Donnerstag, 29. Mai 2025

Drohungen und Konsequenzen.

Als meine Mutter nicht mehr gut zu Fuß war, ging ich oft mit ihr einkaufen und kutschierte sie. Dabei wurde es zum Running Gag, bei kreischenden nervtötenden vorlauten Kindern zu fragen „so war ich doch hoffentlich nicht in dem Alter?!“, um dann stets von ihr versichert zu bekommen „Nein, mein Sohn!“

Ihr größtes Vergnügen war es stets, wenn jemand aus ihrer Alterskohorte mit mir zu tun hatte und ihr später berichtete, wie „wohlerzogen“ ich geraten sei.

Lachend zog sie dann das Lob auf sich und erklärte, das sei nicht das Ergebnis von Erziehungsmaßnahmen, sondern gelinge nur durch „vorleben“.

Ich halte das heute noch für die entscheidende Komponente der kindlichen Prägung: Die Blagen gucken sich ihr Verhalten bei den Eltern ab.

In meinem Fall konnte das eine andere wichtige Komponente meiner Erziehung überkompensieren: Konsequenz. Kinder sollten sich auf die Ansagen ihrer Eltern verlassen und nicht alles ausdiskutieren können, so daß sie am Ende mit jeder Spinnerei durchkommen und sich um Schwierigkeiten drücken.

Das war leider gar keine Stärke meiner Mutter.

Es gab Zeiten, als mein Bruder und ich im Vorschulalter ein Zimmer teilten, am Sonntag mit dem ersten Vogelgezwitscher aufwachten, nur um im Streit um die Massen von Spielzeug so zu eskalieren, daß das gesamte Haus geweckt wurde. Man ließ uns recht lange zanken, bis irgendwann meine Mutter hereinrauschte, um gar Fürchterliches anzudrohen, wenn nicht sofort Ruhe sei. Verbote, Absage von Geburtstagen, bzw Weihnachten, kein Taschengeld und besonders beliebt: blumig ausgemalte Schilderungen, wie all unsere Lieblingsspielzeuge – Lego und Playmobil hauptsächlich – in große Säcke gepackt und für immer weggeworfen würden.

Ich erinnere mich an ein Gefühl der Peinlichkeit, weil es wieder so weit gekommen war. Aber wir stritten am nächsten Tag weiter, weil uns nie wirklich das Spielzeug weggenommen wurde. Das hatten wir Übeltäter, wenn auch unbewußt, schnell begriffen: Die Drohungen gingen ins Leere. Muttern würde sich bald beruhigt haben und dann war alles vergessen.

Ich weiß nicht, wie lange diese geschwisterliche Streitphase dauerte und es lebt leider kein damals Erwachsener mehr, den ich fragen könnte. Meine Mutter fand aber eine Lösung, die alle zufriedenstellte: Die Trennung; ich zog aus und bekam mein eigenes Zimmer in einem anderen Stockwerk. In meiner subjektiven Erinnerung haderte nie jemand damit. Wir spielten gar nicht mehr zusammen, genossen die Abwesenheit des Geschwisters und entwickelten andere Kulturen.

Mein Bruder behielt die etwa zehn Zentner Lego für sich, die er zusammen mit allerlei anderem Müll auf dem Fußboden ausstreute. Ich rümpfte die Nase und beschloss fortan pingelig ordentlich zu leben. Mein Zimmer sollte das eines Erwachsenen sein und penibel sauber gehalten werden. Pfft, wer spielte denn noch mit Lego? Das war nur was für Kleine.

Mit Erwachsenen funktioniert die Mischung aus Drohungen, Inkonsequenz und räumlicher Trennung eher nicht so gut; egal wie schön man die eigenen friedlichen Werte vorlebt. Bei Parteien, oder gar Staaten, kann man solche Methoden gleich vergessen. Die wittern jede Schwäche und verhalten sich nicht demokratisch-anständig, weil andere das auch praktizieren.

Oppositionsführer Merz verstieg sich gelegentlich im Bundestag zu Drohungen und Ultimaten an Putin. Das ist so seine Art. Mit der Hand auf den Tisch schlagen, die Phonstärke erhöhen und ex cathedra loszulegen „wenn ihr nicht sofort xy macht, nehme ich euch alle Legosteine weg!“

Aber nicht nur, nimmt er die Legosteine nie wirklich weg; er leugnet auch noch, jemals damit gedroht zu haben, wenn er auf seine politisch maximalen Dümmlichkeiten angesprochen wird.

[….]  „Flip-Flop-Merz“ [….] Friedrich Merz behauptet, Russland nie ein Ultimatum gestellt zu haben – obwohl das Bundestagsprotokoll und diverse Videos das Gegenteil beweisen. Es ist nicht das erste Mal, dass der CDU-Chef innerhalb kürzester Zeit seine Meinung ändert. [….] Olaf Scholz wurde sehr deutlich. „Friedrich Merz will der Nuklearmacht Russland ein Ultimatum stellen“, sagte der Bundeskanzler in seiner Rede bei der „Wahlsiegkonferenz“ der SPD am vergangenen Samstag. Wenn Putin nicht tue, was Deutschland will, dann werde nach 24 Stunden mit deutschen Marschflugkörpern weit nach Russland hineingeschossen. So habe es der CDU-Kanzlerkandidat angekündigt. „Ich kann da nur sagen: Vorsicht! Mit der Sicherheit Deutschlands spielt man nicht Russisch-Roulette!“, mahnte Scholz.

Die Empörung bei Friedrich Merz war groß. „Ich habe zu keinem Zeitpunkt dem russischen Präsidenten ein Ultimatum gestellt“, sagte der Vorsitzende und Kanzlerkandidat der CDU am Dienstag vor einer Fraktionssitzung im Bundestag. Dass das nicht stimmt, lässt sich jedoch leicht beweisen. So vermerkt das Bundestagsprotokoll in einer Rede von Merz als Antwort auf die Regierungserklärung von Scholz am 16. Oktober: „Wenn er (Putin, Anm.d.Red.) nicht innerhalb von 24 Stunden aufhört, die Zivilbevölkerung in der Ukraine zu bombardieren, dann müssen aus der Bundesrepublik auch Taurus-Marschflugkörper geliefert werden, um die Nachschubwege zu zerstören, die dieses Regime nutzt, um die Zivilbevölkerung in der Ukraine zu schädigen und zu bombardieren.“ Etwas später in seiner Rede forderte Merz Scholz auf, seine „Angst vor Putin“ zu überwinden.

Aus der SPD erntete der CDU-Chef für sein Manöver scharfe Kritik. „Merz wechselt im zentralen Feld der Außenpolitik seine Meinung wie andere ihre Hemden“, schrieb der außenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Nils Schmid, am Mittwoch auf X und bezeichnete den Unionskanzlerkandidaten als „Flip-Flop-Merz“. Deutsche Außenpolitik brauche „Beständigkeit, Nervenstärke und Besonnenheit – gerade in schwierigen Zeiten“. Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion Katja Mast bezeichnete Merz‘ Verhalten am Mittwoch als „total unberechenbar“. Das häufige Wechseln seiner Meinung zeige, „dass Merz nichts zu Ende bringt“.

Das Hin und Her in der Ultimatumsfrage ist nur eines von mehreren Beispielen, in denen Friedrich Merz seine Position innerhalb kürzester Zeit geändert hat. Zu Beginn des Jahres hielt er der damaligen Ampel-Regierung im Bundestag klar entgegen: „Ich schließe eine Zustimmung meiner Fraktion zu einer Aufweichung der Schuldenbremse heute von dieser Stelle erneut aus. Damit können Sie nicht rechnen.“ Knapp zehn Monate später, Mitte November, bezeichnete er bei einer Veranstaltung der „Süddeutschen Zeitung“ Veränderungen an der Schuldenbremse dagegen als ein technisches Thema. „Selbstverständlich kann man das reformieren“, sagte Merz auf Nachfrage. Die Frage sei nur, wozu. Schließlich musste CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann seinen Chef einfangen. Seine Partei stehe ohne Wenn und Aber zur Schuldenbremse, teilte er mit.

Ähnlich flexibel zeigte sich Friedrich Merz zuletzt beim „Deutschlandticket“. „Killt Friedrich Merz das Deutschlandticket?“, fragte noch am 13. November „Spiegel online“. [….] Drei Tage später, am 16. November, dann die Kehrtwende. „Das Deutschlandticket ist finanziert für das Jahr 2025“, teilte Friedrich Merz nach einer Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit. [….] Und auch als Mitte November eine fraktionsübergreifende Gruppe von Abgeordneten einen Antrag vorstellte, um den Abbruch von Schwangerschaften zu legalisieren, zeigte sich Friedrich Merz zunächst erbost. „Ich bin wirklich entsetzt darüber, dass derselbe Bundeskanzler, der immer wieder vom Zusammenhalt, vom Unterhaken und von Gemeinsinn spricht, mit auf der Liste dieses Gruppenantrages mit seiner Unterschrift erscheint“, schimpfte der CDU-Chef.  Die Streichung von Paragraf 218 aus dem Strafgesetzbuch bezeichnete Merz als Thema, „das wie kein zweites das Land polarisiert, das wie kein zweites geeignet ist, einen völlig unnötigen weiteren gesellschaftspolitischen Großkonflikt in Deutschland auszulösen“. Doch auch hier hielt Merz‘ Meinung gerade einmal zwei Wochen. „Natürlich kann man sich nach so vielen Jahren noch einmal neu mit dem Thema beschäftigen“, sagte Merz am 30. November gegenüber den „Stuttgarter Nachrichten“. [….]

 (Kai Doering · 4. Dezember 2024)

Es sind die grundlegendsten Merz-Charakteristika: Unkenntnis, verbal lospoltern, ohne die Konsequenzen abzusehen, 180°-Wenden und Leugnung.

Deswegen durfte Merz auch niemals Bundeskanzler werden.

Einen Oppositionsführer kann man nämlich international ignorieren. Den Regierungschef nicht. Merz kann aber nicht nicht Merz sein und so poltert er immer weiter. Aber nun schüttelt man nicht nur in den deutschen Parlamentsredaktionen den Kopf über so viel Dämlichkeit. Jetzt wird Merz international ausgelacht.

[….] Das Vorhaben, Donald Trump für neue Sanktionen gegen Putin mit an Bord zu holen, geht nicht auf! Nun stehen Kanzler Friedrich Merz und die übrigen Staats- und Regierungschef der europäischen „Koalition der Willigen“ mit ihrem geplatzten Ultimatum an den Kreml blamiert da.

Laut einem Bericht der „New York Times“ hat Trump ganz andere Pläne. Sicherheitspolitik-Experte Carlo Masala zieht ein bitteres Fazit für Merz.

Wie das US-Blatt unter Berufung auf Insider aus dem Weißen Haus berichtet, soll Trump am Montag angedeutet haben, dass er seine Vermittlungsbemühungen im Ukraine-Krieg zurückfahren will. Mehr noch: Er distanziert sich von den Europäern, die gemeinsam mit den USA neue Sanktionen beschließen wollten, um den Druck auf Putin deutlich zu erhöhen.

Offenbar verfolgt Trump eigene wirtschaftliche Interessen mit Russland, wie die „New York Times“ weiter schreibt. Er will scheinbar den Handel zwischen den beiden Ländern intensivieren. Die europäischen NATO-Staaten stehen nun ziemlich alleine gegen Putin. Kein Waffenstillstand in der Ukraine, kein verbindlicher Zeitplan für Friedensgespräche, kein erhöhter Druck auf Putin und dazu noch Trumps Drohung, aus den Vermittlungen auszusteigen. [….]

(Marcel Görmann, der Westen, 28.05.2025)

Willkommen in der Realität, Herr Merz. Es konnte ja keiner ahnen, daß Regieren ein bißchen anspruchsvoller ist, als im Bundestag ohne Verantwortung konsequenzenlos Maximalforderungen zu postulieren. Unglücklicherweise ist Merz völlig erkenntnis- und beratungsresistent. Und so irrlichtert er weiter mit markigen Ansagen durch die Weltpolitik, die er allesamt nicht einhalten kann.

[….] Das neue Kommunikationskonzept des Bundeskanzlers vis-à-vis Russland – die „strategische Ambiguität“ – mag durchaus Vorteile haben. Inzwischen kann man allerdings den Eindruck bekommen, dass Friedrich Merz sich selbst in seiner Uneindeutigkeit verläuft. Das war schon vor knapp drei Wochen in Kiew so, als er Russland ultimativ zu einem Waffenstillstand aufgefordert hat, was Moskau seither mit Raketengewittern auf die Ukraine beantwortet. Die von Merz angedrohten „massiven“ neuen Sanktionen sind jedoch bis heute ausgeblieben. Warum hat er sie dann angekündigt?

Ähnlich verwirrend war nun die Aussage des Kanzlers dazu, dass die westlichen Verbündeten der ukrainischen Armee keine Vorgaben dazu mehr machen, wie weit nach Russland hinein sie mit den gelieferten Waffen schießen darf. Was meint der Kanzler damit? [….] Merz neigt offenbar zu unbedachten, zuweilen etwas markigen Worten, die entschlossen klingen. Als Bundeskanzler sollte er aber eher darauf bedacht sein, dass die Welt ihn ernst nehmen kann. [….]

(Hubert Wetzel, 27.05.2025)

Man kann sich nur schämen für diesen Tölpel im Kanzleramt.

[….]  Was waren das wieder für kraftvolle Bilder. Seite an Seite schritten Friedrich Merz, Keir Starmer, Donald Tusk und Emmanuel Macron durch Kyjiw. Gemeinsam mit Wolodymyr Selenskyj gedachten sie gefallener ukrainischer Soldaten. Im Gepäck hatten die europäischen Regierungschefs ein Versprechen: Entweder Russland stimme einem Waffenstillstand zu – oder man verhänge »massive« neue Sanktionen. Und zwar gemeinsam mit den USA.  Keine drei Wochen später ist der Bluff endgültig aufgeflogen. Am Wochenende befahl Wladimir Putin die heftigsten Angriffe seit Kriegsbeginn. Hunderte Drohnen gingen auf ukrainische Städte nieder. Allein am Sonntag starben mindestens zwölf Menschen.

Und die angedrohten »massiven« Sanktionen? Gibt es bis heute nicht.

US-Präsident Donald Trump schimpft zwar über den »absolut verrückten« Putin. Ansonsten fasst er den Kremlherrscher aber weiter mit Samthandschuhen an. Und die Europäer haben ohne Trump bisher nicht mehr als ein dürres Sanktionspaketchen zustande gebracht, das sie ohnehin verabschiedet hätten. [….] Aber das bange Hoffen auf einen Sinneswandel im Weißen Haus ersetzt keine eigene Strategie. Von leeren Drohungen lässt Wladimir Putin sich nicht beeindrucken. Und wenn er Schwäche wittert, schlägt er umso härter zu. Seine Armee setzt bereits zur Sommeroffensive an.  […]

(Steffen Lüdke, 27.05.2025)

Trump und Putin sind ganz offensichtlich mehrere Nummern zu groß für den vorlauten Sauerländer, der nach drei Wochen Kanzlerschaft schon am Ende mit seinem außenpolitischen Latein ist.

[….] Volle Breitseite gegen den Kanzler

Bundeskanzler Merz schlägt härtere Töne gegenüber Moskau an. Das russische Regime reagiert mit Goebbels-Vergleichen – und nutzt Merz’ missglückte Aussagen zu Waffenreichweiten, um weiter Stimmung gegen Deutschland zu machen. [….]

(Christina Hebel, Spon, 29.05.2025) 

Merz kann es einfach nicht, Er ist der falsche Mann für den Job. Selbst seine starken Fürsprecher geraten bereits ins Grübeln.

[….] Es lässt sich langsam ein Muster der neuen Regierung erkennen: Vor der Wahl Großes ankündigen, das dann später kleinlaut zurückgenommen wird; so war es bei der Schuldenbremse und auch bei der Lieferung des Taurus. Erwartungen aufbauen, dann abräumen. Als wäre alles nur ein Zauber gewesen.

Es bleibt die Frage, ob diese neue Flexibilität tatsächlich eine Tugend ist – oder nur das alte Durchwursteln in neuem Gewand.  [….]

(Sabine Rennefanz, 29.05.2025)