungspolitik“ profitierten, während im Süden jeder zweite Jugendliche arbeitslos wurde durch das Spardiktat.

Daß auch Merkels Finanzminister Schäuble massiv die Öffentlichkeit über die Griechen-Finanzen belog, entspricht seiner Natur. Der Mann, den sich CSU und Presse als Merkel-Nachfolger wünschen, ist notorischer Lügner.

Merkel ist nicht schuldlos an unserer Misere.
Ihr jahrelanges politisches Versagen rächt sich jetzt.
Auch wenn sie nun in größter Not doch zu Macron kriecht, zeigt sie im transatlantischen Verhältnis weiterhin ihre völlige Rückgratlosigkeit.
Ungeeignet als Kanzlerin, die Schaden vom deutschen Volk abwenden soll.

[….] Von Donald Trump ist man wahrlich einiges gewohnt. Doch was sich der US-Präsident derzeit leistet, ist beispiellos in der Nachkriegsgeschichte. Er mischt sich dreist und direkt in die inneren Angelegenheiten der Bundesrepublik Deutschland ein. Mit dümmlichen Lügen, die sich lesen, als kämen sie direkt von Pegida oder anderen Dumpfbacken. [….]
Und was sagt die Bundeskanzlerin dazu? Mehr oder weniger gar nichts. Sie verwies lediglich lahm auf die Kriminalitätsstatistik. Die spreche für sich. Nein, das tut sie eben nicht. Angela Merkel hätte sprechen müssen, laut und deutlich. Warum verbittet sich die Kanzlerin nicht die Unverschämtheit eines anderen Regierungschefs, schadenfroh über ihren Sturz zu spekulieren? Warum sagt sie nicht geradeheraus, dass Trumps Tweets zu dem Thema allesamt Lügen und Erfindungen sind? Und warum lässt sie nicht den US-Botschafter Richard Grenell einbestellen? […..]

 [….] Trump handelt offen. Der amerikanische Präsident betreibt seine immerwährende Desinformationskampagne nun auch höchstpersönlich gegen die Bundesrepublik Deutschland. Er benutzt sie, um seine moralisch verkommene Flüchtlingspolitik vor der US-Bevölkerung zu rechtfertigen. [….] Die hiesige Koalitionskrise im Streit um die Flüchtlingspolitik nahm der US-Präsident zum Anlass einer beispiellosen Einmischung. Das deutsche Volk wende sich von seiner Führung ab, twitterte Trump geradezu schadenfroh, die Kriminalität sei stark angestiegen, log er. In ganz Europa habe man den großen Fehler begangen, Millionen Menschen hereinzulassen, die die dortige Kultur auf gewaltsame Weise stark verändert hätten.
Abgesehen davon, dass auch das gelogen ist, schreibt es ausgerechnet ein Mann, der wie aktuell kein zweites menschliches Wesen verantwortlich ist für den brachialen Versuch, all das einzureißen, was mühsam seit dem Zweiten Weltkrieg an politischer Kultur des Miteinanders zwischen den Völkern aufgebaut wurde.
In einer zweiten Einlassung wiederholte Trump seine Lüge von der angestiegenen Kriminalität in Deutschland und setzte eine weitere Behauptung drauf: Beamte würden diese Verbrechen nicht melden wollen. Trumps Tweets lesen sich wie direkt aus einer untergangsbesoffenen Pegida-Rede abgeschrieben.
[….] Angela Merkel hat angesichts dieser Bedrohung viel zu verhalten reagiert. [….] Nein, dieser US-Präsident war nie ein Partner, er ist ein erbitterter Gegner. Wir sollten endlich anfangen, ihn dementsprechend zu behandeln. Eine Einbestellung des US-Botschafters und formaler Protest können da nur erste Schritte sein. [….]  Wir wussten schon lange, dass wir uns auf die USA unter Donald Trump nicht mehr verlassen können. Spätestens jetzt ist klar: Wir müssen uns vor ihm schützen. […..]